Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 79/13 - Urteil vom 21.08.2014
Abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung haben Versicherte nach § 44 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach § 46 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Für den Umfang des Versicherungsschutzes ist demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld vom 30.3.2011 bis 30.5.2011.
Die 1960 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin stand bis zum 31.12.2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Sie erkrankte ab dem 15.11.2010 arbeitsunfähig wegen einer mittelgeradigen depressiven Episode (ICD-10 F32.1.G) und erhielt ab dem 27.12.2010 Krankengeld. Vom 31.5. bis mindestens 31.12.2011 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld.
Psychiater und Facharzt für Psychotherapie Dr. A. vermerkte im Februar 2011 auf dem Auszahlschein für Krankengeld, die Klägerin habe ihn nicht am vereinbarten Wiedervorstellungstermin, dem 18.1.2011, sondern erst am 20.1.2011 persönlich aufgesucht, da sie an Grippe erkrankt sei. Dr. A. bescheinigte der Klägerin im Folgenden weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 29.3.2011.
Die Zeugin K. (geb. F.), Mitarbeiterin der Beklagten, nahm dies zu Anlass, die Klägerin am 7.2.2011 anzurufen. In diesem Telefonat wies sie die Klägerin auf die Notwendigkeit der nahtlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hin. Sie müsse sich bei einer akuten Erkrankung grundsätzlich persönlich in der Arztpraxis vorstellen. Eine nachträglich ausgestellte rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne nicht anerkannt werden. Sei ein persönliches Erscheinen im Einzelfall einmal nicht möglich, sei die Klägerin verpflichtet, sich am gleichen Tag telefonisch bei der Praxis zu melden. In dem Vermerk, den Frau K. am selben Tag fertigte, führte sie auf, die Klägerin darauf hingewiesen zu haben, dass sie sich im Einzelfall nicht nur bei der Praxis sondern auch bei der Beklagten telefonisch melden müsse.
Am Morgen des 29.3.2011 rief die Klägerin in der Praxis von Dr. A. an und teilte der Sprechstundenhilfe mit, dass sie eine Durchfallerkrankung habe. Es wurde eine Wiedervorstellung für den 1.4.2011 vereinbart.
Bei der nächsten persönlichen Vorstellung der Klägerin in seiner Praxis am 1.4.2011 attestierte Dr. A. Arbeitsunfähigkeit vom 1.4.2011 bis zum 30.5.2011.
Da die Klägerin den die Zahlung von Krankengeld mit Ablauf des 29.3.2011 einstellenden Bescheid der Beklagten vom 1.4.2011 nicht erhalten hatte, rief sie am 21.4.2011 bei Frau F. an. Sie gab an, es sei ihr am 29.3.2011 nicht gut gegangen und sie sei mitten im Umzug gewesen. Sie habe den Arzt an diesem Tag nicht aufsuchen können.
Nachdem Dr. A. der Beklagten gegenüber am 27.4.2011 attestiert hatte, die Klägerin sei durchgängig arbeitsunfähig gewesen und habe zusätzlich vom 29.3. bis 1.4.2011 an einer Durchfallerkrankung gelitten, lehnte die Beklagte die Weitergewährung von Krankengeld über den 29.3.2011 hinaus ab. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass eine lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht vorliege und die Klägerin ab dem 30.3.2011 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert sei. Sie selbst habe angegeben, sie habe nicht kommen können, da sie mitten im Umzug gewesen sei.
