Bundessozialgericht - B 14/7b AS 10/07 R - Urteil vom 19.09.2008
Die Regelungen des SGB II folgen nicht den Kriterien des Unterhaltsrechts. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 33 SGB II, die lediglich den Übergang eines Anspruchs auf einen Leistungsträger nach dem SGB II regelt. Dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II im Übrigen ein Anspruchsübergang ausgeschlossen ist, wenn die unterhaltsberechtigte Person mit dem Unterhaltsverpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist gerade der Berücksichtigung von Einkommen nach § 9 Abs. 2 SGB II geschuldet. Der Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, dass innerhalb familienhafter Beziehungen die Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Leistungen entsprechend den individuellen Bedarfen erfolgt. Im Hinblick auf die Sicherung des Existenzminimums darf er auch einen gegenseitigen Willen, füreinander einzustehen, voraussetzen, der über bestehende Unterhaltspflichten hinausgeht.
Gründe:
I
Die Klägerin zu 1) begehrt höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005.
Die 1945 geborene Klägerin zu 1) lebt mit ihrem 1941 geborenen Ehemann zusammen in einer Mietwohnung. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 Alg II in Höhe von 325,20 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005. Dabei legte sie einen Gesamtbedarf für die Klägerin zu 1) und ihren Ehemann, dem Kläger zu 2), in Höhe von jeweils 716,50 Euro zu Grunde und berücksichtigte Einkommen des Ehemannes in Form einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 391,30 Euro. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin zu 1) geltend, sie lebe mit ihrem Ehemann nicht in einer Bedarfsgemeinschaft, weil er nicht bedürftig sei. Selbst wenn dies der Fall sei, dürfe sein Einkommen nicht in voller Höhe angerechnet werden. Es seien noch Versicherungsbeiträge für eine Hausrat- und die Haftpflichtversicherung in Höhe von insgesamt 28,87 Euro sowie für eine Rechtsschutzversicherung in Höhe von 16,77 Euro und eine Glasversicherung in Höhe von 5,30 Euro abzusetzen. Außerdem zahle ihr Ehemann in monatlichen Raten von 250 Euro ein Darlehen zurück, das zur Finanzierung einer lebensrettenden Operation in den USA aufgenommen worden sei. Abzusetzen seien außerdem an die Sparkasse und den G -Konzern zu zahlende Zinsen sowie Kosten für einen Gymnastikkurs.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2005 änderte die Beklagte ihre Bewilligung und gewährte nunmehr 372,10 Euro Alg II monatlich. Sie zog vom Bedarf der Klägerin zu 1) das Einkommen des Ehemannes unter Berücksichtigung der Versicherungspauschale von 30 Euro und der Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung nur noch in Höhe von 344,38 Euro ab. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2006 abgewiesen. Auch wenn der Ehemann der Klägerin zu 1) nicht hilfebedürftig sei, bilde er mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft. Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft sei auch nicht die Erwerbsfähigkeit des Ehemannes. Die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens sei richtig ermittelt worden. Ein Abzug von Verbindlichkeiten erfolge nicht. Dabei sei auch kein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorschriften erkennbar. Der Schutzbereich von Art 14 Grundgesetz (GG) sei nicht berührt. Betroffen sei lediglich die durch Art 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, die durch §§ 9, 11 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) rechtmäßig eingeschränkt werde. Verbindlichkeiten könnten auch dann nicht übernommen werden, wenn sie für eine lebensrettende Operation entstanden seien, weil es nicht Aufgabe der Grundsicherungssysteme sei, Behandlungskosten zu übernehmen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht getragen würden. Auch die von der Klägerin zu 1) geltend gemachten Versicherungsbeiträge seien nicht zusätzlich zu berücksichtigen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 14. Februar 2007 die Berufung der Klägerin zu 1) zurückgewiesen und sich gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils bezogen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht verfassungswidrig sei. Dieser Auffassung schließe der Senat sich an. Die Revision sei wegen der Frage zuzulassen, ob vom zu berücksichtigenden Einkommen gemäß § 11 SGB II Beträge abzusetzen seien, die der Tilgung von Schulden dienen, die durch von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht getragene medizinische Behandlungskosten entstanden seien.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin zu 1) vor, es sei bereits zweifelhaft, ob tatsächlich eine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Ehemann bestehe, weil letzterer weder erwerbsfähig noch hilfebedürftig sei. Infolge seiner Erwerbsunfähigkeit bleibe ihm keine Möglichkeit, sich durch Erwirtschaftung eigenen Einkommens oder Vermögens der Einbeziehung in das System der staatlichen Fürsorge zu entziehen. Er sei darauf angewiesen, dass die erwerbsfähige und hilfebedürftige Person Aktivitäten entfalte, um die Hilfebedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund frage sich insbesondere, ob die weitere nicht erwerbsfähige Person wirklich nur auf den Grundbedarf verwiesen werden dürfe oder ob ihr nicht ein höherer Bedarf zuzugestehen sei. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 SGB II könne nicht ohne weiteres auch auf das Einkommen der Person übertragen werden, die für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sorgen solle. Dass unterhaltsrechtliche Grundentscheidungen des Gesetzgebers auch im Bereich öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zu berücksichtigen seien, zeige § 33 SGB II. Für eine weiter als die bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverpflichtung gehende Verpflichtung gebe es im SGB II keine Rechtsgrundlage. Der Ehemann der Klägerin zu 1) genieße hinsichtlich seines Renteneinkommens den Schutz des Art 14 GG. Hierin werde massiv eingegriffen, wenn er so gestellt werde, als gehöre ihm ein Teil seiner Rente nicht mehr. § 9 SGB II müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass bei Personen, die ihren eigenen konkreten Bedarf decken könnten, nicht auf einen standardisierten Bedarf abgestellt werde. Zur Tilgung des von der Schwester des Ehemannes gewährten Darlehens bestehe hier auch eine sittliche Verpflichtung. Jedenfalls sei an die Anerkennung eines Härtefalles zu denken. Wenn betont werde, dass steuerfinanzierte Systeme nicht die Abzahlung von Krediten übernehmen könnten, müsse darauf hingewiesen werden, dass die Solidarität der Steuerzahler nicht zu erreichen gewesen sei, als der Ehemann eine lebensrettende Operation benötigt habe.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2007 sowie des Sozialgerichts Duisburg vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2005 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Einkommens des Klägers 1) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
II
Die zulässige Revision der Kläger ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet, § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG. Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2) als Einkommen zu berücksichtigen ist, eine abschließende Prüfung der Anspruchshöhe ist aber bereits deshalb nicht möglich, weil das LSG weder die Bedarfe der Kläger noch die Höhe der dem Kläger zu 2) gezahlten Rente und den hieraus als Einkommen zu berücksichtigenden Betrag festgestellt hat.
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
a) Gegenstand der Klage sind Leistungen an die Klägerin zu 1) und ihren Ehemann, den Kläger zu 2). Nach dem sog "Meistbegünstigungsprinzip" ist davon auszugehen, dass es um die Ansprüche beider Ehepartner geht (vgl. BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 jeweils RdNr. 11 ff). Sie bilden eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II), beide haben nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II einen individuell zu ermittelnden anteiligen Anspruch auf Leistungen (vgl. zur Berechnung des Individualanspruchs Urteil des Senates vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R). Auch in Fällen, in denen das Einkommen einzelner Personen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung ihrer eigenen Bedarfe, nicht jedoch zur Deckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft genügt, ist ein Vorgehen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erforderlich, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt höchstmögliche Leistung zu erlangen (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 jeweils RdNr. 13). Der Kläger zu 2) ist auch nicht etwa offensichtlich vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen (vgl. BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 jeweils RdNr. 11). Das Urteil des LSG ist daher dahin auszulegen, dass es auch über einen Anspruch des Klägers zu 2) befunden hat (vgl. BSG, a.a.O., RdNr. 26).
b) Im Rahmen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind die Leistungsansprüche der Kläger nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Beim Streit um höhere Leistungen sind auch im SGB II Gegenstand der Prüfung grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach (BSG, Urteile vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 RdNr. 16 ff und vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R). Bei der Frage der Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2) handelt es sich lediglich um ein einzelnes, prozessual nicht selbstständiges Berechnungselement der begehrten höheren Leistung. Die Beteiligten haben auch nicht etwa einvernehmlich Teilelemente durch Teilvergleich oder Teilanerkenntnis unstreitig gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R).
c) Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr. 2 SGG (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 30). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (BVerfGE 119, 331).
2. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Klägerin zu 1) die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014) erfüllt. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig sind (Nr. 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen vor, die Klägerin zu 1) ist insbesondere hilfebedürftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt.
