BSG - Urteil vom 22.3.2005 - B 1 KR 11/03 R


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).

Die 1966 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Ihr 1950 geborener Ehemann, der ebenfalls bei einer Krankenkasse gesetzlich krankenversichert ist, ließ sich in seiner früheren Ehe 1985 aus der Klägerin nicht bekannten Gründen sterilisieren. Im Januar 2001 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Kostenvoranschlages und Behandlungsplanes die Übernahme der Kosten für die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch eine künstliche Befruchtung mittels ICSI in Kombination mit einer In-vitro-Fertilisation (IVF). Die Beklagte lehnte dies mit Bescheiden vom 30. Januar und 22. März 2001 ab, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die Methode der ICSI von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen habe. Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben. Im Oktober 2001 hat sie die künstliche Befruchtung mittels ICSI durchführen lassen und sodann von der Beklagten die Erstattung der angefallenen Kosten beantragt. Die Beklagte hat dies mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 abgelehnt und den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2002 zurückgewiesen: Die Sterilisation des Ehemannes sei keine Krankheit, das Vorliegen einer Krankheit aber Anspruchsvoraussetzung für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung. Die Klägerin hat ihre Klage umgestellt und vor dem Sozialgericht (SG) zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 8.831,19 DM (= 4.515,32 EUR) für ärztliche Behandlung und Arzneimittel zu verurteilen. Von diesem Gesamtbetrag entfallen 855,30 EUR auf eine testikuläre Spermienextraktion (TESE) bei ihrem Ehemann und eine Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen sowie 23,28 DM (= 11,90 EUR) auf Medikamente. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil der Ehemann der Klägerin sich habe sterilisieren lassen, die Klägerin die Gründe hierfür aber nicht angebe. Die Beklagte habe die beantragten Leistungen zu Recht mangels Mitwirkung der Klägerin versagt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 4.515,32 EUR verurteilt. Die Sterilisierung des Ehemannes im Jahre 1985 schließe den Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nicht aus, weil § 27a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen eigenen Versicherungsfall regele, auf den § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V nicht anzuwenden sei.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 27 und 27a SGB V. Sie macht geltend, eine bewusst herbeigeführte Unfruchtbarkeit sei keine Krankheit und löse auch bei späterem Sinneswandel keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Januar 2003 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juli 2002 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Leistungen zur künstlichen Befruchtung setzten nur die Unfruchtbarkeit eines Ehegatten voraus. Auf die Verursachung der Unfruchtbarkeit komme es auch dann nicht an, wenn diese auf einer früheren Sterilisation beruhe. Sie treffe auch keine Mitwirkungspflicht zur Aufklärung der Gründe für die Sterilisation, die ihr Ehemann nicht nennen wolle.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit es um die der Klägerin vom LSG zugesprochene Kostenerstattung für TESE beim Ehemann der Klägerin sowie für die Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen geht. Insoweit ist die Berufung der Klägerin gegen das insgesamt klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen und das Urteil des LSG zu ändern. Im Übrigen, d.h. soweit es um eine Kostenerstattung für sonstige Maßnahmen (insbesondere die ICSI selbst) geht, ist die Revision der Beklagten i.S. einer Zurückverweisung der Sache an das LSG (vgl § 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) begründet.

1. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Alternative 2 SGB V in der bis 30. Juni 2001 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266, seit 1. Juli 2001 § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 i.d.F. des Art 5 Nr. 7 Buchst b Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - <SGB IX> Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl. z.B. BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S 51 f mwN; zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - zur Veröffentlichung bestimmt). Zwar umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung nach § 27a SGB V im Grundsatz auch Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (dazu 2.a), zu denen in bestimmten Fällen die Methode der ICSI gehört (dazu 2.b). Nicht von der Leistungspflicht der Krankenkasse erfasst sind Maßnahmen, die nicht dem konkret bevorstehenden Befruchtungsversuch, sondern, wie die Kryokonservierung, vorsorglich späteren Wiederholungen solcher Versuche dienen (dazu 3.). Die Krankenkassen sind ihren Versicherten gegenüber allerdings nur für Maßnahmen leistungspflichtig, die unmittelbar am und im Körper ihres Versicherten vorzunehmen sind, sowie für sonstige, so genannte extrakorporale Leistungen, soweit die Maßnahmen nicht unmittelbar am oder im Körper des Ehegatten ihres Versicherten vorzunehmen sind (dazu 4.); Letzteres trifft hier auf die beim Ehemann der Klägerin durchgeführte TESE zu (dazu 4.d). Soweit Leistungen zur künstlichen Befruchtung zu den im Grundsatz von einer Krankenkasse zu erbringenden Leistungen gehören, setzt die Leistungspflicht weiter voraus, dass die Fruchtbarkeitsstörung im konkreten Fall nicht durch Behandlung eines der Ehegatten beseitigt werden kann (dazu 5.). Des Weiteren muss der Kinderwunsch "ungewollt" nicht erfüllt werden können; hieran fehlt es bei einer bewusst und gewollt herbeigeführten Sterilisation (dazu 6.). Dazu, ob die beiden zuletzt genannten Voraussetzungen vorliegen, und ob hinsichtlich der Kosten für Arzneimittel dem Arztvorbehalt Rechnung getragen wurde (dazu 7.), hat das LSG keine Feststellungen getroffen, sodass die Sache insoweit an dieses Gericht zurückzuverweisen war.

2. Durch Art 2 Nr. 2 des Gesetzes über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990) vom 26. Juni 1990 (BGBl I 1211) wurde rückwirkend zum 1. Januar 1989 § 27a in das SGB V eingefügt und damit der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung um Leistungen zur künstlichen Befruchtung ergänzt.

a) Nach § 27a Abs. 1 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maßnahmen 1. nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, 2. eine hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, 3. die Personen, die die Maßnahmen beanspruchen wollen, miteinander verheiratet sind, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und 5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist. Der Anspruch ist gemäß § 27a Abs. 3 SGB V seit jeher auf Maßnahmen beschränkt, die beim Versicherten der betreffenden Krankenkasse durchgeführt werden. Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27a Abs. 1 SGB V werden durch die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (seit 1. Januar 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss) auf Grund § 27a Abs. 4 SGB V zu erlassenden Richtlinien nach § 92 SGB V bestimmt. Diese Richtlinien hat der Bundesausschuss am 14. August 1990 (Bundesarbeitsblatt Nr. 12 vom 30. November 1990) erlassen und seither mehrfach geändert.

b) Zu den Leistungen i.S. von § 27a Abs. 1 SGB V gehören im Grundsatz auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Wege der künstlichen Befruchtung mittels ICSI. Diese Technik der extrakorporalen Befruchtung wird im Wesentlichen bei Ehepaaren angewandt, die infolge einer Fruchtbarkeitsstörung des Mannes auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können. In solchen Fällen genügt es in der Regel nicht, Samen und Eizelle zur spontanen Verschmelzung im Reagenzglas o.ä. zusammenzubringen (IVF). Vielmehr muss ein einzelnes Spermium mit Hilfe einer mikroskopisch dünnen Nadel unmittelbar in die vorher nach Hormonbehandlung durch Follikelpunktion gewonnene Eizelle injiziert werden. Nach dem so außerhalb des weiblichen Körpers vorgenommenen Befruchtungsvorgang wird der entstandene Embryo in den Körper der Frau übertragen (Embryotransfer). Sofern zur Anwendung dieser Methode keine ausreichende Menge Spermien im Ejakulat vorhanden ist, können Spermien im Wege der TESE durch einen operativen Eingriff am Hoden gewonnen werden.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 3. April 2001 (B 1 KR 40/00 R, BSGE 88, 62, 67 f = SozR 3-2500 § 27a Nr. 3 S 27 f) bereits entschieden hat, verstieß der Ausschluss der ICSI aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Nr. 10.5 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen "über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung" in ihrer ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung vom 1. Oktober 1997 (BAnz Nr. 243 vom 31. Dezember 1997 S 15232) gegen höherrangiges Recht. Versicherte konnten daher - wie hier - bis zur Neuregelung der Richtlinien und der Schaffung der leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen für die "Sachleistung ICSI" von ihrer Krankenkasse verlangen, dass diese die Kosten vorab übernimmt und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet, wenn feststand, dass die Leistung unabhängig von der zu treffenden Entscheidung des Bundesausschusses in jedem Falle von ihr zu gewähren war (vgl BSGE 88, 62, 74 f = SozR 3-2500 § 27a Nr. 3 S 35 f; zur Einbeziehung der ICSI vgl. Richtlinien über künstliche Befruchtung i.d.F. vom 26. Februar 2002, BAnz Nr. 92 vom 22. Mai 2002 S 10941). Dies bedeutet allerdings nicht schon, dass die Krankenkasse für sämtliche mit der ICSI in Zusammenhang stehenden Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aufzukommen hätte.

