Bundessozialgericht - B 14 AS 83/08 R - Urteil vom 21.12.2009
Bei Betragsrahmengebühren kann offen bleiben, ob der heranzuziehende Vergleichsparameter das Durchschnittseinkommen und -vermögen der Gesamtbevölkerung ist, oder ob hiervon deshalb noch ein Abschlag vorzunehmen ist, weil das Durchschnittseinkommen die Personenkreise vernachlässigt, die kein eigenes Einkommen haben. Dieses Kriterium kann jedenfalls durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Einkommenslosen kompensiert werden.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Kosten für ein isoliertes Vorverfahren unter Berücksichtigung einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 der Anlage 1 Vergütungsverzeichnis (VV) zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) zu erstatten hat.
Die Kläger, die 1974 geborene Klägerin zu 1 und ihr 2005 geborener Sohn, der Kläger zu 2, beziehen seit Januar 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im August 2006 beantragten sie eine Kostenzusicherung für eine andere Wohnung. Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 14. August 2006 eine Kostenzusicherung für eine Wohnung mit einer Kaltmiete bis zu maximal 252,90 Euro. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, dass der Zusicherung die Angemessenheitsgrenze für einen Zwei-Personen-Haushalt zu Grunde zu legen sei. Mit Bescheid vom 11. September 2006 erhöhte daraufhin die Beklagte die Kostenzusicherung für eine Wohnung mit einer Kaltmiete bis maximal 337,20 Euro. Die Kläger erklärten daraufhin das Widerspruchsverfahren für erledigt. Der Prozessbevollmächtigte machte mit Kostennote vom 26. September 2006 die Übernahme von Anwaltskosten nach dem RVG in Höhe von insgesamt 385,12 Euro geltend. Der Betrag setzte sich wie folgt zusammen:
Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 2400 VV RVG | 240 Euro | |
30 % Erhöhungsgebühr gemäß § 7 RVG, Nr. 1008 VV RVG | 72 Euro | |
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG | 20 Euro | |
Zwischensumme | 332 Euro | |
16 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG | 53,12 Euro | |
Gesamtsumme | 385,12 Euro |
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 11. Juni 2007 die zu erstattenden Kosten auf 309,40 Euro (Geschäftsgebühr 240 Euro, Auslagen 20 Euro, 19 % Mehrwertsteuer 49,40 Euro) fest. Eine Erhöhungsgebühr berücksichtigte sie dabei nicht. Zur Begründung führte sie aus, eine Geschäftsgebühr von 240 Euro sei nach dem Willen des Gesetzgebers die Höchstgrenze in sozialgerichtlichen Verfahren mit durchschnittlichem Aufwand und Schwierigkeitsgrad. Das gelte unabhängig davon, ob Mindest- und Höchstbetrag wegen mehrerer Auftraggeber zu erhöhen seien. Eine andere Deutung ergebe sich nur dann, wenn weitere Auftraggeber eine gesonderte Gebühr auslösen würden. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2007 zurück. Es werde nicht bestritten, dass die Erhöhungsgebühr hier zum Tragen komme, die Begrenzung auf 240 Euro in durchschnittlichen Verfahren betreffe jedoch die Gesamtsumme der Geschäftsgebühr unter Einbeziehung der Erhöhungsgebühr und nicht nur die Regelgebühr nach Nr. 2400 VV RVG.
Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 24. April 2008 abgewiesen. Nr. 1008 VV RVG erhöhe nach seinem Wortlaut nur den Mindest- und Höchstbetrag der Betragsrahmengebühr, nicht die festzusetzende Gebühr selbst oder eine in dem Gebührentatbestand bestimmte Kappungsgrenze. Dass Nr. 1008 VV RVG sich zu der Kappungsgrenze nicht verhalte, lege den Schluss nahe, dass diese Grenze unberührt bleiben solle. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22. Oktober 2008 die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Es erhöhe sich vorliegend der Mindest- und Höchstbetrag der Gebühr Nr. 2400 VV RVG, weil es sich um zwei Auftraggeber handele. Daraus folge, dass sich die Mindestgebühr von 40 auf 52 Euro und die Höchstgebühr von 520 auf 676 Euro erhöhe. Nach Nr. 1008 VV RVG werde nur die Geschäftsgebühr, nicht jedoch die in Nr. 2400 VV RVG darüber hinaus festgelegte Kappungsgrenze von 240 Euro erhöht. Eine Gebühr von mehr als 240 Euro könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Nr. 1008 VV RVG sei nicht lex specialis für die in Nr. 2400 VV RVG festgelegte Kappungsgrenze. Die Stellung der beiden Gebührennummern zeige vielmehr, dass das Gegenteil der Fall sei. Die Nr. 1008 VV RVG sei die allgemeine Regel und die Nr. 2400 VV RVG eine Sonderregelung. Die Vertretung mehrerer Auftraggeber könne sich im Zusammenhang mit der Kappungsgrenze nur dann auswirken, wenn dies dazu führe, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig werde.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Kläger. Die Nr. 1008 VV RVG modifiziere nicht die Gebühr Nr. 2400 VV RVG, sondern normiere einen eigenen Gebührenanspruch, der durch die Vertretung mehrerer Auftraggeber ausgelöst werde. Der Gesetzgeber habe damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Vertretung mehrerer Auftraggeber in der Regel auch mit einem größeren Aufwand, größeren Schwierigkeiten und nicht zuletzt einem größeren Haftungsrisiko verbunden sei. Hierfür spreche die Gesetzesbegründung, wonach der allgemeine Teil die Tatbestände für solche Gebühren enthalte, die unabhängig davon entstehen könnten, welchen Tätigkeitsbereich der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag umfasse und nach welchen weiteren Teilen des Vergütungsverzeichnisses Gebühren anfielen. Die Einführung der Kappungs- oder Schwellengebühr im Verwaltungsverfahren stehe der pauschalen Abgeltung des Mehraufwandes im Falle der Vertretung mehrerer Auftraggeber nicht entgegen. Die Auffassung des LSG habe zur Folge, dass die Nr. 1008 VV RVG im Falle von Betragsrahmengebühren nur dann zur Anwendung komme, wenn Gebühren in Höhe der Mindestgebühr oder der Höchstgebühr in Frage kämen. Selbst wenn man die Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG nicht als eigenständige Gebühr verstehe, folge daraus, dass sie nicht nur die Mindest- und die Höchstgebühr modifiziere, sondern die Betragsrahmengebühr in Gestalt ihrer konkreten Bemessung.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Oktober 2008 und des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 11. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2007 zu verurteilen, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen in Höhe von weiteren 75,72 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II.
Die Revision der Kläger ist begründet. Die Urteile des SG und des LSG sind aufzuheben. Die Kläger haben Anspruch auf die von ihnen bei der Beklagten geltend gemachten Aufwendungserstattung in Höhe von weiteren 75,72 Euro.
1. Die Revision ist zulässig. Wird wie vorliegend in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (§§ 78 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG)) gestritten, handelt es sich nicht um Kosten des Verfahrens i.S. von § 144 Abs. 4 i.V.m. § 165 Satz 1 SGG, bei denen Berufung und Revision nicht statthaft sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 13 S 30; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 1 RdNr. 6; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 23/06 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 8 RdNr. 11).
2. Die Kläger verfolgen ihr Anliegen zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.
a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Entscheidung der Beklagten darüber, in welcher Höhe die zu erstattenden Aufwendungen festzusetzen sind (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Indem die Beklagte im Bescheid vom 11. Juni 2007 notwendige Aufwendungen in Höhe von 309,40 Euro anerkannt hat, hat sie konkludent entschieden, dass den Klägern die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach erstattet werden (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 SGB X) und die Zuziehung eines Rechtsanwalts i.S. von § 63 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 SGB X notwendig war (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 137/08 R- JurBüro 2009, 481).