Ob der Kläger zu 2) die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt, ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Es spricht im Hinblick auf den Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit viel dafür, dass er im streitigen Zeitraum jedenfalls die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II erfüllte. Danach erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Für eine Leistungsberechtigung nach § 41 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) dürfte es, da sein Einkommen nach § 19 SGB XII zuerst auf seinen eigenen Bedarf angerechnet wird, an der erforderlichen Bedürftigkeit des Klägers zu 2) fehlen. Das LSG hat hierzu jedoch keine Feststellungen getroffen. Das Sozialgeld umfasst ggf. die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II).
3. In welcher Höhe Ansprüche der Klägerin zu 1) und ggf. des Klägers zu 2) nach §§ 19 ff SGB II bestehen, kann nicht abschließend beurteilt werden. Insoweit fehlt es sowohl an Feststellungen zum Bedarf als auch zum berücksichtigungsfähigen Einkommen nach § 11 SGB II.
a) Das SG und ihm folgend das LSG haben allerdings zutreffend entschieden, dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen den Klägern nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst a SGB II bestand. Danach gehört der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Bedarfsgemeinschaft. Wenn der Kläger zu 2) seinen individuellen Bedarf durch eigenes Einkommen decken kann, steht dies seiner Einbeziehung nicht entgegen. Er wäre selbst dann in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen, wenn er von Leistungen nach dem SGB II, etwa wegen der Vollendung des 65. Lebensjahres, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, ausgeschlossen wäre (vgl. BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 jeweils RdNr. 13; BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 jeweils RdNr. 13; SozR 4-4200 § 7 Nr. 4 RdNr. 11). Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts betrug für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 gemäß § 20 Abs. 2 und 3 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) für die Kläger jeweils 311 Euro monatlich.
Der Bedarf des Klägers zu 2) richtet sich ebenso wie der der Klägerin zu 1) nach dem SGB II (vgl. BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 jeweils RdNr. 24; Urteil des Senats vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R). Nicht maßgeblich für die Bestimmung des Bedarfs des Klägers zu 2) ist sein unterhaltsrechtlicher Selbstbehalt. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, folgen die Regelungen des SGB II nicht den Kriterien des Unterhaltsrechts (vgl. BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 jeweils RdNr. 24). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 33 SGB II, die lediglich den Übergang eines Anspruchs auf einen Leistungsträger nach dem SGB II regelt. Dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II im Übrigen ein Anspruchsübergang ausgeschlossen ist, wenn die unterhaltsberechtigte Person mit dem Unterhaltsverpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist gerade der Berücksichtigung von Einkommen nach § 9 Abs. 2 SGB II geschuldet.
Der Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, dass innerhalb familienhafter Beziehungen die Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Leistungen entsprechend den individuellen Bedarfen erfolgt. Im Hinblick auf die Sicherung des Existenzminimums darf er auch einen gegenseitigen Willen, füreinander einzustehen, voraussetzen, der über bestehende Unterhaltspflichten hinausgeht (BSG, a.a.O., RdNr. 29). Aus dem das SGB II bestimmenden Grundsatz der Subsidiarität, § 3 Abs. 3 SGB II, folgt der vom LSG hervorgehobene Grundsatz, dass zur Überwindung einer Notlage zunächst der Partner einer ehelichen oder vergleichbaren Lebensgemeinschaft in Anspruch genommen wird, bevor staatliche Hilfe gewährt wird. Daraus rechtfertigt sich auch, dass für den Partner nur das in seinem Fall existenziell Notwendige als sein Bedarf anzusetzen ist (Urteil des Senats vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R).
b) Anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Beklagte den Unterkunftsbedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II zutreffend berücksichtigt hat. Insofern fehlt es an jeglichen Angaben zu den Miet-, Heizungs- und Nebenkosten.
