Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 1/11 - Urteil vom 22.08.2013
Kann ein psychisch Erkrankter nicht an an öffentlichen Veranstaltungen, mithin Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art teilnehmen, die länger als 30 Minuten dauern, hat er Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF".
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung).
Die 1961 geborene Klägerin war zuletzt bis 1994 als Briefsortiererin bei der Deutschen Post beschäftigt und bezieht seit Beendigung dieser Tätigkeit eine inzwischen unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung.
Mit letztem bestandskräftigem Bescheid vom 9. August 2007 ist zugunsten der Klägerin ein GdB von 70 festgestellt worden. Die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), "B" und "RF" lehnte der Beklagte indes ab.
Den Verschlimmerungsantrag vom 26. Januar 2009, mit dem sie wiederum die
Zuerkennung des Merkzeichens "G" geltend machte, lehnte der Beklagte
mit Bescheid vom 30. April 2009 ab. Eine wesentliche Änderung in den
gesundheitlichen Voraussetzungen, die zu einer Erhöhung des GdB führen würde,
sei nicht gegeben. Aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen
Konversionsneurose mit psychosomatischen Störungen (Einzel-GdB 50)
Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung (Einzel-GdB 30)
Wirbelsäulenleiden (Einzel-GdB 20)
Darmpolypen, gastrointestinale Mykose (Einzel-GdB 10)
Chronische Magenschleimhautentzündung (Einzel-GdB 10)
Chronische Bronchitis (Einzel-GdB 10)
Gallensteinleiden (Einzel-GdB 10)
sei unverändert ein GdB von insgesamt 70 gegeben. Weder könne das Merkzeichen
"G" noch könnten andere Merkzeichen zuerkannt werden. Den hiergegen
erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 26. Mai 2009, in dem die Klägerin u. a.
darauf verwies, dass sie "keine GEZ-Befreiung" beantragen könne, wies
der Beklagte nach Begutachtung der Klägerin durch die Ärztin Dr. L-F aufgrund
deren Gutachten vom 5. September 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 10. November
2009 zurück. Auch eine Zuerkennung des Merkzeichens "RF" scheide aus.
Die Klägerin hat am 24. November 2009 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie die Feststellung eines höheren GdB sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "RF" geltend gemacht hat.
Nach Beiziehung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte hat der Beklagte den versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Fachärztin für Chirurgie Dr. H vom 29. April 2010 und des Facharztes für Allgemeinmedizin K vom 2. Juni 2010 folgend mit Bescheid vom 28. Juni 2010 einen GdB von 80 ab Dezember 2009 anerkannt. Er hat darin die Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung mit einem Einzel-GdB von 40 (ab Januar 2009) und das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 30 (ab Dezember 2009) bewertet. Das darin zum Ausdruck kommende Teilanerkenntnis hat die Klägerin am 23. Juli 2010 sinngemäß angenommen.
Die darüber hinausgehende Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtbescheid vom 30. November 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 ab der Antragstellung am 26. Januar 2009 bzw. als 80 ab dem 1. Dezember 2009. Auch lägen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht vor. Gleiches gelte hinsichtlich des Merkzeichens "RF". Dieses könne insbesondere auch nicht mit Blick auf die psychischen Erkrankungen der Klägerin zuerkannt werden.
Gegen den ihr am 8. Dezember 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Januar 2011 Berufung eingelegt, mit der sie einen höheren GdB sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF" geltend gemacht hat.
Der Senat hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Facharzt für Psychosomatische Medizin Dr. M mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 16. Januar 2013 gelangt der Sachverständige nach körperlicher Untersuchung der Klägerin zu der Einschätzung, dass über die zutreffenden Feststellungen im Bescheid vom 28. Juni 2010 hinaus ein mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertendes Migräneleiden vorläge. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" lägen nicht vor. Die Klägerin könne sich wie ein Fußgesunder fortbewegen. Indes werde die Klägerin durch die vorliegende Agoraphobie von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ständig ausgeschlossen. Die von ihm getroffenen Feststellungen würden für die Zeit seit der Antragstellung gelten.
