Bundessozialgericht - B 14 AS 1/15 R - Urteil vom 19.08.2015
Die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, regelt die UnbilligkeitsV vom 14.4.2008 abschließend. Dies ergibt sich sowohl aus dem systematischen Zusammenhang als auch aus der Entstehungsgeschichte von Verordnungsermächtigung und Verordnung. Nach § 1 UnbilligkeitsV sind Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre. Dieser "Grundsatz" enthält nicht selbst eine Regelung zur Unbilligkeit, sondern knüpft an die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs 2 SGB II an. Das, was in § 13 Abs. 2 SGB II i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz als Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmt ist, stellt § 1 UnbilligkeitsV in der Formulierung eines Grundsatzes den einzelnen Unbilligkeitstatbeständen in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV voran. Diese bestimmen i.S. des § 13 Abs. 2 SGB II, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer zur Vermeidung von Unbilligkeiten keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht. Entsprechend schließen die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV an den Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV, dass keine Verpflichtung besteht, "wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre", jeweils mit der Formulierung an: "Unbillig ist die Inanspruchnahme", wenn bzw. solange der in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV jeweils bestimmte Sachverhalt vorliegt. Weder diese einzelnen Unbilligkeitstatbestände enthalten eine Öffnung für andere Sachverhalte. Noch enthält der Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV einen Hinweis darauf, dass die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV nur Fallbeispiele einer Unbilligkeit bestimmen, daneben aber auch bei anderen Sachverhalten eine Unbilligkeit vorliegen könnte, die nicht zur Rentenantragstellung verpflichtet. Dieses Verständnis der UnbilligkeitsV stimmt überein mit der Verordnungsermächtigung, denn § 13 Abs 2 SGB II ermächtigt zur Bestimmung, "unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer ( ) ausnahmsweise" keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht.
Gründe:
I
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung, die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters zu beantragen.
Der am 14.3.1950 geborene Kläger bezog mit seiner 1950 geborenen Ehefrau vom beklagten Jobcenter Arbeitslosengeld II (Alg II), das ihm zuletzt in Höhe seines Bedarfs von 529,67 Euro bewilligt worden war. Der Kläger erfüllte mit Vollendung seines 63. Lebensjahres die Voraussetzungen für den Bezug einer vorzeitigen Altersrente, bei deren Inanspruchnahme der monatliche Zahlbetrag im Verhältnis zur Regelaltersrente für jeden Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,3 % zu kürzen ist. Zum 1.8.2015 erfüllte er die Voraussetzungen für den Bezug einer abschlagsfreien Regelaltersrente, die ausweislich einer Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (DRV) vom 31.5.2011 monatlich 924,66 Euro betragen werde.
Nachdem der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache eine vorzeitige Rentenantragstellung abgelehnt hatte, forderte ihn der Beklagte durch Bescheid vom 10.9.2012 auf, im Rahmen seiner Selbsthilfeverpflichtung unverzüglich, spätestens bis 19.11.2012, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente beginnend ab Vollendung seines 63. Lebensjahres beim für ihn zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Sollte der Kläger dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Aufforderung nicht nachkommen, kündigte der Beklagte seine Antragstellung für den Kläger an. Dessen Widerspruch wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012).
Der Kläger erhob Klage und beantragte beim Sozialgericht (SG) Duisburg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das SG ordnete deren aufschiebende Wirkung an (Beschluss vom 28.1.2013 - S 25 AS 4787/12 ER); das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hob diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab (Beschluss vom 22.5.2013 - L 19 AS 291/13 B ER). Am 8.7.2013 stellte der Beklagte bei der DRV einen Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Versichertenrente beginnend ab Vollendung des 63. Lebensjahres für den Kläger.
Das SG wies die Klage ab (Urteil vom 30.4.2014). Die Berufung des Klägers wies das LSG zurück (Urteil vom 23.10.2014): Die Aufforderung zur Rentenantragstellung sei rechtmäßig. § 5 Abs. 3 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) setze die Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen - hier der Rente - voraus, die durch § 12a SGB II konkretisiert werde. Danach müsse nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies unbillig im Sinne der auf der Grundlage des § 13 Abs. 2 SGB II erlassenen Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (UnbilligkeitsV) sei. Eine solche Unbilligkeit liege bei dem Kläger nicht im Sinne der abschließenden §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV vor. Es liege auch kein Fall einer generellen Unbilligkeit vor, der allenfalls über § 1 UnbilligkeitsV zu erfassen wäre. Soweit sich der Kläger generell gegen eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente wegen der damit verbundenen Abschläge wende, vermöge dies eine Unbilligkeit nicht zu begründen, sondern sei die Folge, die vom Gesetzgeber nach Vollendung des 63. Lebensjahres typisierend als hinnehmbar erachtet werde. Die gerichtliche Nachprüfung des aufgrund Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen vom Beklagten hinsichtlich des Ob einer Aufforderung zur Rentenantragstellung auszuübenden Ermessens beschränke sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens und der zweckentsprechenden Ermessensausübung. Nach diesen Maßgaben habe der Beklagte im Widerspruchsbescheid sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger
insbesondere eine Verletzung von § 5 Abs. 3 i.V.m. § 12a SGB II durch fehlende Ermessensausübung des Beklagten geltend. Folge man dem LSG darin, dass der Beklagte Ermessen ausgeübt habe, sei die Ermessensbetätigung angesichts seines Vortrags im Widerspruchsverfahren, dass durch die gekürzte Rente existenzsichernde Leistungen voraussichtlich in Anspruch genommen werden müssten, jedenfalls nicht hinreichend, denn insoweit seien Ermessenserwägungen nicht erfolgt. Der Kläger hat im Revisionsverfahren den ihm gegenüber ergangenen ablehnenden Bescheid der DRV vom 8.9.2014 auf den Rentenantrag des Beklagten vom 8.7.2013 vorgelegt sowie erklärt, er beziehe seit 1.8.2015 die Regelaltersrente abschlagsfrei mit einem Zahlbetrag von monatlich 895,15 Euro.