3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die von der Klägerin geltend gemachten Kosten der Kryokonservierung von der Beklagten nicht zu erstatten. Die Kryokonservierung menschlicher Keimzellen gehört schon generell nicht zu den Leistungen nach § 27a SGB V. Der in der Überschrift der Vorschrift verwendete Begriff der "künstlichen Befruchtung" erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur auf Maßnahmen, die dem einzelnen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen. Maßnahmen in diesem Sinne ersetzen einen einzelnen (singulären) Zeugungsakt durch einen einzelnen/konkreten künstlichen Befruchtungsversuch. Die Kryokonservierung von Ei- und Samenzelle hingegen erfolgt nicht im Hinblick auf einen konkret bevorstehenden Befruchtungsversuch, vielmehr werden vorsorglich gewonnene Samenzellen oder imprägnierte Eizellen für die mögliche spätere Wiederholung eines Versuchs der künstlichen Befruchtung konserviert. Das BSG hat insoweit eine Leistungspflicht der Krankenkassen für die Kryokonservierung verneint (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2000 - B 8 KN 3/99 KR R -, BSGE 86, 174, 178 f = SozR 3-2500 § 27a Nr. 1 S 6; Beschluss des erkennenden Senats vom 9. Dezember 2004 - B 1 KR 95/03 B -, JURIS Dokument Nr. KSRE 098251618). Hieran hält der Senat fest.

4. Die Leistungspflicht der beklagten Krankenkasse erstreckt sich weiterhin gemäß § 27a Abs. 3 SGB V nur auf Maßnahmen, die bei ihrer Versicherten - der Klägerin - vorzunehmen sind.

a) Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung lassen sich im Wesentlichen in drei Behandlungsbereiche einteilen; nämlich (1.) in Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau, (2.) Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes und (3.) extrakorporale Maßnahmen. Zu den Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau gehören die Hormonbehandlung der Frau mit dem Ziel der Heranreifung mehrerer Eizellen, die operative Eizellgewinnung mittels Follikelpunktion und der Embryotransfer nach Beendigung der Befruchtung. Die Behandlung der Frau beginnt dabei regelmäßig mit den konkret auf das Behandlungsziel gerichteten ärztlichen Maßnahmen, d.h. spätestens mit der ärztlichen Verordnung der für die Hormonbehandlung zur Eizellgewinnung erforderlichen Arzneimittel (= Ausstellung eines entsprechenden Rezepts, vgl. Urteil des Senats vom 22. März 2005 - B 1 KR 3/04 R). Zu den Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes gehört die operative Samengewinnung mittels Hodenbiopsie (TESE). Leistungen außerhalb des Körpers beider Ehegatten (extrakorporale Maßnahmen) sind diejenigen, die man als "Zwischenbereich" bezeichnen könnte. Dazu gehören die Entfernung des Eizellkumulus von den gewonnenen Eizellen, die Aufbereitung des gewonnenen Spermas, die Injektion des Spermas in die Eizelle (ICSI) und die Kultur zur Aufbewahrung der befruchteten Eizelle bis zur Teilung in einen Mehrzeller (In-vitro-Kultur oder IVF).

