1. Die Möglichkeit, nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, ist eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden.
2. Vor einer Entscheidung durch Beschluss muss das Berufungsgericht auf einen Schriftsatz des Klägers reagieren und den Kläger gegebenenfalls informieren, dass und weshalb es seinen - neuen - Vortrag gegebenenfalls für unerheblich hielt.
3. Regt der Kläger nach einem Anhörungsschreiben gemäß § 153 Abs 4 S 2 SGG die Einholung (weiterer) so verstößt eine folgende Entscheidung durch Beschluss ohne Hinweis an den Kläger, dass und weshalb der Anregung nicht gefolgt werde, regelmäßig gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens.
Tatbestand
Mit Beschluss vom 23. Januar 2003 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) in einem Verfahren um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 1995 ohne mündliche Verhandlung auf der verfahrensrechtlichen Grundlage des § 153 Abs 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Das LSG hat seine Entscheidung maßgeblich auf eine Auskunft der IG Metall - Bezirksleitung F. vom 13. September 1999 sowie eine Auskunft des Verbandes der Metall- und Elektrounternehmen H. e.V. vom 20. Oktober 1999 gestützt, die Gegenstand eines Anhörungsschreibens (§ 153 Abs 4 Satz 2 SGG) vom 4. Dezember 2002, dem an die Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben jedoch nicht beigefügt waren und auf deren Anforderung vom 13. Dezember 2002 erst per Telefax am 30. Dezember 2002 nachgereicht wurden. Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2003 hatte der Kläger daraufhin zu den vorgenannten Auskünften eingehend Stellung genommen, sich auf die sozialärztliche Stellungnahme der Frau Dr. T. vom 13. Januar 2000 berufen und zum Beweis dafür, dass er auch im Oktober 1990 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, Tätigkeiten als Montierer, Warenaufmacher, Versandfertigmacher oder Warensortierer auszuüben, beantragt, ein berufskundliches Gutachten einzuholen, für das er den Leitenden Oberarzt Dr. F. bei der P. GmbH, M., als Sachverständigen benannte. Ferner hatte er die Einholung eines Gutachtens durch den Internisten S. in F. zu der Tatsache beantragt, dass er im Jahre 1990 aus gesundheitlichen Gründen die genannten Verweisungstätigkeiten gemäß dem berufskundlichen Anforderungsprofil nicht habe verrichten können.
Mit der am 21. Februar 2003 eingelegten und am 5. Mai 2003 innerhalb der - verlängerten - Frist (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG) begründeten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger neben einer Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und (weiteren) Verfahrensfehlern insbesondere die Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil nach Stellung neuer Beweisanträge eine erneute Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG erforderlich gewesen, jedoch unterblieben sei. Er trägt weiterhin vor: Die Voraussetzungen für eine Beschlussentscheidung nach § 153 Abs 4 SGG hätten nicht vorgelegen, weil allein das Gerichtsverfahren über zehn Jahre gedauert habe und diese lange Verfahrensdauer, aber auch die schwierige Frage nach einer zumutbaren Verweisungstätigkeit (das LSG bejahe Berufsschutz des Klägers) zur Folge hätten, dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf einer "groben Fehleinschätzung" beruhe. Der Senat habe nach der Anhörung nicht davon ausgehen können, dass in einer mündlichen Verhandlung lediglich der erstinstanzliche Vortrag wiederholt werde; für den Senat sei vielmehr deutlich gewesen, dass der Kläger seine Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 2. Januar 2003 zur Ermittlung zumutbarer Verweisungstätigkeiten wiederholen würde, zumal ungeklärt sei, ob es die in Betracht gezogene Verweisungstätigkeit des Montierers in der Lohngruppe IV bundesweit überhaupt in erheblicher Zahl auf dem Arbeitsmarkt gebe.
Die Beklagte hält die Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG für nicht hinreichend dargetan bzw die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet; denn der gerügte Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz), das in der Regelung des § 153 Abs 4 Satz 2 SGG seinen besonderen Ausdruck gefunden hat, liegt vor, und es ist nicht auszuschließen, dass das LSG nach dem beabsichtigten Vortrag des Klägers bzw nach mündlicher Verhandlung zu Gunsten des Klägers entschieden hätte.