Mit ihrem Widerspruch verwies die Klägerin auf ihre schlechte psychische und physische Verfassung. Bei dem Telefonat mit Frau K. habe sie gesagt, dass ihr der Bescheid der Beklagten wohl durchgegangen sei, da sie am 2.4.2011 mitten im Umzug gewesen sei. In der Nacht vor dem 29.3.2011 habe sie sich ein Magen-Darm-Virus eingefangen. Sie habe sich übergeben und nichts bei sich behalten, die Toilette nicht verlassen können. Ihr sei sehr schwindlig gewesen und sie habe erhöhte Temperatur gehabt. Da man bei Dr. A. mit bis zu 90 Minuten Wartezeit rechnen müsse, habe sie morgens in der Praxis angerufen. Die Sprechstundenhilfe habe ihr gesagt, da sie so nicht ins Wartezimmer könne, solle sie sich spätestens am 1.4.2011 wiedervorstellen. Dr. A. habe insoweit den Auszahlungsschein unvollständig ausgefüllt, da er dort keine Erklärung für die verspätete Vorstellung vermerkt habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, Krankengeld könne nicht ausnahmsweise rückwirkend zuerkannt werden, da die Klägerin nicht alles Mögliche und Zumutbare getan habe, um ihre Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Sie habe sich nicht unverzüglich bei der Beklagten gemeldet, um mitzuteilen, dass sie den Arzttermin nicht einhalten könne (Widerspruchsbescheid vom 7.6.2011).
Mit ihrer am 8.7.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin bekräftigt alles ihr Mögliche und Erforderliche getan zu haben, da sie am 29.3.2011 morgens in der Praxis angerufen habe. Auf die Aussage der Sprechstundenhilfe habe sie sich verlassen.
Nachdem über das Vermögen der Klägerin mit Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.8.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat der Kläger zu 2) als Partei kraft Amtes die Aufnahme des Rechtsstreits hinsichtlich der pfändbaren Anteile des Krankengelds erklärt.
Einen Antrag haben die Klägerin und der Kläger nicht gestellt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen.
Dr. A. hat in einem von der Klägerin vorgelegten Attest und auch auf Nachfrage des Sozialgerichts angegeben, dass die Klägerin sich am 29.3.2011 telefonisch gemeldet und ihr Fernbleiben wegen einer Magen-Darm-Erkrankung entschuldigt habe. Er habe keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Patientin.
Die als Zeugin vernommene Frau K. hat gegenüber dem Sozialgericht bekundet, sie habe die verspätete Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit im Februar 2011 zum Anlass genommen, die Klägerin auf die Wichtigkeit einer nahtlosen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung hinzuweisen. Sie habe den Eindruck gehabt, dass die Klägerin den Inhalt des Telefonats verstanden habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.11.2012 Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage (im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung) mit Urteil vom 29.11.2012 abgewiesen: Die Klägerin sei nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur bis zum 29.3.2011 mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.5.2012, B 1 KR 20/11) sei die am 1.4.2011 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr ausreichend, um das Ende der Mitgliedschaft zu verhindern. Die Klägerin habe schon einmal im Februar eine Arbeitsunfähigkeit verspätet feststellen lassen. Unter Berücksichtigung der glaubhaften Ausführungen der Zeugin gehe der Kammer davon aus, dass die Klägerin die Belehrungen der Zeugin verstanden und um die Wichtigkeit einer lückenlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gewusst habe. Vor diesem Hintergrund habe sie auch der Aussage der Sprechstundenhilfe, es reiche aus, sich innerhalb von drei Tagen beim Arzt zu melden, nicht vertrauen dürfen.
Gegen das ihr am 2.1.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.1.2013 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen ergänzt. Die Entscheidung überrasche sie, da das Sozialgericht im Erörterungstermin noch darauf abgestellt habe, ob sie die Belehrungen der Zeugin habe verstehen können. Frau K. habe ihr suggeriert, dass es im Einzelfall ausreiche, wenn sie sich telefonisch bei ihrem Arzt melde. Genauso ein Fall sei eingetreten und sie habe sich pflichtgemäß verhalten. Nicht richtig sei, dass Frau K. sie darüber belehrt habe, dass sie zusätzlich bei der Beklagten anrufen müsse. Es sei nicht glaubhaft, dass sich die Zeugin einerseits an die einzelnen Belehrungen erinnere, anderseits aber angebe, sich nicht an alle Details erinnern zu können. Weshalb der Anruf auch bei der Beklagten für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld zwingend sei, verstehe sie nicht. Infolge der missverständlichen Belehrung sei sie nach dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, als habe sie die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig feststellen lassen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3.5.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.6.2012 zu verurteilen, ihr Krankengeld in Höhe des nicht pfändbaren Anteils für die Zeit vom 30.3. bis 30.5.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils und die Entscheidungen des BSG vom 10.5.2012 (B 1 KR 19/11 R und B 1 KR 20/11 R) Bezug. Den Angaben von Dr. A. sei nicht zu entnehmen, dass die Klägerin in der Zeit vom 29.3.20011 an geschäfts- oder handlungsunfähig gewesen sei.
