Bundessozialgericht - B 3 KR 9/06 R -Urteil vom 19.04.2007
Ein schwenkbarer Autositz kann ein Hilfsmittel i.S. des § 33 Abs. 1 SGB V sein, wenn es einem Versicherten dadurch ermöglicht wird, einen Pkw zu benutzen und damit die Unfähigkeit zu gehen auszugleichen. Allerdings muss in jedem Einzelfall gesondert festgestellt werden, ob ein Versicherter dieses Hilfsmittel trotz des Vorhandenseins bereits zur Verfügung gestellter Leistungen zur Befriedigung seines körperlichen Freiraums tatsächlich benötigt. Dies gilt auch für den behinderungsgerechten Umbau eines Pkw.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für den behinderungsgerechten Umbau seines Pkw im Rahmen der Hilfsmittelversorgung.
Der 1947 geborene Kläger leidet u.a. an Multipler Sklerose (MS), die zur Gehunfähigkeit geführt hat. Er bezieht Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III und ist von der beklagten Krankenkasse mit einem elektrischen Rollstuhl, einem Stehrollstuhl und einer elektrischen Ladehilfe versorgt, mit der er den Rollstuhl bislang in den Kofferraum seines Pkw verladen konnte. Im Januar 2003 beantragte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für einen behinderungsgerechten Umbau seines Pkw, weil es ihm wegen der Verschlimmerung seiner Erkrankung nicht mehr möglich sei, sich vom Rollstuhl in den Pkw umzusetzen, und er deshalb auch die elektrische Ladehilfe nicht mehr benutzen könne. Um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und den Besuch des Krankengymnasten und seiner Ärzte zu ermöglichen, müsse er nun im Rollstuhl sitzend transportiert werden. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme ab, weil es sich um eine Maßnahme zur Eingliederung in das berufliche oder soziale Leben handele und die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hierfür nicht zuständig sei; zudem sei der Kläger mit den ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln ausreichend versorgt (Bescheid vom 21. Januar 2003, Widerspruchsbescheid vom 26. September 2003).
Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrt der Kläger die Erstattung der Kosten für den bereits im Widerspruchsverfahren erfolgten behinderungsgerechten Umbau seines Pkw in Höhe von 8.000 EUR. Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese antragsgemäß zur Kostenerstattung verurteilt, weil sie den Antrag des Klägers auf Übernahme der Pkw-Umbaukosten zu Unrecht abgelehnt habe; der Kläger könne nur auf diese Weise die zu seiner Behandlung notwendigen Ärzte und Therapeuten aufsuchen (Urteil vom 12. August 2005). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. Februar 2006): Zum Ausgleich einer Behinderung habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den behinderungsgerechten Umbau seines Pkw gehabt, deshalb könne er auch nicht die Erstattung der hierfür aufgewendeten Kosten verlangen. Die zu den anerkannten Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehörende Mobilität sei durch die ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel ausreichend sichergestellt. Der Kläger könne das Haus mittels des Rollstuhls noch selbstständig verlassen und Ziele im Nahbereich seiner Wohnung erreichen. Zwar leide er an einer fortschreitenden MS-Erkrankung, doch zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse sei der behinderungsgerechte Umbau des Pkw nicht notwendig. Das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums werde in der GKV immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst verstanden und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen geschuldet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. September 2004 (B 3 KR 19/03 R), in der das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten als elementares Grundbedürfnis einer Wachkomapatientin anerkannt worden sei und dies zur Zubilligung eines schwenkbaren Autositzes im Rahmen der GKV-Hilfsmittelversorgung geführt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger - sinngemäß - eine Verletzung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, sodass er seine Ärzte und Therapeuten mit der bisherigen Hilfsmittelausstattung nicht mehr erreichen könne. Das LSG habe das vom BSG entwickelte Grundbedürfnis, Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, in unzulässiger Weise auf solch erhebliche Behinderungen reduziert, die jedes andere Grundbedürfnis entfallen ließen. Dieses Grundbedürfnis sei vielmehr unabhängig vom Grad und Ausmaß einer Krankheit oder Behinderung zu erfüllen, denn die notwendige medizinische Versorgung sei grundlegende Voraussetzung dafür, um auch die übrigen elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 2006 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12. August 2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger sei nach eigener Aussage in der Lage, seinen Aufenthaltsort in verantwortungsbewusster Eigenbestimmung durch die ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel innerhalb und außerhalb des häuslichen Bereichs selbst zu bestimmen; darüber hinaus bestehe keine Verpflichtung der GKV, das Zurücklegen von Wegstrecken jeder Art und Länge durch Finanzierung einer Pkw-Umrüstung zu ermöglichen.