4. In welchem Umfang dem Bedarf der Kläger Einkommen gegenübersteht, kann mangels hinreichender Feststellungen gleichfalls nicht abschließend entschieden werden. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, u.a. das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Aus dieser Formulierung folgt, wie das BSG bereits entschieden hat (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 jeweils RdNr. 13), dass zunächst der Bedarf jeder Person einzeln und hieraus der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln ist. In einem weiteren Schritt wird dieser Gesamtbedarf dem Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüber gestellt. Der danach nicht durch Einkommen gedeckte Gesamtbedarf wird alsdann im Verhältnis des jeweiligen Einzelbedarfs am Gesamtbedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt (vgl. auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 9 RdNr. 33; a.A. Rosenow, Bedürftigkeitsfiktion und Verteilung von Einkommen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft im SGB II, SGb 2008, 282). Dieses gilt auch in den Fällen, in denen das Einkommen einzelner Personen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung ihrer eigenen Bedarfe, nicht jedoch zur Deckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft genügt (vgl. Urteil des Senates vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R).
a) Dem Grunde nach zu Recht hat die Beklagte die vom Kläger zu 2) bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen berücksichtigt. Als Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Dazu gehören auch Rentenzahlbeträge (vgl. BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 jeweils RdNr. 30 zur Altersrente § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II; Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 27/06 R - zur Erwerbsunfähigkeitsrente). Ihre Einbeziehung in die Bedürftigkeitsprüfung sowie die Modalitäten der Einkommensanrechnung begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 jeweils RdNr. 55).
b) Das LSG wird noch den genauen Zahlbetrag der Rente sowie die nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge festzustellen haben, um das letztlich zu berücksichtigende Einkommen zu ermitteln. Soweit die Kläger Beiträge zu privaten Versicherungen als Absetzbeträge geltend machen, hat der Senat bereits entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, dass § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ((Alg II-V) vom 20. Oktober 2004 (BGBl I 2622)) 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen als abzusetzenden Pauschbetrag vorsieht (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 jeweils RdNr. 26). Die Festlegung dieses Betrages liegt noch in der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, jedenfalls soweit gleichzeitig davon ausgegangen wird, dass von der Pauschale nicht die Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen erfasst sind, die nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II gesondert vom Einkommen absetzbar sind und hierzu auch die Beiträge zu einer Kfz-Haftpflichtversicherung gezählt werden (BSG, a.a.O., m.w.N.).
c) Die Verbindlichkeiten des Klägers zu 2) sind nicht von seinem Einkommen abzuziehen. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Einkommens ist weder in § 11 Abs. 2 SGB II noch in der auf der Grundlage des § 13 SGB II ergangenen Alg II-V vorgesehen. Auch für die von der Klägerin zu 1) begehrte Berücksichtigung eines Härtefalles fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Nach dem Willen des Gesetzgebers regelt § 11 SGB II die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie das Sozialhilferecht (BT-Drucks 15/1516 S 53). Dort galt der Grundsatz, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. BVerwGE 66, 342; 55, 148). Mit der bedürftigkeitsabhängigen Sozialhilfe sollte nicht zur Tilgung von Schulden beigetragen werden. Eine Ausnahme hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nur für den Fall einer Pfändung zur Erfüllung eines Unterhaltsanspruchs gemacht (BVerwGE 55, 148). Für das SGB II hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) mit Wirkung zum 1. August 2006 eine entsprechende Regelung als § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II eingefügt. Danach sind Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag vom Einkommen abzusetzen. Es kann offen bleiben, ob die - im streitigen Zeitraum noch nicht geltende - Vorschrift abschließend ist oder ob auch aus anderen Gründen bestehende und titulierte Ansprüche oder gepfändete oder auf andere Weise der Disposition entzogene Einkommensteile das zu berücksichtigende Einkommen mindern. Freiwillige Zahlungen zur Tilgung von Schulden, wie sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hier vorgenommen wurden, können jedenfalls nicht vom Einkommen abgesetzt werden (vgl. Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand: 1. Januar 2008, § 11 RdNr. 51a; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 RdNr. 29; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand: Mai 2008, II, § 11 RdNr. 22).
Wie die Sozialhilfe dienen die Leistungen nach dem SGB II der Überbrückung einer akuten Notlage. Die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft werden in besonderer Weise in eine solidarische Pflicht genommen, bevor staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Dies rechtfertigt auch die Erwartung, dass die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft vorhandenes Einkommen zunächst zur Deckung ihres eigenen Bedarfs sowie des Bedarfs der Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft einsetzen, bevor sie bestehende Verpflichtungen erfüllen. Das gilt auch, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sich subjektiv berechtigt in besonderer Weise zur Schuldentilgung verpflichtet fühlt. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass die notwendige medizinische Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung sichergestellt wird und den Grundsicherungsträger grundsätzlich keine Einstandspflicht für weitergehende medizinische Maßnahmen trifft.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.