Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung höherer Leistungen nach dem SGB II infolge eines vom Kläger geltend gemachten krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs in den Zeiträumen vom 1.12.2005 bis 30.6.2006 und 1.1.2007 bis 31.12.2007.

Die Agentur für Arbeit bewilligte dem Kläger im Dezember 2004 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 30.4.2005. Ab dem 1.1.2005 war der Kreis K als zugelassener kommunaler Träger nach § 6a SGB II zuständiger Träger. Die Beklagte ist vom Kreis K durch Satzung gemäß § 6 Abs. 2 S 1 SGB II i.V.m. § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2004 (AG SGB II NRW) zur Aufgabenerfüllung in eigenem Namen herangezogen. Sie lehnte den Fortzahlungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 20.4.2005 zunächst ganz ab und bewilligte auf den Widerspruch des Klägers mit Änderungsbescheid vom 5.7.2005 die Regelleistung nach dem SGB II zunächst für die Monate Mai bis Juli 2005 und mit Bescheid vom 22.7.2005 vom 1.8.2005 bis 31.12.2005. Mit Bescheid der Beklagten vom 20.12.2005 wurden dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung) für den Zeitraum 1.1.2006 bis 30.6.2006 bewilligt.

Am 23.12.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II. Er legte eine ärztliche Bescheinigung auf dem hierfür von der Verwaltung vorgesehenen Formular vor, wonach er an Hyperlipidämie, Hyperuricämie/Gicht sowie Hypertonie (kardiale/renale Ödeme) leide und auf lipidsenkende, purinreduzierte und natriumdefinierte Kost angewiesen sei. Der Kläger übergab der Beklagten in der Folge in einem versiegelten Umschlag ärztliche Unterlagen, welche diese verschlossen an den Amtsarzt Sch beim Kreis K weiterleitete. Nachdem der Amtsarzt der Beklagten mitgeteilt hatte, aus den ihm vorliegenden Unterlagen würden sich unter Berücksichtigung des üblicherweise zugrunde gelegten Begutachtungsleitfadens kein Mehrbedarf ergeben, lehnte diese den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28.2.2006 ab. Der Kreis K wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.5.2006 zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG "wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II § 21, ab Dezember 2005". Er benötige wegen der vorliegenden Erkrankungen kostenaufwändige Ernährung, was eine finanzielle Mehrbelastung darstelle. Er nahm zur Begründung außerdem Bezug auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Stand 1997).

Mit Bescheid der Beklagten vom 3.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreises K vom 16.4.2007 wurde ein erneuter Antrag des Klägers auf Berücksichtigung eines krankheitsbedingten Ernährungsaufwandes vom 28.12.2006 abgelehnt. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG. Mit Bescheid der Beklagten vom 15.12.2006 in der Gestalt eines weiteren Widerspruchsbescheids des Kreises K vom 16.4.2007 wurden dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (nur Regelleistung, ohne KdU) für den Zeitraum 1.1.2007 bis 31.12.2007 bewilligt. Hiergegen erhob der Kläger ebenfalls Klage zum SG mit dem Begehren, "Leistungen in gesetzlicher Höhe nach § 22 SGB II zu erbringen".

Das SG hat mit Urteilen vom 11.3.2008 die Klagen abgewiesen, da im Zeitraum 1.5.2005 bis 31.12.2007 kein Anspruch auf einen krankheitsbedingten Mehrbedarf bestehe. Die hiergegen am 26.6.2008 und 30.6.2008 eingelegten Berufungen hat das LSG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Beschluss vom 22.7.2009 hat das LSG die Berufungen des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur höheren Leistungsgewährung sei für die Zeiträume vom 1.5.2005 bis 30.11.2005 und 1.6.2006 bis 31.12.2006 unzulässig. Soweit der Kläger für die Zeit von Dezember 2005 bis Mai 2006 sowie ab dem 1.1.2007 höhere Leistungen begehre, seien die zulässigen Klagen unbegründet. Nach den Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins 2008 erforderten die beim Kläger bestehenden Erkrankungen - Hyperlipidämie, Hyperuricämie und Hypertonie - sämtlich lediglich eine Vollkost, deren Beschaffung keine erhöhten Kosten verursache. Zu diesem Ergebnis sei auch der von der Beklagten gehörte Arzt Sch gelangt, dessen Darlegungen der Senat urkundsbeweislich würdige.