Er beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2014 und des Sozialgerichts Duisburg vom 30. April 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 10. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2012 aufzuheben.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hat im Revisionsverfahren seinen gegen den Bescheid der DRV vom 8.9.2014 eingelegten Widerspruch vorgelegt.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Aufforderung an den Kläger zur Rentenantragstellung rechtmäßig ist.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des SG und des LSG, durch die die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen wurde, und der Bescheid des Beklagten vom 10.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012, durch den der Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist.
2. Zutreffende Klageart ist hier die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn der Kläger begehrt die Aufhebung der Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente, bei der es sich um einen Verwaltungsakt i.S. des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handelt (Bundessozialgericht (BSG) Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B - juris RdNr. 5). Die Aufforderung setzt die allgemein für Leistungsberechtigte geltende gesetzliche Verpflichtung nach § 12a Satz 1 SGB II, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, in eine konkrete Regelung im Einzelfall des Klägers um, bis zum 19.11.2012 eine vorzeitige Altersrente beginnend ab Vollendung seines 63. Lebensjahres zu beantragen.
Die angefochtene Aufforderung ist nicht bereits i.S. des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und die Anfechtungsklage nach wie vor zulässig, nachdem der durch seinen Antrag i.S. des § 12 SGB X am Rentenverfahren beteiligte Beklagte gegen den nur dem Kläger bekannt gegebenen Bescheid der DRV vom 8.9.2014, durch den der vom Beklagten für den Kläger gestellte Rentenantrag abgelehnt worden ist, weil dieser seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, Widerspruch eingelegt hat. Für die Anfechtungsklage besteht auch nach dem 1.8.2015, seit dem der Kläger eine abschlagsfreie Regelaltersrente bezieht, noch ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn solange das auf dem Antrag des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen ist, begründet und erhält die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den Kläger im Rentenverfahren, in dem eine rückwirkende Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente in Betracht kommt (zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bei bestandskräftiger Bewilligung einer Rente vgl. BSG Beschluss vom 12.6.2013 - B 14 AS 225/12 B - juris RdNr. 5).
3. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere bedurfte es keiner echten notwendigen Beiladung der DRV nach § 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG, weil durch die Entscheidung des Rechtsstreits über die Aufforderung des Klägers durch den Beklagten zur Rentenantragstellung nicht gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte der DRV gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (zu diesem Erfordernis vgl. BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 1 KR 5/14 R - SozR 4-2500 § 268 Nr. 1 RdNr. 23 m.w.N.). Denn die Entscheidung im Streit um die Aufforderung und der auf ihr beruhenden Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den Kläger gegenüber der DRV betrifft nicht gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte der DRV, sondern beantwortet nur eine Vorfrage für die von der DRV zu treffende Entscheidung über den Rentenantrag des Beklagten, sodass ohne ihre Beteiligung über den vorliegenden Rechtsstreit entschieden werden darf. Indes ist in Fällen der vorliegenden Art nach Rentenantragstellung durch den SGB II-Leistungsträger eine einfache Beiladung des Rentenversicherungsträgers nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG zweckmäßig.
4. Die angefochtene Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente stützt sich auf § 12a i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Die aus diesen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Regelungsgefüge des SGB II (dazu 5. a) und der Regelungskonzeption des Gesetzgebers (dazu 5. b) sich ergebenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Aufforderung zur Rentenantragstellung (dazu 5. c) erfüllt die streitbefangene Aufforderung an den Kläger (dazu 6.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Aufforderung nach § 12a i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II greifen nicht durch (dazu 7.).
5. § 12a i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II ermächtigen SGB II-Leistungsträger, Leistungsberechtigte zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern.
a) Diese Vorschriften sind Teil eines größeren Regelungszusammenhangs. In diesem ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II (diese und alle weiteren Vorschriften des SGB II in der seit 1.4.2011 geltenden Fassung aufgrund der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850), wer - neben anderen Voraussetzungen - hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Hieran knüpft die Vorschrift des § 12a SGB II über vorrangige Leistungen an. Danach sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist (Satz 1). Hiervon abweichend sind sie nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (Satz 2 Nr. 1). Nach Vollendung des 63. Lebensjahres gehört indes zu den vorrangigen Leistungen grundsätzlich auch die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente trotz der mit ihr verbundenen dauerhaften Rentenabschläge für jeden Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme (niedrigerer Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die gesamte Rentenbezugsdauer aufgrund § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Stellen Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf vorrangige Leistungen eines anderen Trägers nicht, können nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II die Leistungsträger nach dem SGB II den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Eine vergleichbare Ermächtigung enthielt bereits § 91a Bundessozialhilfegesetz, dem im geltenden Sozialhilferecht § 95 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) entspricht.
b) Mit diesen Vorschriften setzt der Gesetzgeber nach seiner Regelungskonzeption den normativen Grundsatz des Nachrangs existenzsichernder Leistungen um. Diesen in § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und § 3 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II noch allgemein zum Ausdruck gebrachten Nachrang konkretisieren § 12a und § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II zur Ermächtigung des Leistungsträgers, selbst anstelle des Leistungsberechtigten Anträge auf vorrangige Leistungen bei einem anderen Träger zu stellen, wenn der Leistungsberechtigte entgegen seiner Verpflichtung und trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag nicht stellt.