b) Der Anspruch eines Versicherten gegen seine Krankenkasse gemäß § 27a SGB V umfasst zunächst alle Maßnahmen, die "bei ihm", d.h. unmittelbar an bzw. in seinem Körper erforderlich sind (vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2001 - B 1 KR 22/00 R -, BSGE 88, 51, 54 = SozR 3-2500 § 27a Nr. 2 S 13). Hierzu gehörten bei der Klägerin die Hormonbehandlung, die Entnahme von Eizellen (Follikelpunktion) und das Verbringen der befruchteten Eizellen in den weiblichen Körper (Embryotransfer).

c) Der Versicherte hat unabhängig davon, bei welchem Ehegatten die Unfruchtbarkeit vorliegt, gegen seine Krankenkasse darüber hinaus einen Anspruch auf extrakorporale Behandlungsmaßnahmen. Das sind Maßnahmen, die nicht unmittelbar bei dem Versicherten selbst oder bei seinem Ehegatten, d.h. unmittelbar an bzw. in dessen Körper durchzuführen sind. Die Krankenkasse darf ihrem Versicherten nicht entgegenhalten, die Kosten dieser extrakorporalen Maßnahmen seien von der Versicherung des anderen Ehegatten zu tragen (vgl. BSGE 88, 51, 57 = SozR 3-2500 § 27a Nr. 2 S 16; BSG, Urteil vom 3. April 2001 - B 1 KR 40/00 R -, SozR 3-2500 § 27a Nr. 3 S 26). In diesen "Zwischenbereich" fallen insbesondere die IVF sowie die ICSI.

d) Eine Krankenkasse ist gegenüber ihrem Versicherten hingegen nicht leistungspflichtig für Maßnahmen, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des (nicht bei ihr versicherten) Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden (vgl. BSGE 88, 51, 54 f = SozR 3-2500 § 27a Nr. 2 S 14 und SozR 3-2500 § 27a Nr. 3 S 26). Es ist dann ggf. Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse bzw. privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen.

e) Sind beide Ehegatten gesetzlich versichert, kann jeder Ehegatte von seiner Krankenkasse alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen verlangen, ausgenommen die in § 27a Abs. 3 SGB V genannten, beim anderen Ehegatten durchzuführenden Maßnahmen. Insgesamt betrachtet können die Ehegatten somit von der gesetzlichen Krankenversicherung die Übernahme aller zur Herbeiführung der Schwangerschaft notwendigen medizinischen Leistungen beanspruchen, ohne dass es darauf ankommt, bei wem die Ursache für die Kinderlosigkeit zu suchen ist (vgl. BSGE 88, 51, 56 f = SozR 3-2500 § 27a Nr. 2 S 15 f).

Soweit es um die Kosten der TESE und der Kryokonservierung geht, war die Beklagte nach allem von vornherein nicht leistungspflichtig. Insoweit entscheidet der Senat abschließend und stellt das klageabweisende Urteil des SG durch Zurückweisung der Berufung der Klägerin wieder her.

5. Der Senat kann indessen nicht abschließend beurteilen, ob die Beklagte eine Erstattung insoweit zu Unrecht abgelehnt hat, als es um die Kosten der unmittelbar am Körper der Klägerin durchgeführten Maßnahmen (Hormonbehandlung) sowie der extrakorporalen Maßnahmen geht.