Die Möglichkeit, nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, weil eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten wird, ist eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden (vgl BSG Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 28/02 R - veröffentlicht bei Juris). Das bedeutet, dass das LSG in jedem Fall vor einer Entscheidung durch Beschluss auf den Schriftsatz des Klägers vom 2. Januar 2003 hätte reagieren und ihn informieren müssen, dass und weshalb es seinen - neuen - Vortrag gegebenenfalls für unerheblich hielt.
Indem das LSG am 23. Januar 2003 - ohne erneute Anhörung des Klägers - dessen Berufung im Beschlusswege nach § 153 Abs 4 SGG zurückgewiesen hat, hat es gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. Denn die Auskünfte der IG Metall vom 13. September 1999 und des Verbandes der Metall- und Elektrounternehmen H. e.V. vom 20. Oktober 1999 sind vom LSG erstmals mit Telefax vom 30. Dezember 2002 in das Verfahren eingeführt worden. Der Kläger hatte also am 2. Januar 2003 erstmals Gelegenheit, sich mit diesen Unterlagen auseinander zu setzen und nach deren Auswertung vorzutragen, dass und weshalb aufgrund dieser Unterlagen eine Berufungszurückweisung durch Beschluss nicht in Frage komme, sondern vielmehr zur Umsetzung der Erkenntnisse in den vorgenannten Unterlagen auf seinen Fall (verbliebenes Leistungsvermögen im spezifisch zu beurteilenden Einzelfall) eine weitere Beweiserhebung erforderlich sei. Hätte das LSG diesen - neuen - Vortrag des Klägers für seine Entscheidung für unerheblich gehalten, hätte es der Grundsatz des fairen Verfahrens geboten, ihn zuvor hierauf hinzuweisen, schon damit er gegebenenfalls einen Beweisantrag nach § 109 SGG hätte stellen können.
Im Übrigen ist fraglich, ob die Anwendung des § 153 SGG durch das LSG nach den Gesamtumständen des Falles sachgerecht war. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass das Verfahren in erster und zweiter Instanz insgesamt über zehn Jahre andauerte und dass die tatsächlichen Umstände des Falles bis zum Schluss streitig blieben. Dass bei einer solchen Fallgestaltung keine Sachlage gegeben ist, in der "zur Beschleunigung" ausnahmsweise unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung entschieden werden kann, belegt nicht zuletzt der Beschluss vom 23. Januar 2003 selbst, der mit 26 Seiten den Umfang eines komplexen Urteils überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads erreicht.
Zur Vermeidung einer weiteren Verfahrensverzögerung sowie weiterer Kosten macht der Senat daher von der durch § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Sache im Beschlusswege zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Dieses wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Der Rechtsstreit betrifft den Wegfall der gesundheitlichen Merkmale für Hilflosigkeit (Merkzeichen "H") und Notwendigkeit einer ständigen Begleitung (Merkzeichen "B").
Die am xx.xx.1977 geborene Klägerin zu 1) und der am xx.xx.1976 geborene Kläger zu 2) leiden seit ihrer Geburt an einer Hörsprachstörung. Mit Bescheiden vom 7. Januar 1982 stellte der Beklagte bei der Klägerin zu 1) eine "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Störung der Sprachentwicklung" und bei dem Kläger zu 2) eine "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits mit Sprachstörungen" und jeweils einen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH fest; darüber hinaus wurden die gesundheitlichen Merkmale der Merkzeichen "H" und "B" sowie der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) anerkannt.