Mit § 5 Abs. 3 SGB II "sollen das Realisieren von Ansprüchen gegen andere Träger und der Nachrang der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sichergestellt werden" (so BT-Drucks 15/1516, S 51 f). § 12a SGB II "stellt" in Satz 1 zur in den §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzten Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorrangigen Sozialleistung "klar", dass hierzu nur verpflichtet ist, wer dadurch die Hilfebedürftigkeit beseitigen, vermeiden, verringern oder verkürzen kann (BT-Drucks 16/7460, S 12); Satz 2 Nr. 1 schränkt diese Verpflichtung für den Fall der Altersrente dahin ein, dass eine vorzeitige Altersrente frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden muss. "Damit wird einheitlich für alle Hilfebedürftigen ein Alter festgelegt, ab dem sie eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen haben" (so BT-Drucks 16/7460, S 12; zum Regelungsgegenstand und Schutzzweck des § 12a Satz 2 SGB II - Absehen von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Renteninanspruchnahme zur Abmilderung von Rentenabschlägen - vgl. bereits BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 30 RdNr. 31 f). Die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II zur Bestimmung von Ausnahmen von dieser Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente soll das Regel-Ausnahme-Verhältnis dadurch verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre (so BT-Drucks 16/7460, S 12). § 39 Nr. 3 SGB II nimmt die "zentrale Verpflichtung", die Hilfebedürftigkeit auch durch die Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen zu verringern oder zu beenden, zum Anlass, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird, vorzusehen, "damit Hilfebedürftige nicht endgültig durch die Einlegung von Rechtsmitteln für die Dauer des Verwaltungs- und Klageverfahrens die Inanspruchnahme der vorrangigen Leistung vereiteln" (so BT-Drucks 16/10810, S 50).
c) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Aufforderung sind die Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II, eine vorrangige Leistung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, und die fehlerfreie Ermessensentscheidung des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, den Leistungsberechtigten zur Antragstellung aufzufordern.
aa) Als Voraussetzung für eine Verpflichtung nach § 12a SGB II ist zunächst zu prüfen, ob die Inanspruchnahme von Sozialleistungen eines anderen Trägers zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist und ob hierfür eine Antragstellung erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinne ist jede Inanspruchnahme, die Hilfebedürftigkeit vermeidet, also nicht eintreten lässt, beseitigt, also eine bestehende Hilfebedürftigkeit beendet bzw. wegfallen lässt, verkürzt, also die Dauer begrenzt, oder vermindert, also die Höhe verringert. Jeweils geht es mit der Beeinflussung der Hilfebedürftigkeit um eine Beeinflussung des nachrangigen Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch die Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen eines anderen Trägers. Die Erforderlichkeit einer Antragstellung für diese Leistungen bestimmt sich nach dem für sie geltenden Recht.
bb) Bei einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ist zusätzlich zu prüfen, ob die Anwendbarkeit von § 12a SGB II ausnahmsweise ausgeschlossen ist und ob die nach § 12a SGB II den Regelfall bildende Verpflichtung zur Antragstellung und Inanspruchnahme i.S. des § 13 Abs. 2 SGB II ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht besteht. Einer Anwendbarkeit von § 12a SGB II kann die sog 58er-Regelung entgegenstehen (§ 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II i.V.m. § 428 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)). Diese schützt den von ihr erfassten Personenkreis vor der Verpflichtung zur Inanspruchnahme von vorzeitigen Altersrenten mit Abschlägen (vgl. Radüge in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 65 RdNr. 16, 20). Eine weitergehende, von der 58er-Regelung unabhängige Ausnahme von der Verpflichtung nach § 12a SGB II dahin, dass diese das Fehlschlagen von Bemühungen um eine Eingliederung des Leistungsberechtigten in Arbeit voraussetzt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 28.5.2015 - L 15 AS 85/15 B ER - juris RdNr. 23, 27; a.A. Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 5 RdNr. 158, Stand Oktober 2014). § 12a SGB II liegt vielmehr die Typisierung zugrunde, dass die erwerbsbiographische Lebensphase des Leistungsberechtigten, der nach Vollendung des 63. Lebensjahres Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente hat, abgeschlossen ist (zu dieser Typisierung vgl. Siebel-Huffmann, Stellungnahme in Sachverständigenanhörung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in BT-Drucks 18/589, Ausschussdrucks 18(11)263, S 25, 26 f).