a) Nach den Feststellungen des LSG waren die Voraussetzungen der Nr. 2 bis 4 des § 27a SGB V erfüllt. Insbesondere scheitert der Anspruch der Klägerin nicht daran, dass ihr Ehemann bei Durchführung der ICSI das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatte. Zwar ist bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Maßnahme nach § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch das Alter der Eheleute zu berücksichtigen (vgl. Vogel, WzS 1990, 208; Volbers, SdL 1990, 243, 245). Bis Ende 2003 war jedoch weder im Gesetz noch in den auf Grund § 27a Abs. 4 SGB V ergangenen Richtlinien insoweit eine starre Altersgrenze für Männer geregelt, bis zu welcher Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gewährt werden durften. Erst seit 1. Januar 2004 sieht der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) neu gefasste § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V vor, dass der Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nicht besteht, wenn männliche Versicherte das 50. Lebensjahr bzw. weibliche Versicherte das 40. Lebensjahr bereits vollendet haben. Diese Regelung ist hier weder unmittelbar noch im Vorgriff entsprechend anzuwenden.

b) Indessen hat das LSG keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und ob dieser Arzt sie dann an einen Arzt oder eine Einrichtung überwiesen hat, dem bzw der eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist. Hierzu wird das LSG entsprechende Feststellungen nachholen müssen.

c) Gleiches gilt in Bezug auf die Feststellung von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die begehrten Maßnahmen i.S. von § 27a Abs. 1 Nr. 1 SGB V erforderlich waren, weil nicht die Möglichkeit einer vorrangigen Behandlung zur (Wieder-) Herstellung der Zeugungsfähigkeit des Ehemannes der Klägerin bestand.

Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels künstlicher Befruchtung müssen gemäß § 27a Abs. 1 Nr. 1 SGB V "erforderlich" sein. Hieran fehlt es, wenn die in § 27a SGB V vorausgesetzte Unfruchtbarkeit des Ehepaares auf der Zeugungsunfähigkeit oder der Empfängnisunfähigkeit eines oder beider Ehepartner beruht und insoweit die Möglichkeit einer Behandlung zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit besteht. Nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder "durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren gegangen war". Nur wenn mit (vorrangigen) Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V die Schwangerschaft nicht erreicht und die Unfruchtbarkeit des Ehepaares nicht behoben werden kann, sind Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung i.S. von § 27a Abs. 1 SGB V erforderlich (vgl. BT-Drucks 11/6760 S 14; Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Band 1, § 27a SGB V RdNr 69 f, Stand: Juli 2003). Nach der Systematik des Gesetzes ist die künstliche Befruchtung ultima ratio und gegenüber einer Behandlung zur Herstellung der (natürlichen) Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit subsidiär (vgl. Vogel, WzS 1990, 208, 209). Maßnahmen der künstlichen Befruchtung dürfen daher auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann angewandt werden, wenn eine Behandlung bzgl. der Unfruchtbarkeit keinen hinreichenden Erfolg hat, keine Aussicht auf Erfolg bietet oder unzumutbar ist.

Das LSG hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen, ob beim Ehemann der Klägerin Maßnahmen zur (Wieder-) Herstellung seiner Zeugungsfähigkeit nach erfolgter Sterilisation (Refertilisation) medizinisch möglich und diesem zumutbar waren. Es ist zwar davon ausgegangen, dass bei unverändertem Zustand des Ehemannes der Klägerin eine natürliche Empfängnis nicht möglich gewesen wäre. Jedoch besagt das noch nicht, dass eine Behandlung des Zustands des Ehemannes ausgeschlossen war. Grundsätzlich besteht auch bei einer Sterilisation die Möglichkeit, diese durch eine Refertilisierungsoperation wieder rückgängig zu machen. Diese Art der Operation hat in 90 % aller Fälle einen operationstechnischen Erfolg, der zumindest in 20 bis 40 % der Fälle in der Folge auch zu einer Schwangerschaft der Partnerin führt (vgl. Alken, Sterilisation beim Mann, in: Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980, 40, 45). Aus den bisherigen Feststellungen des LSG ist nicht erkennbar, ob eine solche Operation beim Ehemann der Klägerin nicht in Betracht kam oder etwa bereits erfolglos durchgeführt worden ist.

Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Operation zur Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit möglich, erfolgversprechend und zumutbar war, könnte die Klägerin ihrer Krankenkasse nicht entgegenhalten, dass die Krankenkasse ihres Ehemannes eine solche Operation nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V wegen Nichtvorliegens der genannten Voraussetzungen nicht gewährt hätte. Zwar müssen Krankenkassen die Kosten für eine Refertilisierungsoperation nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V ihrer Versicherten nur übernehmen, wenn eine früher durchgeführte Sterilisation wegen einer Krankheit erforderlich war. Das schließt aber nicht aus, dass eine solche Refertilisierungsoperation überhaupt - d.h. unabhängig vom Eintreten des Kostenträgers dafür - möglich und zumutbar ist. Allein hierauf kommt es bei der Erforderlichkeit i.S. von § 27a Abs. 1 Nr. 1 SGB V an. Die Subsidiarität der Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V gegenüber Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V gilt auch dann, wenn Zeugungsunfähigkeit durch eine freiwillige, nicht krankheitsbedingte Sterilisation herbeigeführt worden ist und die Refertilisierung daher nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden kann.

6. Schließlich wird das LSG Feststellungen dazu treffen müssen, ob es "ungewollt" war, dass der Kinderwunsch der Klägerin und ihres Ehemannes nicht auf natürlichem Wege verwirklicht werden konnte.

a) Der Anspruch auf Maßnahmen nach § 27a SGB V setzt voraus, dass der Kinderwunsch "ungewollt" nicht auf natürlichem Wege verwirklicht werden kann (vgl. bereits BSGE 88, 51, 57 = SozR 3-2500 § 27a Nr. 2 S 16). Zwar spricht der Wortlaut des § 27a SGB V nicht ausdrücklich von "ungewollter Kinderlosigkeit", jedoch ergibt sich dieses Erfordernis sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Norm als auch aus ihrem systematischen Zusammenhang mit § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die im Dritten Kapitel des SGB V genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden. Nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V kommen Maßnahmen zur Herstellung der Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit nach erfolgter Sterilisation nur ausnahmsweise, nämlich dann in Betracht, wenn diese Fähigkeit von vornherein nicht vorhanden war oder sie durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren gegangen war. Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass Maßnahmen zur Herstellung der Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit ausgeschlossen sind, wenn die Sterilisation andere als die in § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V genannten Gründe hatte (z.B. Familienplanung). Diese Wertung des Gesetzes würde unterlaufen, wenn Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V zu erbringen wären, obgleich die an sich vorrangigen Leistungen zur (Wieder-) Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V ausgeschlossen sind. Ein solcher Ehegatte ist fortan nicht mehr "ungewollt" kinderlos. Kommt es bei dem Betreffenden später (z.B. in einer neuen Ehe) zu einem Sinneswandel, und verlangen er oder sein Ehegatte nunmehr Maßnahmen nach § 27a SGB V zur künstlichen Befruchtung, kollidiert dies mit dem früheren Verhalten zumindest eines Ehegatten. Eine Einstandspflicht der Solidargemeinschaft kann insoweit nicht angenommen werden, vielmehr beruht der Bedarf nach den gewünschten Leistungen zur künstlichen Befruchtung dann wesentlich auf der individuellen Lebensplanung der Betroffenen und ist nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung abzudecken, sondern der Eigenverantwortung der Ehegatten zuzurechnen.

Das Erfordernis "ungewollter Kinderlosigkeit" wird durch die Entstehungsgeschichte des § 27a SGB V bestätigt. Bereits die Begründung der Initiative des Freistaats Bayern zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der künstlichen Befruchtung beim Menschen enthielt an zentraler Stelle das Wort "ungewollt" (BR-Drucks 535/88 vom 15. November 1988 S 1). Es wurde zwar in der Folge zur Begründung für die Einführung des § 27a SGB V nicht wieder ausdrücklich genannt. Allerdings gingen auch die im engen Zusammenhang mit der Einführung des § 27a SGB V vorangetriebenen Arbeiten zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz von dem zu regelnden Problem der "ungewollt kinderlosen" Ehepaare aus (BT-Drucks 11/1856 S 1, 2). Weiterhin wurde zur Begründung der Einführung des § 27a SGB V die Kinderlosigkeit als "schwere Beeinträchtigung des Lebens der betroffenen Paare und deren Lebensplanung" bezeichnet. Erfolgte die frühere Lebensgestaltung aber bereits durch eine bewusste Entscheidung gegen das (weitere) eigene Kind und wurde dies durch eine medizinisch nicht notwendige Sterilisation selbstverantwortlich herbeigeführt, kann von einer Beeinträchtigung der Lebensplanung "durch Kinderlosigkeit" keine Rede sein.

