LG Nürnberg - Urteil vom 08.09.2004 - Az.: 4 Ns 02 Js 62068/2004
Der Missbrauch eines Parkausweises ("aG" = außergewöhnlich gehbehindert) kann zu erheblichen Geldstrafen führen.
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat am ………. gegen die Angeklagte einen Strafbefehl wegen Missbrauchs von Ausweispapieren erlassen, welcher am ……………. zugestellt worden ist. Mit einem am ………………beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Angeklagte dagegen Einspruch erhoben. Dieser war zulässig und das Amtsgericht hat gem. § 411 Abs. 1 StPO Hauptverhandlung durchgeführt.
Durch Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 21.04.2004 ist die Angeklagte wegen Missbrauchs eines Ausweispapiers gem. § 281 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je ……. Euro verurteilt worden.
Dagegen hat der bevollmächtigte Verteidiger der Angeklagten mit Schriftsatz vom …………… - eingegangen beim Amtsgericht am gleichen Tage - Rechtsmittel eingelegt und dieses mit Schriftsatz vom ………… als Berufung bezeichnet. Diese war statthaft, form- und fristgerecht und damit zulässig (§§ 312, 314 I StPO).
Nach erneuter Beweisaufnahme war diese Berufung mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je …… Euro verurteilt wird.
II.
Die Angeklagte ist am ……….. geboren, und verdient ……………….. netto im Monat.
Ihre Auskunft aus dem Zentral- und Erziehungsregister ……………….
III.
Am ………... 2004 parkte die Angeklagte von 13.10 Uhr bis 13.50 Uhr auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz vor dem Anwesen Nr. …… in der ……straße in Nürnberg den Pkw, Marke BMW, amtliches Kennzeichen …………… . Sie wusste, dass dieser Parkplatz mit dem Zeichen 314 mit dem Zusatz: "Mit Parkschein Werktags von 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr" ausgeschildert war und löste dennoch bewusst keinen Parkschein und zahlte keine Parkgebühr, obwohl sie allein im Fahrzeug gewesen ist.
Stattdessen lies sie bewusst einen "Parkausweis für Behinderte" des Tiefbauamts der Stadt Nürnberg unter der Windschutzscheibe des Fahrzeugs liegen, der mit Lichtbild für „…………………..“ ausgestellt war und den Vermerk hatte: "Dieser Ausweis berechtigt zur Inanspruchnahme der geltenden Parkerleichterungen in dem Mitgliedstaat in dem sich der Parkberechtigte aufhält. Dieser Ausweis ist im Fall seiner Benutzung im vorderen Teil des Fahrzeugs so anzubringen, dass die Forderseite des Ausweises zu Kontrollzwecken gut sichtbar ist".
Beim Parkausweis befand sich ein Schreiben, dass der Ausweis nur aufgelegt werden darf, wenn die Berechtigte mit dem Fahrzeug unterwegs wäre.
IV.
1.
Die Angaben zu Ziffer II. stammen soweit von der Angeklagten glaubhaft selbst,
…..
2.
Darüberhinaus hat die Angeklagte keine Angaben zur Sache gemacht.
Der Polizeibeamte ………………… hat jedoch uneidlich als Zeuge den äußeren Sachverhalt gem. Ziffer III. so geschildert.
Seine Angaben waren sicher, ohne Widersprüche und an deren Richtigkeit bestehen für das Gericht keine Zweifel.
Er hat insbesondere ausgesagt, er habe an dem o.g. Tag die Parkregelung in der Fußgängerzone um die ……straße in Nürnberg überwacht. Dabei habe er gegen 13.10 Uhr das genannte Fahrzeug mit dem Parkausweis festgestellt, habe jedoch weiter seinen Kontrollgang fortgesetzt. Als gegen 13.50 Uhr die Angeklagte den Pkw aufgesperrt habe, habe er diese angesprochen, ob sie Fahrerin des Fahrzeugs sei und auf den ausliegenden Behindertenausweis angesprochen.
Diese habe keine Überraschung gezeigt, dass der Ausweis unter der Windschutzscheibe aufliege, sondern habe sofort geantwortet, dies sei ein Ausweis ihrer Mutter, für die sie Besorgungen erledige. Man habe ihr gesagt, dass sie diesen benützen dürfe, wenn sie Besorgungen für ihre Mutter erledigte.
Der Ausweis sei am Armaturenbrett des Fahrzeugs deutlich von außen sichtbar gewesen. Die Angeklagte habe gemeint, er - der Zeuge - könne es bei einer Belehrung belassen - und damit sei die Angelegenheit erledigt.
Als er sie auf das Begleitschreiben zum Behindertenparkausweis angesprochen habe, habe die Angeklagte geäußert, dass in diesem Schreiben nicht ausdrücklich vermerkt sei, dass ihre Mutter dabei sein müsse, wenn sie den Behindertenparkausweis auflege.
Nach Belehrung habe sie keine Angaben mehr gemacht.
3.