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Erstattungsanspruch in Höhe von 8.000 EUR zutreffend abgelehnt und das LSG die stattgebende Entscheidung des SG zu Recht geändert. Die Beklagte war nicht zur Gewährung der Sachleistung "behinderungsgerechter Umbau eines Pkw" an den Kläger verpflichtet; diesem steht für die selbst beschaffte Leistung deshalb auch kein Kostenerstattungsanspruch zu.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.d.F. des Art 5 Nr. 7 i.V.m. Art 67 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl I S 1046). Dort heißt es: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Eine entsprechende Erstattungsregelung enthält nunmehr auch § 15 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), auf die § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V für den Fall der medizinischen Rehabilitation ausdrücklich verweist. Diese Vorschriften stellen eine Ausnahme von dem in der GKV geltenden Sachleistungsprinzip dar und verwandeln - bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen - den Sachleistungsanspruch in einen solchen auf Erstattung der entstandenen Kosten (Höfler in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht - Band 1, Stand November 2006, § 13 SGB V RdNr. 5, 28). Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.
Es sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne eines Notfalles ersichtlich, sodass sich ein etwaiger Anspruch des Klägers nur aus der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V - "eine Leistung zu Unrecht abgelehnt" - ergeben könnte. Dies ist indes nicht der Fall, da die beklagte Krankenkasse die begehrte Sachleistung "behinderungsgerechter Umbau eines Pkw" zu Recht abgelehnt hat. Maßgeblich für die Frage, in welchem Umfang Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln in der GKV haben, ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, hier ebenfalls in der Fassung des Art 5 Nr. 9 i.V.m. Art 67 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl I S 1046). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der GKV auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).
1. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die zunächst beantragte Sachleistung "zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung" (§ 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB V) zu bewilligen. Zutreffend hat schon das LSG darauf hingewiesen, dass diese 1. Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V lediglich solche Gegenstände betrifft, die auf Grund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Nach der Entstehungsgeschichte des § 33 SGB V und auch dessen Vorgängerregelung in § 182b Reichsversicherungsordnung (vgl. dazu BT-Drucks 11/2237 S 174) sind unter dem Begriff "Hilfsmittel, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern" alle sächlichen Mittel zu verstehen, die der Krankenbehandlung dienen. Der Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB V, der auf die Sicherung eines Erfolgs der Krankenbehandlung abstellt, bedarf deshalb einer Einschränkung: Es muss mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt werden; er muss allerdings nicht bereits vorliegen und nur noch zu sichern sein (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7 jeweils RdNr. 11). Eine weiter gehende Ausdehnung der unter diese Alternative fallenden Hilfsmittel auch auf solche, die eine ärztliche Behandlung erst ermöglichen, ist aber nicht geboten. Denn insoweit geht es bereits um die Frage eines Behinderungsausgleichs, der von der 3. Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst wird (BSG, a.a.O.).
2. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Alternative SGB V - die 2. Alternative der Vorschrift, "um einer drohenden Behinderung vorzubeugen", liegt ersichtlich nicht vor - bestand ebenfalls kein Anspruch auf die ursprünglich begehrte Sachleistung "behinderungsgerechter Umbau eines Pkw", weil dies nicht erforderlich war, um das Gebot eines möglichst weit gehenden Behinderungsausgleichs zu erfüllen. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen (BSGE 37, 138, 141 = SozR 2200 § 187 Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 18 und Nr. 20). Der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck des Behinderungsausgleichs umfasst jedoch auch solche Hilfsmittel, die die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen. Ein Hilfsmittel ist von der GKV immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis betrifft. Nach stRspr (vgl. BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7 jeweils RdNr. 12 und BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 3 RdNr. 10 m.w.N.; vgl. auch Höfler, a.a.O., § 33 SGB V RdNr. 11 ff mzwN aus der Rspr) gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, (elementare) Körperpflegen, selbstständige Wohnen sowie Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Hierzu gehört auch das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (vgl. dazu unter 2 b). Denn die notwendige medizinische Versorgung ist schon grundlegende Voraussetzung, um die elementaren Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7 jeweils RdNr. 12).