Mit Schriftsatz vom 9. April 2013 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie im Berufungsverfahren die Merkzeichen "B" und "RF" begehre und es ihr um das Merkzeichen "G" nie gegangen sei. Die von Dr. M feststellte Migräne sei mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 in der Fassung des Bescheides vom 28. Juni 2010 zu verpflichten, bei der Klägerin ab dem 26. Januar 2009 einen höheren Grad der Behinderung sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "B" und "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung weder selbst erschienen noch vertreten gewesen ist. Denn die Klägerin ist ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. April 2013 die Klage hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" sinngemäß zurückgenommen hat, hat sich der Rechtsstreit diesbezüglich gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erledigt, so dass insoweit eine Entscheidung durch den Senat nicht mehr zu treffen war.
Die auf die Feststellung eines höheren GdB sowie auf Festsstellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" gerichtete Berufung ist zulässig und hinsichtlich des begehrten Merkzeichens "RF" begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" ist unzulässig.
Soweit die Berufung begründet ist, ist der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2009 in der Fassung des Bescheides vom 28. Juni 2010 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. In entsprechendem Umfang sind sowohl der Gerichtsbescheid als auch der Bescheid des Beklagten zu ändern und ist der Beklagte verpflichtet, zugunsten der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" ab Antragstellung festzustellen.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 für die Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht erforderlichen Nachteilsausgleichs "RF" ab Antragstellung vorliegen, vgl. § 69 Absatz 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der Fassung des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. Seite 82) - wobei spätere Änderungen, zuletzt im 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 15. Dezember 2010 (GVBl. Seite 551), die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen unberührt gelassen haben - werden für die Zeit bis zum 31. Dezember 2012 behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, auf Antrag im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Nach § 6 Abs. 3 des Achten Rundfunkgebührenstaatsvertrages kann die Rundfunkanstalt in besonderen Härtefällen unbeschadet der Gebührenbefreiung nach Absatz 1 von der Rundfunkgebührenpflicht befreien. Unter identischen Voraussetzungen wird der nunmehr ab dem 1. Januar 2013 durch diesen Personenkreis zu leistende Rundfunkbeitrag nach § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages in Verbindung mit dem Berliner Zustimmungsgesetz vom 20. Mai 2011 (GVBl. Seite 211) auf ein Drittel ermäßigt (vgl. § 4 Absatz 2 Nr. 3 bzw. Abs. 6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages).
Als öffentliche Veranstaltungen sind Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. Urteil vom 17. März 1982 - 9a/9 RVs 6/81, Rn.15 ff. bei Juris). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der schwerbehinderte Mensch in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der Nachteilsausgleich "RF" nur Personengruppen zugute kommt, die den ausdrücklich genannten schwerbehinderten Menschen (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial benachteiligten Menschen vergleichbar sind.
Ein ständiger Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen kann auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen gegeben sein (vgl. BSG, Urteile vom 16. Februar 2012 - B 9 SB 2/11 R und vom 28. Juni 2000 - B 9 SB 2/00 R -; Urteil des Senats vom 14. März 2013 - L 13 SB 76/11 - und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 2013 - L 3 SB 3862/13 -). Nach dem zitierten Urteil des BSG vom 16. Februar 2013 liegt ein gesundheitlich bedingter Härtefall, der die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" rechtfertigt, regelmäßig auch dann vor, wenn eine Person mit einem GdB von weniger als 80 wegen eines besonderen psychischen Leidens ausnahmsweise an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Insoweit handelt es sich allerdings wegen des Nichterreichens eines GdB von 80 um einen nach landesrechtlichen Voraussetzungen geregelten Härtefall, so dass die Befreiung bzw. Ermäßigung in das Ermessen der Rundfunkanstalt gestellt ist.