Der in Augenschein genommene, unter der Windschutzscheibe ausliegende Ausweis
zeigte ein Lichtbild einer bezeichneten Ausweis-Inhaberin …………….. und auf der
Rückseite eine Rollstuhlfahrersymbol. Mit Siegel war er vom Tiefbauamt der Stadt
Nürnberg ausgestellt. Als verlesene Urkunde war dieser Ausweis ein "Parkausweis
für Behinderte" gem. "Modell der Europäischen Gemeinschaften" der bis 31.10.2006
gültig war und die Ausweis-Nr. ………….. hatte und von der Stadt Nürnberg,
Tiefbauamt Straßenverkehr und Wegerecht 90317 Nürnberg hatte. Auf der anderen
Seite war bestätigt, dass dieser Ausweis berechtigt zur Inanspruchnahme der
geltenden Parkerleichterungen in dem Mitgliedsstaat, in dem sich der
Parkberechtigte aufhält.
Dieser Ausweis sei im Fall seiner Benutzung im vorderen Teil des Fahrzeugs so anzubringen, dass die Forderseite des Ausweises zu Kontrollzwecken gut sichtbar ist.
V.
Zur Überzeugung des Gericht hat sich die Angeklagte eines Missbrauchs eines Ausweispapieres gem. § 281 StGB schuldig gemacht.
1.
Bei der unter der Windschutzscheibe ausgelegten Urkunde handelt es sich um einen
Ausweis, denn auf Grund des Wortlauts und der Gestaltung handelte es sich um
eine Urkunde, die von einer Behörde über die persönlichen Verhältnisse einer
Person ausgestellt worden ist (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Auflage, § 275 RdNR.
2).
Diese Ausweisfunktion kommt deutlich auch durch die - nicht strafrechtlich relevanten - Entscheidungen des VG Berlin NZV 1996, 48 und des VGH Mannheim NJW 1992, 2442 zum Ausdruck, wonach die Berechtigung zur Nutzung eines Parkplatzes, der durch Zeichen 314 gekennzeichnet ist, nur dem Parkausweisinhaber zusteht und dieser nicht die Benutzung durch andere Kraftfahrzeugführer gestatten kann und dass ein Schwerbehinderter mit Gehbehinderung zur Benutzung eines Sonderparkplatzes nur dann berechtigt ist, wenn sein Parkausweis gut sichtbar im Fahrzeug ausgelegt ist.
2.
Zur Überzeugung des Gerichts hat die Angeklagte diesen Ausweis auch zur
Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.
2.1.
Ein erstes Anzeichen dafür ist bereits, dass die Angeklagte keine Parkgebühr
bezahlt hat. Dabei wird jedoch ausdrücklich berücksichtigt, dass dies auch
lediglich eine Ordnungswidrigkeit sein könnte, da es doch vorkommt, dass
Parkende ihre Zahlungspflicht ignorieren oder nicht erkennen und dennoch ohne
Bezahlung parken.
2.2.
Ihre oben geschilderten Äußerungen gegenüber dem Polizeibeamten und Zeugen
………………. zeigen jedoch nach Auffassung des Gerichts eindeutig, dass sich die
Angeklagte der Situation bewusst war und den Behindertenausweis beim Parken
ausgenutzt hat.
Denn ihre spontanen Äußerungen gegenüber dem Polizeibeamten lassen sich nicht anders deuten.
2.3.
Diese Angaben gegenüber dem Polizeibeamten und Zeugen ………… sind auch verwertbar,
da es sich um spontane Äußerungen der Angeklagten handelt, die nicht einem
Verwertungsverbot gem. § 136 a Abs. 3 StPO unterliegen (BGH bei Dallinger MDR
1970, 14, BGH St 34, 365 (370)).
Der Polizeibeamte und Zeuge ……….. hatte auch noch keinerlei Ermittlungen eingeleitet, sondern nur zur Vorbereitung eine Person - die Angeklagte - angesprochen, die das geparkte Fahrzeug aufgesperrt hat.
2.4.
Da die Angeklagte keine Angaben zur Sache gemacht hat, kann zwar auch ein
Verbotsirrtum gem. § 17 StGB nicht ausgeschlossen werden, dieser wäre jedoch in
jedem Fall vermeidbar gewesen.
Denn sowohl auf dem unter der Windschutzscheibe befindlichen Parkausweis, als auch aus dem vom Zeugen …………… geschilderten, und der Angeklagten vorgehaltenen Begleitschreiben war ersichtlich, dass diese nicht berechtigt ist, diesen Ausweis für sich zu nutzen.
Bei dieser Eindeutigkeit bestand für das Gericht auch keinerlei Veranlassung, die Strafe gem. § 49 Abs. 1 StGB zu mindern.
VI.
Es war deshalb vom Strafrahmen gem. §§ 38 - 40, 281 StGB auszugehen, also von Geldstrafe von 5 Tagessätzen bis zu 360 Tagessätzen oder von Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr.
Dabei war zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass ihr Vorteil aus dem Missbrauch von Ausweispapieren relativ gering gewesen ist.
Zu Lasten ist jedoch ……………..
Eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen erschien deshalb erforderlich, aber auch ausreichend. Gemäß den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten war nach Auffassung des Gerichts die Tagessatzhöhe mit … .. Euro festzusetzen, da bei einem Nettoeinkommen von Euro pro Monat ………….. .
VII.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.