b) Der Einholung eines Gutachtens nach § 14 Abs. 2 des RVG i.d.F. von Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG)) vom 5. Mai 2004 (BGBl I 718; in Kraft getreten am 1. Juli 2004) bedurfte es nicht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R). Nach dieser Vorschrift hat das Gericht im "Rechtsstreit" über die Höhe der Gebühr ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvorschrift handelt. Diese Regelung ist nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt anwendbar, nicht hingegen im Prozess zwischen dem Gebührenschuldner, hier den Klägern, und dem Erstattungspflichtigen, hier dem beklagten Grundsicherungsträger (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1990 - 4 RA 40/89 - juris RdNr. 12 = USK 90182; BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 7/7a AL 20/07 R - SozR 4-1935 § 14 RdNr. 17-18; vgl. auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, Kap XII RdNr. 105).
3. Die Kläger haben Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Höhe von 385,12 Euro.
a) Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gebühren und Auslagen i.S. von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren (BSG SozR 3-1300 § 63 Nr. 7 S 25 f). Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier dem Kläger, in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich seit dem 1. Juli 2004 nach dem RVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG), sowie dem VV der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).
b) Rechtsgrundlage der geltend gemachten Geschäftsgebühr ist Nr. 2400 VV RVG i.V.m. § 14 RVG. Nach § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Der Rechtsanwalt erhält für die Vertretung im Verwaltungsverfahren in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (seit 1. Juli 2006, vgl. Art 5 Abs. 1 Nr. 4 lit b KostRMoG). Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG fällt in sozialrechtlichen Angelegenheiten an, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Abs. 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs. 2 RVG). Ginge es vorliegend um ein gerichtliches Verfahren, entstünden Betragsrahmengebühren, denn die Kläger machten als Leistungsempfänger i.S. des § 183 Satz 1 SGG höhere Ansprüche nach dem SGB II geltend. Verfahren, die in dieser Eigenschaft vor den Gerichten geführt werden, sind (gerichts-)kostenfrei.
Gemäß Nr. 2400 VV RVG umfasst die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten einen Betragsrahmen von 40 Euro bis 520 Euro. Eine Gebühr von mehr als 240 Euro kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Diese Norm ergänzt für die Betragsrahmengebühren die allgemeine Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. Otto, NJW 2006, 1472; BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 7/7a AL 20/07 R - SozR 4-1935 § 14 Nr. 1 RdNr. 13 f).
4. Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles lassen, darüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, eine Festsetzung der Betragsrahmengebühr durch den Rechtsanwalt der Kläger auf 240 Euro zu. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war durchschnittlich. Zwar hat der Bevollmächtigte nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lediglich einen Schriftsatz verfasst. Auch war die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich. Der Bevollmächtigte hatte sich nur mit der Frage auseinanderzusetzen, auf welche Personenzahl für die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (KdU) abzustellen war. Andererseits war die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger weit überdurchschnittlich. Mit dem Widerspruch begehrten die Kläger eine Zusicherung für deutlich höhere KdU nach dem SGB II als im angefochtenen Bescheid ausgewiesen. Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse waren weit unterdurchschnittlich. Es kann offen bleiben, ob der heranzuziehende Vergleichsparameter das Durchschnittseinkommen und -vermögen der Gesamtbevölkerung ist, oder ob hiervon deshalb noch ein Abschlag vorzunehmen ist, weil das Durchschnittseinkommen die Personenkreise vernachlässigt, die kein eigenes Einkommen haben (so Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, § 14 RdNr. 18, der daher den Durchschnitt bei 1 500 Euro ansetzt). Dieses Kriterium wird jedenfalls durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit kompensiert (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R; Thüringer OLG, Beschluss vom 2. Februar 2005 - 9 Verg 6/04 - JurBüro 2005, 303, 305 f; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl. 2007, § 14 RdNr. 72 m.w.N.).