Mit der hiergegen vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, durch die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins werde die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung und der Gerichte, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht aufgehoben. Außerdem hätten die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins (Stand 1997) Berücksichtigung finden müssen, da die überarbeiteten Empfehlungen erst nach dem vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum veröffentlicht worden seien. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins 1997 sei für die beim Kläger bestehenden Erkrankungen Hyperlipidämie, Hyperuricämie und Hypertonie ein krankheitsbedingter Mehrbedarf anzuerkennen. Aufgrund der divergierenden Ergebnisse der Mehrbedarfsempfehlungen 1997 und 2008 sei in jedem Fall eine Sachaufklärung im Einzelfall geboten, die auch die unterschiedlichen Auffassungen der Mehrbedarfsempfehlungen 1997 und 2008 miteinbeziehen und würdigen müsse. Nachdem das LSG offen gelassen habe, ob die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen seien und diese lediglich als Orientierungshilfe angesehen habe, habe das Gericht die in Anspruch genommene Sachkunde nachvollziehbar darlegen müssen.

Der Kläger beantragt, 

den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2009 und die Urteile des Sozialgerichts Duisburg vom 11. März 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 22. Juli 2005, 20. Dezember 2005 und 8. Februar 2006, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2006 und vom 15. Dezember 2006 und 3. Januar 2007, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeiträume vom 1. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006 und vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007 höhere Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren, unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

Die Beklagte beantragt, 

die Revision zurückzuweisen.

 

II

Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs. 2 SGG). Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Ansprüche auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in den Zeiträumen 1.12.2005 bis 30.6.2006 und 1.1.2007 bis 31.12.2007.

1. Die beklagte Stadt G ist im vorliegenden Fall passiv legitimiert. Die Stadt G ist gegenüber den Hilfebedürftigen im Außenverhältnis materiell zur Erbringung der Leistungen nach dem SGB II verpflichtet (§ 5 Abs. 2 AG-SGB II NRW i.d.F. vom 16.12.2004, GVBl NRW 2004, 821 i.V.m. § 6 Abs. 2 S 1 SGB II, § 6a Abs. 2 SGB II i.V.m. § 1 Abs. 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung i.d.F. vom 24.9.2004, BGBl I 2349; vgl. auch BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 56/06 R - RdNr. 15 f). Im sozialgerichtlichen Verfahren ist derjenige Rechtsträger passiv legitimiert, der auch materiell verpflichtet ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 69 RdNr. 4), ohne dass an dieser Stelle erörtert werden muss, in welchem Umfang eine Heranziehung zur "Durchführung" der Aufgaben nach dem SGB II möglich ist (vgl. Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, § 6 RdNr. 16 Stand 37. Ergänzungslieferung VI/11; Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 6 RdNr. 11).

2. Die Beteiligten haben den Streitgegenstand bereits im Verwaltungsverfahren in rechtlich zulässiger Weise getrennt, als die KdU gesondert behandelt wurden und daher in anderen Verfahren zu prüfen sind. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit den Bewilligungsbescheiden vom 22.7.2005 und 20.12.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 1.8.2005 bzw. ab 1.1.2006 sowie mit Bewilligungsbescheid vom 15.12.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 1.1.2007 jeweils nur in Form der Regelleistung bewilligt hatte und der Kläger in den laufenden Widerspruchsverfahren weiterhin einen krankheitsbedingten Mehrbedarf geltend machte, war es insoweit zulässig, dass der Kreis K in den laufenden Widerspruchsverfahren zunächst entschied, dass keine höhere Regelleistung zu gewähren war (Widerspruchsbescheide vom 19.5.2006 und 16.4.2007). Insbesondere ist der Antrag des Klägers vom 23.12.2005 auf Gewährung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs auch als Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.12.2005 auszulegen, gerichtet auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im dortigen Bewilligungszeitraum 1.1.2006 bis 30.6.2006.