Die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, regelt die UnbilligkeitsV vom 14.4.2008 (BGBl I 734) abschließend (so auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 4.12.2014 - L 7 AS 1775/14 - juris RdNr. 28; Adolph in ders, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 13 SGB II RdNr. 23, Stand Mai 2011; Hohm/Klaus in GK-SGB II, § 13 RdNr. 32, Stand Oktober 2008; a.A. Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 12a RdNr. 6; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 13 RdNr. 397, Stand Juni 2015). Dies ergibt sich sowohl aus dem systematischen Zusammenhang als auch aus der Entstehungsgeschichte von Verordnungsermächtigung und Verordnung. Nach § 1 UnbilligkeitsV sind Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre. Dieser "Grundsatz" enthält nicht selbst eine Regelung zur Unbilligkeit, sondern knüpft an die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II an. Das, was in § 13 Abs. 2 SGB II i.S. des Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) als Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmt ist, stellt § 1 UnbilligkeitsV in der Formulierung eines Grundsatzes den einzelnen Unbilligkeitstatbeständen in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV voran. Diese bestimmen i.S. des § 13 Abs. 2 SGB II, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer zur Vermeidung von Unbilligkeiten keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht. Entsprechend schließen die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV an den Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV, dass keine Verpflichtung besteht, "wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre", jeweils mit der Formulierung an: "Unbillig ist die Inanspruchnahme", wenn bzw. solange der in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV jeweils bestimmte Sachverhalt vorliegt. Weder diese einzelnen Unbilligkeitstatbestände enthalten eine Öffnung für andere Sachverhalte (z.B. durch eine Formulierung in der Gestalt von Regelbeispielen: Unbillig ist die Inanspruchnahme insbesondere dann, wenn ). Noch enthält der Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV einen Hinweis darauf, dass die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV nur Fallbeispiele einer Unbilligkeit bestimmen, daneben aber auch bei anderen Sachverhalten eine Unbilligkeit vorliegen könnte, die nicht zur Rentenantragstellung verpflichtet. Dieses Verständnis der UnbilligkeitsV stimmt überein mit der Verordnungsermächtigung, denn § 13 Abs. 2 SGB II ermächtigt zur Bestimmung, "unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer ( ) ausnahmsweise" keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht.
Hierfür sprechen auch die Gesetzesmaterialien zu § 13 Abs. 2 SGB II, nach denen die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre (BT-Drucks 16/7460, S 12). Dagegen spricht nicht, dass dort weiter ausgeführt ist: "Mit der Verordnungsermächtigung kann auf Erfahrungen und Erkenntnisse der Praxis flexibel reagiert und möglichen Fehlentwicklungen entgegengewirkt werden." Denn reagiert werden kann auch danach nur mit der Verordnungsermächtigung, dh durch Änderung der Verordnung mit Blick auf einzelne Unbilligkeitstatbestände als eng umgrenzte Ausnahmen. Eine allgemeine Öffnungsklausel stünde außerhalb dieses Ermächtigungskonzepts. Ihrer bedarf es auch nicht, weil von der UnbilligkeitsV nicht erfassten unzumutbaren besonderen Härten im Rahmen der Ermessensausübung begegnet werden kann (dazu sogleich).
cc) Die Aufforderung an Leistungsberechtigte zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen der Leistungsträger.
Stellen Leistungsberechtigte entgegen ihrer Verpflichtung nach § 12a SGB II und trotz Aufforderung den Antrag nicht, können die Leistungsträger nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II selbst den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Mit diesem "können" ist das Ob der Antragstellung anstelle der Leistungsberechtigten in das Ermessen der Leistungsträger gestellt. Dieses ermöglicht eine abschließende Abwägung im Einzelfall, ob der Nachrang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf diesem Weg durchgesetzt werden soll oder ob dies wegen eines besonderen Härtefalles unzumutbar ist.
Noch vor der Ermessensentscheidung der Leistungsträger über ihre Antragstellung ist indes bereits über die Aufforderung der Leistungsberechtigten zur Antragstellung durch die Leistungsträger eine Ermessensentscheidung zu treffen. Auch die der eigenen Antragstellung vorausgehende Aufforderung der Leistungsberechtigten zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen der Leistungsträger (so bereits LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 1.2.2010 - L 19 B 371/09 AS ER - juris RdNr. 9; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 4.12.2014 - L 7 AS 1775/14 - juris RdNr. 30; Breitkreuz, ASR 2015, 2, 4 f, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Hammel, info also 2013, 148, 151; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12a RdNr. 198, Stand Januar 2013; Knickrehm, SozSich 2008, 192, 195; Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 5 RdNr. 158, Stand Oktober 2014; Radüge in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12a RdNr. 19; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 12a SGB II RdNr. 13c, Stand September 2013). Denn ohne eine vorgezogene Ermessensprüfung des Leistungsträgers und deren Erkennbarkeit im Aufforderungsbescheid wäre der Leistungsberechtigte benachteiligt, der der Aufforderung nachkommt, obwohl der Leistungsträger dieser bei Nichtbefolgung aus Ermessensgründen keine eigene Antragstellung hätte folgen lassen. Der Leistungsberechtigte soll prüfen können, ob er der Aufforderung folgt, die der Leistungsträger durch eigene Antragstellung auch durchzusetzen beabsichtigt, oder ob er im Streit um die Aufforderung Gründe vorbringt, die gegen ihre spätere Durchsetzung und damit auch gegen die Aufforderung sprechen können. Die Ermessensgesichtspunkte, die den Leistungsträger trotz einer Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme einer vorrangigen Leistung und trotz nichtbefolgter Aufforderung zur Antragstellung von einer eigenen künftigen Antragstellung absehen lassen könnten, sind bereits bei der Aufforderung des Leistungsberechtigten zur Antragstellung zu erwägen und müssen im Aufforderungsbescheid i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X erkennbar sein.