a) Wie der erkennende Senat mit vorstehend genanntem Urteil bereits entschieden hat, kann ein schwenkbarer Autositz ein Hilfsmittel i.S. des § 33 Abs. 1 SGB V sein, wenn es einem Versicherten dadurch ermöglicht wird, einen Pkw zu benutzen und damit die Unfähigkeit zu gehen auszugleichen (so auch der 8. Senat des BSG, vgl. SozR 3-2500 § 33 Nr. 3 S 3). Allerdings muss in jedem Einzelfall gesondert festgestellt werden, ob ein Versicherter dieses Hilfsmittel trotz des Vorhandenseins bereits zur Verfügung gestellter Leistungen zur Befriedigung seines körperlichen Freiraums tatsächlich benötigt. Dies gilt auch für den behinderungsgerechten Umbau eines Pkw. Mit Urteil vom 6. August 1998 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) hat der Senat zwar entschieden, dass die behindertengerechte Ausstattung eines Kraftfahrzeuges nicht als Hilfsmittel der GKV zu leisten ist. Mit weiterem Urteil vom 26. März 2003 ( BSGE 91, 60 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 3) hat er bekräftigt, dass die Verpflichtung der Krankenkassen, Versicherte zum Ausgleich einer Behinderung mit Hilfsmitteln zu versorgen, auch nach Inkrafttreten des SGB IX nicht die Ausrüstung eines Pkw mit einer Ladevorrichtung (Rollstuhl-Ladeboy) umfasst, die es einem gehbehinderten Menschen ermöglichen soll, seinen Rollstuhl mit dem Pkw zu transportieren. In beiden Fällen ging es darum, mit dem Hilfsmittel selbstständig größere Strecken als allein mittels des Rollstuhls zurückzulegen und damit den eigenen Aktionsradius zu erweitern. Auch dies steht hier im Vordergrund, auch wenn das Hilfsmittel überwiegend dazu dienen soll, Ärzte und Therapeuten aufzusuchen und an einer Selbsthilfegruppe teilnehmen zu können (vgl. zu dieser Differenzierung schon BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7 jeweils RdNr. 13).
b) Das vom Kläger in den Vordergrund seiner Argumentation gestellte Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, wird in aller Regel durch die Erschließung des Nahbereichs erfüllt. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 7 S 27) als Nahbereich die Entfernung bezeichnet, die ein Gesunder zu Fuß zurücklegt. Später hat der Senat dies auf die Fähigkeit präzisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (SozR 3-2500 § 33 Nr. 31; vgl. auch BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 3 RdNr. 11). Hierzu zählt z.B. das Einkaufen, die Erledigung von Post- und Bankgeschäften sowie der Besuch von Apotheken, Ärzten und Therapeuten. Dieser Nahbereich wird bei gehbehinderten Menschen regelmäßig durch einen handbetriebenen oder Elektro-Rollstuhl erschlossen. Im Fall der Wachkomapatientin lagen jedoch völlig andere Verhältnisse vor, weil die Versicherte mit multiplen Behinderungen einen eigenen körperlichen Freiraum im Nahbereich durch diese Hilfsmittel nicht mehr wahrnehmen, also auch keine Ärzte und Therapeuten aufsuchen konnte. Der Weg dorthin wurde für die Versicherte erst durch die Benutzung des Pkw ermöglicht, weil nur durch den Transport im vertrauten Fahrzeug und in Gegenwart der Eltern Angstzustände genommen und zusätzliche spastische Anfälle vermieden wurden. Der behinderungsgerechte Pkw-Umbau ermöglichte es ihr unter Hilfestellung des Vaters, das Fahrzeug zu besteigen und dort sicher transportiert zu werden (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7 jeweils RdNr. 14). Diese besondere Konstellation rechtfertigte es, der Notwendigkeit, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufsuchen zu können, ausnahmsweise durch die Möglichkeit eines Pkw-Transports Rechnung zu tragen.