Die Entscheidungen der Verwaltung zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können allerdings jeweils nicht in weitere unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl. BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R = SozR 4-4200 § 21 Nr. 9 m.w.N.). Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und kann damit nicht allein Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (Senatsurteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R, s auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen). Daraus folgt für das vorliegende Verfahren, dass das Begehren des Klägers im Rahmen der jeweiligen Widerspruchsverfahren auf Gewährung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs gemeinsam mit der Regelleistung zu behandeln und insoweit auf die jeweiligen Bewilligungszeiträume (§ 41 Abs. 1 S 4 SGB II) abzustellen und zu prüfen ist, ob in den hier streitigen Zeiträumen insgesamt Anspruch auf Gewährung einer höheren Leistung besteht (vgl. BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 9 RdNr. 16 m.w.N.; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - RdNr. 14 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

3. a) Die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R = SozR 4-4200 § 21 Nr. 9 m.w.N.). Ob dem Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen höhere Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Es fehlen insoweit bereits Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) in den jeweiligen streitgegenständlichen Zeiträumen.

b) Auch zur Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Mehrbedarf wegen Krankenkost hat, fehlt es an ausreichenden Feststellungen. Die von dem Kläger erhobene Verfahrensrüge ist zulässig und begründet (§ 103 SGG).

Nach § 21 Abs. 5 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist. Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen (s dazu das Urteil des Senats vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl. auch Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr. 19). Ob diese Voraussetzungen bei dem Kläger vorliegen, kann anhand der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden.

Es liegt insoweit ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) vor. Das LSG hat von den Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung gestanden haben (vgl. zu diesem Maßstab BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B; BSG Beschluss des Großen Senats vom 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 205 = SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO), keinen ausreichenden Gebrauch gemacht, indem z.B. sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers oder medizinische Sachverständigengutachten eingeholt wurden (vgl. BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Die Vorinstanzen sind vorliegend davon ausgegangen, dass zwar beim Kläger verschiedene Krankheiten vorliegen, diese jedoch keinen Mehrbedarf bedingen, ohne dass ausreichend deutlich ist, worauf diese Feststellungen bzw. die Sachkunde beruht. Der Kläger hat angegeben, er leide an Hyperlipidämie, Hyperuricämie und Hypertonie und vorgetragen, ihm sei vom behandelnden Arzt lipidsenkende, purinreduzierte und natriumdefinierte Kost verordnet worden, was eine finanzielle Mehrbelastung darstelle. Er hat außerdem hausärztliche Bescheinigungen vorgelegt, wonach er Krankenkost benötige. Dieses Vorbringen ist ausreichend substantiiert, um die Verpflichtung zur Amtsermittlung auszulösen. Weder das SG noch das LSG haben den Kläger befragt, welche Krankheiten vorliegen und bei welchen Ärzten er in Behandlung ist. Der Kläger wurde auch nicht aufgefordert, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, damit die Gerichte sachverständige Zeugenauskünfte einholen können, nach denen dann zu entscheiden gewesen wäre, ob ggf. medizinische oder ernährungswissenschaftliche Sachverständigengutachten einzuholen sind. Während des Verwaltungsverfahrens ist zwar eine amtsärztliche Stellungnahme eingeholt worden. Das vom LSG herangezogene Schreiben des Amtsarztes Sch vom 25.1.2006 ist nicht allein zur Überzeugungsbildung geeignet, weil es dort lediglich heißt, dass aufgrund vorliegender hausärztlicher Angaben die Gewährung eines Mehrbedarfs nach dem üblicherweise zugrunde gelegten Begutachtungsleitfaden nicht in Betracht komme. Mangels Mitteilung der Tatsachengrundlage ist die vom Amtsarzt Sch mitgeteilte Würdigung nicht nachvollziehbar.

