Bundessozialgericht - B 9 SB 7/07 R - Urteil vom 02.10.2008
Erstellt ein Arzt in einem Verwaltungsverfahren auf Veranlassung der Behörde einen Befundbericht ohne nähere gutachtliche Äußerung, so hat er keinen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn durch eine unanfechtbare finanzgerichtliche Entscheidung festgestellt werden sollte, dass der Arzt diese Steuer zu entrichten hatte.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch darüber, ob auf das "Honorar" für die Ausstellung eines Befundscheines ohne nähere gutachtliche Äußerung eine Umsatzsteuer (hier in Höhe von 4,00 Euro) entfällt, die der Beklagte der Klägerin zu ersetzen hat.
Die Klägerin, eine ärztliche Partnerschaftsgesellschaft, erstattete in einem Verwaltungsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht auf Veranlassung des Beklagten am 9.3.2006 einen Befundschein ohne nähere gutachtliche Äußerung i.S. der Nr. 200 Anlage 2 zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Dafür stellte sie einen Betrag von 21,00 Euro zuzüglich Kopier- und Portokosten sowie Umsatzsteuer in Rechnung. Der Beklagte lehnte eine Erstattung der Umsatzsteuer ab, weil die Entschädigung eines sachverständigen Zeugen nach Aussagen der Finanzverwaltung nicht umsatzsteuerpflichtig sei (Bescheid vom 27.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.5.2006). Dagegen erhob die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Gießen Klage, die mit zwei Parallelverfahren verbunden und dann insgesamt abgewiesen wurde (Urteil des SG vom 13.12.2006).
Das von der Klägerin angerufene Hessische Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten - nach Rücknahme der beiden anderen Klagen durch die Klägerin - mit Urteil vom 29.8.2007 verurteilt, der Klägerin die auf die "Vergütung" in Höhe von 25,00 Euro entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 4,00 Euro zu ersetzen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Bei der Ausstellung eines Befundscheins ohne gutachtliche Äußerung handle es sich um eine Leistung, für die ein sachverständiger Zeuge ein "Honorar" nach Nr. 200 Anlage 2 zum JVEG erhalte. Auch im Zusammenhang mit sachverständigen Zeugen würden die Begriffe "Leistung" und "Honorar" verwendet, während im Gegensatz hierzu ein Zeuge lediglich eine "Entschädigung" nach § 19 Abs. 1 JVEG erhalte. Der Gesetzgeber habe damit den sachverständigen Zeugen vergütungsrechtlich bewusst vom Kreis der übrigen Zeugen abgegrenzt und entsprechend der Intention des JVEG den Gedanken der Leistungshonorierung gegenüber dem Gedanken der Entschädigung gestärkt. Konsequent sehe daher § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG vor, dass die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer gesondert zu ersetzen sei, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unerhoben bleibe. Grundsätzlich könne die Verwaltung davon ausgehen, dass ein Arzt als sachverständiger Zeuge von der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenommen sei, weil ärztliche Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien und gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG beim maßgeblichen Gesamtumsatz nicht mitgerechnet würden. Weise der Arzt jedoch - wie hier durch Vorlage einer Erklärung seines Steuerberaters - nach, dass er nicht von der Umsatzsteuer befreit sei, so sei ihm diese zu ersetzen.
