Bundessozialgericht - B 14/7b AS 60/06 R - Urteil vom 06.09.2007
§ 7 Abs. 4 SGB II wonach Leistungen nicht erhält, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht, forderte, ebenso wie jetzt der ab 1. August 2006 in Kraft getretene § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II eine Prognoseentscheidung. Dies folgt aus der Verwendung des Begriffs "für" länger als sechs Monate in § 7 Abs. 4 SGB II a.F. Das Wesen einer Prognoseentscheidung besteht darin, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (Prognosezeitpunkt) für die Zukunft ein bestimmter Sachverhalt vorhergesagt (prognostiziert) wird. Bei der Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II handelt es sich mithin nicht um eine Ausschlussfrist. Es sind also nicht zunächst immer bis zum Ablauf der ersten sechs Monate Leistungen nach dem SGB II zu erbringen, umgekehrt tritt auch nach mehr als sechs monatiger Unterbringung nicht zwingend ein Leistungsausschluss ein. Sinn des § 7 Abs. 4 SGB II ist es, durch eine Prognoseentscheidung zu Beginn der Unterbringung einen Wechsel des Leistungsträgers nach nur kurzer Zeit innerhalb der Dauer von weniger als sechs Monaten zu vermeiden, denn die Prognoseentscheidung bleibt grundsätzlich für die Dauer der Bewilligungsentscheidung maßgeblich. Daher hat eine auf einer Prognose von unter sechs Monaten bestehende Bewilligung nach dem SGB II im Regelfall auch bei einer - nicht prognostizierbaren - über sechs Monaten hinausgehenden Dauer der Unterbringung Bestand.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für die Zeit vom 14. Juli bis 1. November 2005 ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zusteht.
Der am 30. November 1953 geborene Kläger wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Am 24. April 2004 trat er die Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) K. an. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 27. Juni 2005 wurde auf die sofortige Beschwerde des Klägers hin die Vollstreckung des Strafrestes ab dem 7. Juli 2005 zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger wurde in diesem Beschluss angewiesen, sich noch am 7. Juli 2005 einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie in der Fachklinik H. zu unterziehen. Zuvor hatte das Landgericht Augsburg durch Beschluss vom 22. April 2005 eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung abgelehnt. Die Therapiemaßnahme in der Fachklinik war durch die Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben mit Bescheid vom 3. März 2005 als stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt worden. Diese Maßnahme sollte voraussichtlich 16 Wochen dauern. Durch Bescheid vom 12. August 2005 bewilligte der Beigeladene auf Antrag des Klägers für die Dauer des Aufenthalts in der Fachklinik Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Bewilligung erfolgte erst ab dem 4. August 2005, weil der Kläger zuvor ein Überbrückungsgeld nach § 51 Strafvollzugsgesetz in Höhe von 1.138,80 Euro erhalten hatte. Der Beigeladene meldete mit Schreiben vom 17. August 2005 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an.
Am 14. Juli 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Die Beklagte lehnte diese mit Bescheid vom selben Tag mit der Begründung ab, die Dauer der Unterbringung in einer stationären Einrichtung habe die in § 7 Abs. 4 SGB II genannte Sechs-Monats-Frist überschritten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2005).