Dabei hat das durch § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II dem Leistungsträger hinsichtlich des Ob einer Aufforderung eingeräumte Ermessen seinen Ausgangspunkt beim Grundsatz der gesetzlichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II zur Realisierung vorrangiger Sozialleistungen zu nehmen. Dies gilt erst recht bei einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente, wenn die Ausnahmetatbestände der UnbilligkeitsV nicht eingreifen (zur Begrenzung des eingeräumten Ermessens vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 18.11.2014 - L 10 AS 2254/14 B ER - juris RdNr. 16 f; Sächsisches LSG Beschluss vom 19.2.2015 - L 8 AS 1232/14 ER - juris RdNr. 29 f; Thüringer LSG Beschluss vom 8.4.2015 - L 4 AS 263/15 B ER - juris RdNr. 21; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 28.5.2015 - L 15 AS 85/15 B ER - juris RdNr. 25; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 6.7.2015 - L 25 AS 543/15 B ER - juris RdNr. 11; ähnlich Breitkreuz, ASR 2015, 2, 5 f: gesetzgeberische Wertung in § 12a Satz 2 SGB II i.V.m. UnbilligkeitsV ist zu beachten; Löns in ders/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 5 RdNr. 16: Ermessensspielraum eher eng; Löschau in Estelmann, SGB II, § 5 RdNr. 35, Stand Mai 2007: Grundsicherungsträger wird eigenes Antragsrecht in der Regel zu nutzen haben; Meyerhoff in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 5 RdNr. 102: ermessensfehlerhaft nur selten, wenn atypischer Fall; a.A. Hammel, info also 2013, 148, 151 f: Berücksichtigung sämtlicher persönlicher und wirtschaftlicher Aspekte des jeweiligen Einzelfalles; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 12a RdNr. 10: Einzelfallbetrachtung der Gesamtsituation des Leistungsberechtigten; Radüge in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12a RdNr. 19: Gesamtabwägung der persönlichen Umstände des Leistungsberechtigten). Denn dem Entschließungsermessen liegt tatbestandlich voraus, dass die Antragstellung des Leistungsberechtigten auf die Inanspruchnahme für die Hilfebedürftigkeit relevanter vorrangiger Leistungen erforderlich und insbesondere die Beantragung einer vorzeitigen Altersrente nicht unbillig ist. Aufgrund der sich hieraus ergebenden Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Antragstellung nach § 12a SGB II entspricht es pflichtgemäßem Ermessen des Leistungsträgers, im Regelfall von der Ermächtigung zur Aufforderung zur Antragstellung Gebrauch zu machen.
Relevante Ermessensgesichtspunkte können deshalb nur solche sein, die einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dafür dürften bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht kommen, die keinen Unbilligkeitstatbestand i.S. der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Soweit sich Umstände für solche Härten nicht aufdrängen, ist es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalles vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat.
6. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Aufforderung an den Kläger durch den Beklagten rechtmäßig.
a) Der Kläger ist nach § 12a SGB II verpflichtet, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Seiner Verpflichtung steht nicht bereits die sog 58er-Regelung entgegen. Denn er fällt schon deshalb nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung, weil er erst nach dem 1.1.2008 das 58. Lebensjahr vollendet hat (§ 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II).
Der Kläger kann nach den Feststellungen des LSG eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung seines 63. Lebensjahres beanspruchen. Da er dieses am 13.3.2013 vollendete, kommt eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mit einem Rentenbeginn - bei rechtzeitiger Antragstellung - ab 1.4.2013 in Betracht (§ 99 Abs. 1 SGB VI). Der Kläger ist zu ihrer Inanspruchnahme verpflichtet, denn diese ist i.S. des § 12a Satz 1 SGB II erforderlich, weil sie zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führt. Insoweit ist nur auf ihn und nicht auch auf seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau abzustellen. § 12a Satz 1 SGB II bietet mit Blick auf die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente keinen Ansatz dafür, dass nicht auch insoweit nur auf den je individuellen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abzustellen ist, der das SGB II prägt. Vielmehr ergibt sich aus der Sonderregelung in § 12a Satz 2 Nr. 2 SGB II, nach der abweichend von Satz 1 Leistungsberechtigte nicht verpflichtet sind, Wohngeld oder Kinderzuschlag in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt wird, dass nur für die Inanspruchnahme dieser vorrangigen Leistungen die Auswirkungen auf die Bedarfsgemeinschaft in den Blick zu nehmen sind. Dass die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach dem SGB II unabhängig von der Höhe der Rente beseitigt, folgt aus dem in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschluss, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht (vgl. BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 30 RdNr. 15 ff; BSG Beschluss vom 12.6.2013 - B 14 AS 225/12 B - juris RdNr. 5).
Dass abhängig von der Höhe der Rente der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt ggf. nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten könnte und ihm deshalb insoweit nach § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII im Umfang seiner durch die Altersrente verminderten Hilfebedürftigkeit Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten sein könnte, ändert nichts daran, dass der Kläger mit dem Bezug der vorzeitigen Altersrente i.S. des § 12a Satz 1 SGB II seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beseitigt und aus diesem existenzsicherungsrechtlichen Leistungssystem ausscheidet. Dies ist ebenso, wenn der Kläger bei Bezug der Rente abhängig von deren Höhe eine sog gemischte Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau bilden würde, in der diese weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen Hilfebedürftigkeit beziehen würde.