Auch mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ((vgl. NDV 2008, 503 ff) Mehrbedarfsempfehlungen 2008) allein konnte das LSG die Frage nicht beantworten. Die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 sind keine antizipierten Sachverständigengutachten, weshalb die Gerichte sie nicht in normähnlicher Weise anwenden können. Antizipierte Sachverständigengutachten geben über den konkreten Einzelfall hinaus die Erfahrungen und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine bestimmte Frage wieder. Voraussetzung für eine gerichtliche Verwertung ist, dass das antizipierte Sachverständigengutachten auf wissenschaftlicher Grundlage von Fachgremien ausschließlich aufgrund der zusammengefassten Sachkunde und Erfahrung ihrer sachverständigen Mitglieder erstellt worden ist, dass es immer wiederkehrend angewendet und von Gutachtern, Verwaltungsbehörden, Versicherungsträgern, Gerichten sowie Betroffenen anerkannt und akzeptiert wird (BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 24/00 R = SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 m.w.N.; vgl. auch Gusy, NuR 1987, 156 ff; Keller, SGb 2003, 254 ff; Siefert, ASR 2011, 45 ff).

Ob die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind, wird nicht einheitlich beantwortet (zum Meinungsstand siehe Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr. 40). Teilweise wird die Annahme eines antizipierten Sachverständigengutachtens befürwortet (vgl. etwa LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 3.2.2009 - L 9 B 339/08 AS; LSG Mecklenburg-Vorpommern Beschluss vom 19.12.2008 - L 8 B 386/08), teilweise wird dies verneint (Krauß in Hauck/Noftz, § 21 RdNr. 64, 36. Ergänzungslieferung V/11; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr. 40, 40. Ergänzungslieferung November 2010; Siefert, ASR 2011, 45 (49); Kohte in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 21 RdNr. 17).

Die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 sind schon ihrer Konzeption nach keine antizipierten Sachverständigengutachten. Sie erheben selbst nicht diesen Anspruch, indem sie zu Recht betonen, dass es auf den jeweiligen Einzelfall ankomme (zu diesem Aspekt vgl. Krauß in Hauck/Noftz, § 21 RdNr. 64, 36. Ergänzungslieferung V/1), dass insoweit die grundsätzliche Verpflichtung der Verwaltung bestehe, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 20 SGB X), dass der Katalog der Krankheiten in den Empfehlungen nicht abschließend sei, dass es bei der Bestimmung und Anerkennung eines Mehrbedarfs naturgemäß Beurteilungs- und Bewertungsdifferenzen in Wissenschaft und Praxis der Medizin gebe und dass sich ernährungswissenschaftliche und diätetische Anschauungen und Erkenntnisse wandeln könnten (vgl. die Erläuterungen Löher, NDV 2008, 503 (504, 506, 509)). Die Verwaltung und die Gerichte dürfen daher die Aussagen in den Empfehlungen weder normähnlich anwenden noch als allgemeingültige Tatsachen heranziehen. Allgemeinkundige Tatsachen sind nur solche, von denen verständige und erfahrene Menschen regelmäßig ohne Weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich aus allgemein zugänglichen, zuverlässigen Quellen unschwer überzeugen können oder auch solche, die in einem größeren oder kleineren Bezirk einer beliebig großen Menge bekannt sind oder wahrnehmbar waren und über die man sich aus zuverlässigen Quellen ohne besondere Fachkunde unterrichten kann (vgl. BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R unter Hinweis auf BSG Urteil vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - ZfS 2002, 237).