Der Kläger unterzog sich der Therapie in der Fachklinik vom 7. Juli bis 27. Oktober 2005. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 bestätigte das Fachkrankenhaus H. , dass der Kläger ab sofort arbeitsfähig sei. Ab dem 2. November 2005 bezog er sodann Arbeitslosengeld II (Alg II) von der Beklagten.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Augsburg durch Urteil vom 10. April 2006 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger ab Antragstellung bis 1. November 2005 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei § 7 Abs. 4 SGB II handele es sich um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit. Die Beklagte habe daher zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Entscheidung darüber zu fällen, ob der Kläger innerhalb der nächsten sechs Monate wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werde. Von daher könnten die vor der Antragstellung liegenden Zeiten der Inhaftierung in der JVA nicht zu einem Leistungsausschluss führen. Zwar stelle die JVA eine stationäre Einrichtung dar, die dort verbrachte Zeit sei jedoch für die Prognoseentscheidung ohne Bedeutung.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 29. September 2006 die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, zwar stelle die Unterbringung in einer JVA eine stationäre Unterbringung i.S. des § 7 Abs. 4 SGB II dar. Jedoch habe die Beklagte für ihre Prognose einer sechsmonatigen Unterbringung nicht auf den Beginn des Haftaufenthalts, sondern auf den Beginn der Therapiemaßnahme abstellen dürfen. Spätestens der Tag der Ablehnung des Antrags (14. Juli 2005) sei als Prognosezeitpunkt zu Grunde zu legen. Aus der Verwendung des Wortes "für" in § 7 Abs. 4 SGB II sei zu schließen, dass eine Prognoseentscheidung zu treffen sei, denn der in § 7 Abs. 4 Halbsatz 1 SGB II genannte Zeitraum von sechs Monaten stelle keine absolute zeitliche Grenze dar, deren Ablauf erst abzuwarten wäre, bevor der Leistungsausschluss eintreten könne. Zwischen dem Aufenthalt in der JVA und dem in der Fachklinik habe ein einschneidender Wechsel stattgefunden. Die Aufenthalte hätten unterschiedliche Zielrichtungen verfolgt. Damit habe ein Sachverhaltswechsel vorgelegen, der nicht von einer Prognoseentscheidung zu Beginn des ersten Aufenthalts habe abgedeckt werden können. Eine andere Beurteilung könnte nur dann angebracht sein, wenn lediglich ein Wechsel des stationären Aufenthaltsortes erfolge, der Aufenthalt aber im Wesentlichen die gleiche Zielrichtung verfolge (etwa bei der Verlegung von einer JVA in eine andere JVA).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision. Sie macht geltend, dass Zeiten der Haft und ein sich direkt im Anschluss an die Haft anschließender Aufenthalt in einer Klinik zur Drogen- und Alkoholentwöhnung zusammenzurechnen seien. Auch wenn es in § 7 Abs. 4 SGB II heiße, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, erhalte keine Leistungen, sei damit nicht gemeint, dass jeder Aufenthalt in einer stationären Einrichtung für sich zu betrachten sei. Dies führe zu dem widersinnigen Ergebnis, dass auch der sich für mehr als sechs Monate in Strafhaft Befindende, wenn er sich für kurze Zeit in einem Krankenhaus aufhalte, in dieser Zeit Leistungen nach dem SGB II erhalten könne. Für die anzustellende Prognoseentscheidung sei vielmehr die gesamte bereits zurückliegende und die noch zu erwartende Dauer der stationären Unterbringung zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des SG Augsburg vom 10. April 2006 und des Bayerischen LSG vom 29. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und der Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 14. Juli bis zum 1. November 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II zustehen. Der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht gemäß § 7 Abs. 4 SGB II a.F. für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht. Der Kläger hat in der Revisionsinstanz klargestellt, dass er von der Beklagten Leistungen (nur) noch begehrt, soweit keine Erfüllung durch die Leistungen des beigeladenen Sozialhilfeträgers gemäß § 107 SGB X eingetreten ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage besteht weiterhin, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 16/07 R). Es kann auch dahinstehen, dass dem Kläger in jedem Falle Leistungen ab dem 27. Oktober 2005 zugestanden haben, denn an diesem Tage wurde er als arbeitsfähig aus der Klinik entlassen, sodass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr eingreifen konnte.