Die Klägerin zu 1) absolvierte nach dem Besuch einer Schule für Hörgeschädigte von August 1995 bis August 1998 eine Ausbildung zur Tischlerin in dem Berufsbildungswerk N. für Hör- und Sprachgeschädigte; anschließend nahm sie eine Tätigkeit als Schreinerin im Bereich Bühnenbau beim Hessischen Staatstheater X. auf. Der Kläger zu 2) besuchte ebenfalls eine Schule für Hörgeschädigte, absolvierte von August 1994 bis Februar 1998 eine Ausbildung zum Industriemechaniker mit der Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik im og Berufsbildungswerk und fand eine Arbeitsstelle bei einer Maschinenfabrik in E. Da nach Auffassung des Beklagten die Voraussetzungen zur Anerkennung der Merkzeichen "H", "B" und "G" nach Abschluss der Erstausbildung nicht mehr vorlagen, erließ er entsprechende Bescheide (vom 24. November 1998 für die Klägerin zu 1>, vom 23. Februar 1999 für den Kläger zu 2>). Die Widersprüche der Kläger blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 3. März 1999 an die Klägerin zu 1>, vom 15. März 1999 an den Kläger zu 2>). Auch die Klagen (Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main <SG> vom 12. Februar 2001 in den verbundenen Rechtsstreiten) und Berufungen der Kläger blieben ohne Erfolg. In seinem Urteil vom 20. Juni 2002 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger seien nach Abschluss ihrer beruflichen Erstausbildung nicht mehr hilflos iS des § 33b Abs 1 Satz 3 und Abs 6 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG), weshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine tatsächliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten sei. Durch die Einführung des Merkzeichens "Gl" (Gehörlosigkeit) sei den Besonderheiten gehörloser Menschen ausreichend Rechnung getragen, eine Gleichstellung mit blinden Menschen sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Entziehung des Merkzeichens "B". Eine weitere Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch eine erneute amtsärztliche Untersuchung, sei nicht notwendig.
Mit ihren - vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Dazu tragen sie vor: Zwar lägen bei ihnen die einschlägigen gesundheitlichen Merkmale im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht mehr vor, nachdem sie die berufliche Erstausbildung abgeschlossen hätten; es sei jedoch durch das Inkrafttreten von § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) - eine neue Rechtslage eingetreten, die auch die Zuerkennung der Merkzeichen "H" und "B" betreffe. Die bisher vorgenommene Beschränkung auf den Zeitraum bis zum Abschluss der beruflichen Erstausbildung sei mit dem nunmehr maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht vereinbar. Zur "persönlichen Existenz" iS des § 33b Abs 6 Satz 2 EStG, deren Sicherung bei den häufig und wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags dauerhaft fremde Hilfe notwendig mache, gehöre nunmehr auch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, wobei dauerhaft fremde kommunikative Hilfe geboten sei. Bei dieser Rechtsanwendung sei auch das am 1. Mai 2002 in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz zu berücksichtigen. Im Übrigen sei eine unterschiedliche Behandlung von Blinden und Gehörlosen mit dem Gleichheitsgebot des Art 3 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Unabhängig von der gesetzlichen Neuregelung sei das Urteil des LSG schon deshalb aufzuheben, weil das LSG versäumt habe aufzuklären, ob und in welchem Ausmaß sie auf dauerhafte fremde kommunikative Hilfe zum Leben in der Gesellschaft angewiesen seien.
Die Klägerin zu 1) beantragt sinngemäß,
die Urteile des Hessischen LSG vom 20. Juni 2002 und des SG Frankfurt am Main vom 12. Februar 2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1999 aufzuheben.
Der Kläger zu 2) beantragt,
die Urteile des Hessischen LSG vom 20. Juni 2002 und des SG Frankfurt am Main vom 12. Februar 2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt unter näherer Darlegung,
die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II
Die Revisionen der Kläger sind unbegründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben zu Recht eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (§ 48 SGB X) insoweit erkannt, als bei den Klägern die gesundheitlichen Merkmale für Hilflosigkeit und Notwendigkeit einer ständigen Begleitung entfallen sind.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie hier die Feststellungsbescheide vom 7. Januar 1982 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (eingehend Senatsurteil vom 12. November 1996, BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57). Die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt SGG) beurteilt sich - anders als es das LSG und die Kläger meinen - nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl BSG aaO S 225 f), der vorliegend durch den Erlass der Widerspruchsbescheide vom 3. und 15. März 1999 gegeben ist. Demgemäß kommen hier (noch) die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) idF der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I S 1421, ber S 1550 <SchwbG>) zur Anwendung.
Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen gemäß § 4 Abs 4 SchwbG die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen. Dem gemäß entscheiden diese Behörden auch darüber, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen der von den Klägern über den Abschluss ihrer beruflichen Erstausbildung hinaus beanspruchten - ua steuerrechtlichen (vgl § 33b Abs 3 Satz 3, Abs 6 Satz 1 EStG) - Förderung bei Hilflosigkeit gegeben sind (dazu näher unter 1), sowie darüber, ob die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung weiterhin besteht (dazu näher unter 2). Dies ist auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen zu verneinen.
1. Im Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen "H" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos iS des § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist (§ 3 Abs 1 Nr 2 Schwerbehindertenausweisverordnung idF der Bekanntmachung vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1739). Gemäß § 33b Abs 6 Satz 2 EStG in der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung (vgl bereits Senatsurteil vom 12. November 1996, BSGE 79, 231 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 12 S 47, Nr 15 S 60; stRspr) ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 2 dieser Vorschrift genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Abs 6 Satz 3 EStG). Diese Fassung des Begriffs der Hilflosigkeit geht auf Umschreibungen zurück, die von der Rechtsprechung im Schwerbehindertenrecht bezüglich der steuerlichen Vergünstigung und im Versorgungsrecht hinsichtlich der gleich lautenden Voraussetzungen für Pflegezulage nach § 35 BVG entwickelt worden sind. Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht an den Begriff der Pflegebedürftigkeit iS der §§ 14, 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) angelehnt (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 2003 - B 9 SB 1/02 R -, in SozR 4-3250 § 69 Nr 1, mwN, auch zu den im Einzelnen zu berücksichtigenden Verrichtungen).
Zwar können auch gehörlos geborene oder vor Spracherwerb ertaubte Personen hilflos iS dieser Vorschrift sein, obwohl sie nur bei einer Verrichtung des täglichen Lebens - nämlich bei der ständig erforderlichen Kommunikation - fremder Hilfe bedürfen; inwieweit das Kommunikationsdefizit fremde Hilfe in erheblichem Umfang erforderlich macht, lässt sich nicht schematisch nach der Anzahl der Verrichtungen festlegen. Die Hilfsbedürftigkeit in einem solchen entscheidenden Punkt kann ausreichen, wenn dieser Hilfebedarf die gesamte Lebensführung prägt. Das Kommunikationsdefizit der vor Spracherwerb Ertaubten prägt deren gesamte Lebensführung aber regelmäßig nur bis zum Ablauf einer ersten Berufsausbildung, mithin in der von Lernen, Kenntnis- und Fähigkeitserwerb geprägten Lebensspanne (BSGE 79, 231 ff = SozR 3-3870 § 4 Nr 15 S 59 f; BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr 6; vgl dazu auch die Grundsätze in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" 1996 <AHP 1996>, Rz 22 S 40 Buchst e zu Hilflosigkeit bei Schwerhörigkeit).
Darüber hinaus hat der Senat bereits zum Ausdruck gebracht, dass sich die Frage des fremden Hilfebedarfs auf alle Bereiche des täglichen Lebens erstreckt; zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass die Eingliederung in die Gesellschaft das Ziel des Schwerbehindertenrechts ist (BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr 6 S 33). Dabei ist er jedoch davon ausgegangen, dass der die Hilflosigkeit begründende erhebliche Mehraufwand kennzeichnend ist für die Lebensspanne, in der Lernen, Kenntnis- und Fertigkeitserwerb zu den zentralen Verrichtungen des täglichen Lebens gehören. In dieser Lebensphase bewirkt der durch die Sprachstörung vermittelte Kommunikationsmangel eine Hilfsbedürftigkeit von erheblichem Umfang, deren Ausmaß jedoch in Anbetracht des bedeutenden Kommunikationsdefizits nicht schematisch festgelegt werden kann (aaO S 33 f). Aus dem geschilderten Kommunikationsdefizit darf indessen nicht generell der Schluss gezogen werden, dass ein gehörloser Mensch lebenslang hilflos ist; das ist er nämlich immer nur dann, wenn sich das Kommunikationsdefizit wegen der Notwendigkeit der ständigen Anpassung des beruflichen Könnens und Wissens während des Berufslebens prägend auf die Lebensführung auswirkt (Senatsurteil vom 12. November 1996, BSGE 79, 231= SozR 3-3870 § 4 Nr 15 S 61). So hat der Senat aaO grundsätzlich anerkannt, dass (erneute) Hilflosigkeit zB bei einer langzeitigen beruflichen Weiterbildung, Minderbegabung oder geistiger Behinderung bzw zusätzlichen Gesundheitsstörungen vorliegen kann.