5. Die Geschäftsgebühr in Höhe des Schwellenwertes von 240 Euro erhöht sich hier gemäß Nr. 1008 VV RVG um 72 Euro. Nach Nr. 1008 VV RVG erhöht sich die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr, bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 % für jede weitere Person, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Bei mehreren Auftraggebern erhöht sich auch die Schwellengebühr entsprechend der Anzahl der Auftraggeber um jeweils 30 % bis maximal zum Doppelten des Ausgangsbetrages (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 1008 VV RVG RdNr. 242; Dinkat in Mayer/Kroiß, RVG, 2. Aufl. 2006, Nr. 1008 VV RVG RdNr. 8). Eine Einschränkung dahingehend, dass eine Erhöhung auch bei mehreren Auftraggebern nur in Betracht kommt, wenn dies dazu führt, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
a) Der Bevollmächtigte hat Widerspruch ausdrücklich im Namen beider Kläger eingelegt und wurde damit für eine Auftraggebermehrheit tätig. Eine Auftraggebermehrheit liegt vor, wenn derselbe Rechtsanwalt für verschiedene natürliche Personen tätig wird (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., RdNr. 36). Abgestellt wird nur auf die Zahl der Auftraggeber unabhängig davon, wer von ihnen gegenüber dem Anwalt auftritt (vgl. BT-Drucks 15/1971 S 205; BVerwG, Urteil vom 10. April 2000 - 6 C 3/99 - Buchholz 362 § 6 BRAGO Nr. 2 für die Anwaltsvertretung eines Elternpaares in einer Schulangelegenheit; Müller-Rabe, a.a.O., RdNr. 38). Auftraggeber i.S. des § 7 Abs. 1 RVG ist derjenige, in dessen Angelegenheit ein Rechtsanwalt tätig wird. Das waren hier beide Kläger, die unter dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung ihre jeweiligen Individualansprüche (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1, jeweils RdNr. 12) gemeinsam geltend gemacht haben. Dass der Kläger zu 2 minderjährig war und von seiner Mutter vertreten wurde, steht der Anwendung der Nr. 1008 VV RVG nicht entgegen.
b) Nach dem Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG erhöht sich lediglich der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %, der Betragsrahmen der Nr. 2400 VV RVG liegt damit hier zwischen 52 Euro als Mindestgebühr und 676 Euro als Höchstgebühr. Die Mittelgebühr beträgt demnach 364 Euro, die hieraus ermittelte Schwellengebühr beträgt 312 Euro. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 240 Euro sieht der Gebührentatbestand nach seinem Wortlaut allerdings nur vor, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die amtliche Begründung gibt keinen Aufschluss über die gesetzgeberischen Vorstellungen zum Verhältnis der Nr. 1008 VV RVG zum Gebührentatbestand der Nr. 2400 VV RVG. In der Begründung zu Nr. 1008 VV RVG heißt es, dass sich die Geschäfts- und die Prozessgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um drei Zehntel erhöhe. Die drei Zehntel würden auf die Höhe der zu Grunde liegenden Gebühr bezogen. Der vorgeschlagene Erhöhungsfaktor von 0,3 erhöhe jede Gebühr unabhängig von ihrem Gebührensatz um diesen Faktor. Bei Festgebühren solle sich diese und bei Rahmengebühren der Höchst- und Mindestbetrag um 30 % erhöhen. Der Erhöhungsbetrag solle jedoch das Doppelte der Festgebühr bzw. des Mindest- und des Höchstbetrages nicht überschreiten (BT-Drucks 15/1971 S 205). Die Begründung zu Nr. 2400 VV RVG verhält sich allein zu der Vereinfachung durch den erweiterten Abgeltungsbereich der Geschäftsgebühr und der neuen Definition des "Normalfalls". Zur Beurteilung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird allein auf die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG verwiesen. Die Nr. 1008 VV RVG findet keine Erwähnung.