§ 7 Abs. 4 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954), gültig vom 1. Januar 2005 bis 1. August 2006) lautete: "Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht". § 7 Abs. 4 SGB II a.F. forderte, ebenso wie jetzt der (durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl I 1706) ab 1. August 2006 in Kraft getretene § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II eine Prognoseentscheidung. Dies folgt aus der Verwendung des Begriffs "für" länger als sechs Monate in § 7 Abs. 4 SGB II a.F. (ebenso Peters in Estelmann, SGB II, § 7 RdNr. 42 Stand Februar 2005; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII Asylbewerberleistungsgesetz, § 7 SGB II, RdNr. 100; Brühl/Schoch in LPK SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 RdNr. 81; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 7 RdNr. 35; Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 7 SGB II RdNr. 78 Stand Dezember 2006). Das Wesen einer Prognoseentscheidung besteht darin, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (Prognosezeitpunkt) für die Zukunft ein bestimmter Sachverhalt vorhergesagt (prognostiziert) wird. Im vorliegenden Fall muss ab einem bestimmten Prognosezeitpunkt mit einer längeren Unterbringung als sechs Monate in einer die Leistungen nach dem SGB II ausschließenden Einrichtung gemäß § 7 Abs. 4 SGB II gerechnet werden können. Bei der Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II handelt es sich mithin nicht um eine Ausschlussfrist. Es sind also nicht zunächst immer bis zum Ablauf der ersten sechs Monate Leistungen nach dem SGB II zu erbringen, umgekehrt tritt auch nach mehr als sechs monatiger Unterbringung nicht zwingend ein Leistungsausschluss ein (so aber offenbar die Bundesagentur für Arbeit in ihren Hinweisen zu § 2 7.41; dem folgend Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 RdNr. 68 Stand Februar 2007 und Schumacher in Oestreicher SGB XII, SGB II, § 7 SGB II RdNr. 27a Stand Oktober 2006). Auch wenn durch eine mehr als sechs monatige Unterbringung die ursprüngliche Prognose widerlegt worden ist, bleibt diese beachtlich, wenn sie zum Prognosezeitpunkt bei vorausschauender Betrachtung zutreffend gewesen ist. Dies liegt im Wesen einer Prognoseentscheidung (vgl. insbes BSGE 87, 132, 140 = SozR 3-4100 § 128 Nr. 10; BSG SozR 4-3300 § 14 Nr. 6, RdNr. 9; BSG, Urteil vom 10. Mai 2007, B 7a AL 14/06 R, RdNr. 19; zuletzt: BSG, Urteil vom 30. August 2007, B 10 EG 6/06 R, RdNr. 14; ebenso Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 7 SGB II RdNr. 78 Stand Dezember 2006). Sinn des § 7 Abs. 4 SGB II ist es, durch eine Prognoseentscheidung zu Beginn der Unterbringung einen Wechsel des Leistungsträgers nach nur kurzer Zeit innerhalb der Dauer von weniger als sechs Monaten zu vermeiden, denn die Prognoseentscheidung bleibt grundsätzlich für die Dauer der Bewilligungsentscheidung maßgeblich (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr. 5, S 12 f). Daher hat eine auf einer Prognose von unter sechs Monaten bestehende Bewilligung nach dem SGB II im Regelfall auch bei einer - nicht prognostizierbaren - über sechs Monaten hinausgehenden Dauer der Unterbringung Bestand.
Bei der im vorliegenden Fall zu treffenden Prognoseentscheidung ist ausschließlich auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringung des Klägers in der Fachklinik H. abzustellen. Die Dauer dieser am 7. Juli 2005 begonnenen Unterbringung war von vornherein prognostisch auf 16 Wochen begrenzt und erreichte damit nicht die Sechs-Monats-Grenze des § 7 Abs. 4 SGB II. Die Aussetzung des Strafrestes des Klägers auf Bewährung durch Beschluss des Oberlandesgerichts stellte eine rechtliche und tatsächliche Zäsur dar, die einen neuen Prognosezeitpunkt und -zeitraum eröffnete. Für die nunmehr im Jahre 2005 zu treffende zukunftsgerichtete Prognoseentscheidung kann maßgebend nicht darauf abgestellt werden, dass der Kläger bereits seit April 2004 in Strafhaft war, weil es sich um einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt handelt, aus dem für die Zukunft keine Rückschlüsse gezogen werden können. Der Kläger hatte zunächst eine Strafhaft auf Grund einer Verurteilung durch ein Strafurteil angetreten. Bei der Verurteilung zur Freiheitsstrafe hat das Gericht in dem Urteil darüber zu befinden, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung in Frage kommt. Maßgebende Rechtsgrundlage hierfür ist § 56 Strafgesetzbuch (StGB). Nach § 56 Abs. 2 StGB kann unter bestimmten Voraussetzungen auch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei dieser Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen, zu berücksichtigen. Es handelt sich um eine eigene Prognoseentscheidung (vgl. u.a. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007, § 56 StGB RdNr. 3 ff; eingehend Groß in MünchKomm StGB, 2005, § 56 RdNr. 13 ff), die im Zeitpunkt des Ausspruchs des Strafurteils zu treffen ist. Im vorliegenden Fall wurde die Freiheitsstrafe offensichtlich nicht zur Bewährung ausgesetzt, sondern der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Ausgehend von einem Prognosezeitpunkt zu Beginn der Strafhaft wäre bei einer Prognoseentscheidung in jedem Fall davon auszugehen gewesen, dass der Kläger gemäß § 7 Abs. 4 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II erhalten kann, weil er prognostisch länger als sechs Monate inhaftiert sein würde. Ist diese Prognoseentscheidung zu Beginn der Strafhaft zutreffend, so ändert auch ein kurzzeitiges Überwechseln des Klägers aus der JVA in ein Krankenhaus oder in eine andere JVA nichts an der Richtigkeit der Prognose. Der Kläger bliebe gemäß § 7 Abs. 4 SGB II weiterhin von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen. Dies verkennt die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung.
