LSG Niedersachsen-Bremen - L 5 B 3/06 VG - Beschluss vom 27.03.2007
Im Beschwerdeverfahren ist eine gesonderte Kostenentscheidung erforderlich, da das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine gesonderte Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darstellt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Kosten des vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim geführten Klageverfahrens S 7 VG 17/03.
Bei der 1974 geborenen Klägerin wurden vom Beklagten folgende
Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen i.S.d. Opferentschädigungsgesetzes
(OEG) bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. anerkannt:
1.
Somatoforme Störung i.S. eines psychogenen Schmerzsyndroms,
2. weitgehend
rekompensierte Borderline-Persönlichkeitsstörung,
3. mittelgradige depressive
Verstimmung (Bescheid vom 18. September 2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides
vom 13. März 2003).
Die auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und auf Feststellung einer höheren MdE gerichtete Klage wurde von der Klägerin für erledigt erklärt, nachdem die gerichtliche Sachverständige Dr. C. ebenfalls eine MdE von 40 v.H. vorgeschlagen hatte (nervenfachärztliches Gutachten vom 19. Juli 2004).
Den Antrag, dem Beklagten ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren damit begründet, dass sich der Beklagte durch den Erlass eines die Gewährung von Berufsschadensausgleich betreffenden Abhilfebescheides in die Rolle des Unterlegenen begeben habe. Das SG hat den Kostenantrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Beweisaufnahme die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestätigt habe, so dass die Klage voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. Da es im Klageverfahren allein um die Bewertung der schädigungsbedingten MdE gegangen sei, komme es für die Kostenentscheidung nicht auf den die Gewährung von Berufsschadensausgleich betreffenden Abhilfebescheid vom 10. September 2004 an (Beschluss vom 21. November 2006).
Gegen den der Klägerin am 13. Dezember 2006 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 15. Dezember 2006 eingelegte Beschwerde. Sie trägt vor, dass bei dem Beklagten eine zunehmende Tendenz zur unzureichenden Sachverhaltsermittlung festzustellen sei. Die Sachverhaltsaufklärung werde auf die Gerichte verlagert. Bei einem für den Betroffenen positiven Beweisergebnis gebe der Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis ab, um sich dadurch seiner Kostentragungspflicht zu entziehen.
Der Beklagte lehnt eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides durch die Ermittlungen im erstinstanzlichen Verfahren bestätigt worden sei.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Klageverfahren.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. Es sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung des Rechtsstreits zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Verfahren (Gutachten der Dr. C. vom 19. Juli 2004) hatte die Klage keine Aussicht auf Erfolg. Ebenso wenig hatte der Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben. Vielmehr war – entgegen dem Vortrag der Klägerin – der Erteilung der Bescheide vom 18. September 2002 und 13. März 2003 eine umfangreiche Sachverhaltsermittlung vorangegangen (Gutachten der Assistenzärztin D. /Dr. E. vom 19. Mai 2002; Prüfvermerk des Dr. F. vom 26. Juli 2002; versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. G. vom 31. März 2003). In der zuletzt genannten Stellungnahme hatte sich Dr. G. auch mit dem Vorbringen der Klägerin im Widerspruchsverfahren ausführlich auseinandergesetzt; vor Abgabe der Stellungnahme waren zudem die in der Schwerbehinderten-Akte enthaltenen medizinischen Unterlagen ausgewertet worden. Entgegen dem Vortrag der Klägerin endete das Klageverfahren S 7 VG 17/03 auch nicht durch Annahme eines sofortigen Anerkenntnisses, sondern infolge der Erledigungserklärung der Klägerin vom 21. September 2004.
Dass der Beklagte während des laufenden Klageverfahrens in einem den Streitgegenstand des Klageverfahrens nicht betreffenden Verwaltungs- bzw. Widerspuchsverfahren einen Abhilfebescheid erlassen hat (Bescheid vom 10. September 2004 betreffend die Gewährung von Berufsschadensausgleich), begründet - wie das SG bereits zutreffend dargelegt hat - ebenfalls keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Beklagten.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG. Der Senat hält unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung eine gesonderte Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren für erforderlich, da das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren (hier: Ansprüche nach dem OEG) eine gesonderte Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L 2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L 6 B 221/06 SB; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 176 Rn. 5; vgl. zur Verfahrensgebühr für sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).