Eine Antragstellung durch den Kläger ist i.S. des § 12a Satz 1 SGB II erforderlich und er zu dieser verpflichtet, weil Renten aus eigener Versicherung nur auf Antrag geleistet werden (§ 99 Abs. 1 SGB VI). Die angefochtene Aufforderung des Klägers zur Antragstellung ist hinreichend bestimmt, denn sie bezieht sich auf "einen Antrag auf vorzeitige Altersrente beginnend ab Vollendung Ihres 63. Lebensjahres bei dem für Sie zuständigen Rentenversicherungsträger". Die ihm für die Antragstellung bei der DRV durch Bescheid vom 10.9.2012 gesetzte Frist bis zum 19.11.2012 bietet mit ihrer Länge keinen Anlass für rechtliche Bedenken (zur Bestimmung der gesetzlich nicht festgelegten Frist vgl. Breitkreuz, ASR 2015, 2, 6).
b) Ein Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung des Klägers nach § 12a Satz 1 SGB II zur Beantragung und Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nach der UnbilligkeitsV greift nicht. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente würde nicht zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) führen (§ 2 UnbilligkeitsV), weil der Kläger keinen Anspruch auf Alg nach dem SGB III hat. Sie ist auch nicht deshalb unbillig, weil der Kläger in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann (§ 3 UnbilligkeitsV). Denn abschlagsfrei in Anspruch nehmen könnte er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 237 Abs. 3 SGB VI i.V.m. Anlage 19 zum SGB VI) und eine Altersrente für langjährig Versicherte erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze (Anhebung der Altersgrenze um 4 Monate durch § 236 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Ein Zeitraum von zwei Jahren oder länger zwischen Beginn der vorzeitigen Inanspruchnahme mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres bis zur abschlagsfreien Inanspruchnahme ist aber nicht eine bevorstehende abschlagsfreie Altersrente "in nächster Zukunft" bzw. "alsbald" (vgl. § 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 UnbilligkeitsV; vgl. auch Begründung des Referentenentwurfs zur UnbilligkeitsV, S 8, abrufbar unter http://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/unbilligkeitsv.html: längstens drei Monate), sondern vielmehr der jeweils längstmögliche Zeitraum bis zur abschlagsfreien Altersrente. Schließlich greifen auch die Ausnahmebestimmungen in §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV nicht. Weder ist der Kläger erwerbstätig i.S. des § 4 UnbilligkeitsV noch steht i.S. des § 5 UnbilligkeitsV eine Erwerbstätigkeit nach § 4 UnbilligkeitsV in nächster Zukunft bevor.
c) Das aufgrund der Verpflichtung des Klägers, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen und zu beantragen, eröffnete Ermessen hinsichtlich des Ob einer Aufforderung hat der Beklagte erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt. Seine Ermessensausübung ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf zu prüfen (§ 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), ob er sein Ermessen überhaupt ausgeübt, ob er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat ("Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle").
aa) Dass der Beklagte sein Entschließungsermessen erkannt hat, ergibt sich aus den Formulierungen im Widerspruchsbescheid, dass die "Möglichkeit" des Verweises auf eine vorgezogene Altersrente ihre Grundlage in § 5 Abs. 1 und § 12a SGB II habe und dass "im vorliegenden Fall" "kein Grund erkennbar" sei, "weshalb vom ausdrücklich aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Willen des Gesetzgebers, der vorzeitigen Rente grundsätzlichen Vorrang vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II einzuräumen, abgewichen werden könnte".
bb) Der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 steht nicht entgegen, dass eine Ermessensausübung sich erstmals aus dem Widerspruchsbescheid ergibt. Insoweit geht es nicht um die Heilung i.S. des § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X eines lediglich formalen Begründungsmangels des Ausgangsbescheides im Widerspruchsbescheid, sondern um die Beseitigung des Fehlens der Ermessensbetätigung im Ausgangsbescheid im und durch das Widerspruchsverfahren auf der Grundlage des § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach auch die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen ist. Die Widerspruchsbehörde - hier aufgrund von § 85 Abs. 2 Satz 2 SGG das mit der Ausgangsbehörde identische Jobcenter - ist im Widerspruchsverfahren befugt und bei einem Ermessensausfall oder -fehlgebrauch im Ausgangsbescheid auch gehalten, selbst Ermessenserwägungen anzustellen und sie ggf. an die Stelle der Ausgangsbehörde zu setzen (vgl. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 41 RdNr. 11).
cc) Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid mit den vom Kläger vorgebrachten Gründen gegen die Aufforderung zur Antragstellung und ihre spätere Durchsetzung auseinandergesetzt. Dessen Vorbringen, dass ihm ein vorzeitiger Rentenbezug keine Vorteile bringe und ihn gegenüber Personen ohne einen entsprechenden Rentenanspruch benachteilige, hat der Beklagte für sachfremde Erwägungen gehalten. In der Tat dient die gesetzliche Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen nicht einem "Vorteil" des Leistungsberechtigten, sondern der Sicherung des Nachrangs existenzsichernder Leistungen. Und die "Benachteiligung" gegenüber Personen ohne Anspruch auf vorrangige Leistungen hat in diesem Unterschied ihre Rechtfertigung. Auf das Vorbringen des Klägers, ein Zuwarten mit der Inanspruchnahme der Altersrente bis zum Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente Mitte 2015 sei statthaft, hat der Beklagte auf die Vorgaben der UnbilligkeitsV verwiesen, nach denen dies nur beachtlich wäre, wenn der ungeminderte Bezug innerhalb der kommenden drei Monate möglich wäre.