Dazu bedarf es jedoch besonderer Umstände des einzelnen Falles, von denen hier keine ersichtlich sind; weder enthält das Urteil des LSG entsprechende Feststellungen, noch berühmen sich die Kläger im Revisionsvortrag entsprechender Gründe. Sie müssen deshalb gegen sich gelten lassen, dass vom Zeitpunkt des Abschlusses ihrer beruflichen Erstausbildung an das Vorliegen der Kommunikationsdefizite keine dauernde fremde Hilfe mehr erfordert. Zu Unrecht machen sie geltend, auch nach Ende der Erstausbildung sei ein hoher Hilfebedarf zu berücksichtigen, weil die Erstreckung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eine dauerhafte fremde kommunikative Hilfe erfordere. Diese - insbesondere auf Regelungen und Ziele des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen neuen Rechts des SGB IX gestützte - Sichtweise verkennt, dass die Annahme von Hilflosigkeit (nur) bis zum Abschluss der beruflichen Erstausbildung ihren Grund nicht etwa darin hatte, auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei von Rechts wegen nicht abzustellen. Dagegen spricht im Übrigen, dass die Hörsprachschädigung als Behinderung iS von § 3 Abs 1 SchwbG unstreitig weiterhin vorliegt; bereits darin kommt zum Ausdruck, dass eine Funktions- oder Teilhabe-Beeinträchtigung fortbesteht, die mit einem Grad der Behinderung von 100 bewertet wird und an die steuerrechtlich der Pauschbetrag für behinderte Menschen (2760 DM, § 33b Abs 3 Satz 2 EStG) sowie der Fahrtkostenabzug (Abzug der tatsächlichen Aufwendungen an Stelle der Entfernungspauschale, § 9 Abs 2 Satz 3 EStG) geknüpft sind.
Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang rügen, das LSG habe seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen hinsichtlich der Frage nicht genügt, ob und in welchem Ausmaß sie auf dauerhafte fremde kommunikative Hilfe angewiesen seien, um in ihrem beruflichen und in ihrem sonstigen Alltag bei allen häufigen und wiederkehrenden Verrichtungen gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können, ist ihnen nicht zu folgen. Sie haben nicht dargelegt, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt (ua im og Sinne wegen erneuter Hilflosigkeit bei Weiterbildung, Minderbegabung oder geistiger Behinderung bzw zusätzlichen Gesundheitsstörungen) sich dem LSG eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Das LSG hat sich aber gerade mit dieser nach der von ihm geteilten höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblichen Frage auseinander gesetzt, inwieweit Besonderheiten der vorliegenden Fälle ein Fortbestehen von Hilflosigkeit rechtfertigen könnten. Dazu hat es insbesondere ausgeführt, zusätzliche Gesundheitsstörungen seien von den Klägern nicht vorgetragen worden.
Auch soweit die Kläger geltend machen, eine für sie günstigere Rechtstellung ergebe sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG, kann ihnen nicht gefolgt werden. Mit der Sonderstellung Blinder, worauf sich die Kläger beziehen, hat sich der erkennende Senat schon an anderer Stelle auseinander gesetzt (Senatsurteil vom 15. August 2000, BSGE 87, 63 = SozR 3-3100 § 35 Nr 10 S 25, 27 ff). Eine entsprechende Sonderstellung für gehörlose Menschen hat der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß nicht vorgesehen. Eine gesetzliche Fiktion von Hilflosigkeit, wie sie blinden Menschen in § 35 Abs 1 Satz 5 BVG eingeräumt wird, ist für gehörlose Menschen nicht in gleicher Weise geboten. Auch insoweit hat der erkennende Senat bereits ausgeführt, dass von Rechts wegen eine Gleichsetzung aller Sinnesorgane nicht in Betracht kommt, weil sich insoweit die Gleichheit der Lebensverhältnisse gerade nicht von selbst versteht (BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr 6 S 35). Soweit der Senat dort zum Ausdruck gebracht hat, es mag sozialpolitisch erwünscht sein, die Hörsprachstörung mit einem besonderen eigenen Nachteilsausgleich zu versehen, der weitgehend wirtschaftlich dem Nachteilsausgleich "H" entspricht, ist dem der Gesetzgeber - auch im Rahmen des SGB IX - nicht gefolgt.