Es fehlt außerdem an der immer wiederkehrenden Anwendung und langfristigen allgemeinen Akzeptanz der Empfehlungen. Dies ergibt sich schon aus der wechselvollen Entstehungsgeschichte der Mehrbedarfsempfehlungen, die binnen eines Jahrzehnts in der überarbeiteten Fassung zu deutlich geänderten Ergebnissen kommen und die erforderliche allgemeine Akzeptanz (noch) gar nicht entwickeln konnten. Bei der Erstellung der Mehrbedarfsempfehlungen, die schon im früheren Recht der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Anwendung fanden (vgl. BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 64/06 R = SozR 4-4200 § 21 Nr. 2 RdNr. 25), haben Wissenschaftler aus medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet. Die Mehrbedarfsempfehlungen wurden 1997 in überarbeiteter Form ausgegeben und sahen seinerzeit - unter Berufung auf eine einheitliche Auffassung der medizinischen Wissenschaft und auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse - medizinische Krankenkost für eine Reihe von Erkrankungen vor. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II die Mehrbedarfsempfehlungen 1997 herangezogen werden (BT-Drucks 15/1516, S 57). Hierauf wurde den Mehrbedarfsempfehlungen 1997 zunächst der auch von der Beklagten angewandte "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gem. § 23 Abs. 4 BSHG" (Verlag Landschaftsverband Westfalen-Lippe 2002 (Begutachtungsleitfaden 2002)), entwickelt von Ärzten der kommunalen Gesundheitsämter, gegenübergestellt, der für deutlich weniger Erkrankungen Krankenkost anerkannte, und auf den das SG seine Entscheidung wesentlich stützte. Jedoch hat das BVerfG eine Abweichung von den Mehrbedarfsempfehlungen 1997 zu Lasten der Rechtsuchenden als begründungspflichtig angesehen und überdies ausgeführt, dass der auch von der Beklagten verwendete Begutachtungsleitfaden 2002 hierfür nicht ausreichend sei (BVerfG Beschluss vom 20.6.2006 - 1 BvR 2673/05 - RdNr. 8 f; zur Kritik am Begutachtungsleitfaden s auch OVG Niedersachen Beschluss vom 13.10.2003 - 12 LA 385/03 = NDV-RD 2003, 130 m Anm. Höft-Dzemski). Die überarbeiteten Mehrbedarfsempfehlungen 2008 sahen dann - wiederum unter Berufung auf eine einheitliche Auffassung der medizinischen Wissenschaft und auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse - für deutlich weniger Erkrankungen Krankenkost vor, als die Mehrbedarfsempfehlungen 1997.

Auch durch die überarbeiteten, aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 wird deshalb die Verpflichtung der Verwaltung und der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, die Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts von Amts wegen aufzuklären (§ 20 SGB X bzw. § 103 SGG), nicht aufgehoben. Mithin haben die Instanzgerichte jeweils den genauen krankheitsbedingten Mehrbedarf der Kläger im Einzelnen aufzuklären (so bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 6 und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R). Dies haben die Vorinstanzen nicht in ausreichendem Maße getan.

Die Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ersetzen daher nicht allein eine ggf. erforderliche Begutachtung im Einzelfall, sondern dienen nur als Orientierungshilfe, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; Behrend in jursPK-SGB II, 3. Aufl. 2011, § 21 RdNr. 64). Sie stehen nicht am Anfang, sondern erst am Ende der von Amts wegen durchzuführenden Einzelfallermittlungen und können insbesondere zu einem Abgleich mit den Ergebnissen der Amtsermittlung führen. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind dann ggf. weitere Ermittlungen medizinischer und ggf. ernährungswissenschaftlicher Art. (vgl. dazu BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen) entbehrlich, wenn die Ergebnisse der individuellen behördlichen und gerichtlichen Amtsermittlungen keine Abweichungen von den Empfehlungen des Deutschen Vereins erkennen lassen. Da die Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Rechtsnormqualität aufweisen (Senatsurteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, so auch bereits BSG Urteile vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83, 89 f = SozR 4-4200 § 20 Nr. 6 S 44 und - B 14/7b AS 64/06 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 2 S 6 f), gibt es keine Hinderungsgründe, die darin enthaltenen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse mit den Ergebnissen der Amtsermittlung zu vergleichen bzw. in diese einfließen zu lassen, wenn der streitgegenständliche Zeitraum vor der Veröffentlichung der neuen Empfehlungen am 1.10.2008 lag. Auch dies hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 10.5.2011, a.a.O.).

4. Das LSG wird auch den Kreis K am Verfahren zu beteiligen haben. Soweit ein Vorverfahren stattfindet, ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 95 SGG). Entgegen den Ausführungen des LSG hat nicht die Beklagte, sondern jeweils der Kreis K die Widerspruchsbescheide erlassen (§ 6 Abs. 2 S 1 Halbs. 2 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Eine Entscheidung kann nur einheitlich gegenüber der Beklagten und dem Leistungsträger, dem Kreis K, ergehen.

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.