dd) Dies lässt auch in seiner Knappheit Ermessensfehler nicht erkennen. Andere Gründe, weshalb vom gesetzlichen Regelfall, der vorzeitigen Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres den Vorrang vor dem Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einzuräumen, abgewichen werden könnte, hat der Beklagte nicht erkennen können. Sie drängen sich auch dem Senat nicht auf. Es bedurfte daher keiner weiteren Ermessenserwägungen und keiner weiteren Begründung, weil Anhaltspunkte für atypische Umstände fehlen, mit Blick auf die zu erwägen gewesen wäre, ob vorliegend vom gesetzlichen Regelfall abzuweichen ist. Insbesondere bedurfte es im maßgeblichen Zeitpunkt der angefochtenen Aufforderung keiner Erwägungen zur Höhe der zu erwartenden vorzeitigen Altersrente, weil evident war, dass diese trotz der gesetzlich vorgesehenen Rentenabschläge erheblich höher ist als der monatliche individuelle Alg II-Bedarf des Klägers - und damit auch als sein Bedarf nach dem SGB XII. Auf ergänzende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII wäre der Kläger bei diesem abschlagsbehafteten Renteneinkommen - auch bei Berücksichtigung von Versicherungsaufwendungen - nicht angewiesen. Denn eine vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit würde monatlich zumindest 858,08 Euro betragen (924,66 Euro [Regelaltersrente nach Rentenauskunft vom 31.5.2011] x 0,928 [0,003 Abschlag x 24 Monate vom 1.4.2013 bis 31.3.2015]). Eine vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte würde monatlich zumindest 846,99 Euro betragen (924,66 Euro x 0,916 [0,003 x 28 Monate vom 1.4.2013 bis 31.7.2015]). Demgegenüber betrug der Alg II-Bedarf des Klägers zuletzt monatlich 529,67 Euro.
Nur hinzu kommt, dass eine isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB II oder SGB XII und der Höhe der vorrangigen Sozialleistung ohnehin nicht geeignet ist, eine Unzumutbarkeit ihrer Inanspruchnahme aufgrund außergewöhnlicher Umstände zu begründen, weil § 12a Satz 1 SGB II schon eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme genügen lässt und das Nachrangprinzip auch im SGB XII gilt (§ 2 SGB XII). Eine nicht bedarfsdeckende vorzeitige Altersrente beseitigt wegen § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zwar die Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB II, ihr Bezug schlägt indes im Sinne einer Verminderung auch auf die Hilfebedürftigkeit im Sinne des gleichrangig und selbstständig neben dem SGB II stehenden SGB XII durch, nach dem bei nicht bedarfsdeckender vorzeitiger Altersrente ein ergänzender Existenzsicherungsanspruch besteht (zum Nebeneinander von SGB II und SGB XII vgl. BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 22 RdNr. 50). Auch soweit die den Bedarf des Klägers übersteigende vorzeitige Altersrente auf den Alg II-Anspruch seiner Ehefrau nach den Grundsätzen der sog gemischten Bedarfsgemeinschaft anzurechnen wäre, ist dies Teil des gesetzlichen Regelungskonzepts der Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen in einer Bedarfsgemeinschaft und nicht atypisch. § 12a Satz 1 SGB II stellt insoweit nur auf die Relevanz der vorrangigen Sozialleistung für die Hilfebedürftigkeit dessen ab, der auf diese Leistung einen Anspruch hat. Die Folgen eines Bezugs dieser Leistung für eine Bedarfsgemeinschaft ergeben sich indes - wie sonst auch bei Berücksichtigung von Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft - aus § 9 Abs. 2, §§ 11 ff SGB II.
Schließlich vermag ein atypischer Fall nicht daraus zu folgen, wenn der Kläger und seine Ehefrau nach Erreichen der Regelaltersgrenze und bei Bezug ihrer Regelaltersrenten wegen den mit einer vorzeitigen Altersrente verbundenen dauerhaften Rentenabschlägen für den Kläger hilfebedürftig i.S. des SGB XII sein könnten. Denn auf eine etwaige künftige Hilfebedürftigkeit des Klägers und seiner Ehefrau bei Bezug von Regelaltersrenten kommt es im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente nicht an. Das gesetzliche Regelungskonzept einer Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der aktuellen Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB II fragt nicht nach einer etwaigen künftigen Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB XII. Im Rahmen der Ermessensausübung vor Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung sind Prognosen über eine künftige Hilfebedürftigkeit nicht anzustellen. Hierfür fehlen auch in aller Regel verlässliche Daten über Bedarfe und Bedarfsdeckungsmöglichkeiten in der Zukunft.
7. Dieses Ergebnis verletzt den Kläger nicht in seinen Grundrechten. Die durch den Beklagten angewendeten Vorschriften des SGB II zur Sicherung des Nachrangs durch Verweis auf vorrangige Leistungen sind verfassungsgemäß.
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 1 GG) steht der Sicherung des Nachrangs existenzsichernder Leistungen durch die Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen und Aufforderung zu ihrer Beantragung nicht entgegen. Denn nur den wegen Fehlens der notwendigen materiellen Mittel Hilfebedürftigen sichert das Grundrecht diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für ihre physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09 - BVerfGE 125, 175, 222 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12 RdNr. 134 sowie Leitsatz 1 dieses Urteils). Wer jedoch Anspruch auf vorrangige Sozialleistungen hat, ist im Umfang ihrer Inanspruchnahme nicht im Sinne des Existenzsicherungsrechts hilfebedürftig. Das Grundrecht schützt zwar vor der Berücksichtigung nur fiktiven Einkommens, dessen Berücksichtigung sieht das Gesetz indes auch nicht vor. Vielmehr regelt es eben deshalb die Ermächtigung des Leistungsträgers, anstelle des Leistungsberechtigten einen erforderlichen Antrag auf vorrangige Leistungen zu stellen, damit die Realisierung eigener bereiter Mittel zur Existenzsicherung und damit eine Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit bewirkt werden kann.