Dr. A. hat auf Nachfrage des Senats bestätigt, dass die Klägerin vom 29.3.2011 bis 30.5.2011 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die Berufung nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 240 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 85 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) entscheiden. Nach § 202 SGG i.V.m. § 240 ZPO wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Nachdem das Klageverfahren durch den Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.8.2011 unterbrochen worden war, hat der Kläger hinsichtlich der pfändbaren Anteile des Krankengelds am 2.2.2012 aufgenommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf den nicht pfändbaren Anteil des Krankengelds. Der Bescheid vom 29.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 7.6.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin war ab dem 30.3.2011 nicht mehr beruhend auf ihrer bis zum 31.12.2010 ausgeübten Beschäftigung mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert. Als die Klägerin am 1.4.2011 Dr. A. aufsuchte, um die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, war sie nicht mehr nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert. Ab diesem Zeitpunkt richtete sich die Versicherungspflicht (bis zum 30.5.2011) vielmehr nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.
Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach § 46 S. 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, § 24, § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (Ständige Rechtspr.: BSG, Urteil vom 4.3.2014 -B 1 KR 17/13 R-, BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 RdNr .16 m.w.N.; BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, RdNr. 17; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr. 6, RdNr. 24; a.A. Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 527). Hieran fehlt es.
Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen war die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum zuletzt wegen der Folgebescheinigung des Dr. A. auf dem am 2.3.2011 ausgestellten Auszahlungsschein nur bis Dienstag, den 29.3.2011 aufgrund der Aufrechterhaltung ihres Versicherungsschutzes mit Anspruch auf Krankengeld versichert, so dass die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Freitag, den 1.4.2011 hinsichtlich des Anspruchs auf Krankengeld rechtlich bedeutungslos ist. Soweit Dr. A. im Nachhinein mehrfach bestätigt hat, dass die Klägerin sicherlich auch in der Zeit vom 29.3. bis 1.4.2011 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei, ist dies unerheblich, weil Arbeitsunfähigkeit, wie sich aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V eindeutig ergibt, nicht rückwirkend festgestellt werden kann. Im Übrigen wäre hier noch nicht einmal eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (AU-Richtlinien in der Fassung vom 23.12.2006) möglich gewesen. Danach kann eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen ausgestellt werden. Eine Rückdatierung wäre demnach nur bis zum 30.03., nicht aber bis zum 29.3.2011 möglich gewesen.