Die Situation des Klägers ist jedoch eine andere: Wie das LSG mit Revisionsrügen nicht angegriffen und deshalb für den Senat bindend (§ 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) festgestellt hat, kann sich der Kläger trotz seiner erheblichen und progredienten MS-Erkrankung mit den zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln in der Wohnung und auch im Außenbereich selbstständig fortbewegen. Die Funktionsfähigkeit seiner Arme ist nicht eingeschränkt; er kann daher mit der vorhandenen Hilfsmittelversorgung Alltagsgeschäfte erledigen sowie Ärzte und Therapeuten im Nahbereich aufsuchen. Er ist Mitglied in einer Selbsthilfegruppe und kann auch im Übrigen selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben. Dies mag zwar - anders als früher - nicht mehr durch Benutzung des eigenen Pkw ohne Hilfestellung Dritter möglich sein, doch damit begehrt der Kläger letztlich eine Erweiterung seines persönlichen Aktionsradius, um nicht jeweils auf die Hilfestellung und den Transport durch Dritte angewiesen zu sein. Das Autofahren bzw. der Besitz eines eigenen Pkw zählen zwar heute zum normalen Lebensstandard und sind Ausdruck des inzwischen erlangten allgemeinen Wohlstandsniveaus, doch gehört es nicht zu den Aufgaben der GKV, generell die Benutzung eines Pkw durch eine behinderungsgerechte Umrüstung zu ermöglichen.
Ein über die Befriedigung von Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 33 SGB V ergibt, wohl aber nunmehr - wie auch das LSG zutreffend erkannt hat - aus der Regelung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, die der Gesetzgeber in Kenntnis der stRspr des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung 1. Juli 2001 in Kraft gesetzt hat. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs. 1, § 5 Nr. 1 SGB IX) einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen (BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 15/04 R -, USK 2004 - 80).
c) Anhaltspunkte dafür, dass im Nahbereich des Klägers - er wohnt in einer niederrheinischen Kleinstadt - keine Ärzte und Therapeuten praktizieren, sind nicht ersichtlich; zudem besteht die Möglichkeit der therapeutischen Hausbetreuung, wie dies im Falle des Klägers ab Anfang 2002 bis zur Selbstbeschaffung des umgerüsteten Pkw auch geschehen ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, denn es sind nicht die konkreten Wohn- und Lebensverhältnisse eines einzelnen Versicherten entscheidend, sondern die Tatsache, dass in einem städtischen Nahbereich grundsätzlich Ärzte, Apotheken und Therapeuten vorhanden und erreichbar sind. Zwar stellt § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die Verhältnisse im Einzelfall ab, jedoch gilt dies ausdrücklich nur für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung. Ein Ausgleich für die individuell gestalteten Wohn- und Lebensverhältnisse eines Versicherten sowie für die Folgen der Ausübung des Rechts auf freie Arzt- und Therapeutenwahl wird von der GKV hingegen nicht geschuldet.
d) Ein Anspruch auf die begehrte Hilfsmittelversorgung besteht auch nicht im Hinblick auf die monatliche Teilnahme des Klägers an einer ca.. 10 km entfernt tagenden Selbsthilfegruppe. Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll die GKV zwar Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen fördern, die sich die Prävention oder die Rehabilitation von Versicherten zum Ziel gesetzt haben. Die Teilnahme hieran mag wünschenswert sein, sie muss jedoch nicht von der Beklagten zusätzlich durch Gewährung eines bestimmten Hilfsmittels gefördert werden, weil hierdurch nicht die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden und damit kein Grundbedürfnis betroffen ist. Durch den Besuch der Selbsthilfegruppe kann sich der Kläger im Kreise Gleichbetroffener mit den Folgen und Auswirkungen seiner Behinderung in den verschiedenen Lebensbereichen auseinandersetzen und Erfahrungen austauschen; es handelt sich aber nicht um einen Ausgleich der direkten oder indirekten Folgen der Behinderung (so schon BSG SozR 2200 § 182b Nr. 12 m.w.N.).
e) Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch schließlich auch nicht aus der Tatsache ableiten, dass die Beklagte ihn zuvor mit einer elektrischen Ladevorrichtung für den Pkw versorgt hatte. Hierdurch ist keine Selbstbindung der Beklagten eingetreten, bei fortschreitendem Krankheitsverlauf weitere Hilfsmittel zur Pkw-Benutzung zu gewähren. Bei jedem - neuen - Antrag auf Hilfsmittelversorgung sind die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erneut und vollständig zu prüfen; dies ist hier auch zu Recht geschehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.