Dies zugrunde gelegt liegen zur Überzeugung des Senats die gesundheitlichen Voraussetzungen für das von der Klägerin begehrte Merkzeichen "RF" ab der Antragstellung im Jahre 2009 vor. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M, der nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Klägerin aufgrund der bestehenden Agroraphobie seit der Antragstellung unverändert nicht in der Lage ist, an entsprechenden Veranstaltungen im zuvor skizzierten Sinne teilzunehmen. Er hat überzeugend ausgeführt, dass die bei der Klägerin bestehenden Ängste und Phobien verbunden mit Panikstörungen auf schwerwiegende Traumatisierungen in der Kindheit, Jugend und Ehe zurückzuführen sind. Aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass diese Störungen nahezu unverändert fortbestehen. Zwar gelingt es der Klägerin zwischenzeitlich gelegentlich Einkäufe im geringen zeitlichen Umfang selbst zu tätigen und in Begleitung ihrer Tante vereinzelt Straßenbahn und Bus zu fahren. Gleichwohl leidet sie unverändert an einer schweren Persönlichkeitsstörung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die dazu führen, dass Menschenansammlungen von der Klägerin weitestgehend gemieden werden. Aufgrund des von dem Sachverständigen Dr. M beschriebenen Gesamtbildes der bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen mit zeitweiligen Panikattacken ist auch der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen jeglicher Art teilzunehmen, die länger als 30 Minuten dauern. Die im Befundbericht des Dr. K vom 14. März 2000 nicht nähere belegte und zudem bloße Einschätzung des behandelnden Arztes, dass die Klägerin in Begleitung und auf Drängen einer Begleitperson in der Lage sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen steht dem nicht entgegen.
Der Ausschluss der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen führt dazu, dass mit Blick auf den zuerkannten GdB von 80 ab dem 1. Dezember 2009 ab diesem Zeitpunkt die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" gegeben sind. Für die Zeit zuvor bis zur Antragstellung ist der GdB zwar - wie nachfolgend dargelegt - lediglich insgesamt mit 70 zu bewerten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sind indes gleichwohl auch für diesen Zeitraum erfüllt, weil die psychische Störung der Klägerin wegen der anhaltenden Phobien insoweit nicht anders zu bewerten ist und die Erhöhung des GdB von 70 auf 80 allein auf einer Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen des Wirbelsäulenleidens beruhen, mithin keine signifikante Abweichung gegeben ist, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" für die Zeit vor dem 1. Dezember 2009 anders zu beurteilen. Für die Zeit vor dem 1. Dezember 2009 wird jedoch ggf. die Rundfunkanstalt darüber zu befinden haben, ob sie einen Härtefall als gegeben ansieht.
Dem Anspruch der Klägerin auf die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" vorliegen, steht nicht entgegen, dass die Gebührenbefreiung bzw. Beitragsermäßigung für Behinderte einen Verstoß gegen den gebühren- bzw. beitragsrechtlichen Grundsatz der verhältnismäßigen Gleichbehandlung aller Nutzer darstellen dürfte. Denn die Versorgungsverwaltung und die Sozialgerichte haben lediglich über die gesundheitlichen Voraussetzungen des Befreiungs- bzw. Ermäßigungstatbestandes zu entscheiden, nicht jedoch über die Befreiung bzw. Ermäßigung selbst; hierüber haben die Rundfunkanstalten zu befinden (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 9 SB 2/00 R -). Die Berufung ist indes unbegründet und war zurück zu weisen, soweit die Feststellung eines höheren GdB als 70 ab dem 26. Januar 2009 und als 80 ab dem 1. Dezember 2009 begehrt wird. Mit dem Sachverständigen Dr. M ist auch der Senat davon überzeugt, dass erst die im Dezember 2009 nachgewiesene Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens einen Einzel-GdB von 30 rechtfertigt, so dass unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen aller bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen erst ab diesem Zeitpunkt der Gesamt-GdB mit 80 festzustellen ist (§§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 SGB IX i. V. m. den in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 - BGBl I S. 2412 -, festgelegten "versorgungsmedizinischen Grundsätze"). Eine darüber hinausgehende Erhöhung des GdB rechtfertigt sich auch sonst nicht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Migräneleidens, das in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. M nach Maßgabe des Teil B Nr. 2.3 der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 35, lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten ist, und daher, dem Regelfall entsprechend, als nur leichte Gesundheitsstörung nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führt (vgl. Teil A Nr. 3 d ee der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 23).
Die im Berufungsverfahren von der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B" ist zurückzuweisen. Die Klage ist unzulässig, weil mit der gerichtlichen Geltendmachung dieses Begehrens mit beim Senat am 9. April 2013 eingegangenem Schriftsatz der Klägerin die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides im November 2009 ersichtlich nicht gewahrt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG und berücksichtigt das verhältnismäßige wechselseitige Unterliegen und Obsiegen der Beteiligten.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.