Mit dem Inkrafttreten des SGB IX am 1. Juli 2001 wurde zwar - in Vollzug von § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX - das Merkzeichen "Gl" eingeführt (Schwerbehindertenausweisverordnung § 3 Abs 1 Nr 4 idF des Art 56 Nr 5 Buchst a cc Gesetz vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046, 1131; zu den Motiven vgl BT-Drucks 14/5074, veröffentlicht in Hauck/Noftz, SGB IX, M 010 S 253). Damit wird gehörlosen Menschen, die gemäß § 145 SGB IX zur unentgeltlichen Beförderung im Personennahverkehr berechtigt sind, ein eigenes Merkzeichen eingeräumt, was vor allem dann von Bedeutung ist, wenn die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht erfüllt sind. Selbstständige insbesondere steuerrechtliche Rechtsfolgen sind damit jedoch nicht verknüpft (vgl dazu im Einzelnen BSGE 79, 223, 228 f). Gehörlose Menschen sind damit in gleicher Weise wie hilfslose Menschen und solche Personen, deren Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, freifahrtberechtigt. Eine Befreiung vom Erwerb der Wertmarke ist mit dem Merkzeichen "Gl" nicht verbunden (vgl § 59 Abs 1 Satz 5 SchwbG = § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX). Die sachliche Unterscheidung im Hinblick auf die Bewegungsfähigkeit ist darin zu sehen, dass bei gehörlosen Menschen die Freifahrtberechtigung nicht wegen der Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit, sondern zum Zweck der erleichterten Kommunikation eingeräumt wurde (BSGE 79, 223, 230).
2. Soweit die Kläger mit ihrer Revision gegen das Urteil des Hessischen LSG auch geltend machen, die gesundheitlichen Merkmale für das Merkzeichen "B" lägen mangels einer tatsächlichen Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen (über den Abschluss der beruflichen Erstausbildung, worauf der Beklagte abgestellt hatte, hinaus) weiterhin vor, kann ihnen ebenfalls nicht gefolgt werden. Die persönlichen Voraussetzungen sind im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheide vom 3. bzw 15. März 1999) in § 60 Abs 2 SchwbG geregelt gewesen. Ständige Begleitung ist danach bei Schwerbehinderten notwendig, die bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Eine solche Annahme wäre dann gerechtfertigt, wenn sich bei gehörlosen Menschen in aller Regel die Störung der Kommunikationsfähigkeit auf ihre Orientierungs- und damit auf ihre Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr auswirken würde (vgl BSGE 79, 223, 230 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57 unter Bezugnahme auf die AHP 1996 RdNr 32 Abs 3 iVm RdNr 30 Abs 5). Ein vor Spracherwerb Ertaubter, der die Gehörlosenschule abgeschlossen und das 16. Lebensjahr vollendet hat, hat nach der stRspr des Senats im Regelfall keinen Anspruch auf die Merkzeichen "G" und "B", und zwar auch nicht für die Dauer einer späteren Ausbildung (BSGE aaO Leitsatz 2). Vorliegend hatten die Kläger ihr 16. Lebensjahr bereits 1992 und 1993 - also lange vor der Entziehung der Merkzeichen - vollendet. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen, das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ergeben sich keine Hinweise auf eine im Einzelfall nötige ständige Begleitung der Kläger. Auch führt die Revisionsbegründung keine spezifischen Gründe an, die sich mit den Fragen der Orientierungsfähigkeit bei Kommunikationsstörungen befassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.