Das Merkmal der ungewollten Kinderlosigkeit ist dabei auf das betroffene Ehepaar zu beziehen. "Ungewollt" ist deshalb die Kinderlosigkeit, wenn keiner der Ehepartner sich frei gegen das eigene Kind entschieden hat. An "ungewollter Kinderlosigkeit" fehlt es hingegen, wenn auch nur einer der beiden Ehegatten - und sei es auch im Rahmen einer früheren Beziehung mit einem anderen Lebenspartner - freiwillig eine Sterilisation hat vornehmen lassen. Ob dies der Fall ist, wird das LSG im weiteren Verfahren festzustellen haben. Dazu muss es Feststellungen zu den Gründen der Sterilisation des Ehemannes der Klägerin treffen. Ungewollte Kinderlosigkeit wäre etwa anzunehmen, wenn beim Ehemann der Klägerin die Sterilisation aus in seiner Person liegenden Gründen medizinisch notwendig war, oder wenn die Gründe für die Sterilisation bei seiner damaligen Partnerin lagen, sie beispielsweise aus medizinischen Gründen keine Kinder mehr bekommen durfte, ihre Sterilisation aber medizinisch nicht indiziert war.

b) Die genannten Tatsachenfeststellungen zur "ungewollten" Kinderlosigkeit erübrigen sich nicht etwa deshalb, weil es der Klägerin obliegt, zu leistungsrelevanten Tatsachen Angaben zu machen.

Gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) haben Versicherte Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Die Klägerin hat wiederholt mitgeteilt, dass sie nicht wisse, warum ihr Ehemann sich habe sterilisieren lassen. Sie hat sich damit nicht "geweigert", Tatsachen anzugeben. Zwar steht der Anspruch aus § 27a SGB V "den Ehegatten" zu. Das bedeutet aber nicht, dass die Klägerin die Pflicht hätte, im persönlichen Lebensbereich ihres Ehemannes liegende leistungsrechtlich relevante Tatsachen herauszufinden. Den Krankenkassen und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist es indessen in Fällen wie dem vorliegenden nicht verwehrt, auch im Rahmen der Ansprüche nach § 27a SGB V eine Entscheidung nach den Regeln der objektiven Beweislast zu treffen. Das Vorliegen eines "ungewollt" nicht erfüllbaren Kinderwunsches gehört dabei zu den persönlichen Anspruchsvoraussetzungen und stellt nicht etwa eine bloße Einwendung dar. Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht regelmäßig zu Lasten dessen, der daraus eine günstige Rechtsfolge für sich ableiten will (vgl. z.B. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 103 RdNr 19a mwN). Das setzt allerdings voraus, dass zuvor alle verfügbaren Beweismittel ausgeschöpft worden sind.

7. In Bezug auf die von der Klägerin vorgelegte Apothekenquittung vom 11. Oktober 2001 in Höhe von 23,28 DM (= 11,90 EUR) wird das LSG außerdem zu prüfen haben, ob dem Arztvorbehalt Genüge getan wurde. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V ist beim Erwerb von Arzneimitteln ohne ärztliche Verordnung ausgeschlossen. Das hat der Senat dem systematischen Zusammenhang von § 15 Abs. 1 mit §§ 31, 32, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V entnommen (BSG, Urteil vom 19. November 1996 - 1 RK 15/96 -, BSGE 79, 257 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 13; Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 33/02 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 3). Das LSG wird deshalb feststellen müssen, ob die für die Klägerin beschafften Arzneimittel durch einen Arzt verordnet worden sind.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.