Ein Ausnahmefall, in welchem eine unterbliebene rechtzeitige ärztliche Feststellung rückwirkend nachgeholt werden kann, liegt nicht vor. Die Rechtsprechung hat trotz der grundsätzlich strikten Anwendung in engen Grenzen Ausnahmen anerkannt, wenn Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten die ärztliche Feststellung bzw. Meldung der Arbeitsunfähigkeit verhindert oder verzögert hat oder diese durch Umstände verhindert oder verzögert wurden, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind (vgl. BSG, Urteile vom 22.6.1966 - 3 RK 14/64 -, vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 -, vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -, vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R -, vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R -; Vay in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, SGB V, § 49 Rdn. 37; Höfler, Kasseler Kommentar, SGB V, § 49 Rdn. 21a; Meyerhoff, jurisPK, SGB V, 2. Auflage 2012, § 46 Rdn. 27 ff). Als Beispiele werden in der Literatur Bergunfälle mit Rettung erst nach einigen Tagen und Ohnmachtsunfälle Alleinstehender mit Auffindung erst Tage später genannt. Normale, alltägliche Erschwernisse, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erlangen (z.B. Wochenende) rechtfertigen dagegen keine Ausnahme (Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, § 46 Rn. 14; Brandts in: KassKomm, SGB V, § 46 Rn. 13.) Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall sind hier nicht gegeben:
Die Klägerin hat vorgetragen, sich am 29.3.2011 über Nacht ein Magen-Darm-Virus eingefangen zu haben. Ihr sei schwindelig gewesen, sie habe Temperatur gehabt und sich übergeben müssen. In diesem Zustand sei es ihr nicht zumutbar gewesen, in der Praxis des Dr. A. 90 Minuten zu warten. Auch die Sprechstundenhilfe habe ihr von einem Besuch abgeraten und ihr gesagt, sie solle spätestens am 1.4.2011 wieder kommen.
Selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 29.3. bis 31.3.2011 infolge des Magen-Darm-Virus das Haus nicht verlassen konnte, so war die Klägerin durch die Erkrankung in keiner Weise handlungs- und/ oder geschäftsunfähig. Dies ist auch von der Klägerin nicht behauptet worden. Vielmehr war sie durchaus in der Lage, in der Arztpraxis anzurufen und nachzufragen, wie sie jetzt vorgehen soll. Die Klägerin hätte folglich alles in ihrem Verantwortungsbereich Mögliche unternehmen können und müssen, um vor Ablauf des bisherigen Arbeitsunfähigkeitszeitraums eine rechtzeitige Verlängerung zu erlangen. Der Anruf in der Praxis A. reichte dazu nicht aus. Die Klägerin hätte beispielsweise einen Notarzt rufen oder Dr. A. um einen Hausbesuch ersuchen können, um die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erreichen oder sich wenigstens bei der Beklagten erkundigen können, ob ihre bisherigen Anstrengungen ausreichend sind.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist.
Soweit die Sprechstundenhilfe des Dr. A. der Klägerin von der Beklagten nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge gegeben haben sollte, stehen der Klägerin ggf. Schadensersatzansprüche gegen diese bzw. Dr. A., nicht aber ein Krankengeldanspruch gegen die Beklagte zu. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass Vertragsärzte, die für die Beklagte Arbeitsunfähigkeit feststellen, nicht verpflichtet sind, die Versicherten bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit darauf aufmerksam zu machen, rechtzeitig vor dem Ende der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erneut vorzusprechen. Insoweit fehlt es bereits an einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung (BSG, Urteil vom 4.3.2014 - B 1 KR 17/13 R -; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 27).
Die Klägerin kann sich auch wegen eines Fehlverhaltens der Beklagten nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Es fehlt an der erforderlichen Kausalität zwischen der Ablehnung des (weiteren) Anspruchs auf Krankengeld und der Beratung der Klägerin durch die Zeugin im Telefonat vom 7.2.2011. Zwar hat der Senat erhebliche Zweifel, ob die hierbei von der Zeugin erteilten rechtlichen Hinweise zutreffend sind. Ob der Forderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, alles Zumutbare und Mögliche zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu unternehmen, beispielsweise durch einen Anruf beim behandelnden Arzt und bei der Beklagten Genüge getan ist, erscheint mehr als fraglich. Vielmehr hätte sich die Klägerin - wie bereits ausgeführt - um einen Hausbesuch oder einen Notarzt bemühen müssen. Dies muss der Senat aber ebenso wenig entscheiden wie die streitige Frage, welchen Inhalt die Belehrung tatsächlich gehabt hat. Eine Kausalität zwischen der fehlerhaften Beratung und dem eingetretenen Schaden wäre nämlich nur dann zu bejahen, wenn sich die Klägerin den Hinweisen der Zeugin entsprechend verhalten (also die Beklagte zusätzlich angerufen) und die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Krankengeld dennoch abgelehnt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).