Der Beklagte hat dagegen Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung von § 10 Abs. 1 i.V.m. Nr. 200 Anlage 2 zum JVEG. Bei der Ausstellung eines Befundscheins handle es sich um die Tätigkeit eines sachverständigen Zeugen. Die Entschädigung sachverständiger Zeugen sei auch nach dem JVEG, wie die Oberfinanzdirektion (OFD) F. im Schreiben vom 7.7.2004 bestätigt habe, nicht umsatzsteuerpflichtig. Soweit die OFD Frankfurt am Main nunmehr mit Schreiben vom 24.4.2007 eine andere Auffassung vertreten habe, könne dem - ebenso wie dem Urteil des LSG - nicht gefolgt werden. § 10 Abs. 1 JVEG stelle nur durch die Verweisung auf die in Anlage 2 enthaltenen festen Vergütungssätze oder Vergütungsrahmen sachverständige Zeugen mit Sachverständigen gleich. Die weiteren Ansprüche der sachverständigen Zeugen nach § 19 JVEG blieben unberührt. Da jedoch weder § 10 Abs. 1 JVEG noch § 19 JVEG auf § 12 JVEG verwiesen, habe ein sachverständiger Zeuge bei Verrichtungen nach Anlage 2 keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 12 JVEG, auch nicht auf Ersatz der Umsatzsteuer. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG gelte nur für Sachverständige, nicht für Zeugen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 29.8.2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Gießen vom 13.12.2006 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des SG Gießen vom 13.12.2006 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 27.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.5.2006 dahingehend zu ändern, dass der Beklagte auf den Zahlbetrag für den streitgegenständlichen Befundbericht entfallende Umsatzsteuer nachträglich ersetzt, wenn durch eine unanfechtbare Gerichtsentscheidung festgestellt werden sollte, dass die Klägerin diese Umsatzsteuer zu entrichten hatte.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei Zahlungen an sachverständige Zeugen handle es sich um Honorar, also um umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die auf dieses Honorar entfallende Umsatzsteuer sei nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG zu ersetzen. Die Tätigkeit eines sachverständigen Zeugen entspreche umsatzsteuerrechtlich eher der eines Sachverständigen als der eines Zeugen. Dies habe auch die OFD F. im Schreiben vom 28.11.2007 klargestellt.
Der Senat hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen zur Frage der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Erstellung von ärztlichen Befundberichten eingeholt.
II.
Die Revision des Beklagten ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben ist. Dieses hat den Beklagten zu Unrecht zum Ersatz von auf das Honorar für die Ausstellung eines Befundscheins (Befundberichts) ohne nähere gutachtliche Äußerung entfallender Umsatzsteuer verurteilt. Der Beklagte war berechtigt, den Ersatz der von der Klägerin geltend gemachten Umsatzsteuer abzulehnen. Unter Berücksichtigung des vom Bundesministerium der Finanzen mitgeteilten Ergebnisses einer Besprechung mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist das Honorar für einen derartigen Befundbericht als Zeugenentschädigung zu werten, die mangels steuerbarem Umsatz nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Der Beklagte ist allerdings verpflichtet, nachträglich Umsatzsteuer zu erstatten, sofern durch eine unanfechtbare finanzgerichtliche Entscheidung festgestellt werden sollte, dass die Klägerin diese Steuer zu entrichten hatte.
1. Als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer kommt allein § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG, jeweils in der ab 1.7.2004 geltenden Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I 718, 776), in Betracht. Nach § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X erhalten Zeugen, Sachverständige und Dritte in entsprechender Anwendung des JVEG eine "Entschädigung" oder "Vergütung", falls sie - wie hier - von einer Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens herangezogen werden (§ 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB X). Das JVEG sieht in § 12 Abs. 1 Satz 2 den Ersatz besonderer Aufwendungen vor. Hierzu gehört nach Nr. 4 auch der Ersatz der auf die "Vergütung" entfallenden Umsatzsteuer, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt.
2. Nach seinem Regelungsgehalt betrifft § 12 JVEG den Ersatz von tatsächlichen und erforderlichen Aufwendungen (vgl. BSG SozR 1300 § 21 Nr. 2 S 5). Nachdem die Klägerin entsprechende Belege ihres Steuerberaters vorgelegt hatte, haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erklärt, es sei unstreitig, dass die Klägerin die Zahlung des Beklagten für den streitgegenständlichen Befundbericht in Höhe von 25 Euro in einem Konto "Gutachten mit Mehrwertsteuer" verbucht und bei der Umsatzsteuererklärung berücksichtigt hat, dementsprechend dafür auch Umsatzsteuer gezahlt hat. Damit ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin hinsichtlich der streitigen Umsatzsteuer tatsächliche Aufwendungen gehabt hat, der erkennende Senat vermag diese jedoch nicht als notwendig anzusehen.