Die Aufforderung des Leistungsberechtigten zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ebenso wie die Antragstellung durch den Leistungsträger anstelle des Leistungsberechtigten, um die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente zu bewirken, stehen auch im Übrigen mit Verfassungsrecht in Einklang. Insbesondere folgt aus den nach dem Regelungszusammenhang von SGB II und SGB VI den gesetzlichen Regelfall bildenden, mit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente verbundenen dauerhaften Rentenabschlägen keine Verletzung von Artikel 14 Abs. 1 GG, die auf die Aufforderung zu deren Beantragung durchschlagen könnte. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des BVerfG wie des BSG geklärt, dass Rentenabschläge bei Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente mit Artikel 14 Abs. 1 GG vereinbar sind (vgl. BVerfG Beschluss vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 u.a. - BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr. 16; BVerfG (Kammer) Beschluss vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 - BVerfGK 15, 59; BSG Urteil vom 19.11.2009 - B 13 R 5/09 R - SozR 4-2600 § 236 Nr. 1).
Soweit in der Antragstellung durch den Leistungsträger anstelle des Leistungsberechtigten auf eine vorzeitige Altersrente mit dauerhaften Rentenabschlägen ein eigenständiger Eingriff in dessen Dispositionsfreiheit als Ausdruck seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG liegt, weil sich der Leistungsberechtigte gegen die Inanspruchnahme und Beantragung der Rente entschieden hat und der durch den Antrag des Leistungsträgers bewirkte Rentenbezug deshalb gegen seinen Willen stattfindet, ist dieser Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn die diese Ermächtigung des Leistungsträgers regelnden Vorschriften des SGB II dienen mit der Sicherung des Nachrangs existenzsichernder Leistungen einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, und sie sind geeignet, diesen Zweck zu erreichen, ohne dass ein gleich geeignetes, aber den Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Sicherung des Nachrangs bei fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten zur Verfügung steht. Diese Heranziehung des Leistungsberechtigten zur Selbsthilfe gegen seinen Willen wahrt auch die Grenzen der Angemessenheit. Denn im Rahmen der hier vorzunehmenden verfassungsrechtlichen Abwägung steht dem Existenzsicherungsanspruch des Einzelnen unter Wahrung seiner Dispositionsfreiheit zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente das Interesse der Allgemeinheit gegenüber, durch steuerfinanzierte Mittel nur dem Hilfebedürftigen zu helfen, der sich mangels zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten nicht zu helfen vermag und deshalb der Hilfe des Existenzsicherungsrechts bedarf. Den Interessen des Leistungsberechtigten wird dadurch Rechnung getragen, dass besondere, unzumutbare Härten seine Heranziehung zur Selbsthilfe gegen seinen Willen ausschließen und fiktive Einnahmen aus vorrangigen Sozialleistungen nicht bedarfsdeckend berücksichtigt werden.
An der Vereinbarkeit der erzwungenen Selbsthilfe mit Artikel 2 Abs. 1 GG ändert sich nichts dadurch, dass der Bezieher einer vorzeitigen Altersrente von den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II ausgeschlossen ist und durch ihn bei nicht bedarfsdeckender Altersrente existenzsichernde Leistungen (nur) der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII mit einem gegenüber dem SGB II strengeren Regime der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen beansprucht werden können. Die mit den §§ 12a, 13 Abs. 2 SGB II und der UnbilligkeitsV dem Existenzsicherungsrecht hinzugefügte Typisierung, dass die erwerbsbiographische Lebensphase des SGB II-Leistungsberechtigten abgeschlossen ist, der Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres hat, deren Inanspruchnahme nicht unbillig wäre, überschreitet nicht die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Mit einem Wechsel von Leistungen nach dem SGB II zu solchen nach dem SGB XII verbundenen Härten im Einzelfall, etwa bei Vorhandensein von Altersvorsorgevermögen, das durch das SGB II geschützt ist und durch das SGB XII nicht geschützt wäre, kann im Rahmen der Ermessensausübung begegnet werden.
Von vornherein scheidet ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG aus. Mit Blick auf die Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben, bildet der Kläger mit diesen eine Gruppe, die durch § 12a und § 5 Abs. 3 SGB II gleich behandelt wird. Mit Blick auf die Gruppe der Leistungsbezieher, die keinen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, gehört der Kläger zwar einer Vergleichsgruppe an, die unterschiedlich behandelt wird; diese rechtlich verschiedene Behandlung durch § 12a und § 5 Abs. 3 SGB II rechtfertigt sich indes durch das Unterscheidungsmerkmal eines Anspruchs auf eine vorrangige Sozialleistung, das beide Gruppen nicht wesentlich gleich sein lässt. Mit Blick auf die Gruppe der Nichtleistungsbezieher, die Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, fehlt es schon am gemeinsamen Bezugspunkt, der beide Gruppen i.S. des Artikel 3 Abs. 1 GG vergleichbar sein lässt. Diese gleichheitsrechtliche Lage hat sich - nach der Antragstellung durch den Beklagten - nicht dadurch geändert, dass mit der Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit Wirkung vom 1.7.2014 eine vorzeitige Altersrente ohne Rentenabschläge eingeführt worden ist (§ 236b SGB VI in der Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, BGBl I 787). Denn dass das Rentenrecht verschiedene Renten mit unterschiedlichen Regelungen zu Voraussetzungen, Altersgrenzen und Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme kennt, berührt nicht die Vereinbarkeit der Regelungen des SGB II zur Durchsetzung des Nachrangs existenzsichernder Leistungen gegenüber vorrangigen Sozialleistungen mit Artikel 3 Abs. 1 GG.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.