Maßgebend ist hier, dass durch den Beschluss des OLG München vom 27. Juni 2005 über die Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe gemäß § 57 StGB eine Zäsur geschaffen wurde, die einen neuen Prognosezeitpunkt und damit einen neuen Prognosezeitraum eröffnet. Der Kläger ist zum 7. Juli 2005 aus der Strafhaft entlassen worden und hat eine Alkoholentwöhnungskur in der Fachklinik einer LVA angetreten. Nach § 57 Abs. 1 StGB kann das Gericht die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate verbüßt sind und 2. dies unter Berücksichtigung des Sicherungsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und 3. der Verurteilte einwilligt. Bei dieser - neuen - Prognoseentscheidung (vgl. Groß, a.a.O., § 57 RdNr. 14 ff; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 57 RdNr. 12 ff) ist nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Nach § 57 StGB kann das Gericht also nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafhaft den Strafgefangenen in Freiheit entlassen. Zuständig für diese Entscheidung ist die sog Strafvollstreckungskammer, das ist eine eigene Kammer des Landgerichts, in dessen Bezirk der Strafgefangene seine Strafe verbüßt (hier das Landgericht Augsburg; § 462a Strafprozessordnung (StPO)). Das ursprüngliche Strafurteil und der spätere Beschluss über die Aussetzung des Strafrestes gemäß § 57 StGB werden also grundsätzlich von anderen Spruchkörpern zu anderen Zeitpunkten und auf anderer rechtlicher und tatsächlicher Grundlage getroffen. Nach § 57 Abs. 3 StGB gelten die §§ 56a bis g StGB entsprechend. Dies bedeutet, dass mit einem Beschluss über die Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe auch Auflagen verbunden werden können. Gemäß § 56c Abs. 3 StGB kann das Gericht für die Dauer der Bewährung die Weisung auferlegen, sich einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Dementsprechend hat das OLG München in seinem Beschluss dem Kläger die Auflage erteilt, sich in die Fachklinik zu begeben. Auf Grund des Beschlusses des OLG gemäß § 57 StGB vom 27. Juni 2005 lag mithin eine rechtliche Zäsur vor, die zu einer Zäsur im tatsächlichen Geschehensablauf ab 7. Juli 2005 führte. Der Kläger wurde aus der Strafhaft auf Bewährung entlassen, weil in dem Beschluss auf Grund einer neuen, strafrechtlichen Prognose der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wurde. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufenthalte in der JVA und anschließend in der Fachklinik von vornherein eine rechtliche Einheit dargestellt haben. Hierfür hätte zu Beginn der Strafhaft prognostizierbar sein müssen, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Beschluss gemäß § 57 StGB ergehen wird. Was nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafhaft geschehen wird, ist aber bei Strafantritt nicht vorhersehbar. Der Kläger hätte nach dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer (bzw. auf seine Beschwerde hin durch das OLG) im Juni 2005 auch möglicherweise seine gesamte Strafhaft verbüßen müssen und dann auch ggf. weiterhin keine Leistungen nach dem SGB II erhalten können, er hätte aber auch sofort (ab 7. Juli 2005) auf freien Fuß gesetzt werden können und wäre damit sofort Leistungsberechtigter nach dem SGB II geworden. Diese Geschehensabläufe, die durch den späteren Beschluss einer Strafvollstreckungskammer ausgelöst werden, können zu Beginn der Strafhaft nicht prognostiziert werden.