Für eine Berücksichtigung des Erhöhungstatbestandes der Nr. 1008 VV RVG im Rahmen der Nr. 2400 VV RVG sprechen aber systematische Gesichtspunkte. Der Erhöhungstatbestand findet sich im Allgemeinen Teil des Vergütungsverzeichnisses und bezieht sich auf die Gebühren des Besonderen Teils. Nach der Vorbemerkung zu Teil 1 des VV entstehen die Gebühren dieses Teils neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren. Eine Verknüpfung mit den allgemeinen Voraussetzungen der besonderen Gebührentatbestände besteht nicht. Da die Nr. 1008 VV RVG die Nr. 2400 VV RVG mithin ergänzt, führt der Gedanke des LSG, dass es sich bei Nr. 2400 VV RVG um lex specialis handelt, nicht weiter. Der Bevollmächtigte weist insofern zutreffend darauf hin, dass die Tatbestände materiell nicht konkurrieren (so auch SG Karlsruhe, Urteil vom 28. Juli 2009 - S 15 AS 1493/08 - AGS 2009, 488, 490). Der Schwellenwert von 240 Euro bezieht sich erkennbar auf den vorgegebenen - nicht erhöhten - Gebührenrahmen. Es handelt sich um eine von dem Mindest- und Höchstbetrag abgeleitete Größe. Das zeigt auch ein Vergleich etwa mit dem Gebührentatbestand der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, der einen bestimmten Gebührensatz der jeweils nach § 13 RVG konkret bemessenen Gebühr vorsieht. Es wird damit deutlich, dass der Schwellenwert stets nur im Verhältnis zu dem jeweiligen Gebührenrahmen bestimmt werden kann. Daraus folgt, dass sich automatisch auch der Schwellenwert erhöht, wenn Mindest- und Höchstgebühr angehoben werden.
Für eine Erhöhung der Schwellengebühr der Nummer 2400 VV RVG im Fall mehrerer Auftraggeber streiten aber vor allem Sinn und Zweck der Nr. 1008 VV RVG. Der Gebührentatbestand der Nr. 1008 VV RVG übernimmt den Grundgedanken des § 6 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) (BT-Drucks 15/1971 S 205). Diese Vorschrift sah eine Erhöhung der Geschäfts- und Prozessgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um drei Zehntel vor und diente nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, die bei typisierender Betrachtung anzunehmende Mehrbelastung des Rechtsanwalts bei einer Tätigkeit für mehrere Auftraggeber zu honorieren (vgl. BT-Drucks 7/2016 S 99; BT-Drucks 7/3243 S 7; BVerwG, Urteil vom 10. April 2000 - 6 C 3/99 - Buchholz 362 § 6 BRAGO Nr. 2; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1983 - III ZR 109/82 - LM Nr. 4 zu § 6 BRAGebO; Baumgärtel in RMOLK RVG, 11. Aufl. 2006, § 7 Anm. 1). Sieht man den Betrag von 240 Euro als absolute Grenze an, die ausschließlich dann überschritten werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, würde eine Erhöhung wegen mehrerer Auftraggeber ins Leere laufen. Da bereits die Nr. 2400 VV RVG eine Erhöhung der Gebühr für einen solchen Fall vorsieht, von dem bei der Vertretung mehrerer Auftraggeber auch häufig auszugehen sein wird, bliebe die in der Nr. 1008 VV RVG unabhängig von Umfang und Schwierigkeit im Einzelfall vorgesehene Erhöhung der Mindest- und Höchstgebühr ohne Auswirkung. Der Mehraufwand des Rechtsanwalts bei einer Tätigkeit für mehrere Auftraggeber würde entgegen der Intention der Nr. 1008 VV RVG nicht honoriert.
6. Hinzu kommen die zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitigen Auslagentatbestände nach Nr. 7002 VV RVG und Nr. 7008 VV RVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung des UStG vom 21. Februar 2005 (BGBl I 386). Unter Berücksichtigung der Erhöhung in Höhe von 72 Euro und einer hierauf entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 11,52 Euro ergäbe sich ein weiterer Anspruch in Höhe von 83,52 Euro. Da die Beklagte jedoch auf die Forderung von 385,12 Euro bereits 309,40 Euro geleistet hat, verbleibt eine Restforderung in Höhe von 75,72 Euro.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.