Maßgeblicher Prognosezeitpunkt ist daher der Zeitpunkt des Überwechselns des Klägers in die Fachklinik H ... Die Maßnahme sollte am 7. Juli 2005 beginnen und 16 Wochen dauern. Damit lag prognostisch ein Aufenthalt von unter sechs Monaten in der Fachklinik vor. Offen bleiben kann hier, ob der Prognosezeitraum in diesen Fällen immer vom Zeitpunkt des ersten Tags der Aufnahme in eine stationäre Einrichtung an zu berechnen ist, oder ob durch gezielte Antragstellung gemäß § 37 SGB II der Prognosezeitraum auch nach hinten verschoben werden kann, wovon offenbar das SG in seinem Urteil ausging. Letzteres hätte zur Konsequenz, dass der in einer Einrichtung gemäß § 7 Abs. 4 SGB II Untergebrachte einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 37 SGB II zu einem Zeitpunkt stellen könnte, zu dem seine Entlassung aus der Anstalt bzw. einer Einrichtung i.S. des § 7 Abs. 4 SGB II absehbar und damit prognostizierbar ist. Der Senat teilt zwar die Bedenken der Beklagten, dass einem solchen beliebigen Verschieben des Prognosezeitpunkts durch Antragstellung ein gewisses Missbrauchspotenzial innewohnt. Andererseits ist es die Grundintention des SGB II, jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen i.S. des § 8 SGB II in Erwerbsarbeit zu integrieren (vgl. hierzu Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 1 RdNr. 9 ff). Geht der Leistungsausschluss durch Unterbringung in einer Einrichtung gemäß § 7 Abs. 4 SGB II a.F. absehbar zeitlich zu Ende, so entspricht es dem Aktualitätsprinzip des SGB II, den Prognosezeitraum grundsätzlich ab dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, zu dem der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II begehrt und damit zugleich anzeigt, dass er Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff SGB II erhalten möchte.
Da der Aufenthalt in der Klinik H. vom maßgeblichen Prognosezeitpunkt des Überwechselns in die Klinik angerechnet weniger als sechs Monate dauerte, brauchte hier auch nicht entschieden zu werden, inwieweit diese Klinik eine stationäre Einrichtung i.S. des § 7 Abs. 4 SGB II darstellte. Der Senat hat in seinem Urteil vom 6. September 2007 (B 14/7b AS 16/07 R) klargestellt, dass der Begriff der Einrichtung i.S. des § 7 Abs. 4 SGB II unter dem Gesichtspunkt des Gesetzeszwecks des SGB II funktional auszulegen ist. Maßgebend ist damit allein, ob der in der Einrichtung Untergebrachte auf Grund der objektiven Struktur der Einrichtung in der Lage ist, wöchentlich 15 Stunden (bzw. täglich drei Stunden) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Mit dieser Entscheidung für einen sog funktionalen bzw. bereichsspezifischen Einrichtungsbegriff i.S. des SGB II dürfte damit zugleich geklärt sein, dass etwa eine JVA im Regelfall eine Einrichtung i.S. des § 7 Abs. 4 SGB II darstellt, weil im "Normalvollzug" eben eine Teilnahme am "allgemeinen Arbeitsmarkt" objektiv nicht möglich ist. Dies hat der Gesetzgeber des Fortentwicklungsgesetzes mit Wirkung zum 1. August 2006 in § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II nunmehr auch ausdrücklich klargestellt (zur streitigen Frage des Einrichtungscharakters der JVA vgl. Hammel, ZfSH/SGB 2006, 707, 708 f; Peters, NDV 2006, 222; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. September 2005, L 8 AS 196/05 ER Breithaupt 2006, 683; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14. November 2005, L 9 B 260/05 SO ER - FEVS 57, 354; anderes gilt ggf. für sog "Freigänger", vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2006, L 14 B 1307/05 AS ER - FEVS 57, 464).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte war zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu verurteilen. Nach § 193 Abs. 4 SGG sind nicht erstattungsfähig die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen. In § 184 Abs. 1 SGG wird bestimmt, dass Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten privilegierten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten haben. § 184 SGG nennt damit ausdrücklich nicht die Beigeladenen gemäß § 75 SGG, sodass § 193 Abs. 4 SGG i.V.m. § 184 SGG folglich nicht die Kostenerstattung zu Gunsten von Beigeladenen, auch wenn es sich um juristische Personen handelt, ausschließt (vgl. Groß in Lüdtke, HkSGG, 2. Aufl. 2006, § 193 RdNr. 19). Zwar mag dem Gesetzgeber, jedenfalls soweit juristische Personen des öffentlichen Rechts und die privaten Pflegeversicherungsunternehmen betroffen sind, in § 193 Abs. 4 SGG ein Fehler bei der Formulierung des Gesetzes unterlaufen sein (so Groß a.a.O.), jedoch ist dieser Fehler vom Gesetzgeber selbst zu korrigieren.