Dadurch dass § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG einen Ersatz der auf die Vergütung entfallene Umsatzsteuer vorsieht, knüpft er an das Umsatzsteuerrecht und damit auch an das Umsatzsteuerverfahren an. Denn weder soll eine Umsatzsteuer ersetzt werden, die nicht abzuführen war, noch soll demjenigen, der eine Vergütung nach dem JVEG erhält, die der Umsatzsteuer unterliegt, der betreffende Betrag letztlich vorenthalten werden, nur weil die zur Zahlung der Vergütung verpflichtete Behörde eine Umsatzsteuerpflicht verneint. Ob auf das Honorar für den hier betroffenen Befundbericht Umsatzsteuer entfällt, entscheidet sich in dem Verhältnis zwischen der Klägerin und den Finanzbehörden, für dessen Klärung der Rechtsweg zu den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit eröffnet ist (§ 33 Finanzgerichtsordnung).
Über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der im vorliegenden Fall betroffenen Honorarzahlung liegt - soweit ersichtlich - noch keine die Klägerin endgültig bindende Entscheidung einer Finanzbehörde oder eines Finanzgerichts vor. Jedenfalls war es der Klägerin möglich und auch zumutbar, den Eintritt einer solchen Bestandskraft zu verhindern. Das ergibt sich aus den Besonderheiten des Umsatzsteuerverfahrens. Der Unternehmer hat eine Umsatzsteuererklärung abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat (vgl. § 18 Abs. 3 UStG, § 150 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung <AO>). Diese Steuererklärung hat die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. § 168 Satz 1 AO). Eine solche Festsetzung kann das Finanzamt innerhalb der Festsetzungsfrist (vgl. § 169 AO) jederzeit ändern (vgl. § 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Ebenso kann der Steuerpflichtige die Änderung der Steuerfestsetzung beantragen (§ 164 Abs. 2 Satz 2 AO). Wird ein solcher Antrag vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt, so läuft diese nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO). Im Hinblick auf die ablehnende Entscheidung des Beklagten über die Zahlung von Umsatzsteuer für das Befundberichtshonorar hätte die Klägerin erforderlichenfalls diese Möglichkeit ergreifen müssen, um die Steuerfestsetzung in Bezug auf den hier streitigen Vorgang offen zu halten. Dies gilt um so mehr, als sie nach der gegenwärtig erkennbaren Rechtslage nicht davon ausgehen konnte, dass das fragliche Honorar mit Sicherheit der Umsatzsteuer unterliegt.
3. Die Klägerin hat nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG am 9.3.2006 einen von dem Beklagten erbetenen Befundbericht ohne nähere gutachtliche Äußerung erstattet. Dafür hat sie von dem Beklagten nach § 10 Abs. 1 i.V.m. Nr. 200 Anlage 2 JVEG ein pauschales Honorar in Höhe von 21,00 Euro zuzüglich Kopier- und Portokosten von 4,00 Euro (zusammen also 25,00 Euro) erhalten. Ob auf diese Zahlung Umsatzsteuer entfällt, richtet sich zunächst nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Umsatzsteuer als steuerbare Umsätze die Lieferungen und sonstige Leistungen unterliegen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Umsatzsteuerpflicht besteht demnach nur bei einem Leistungsaustausch, bei dem der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, wobei die wechselseitig erbrachten Leistungen miteinander innerlich verbunden sein müssen. Zur Annahme eines Leistungsaustausches ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. etwa BFHE 133, 133, 135; BFHE 149, 284, 287; BFH 184, 137, 139; BFHE 205, 535, 537; BFHE 215, 321, 327) auf der Seite des leistenden Unternehmers ein zweckgerichtetes, gewolltes Handeln erforderlich, das auf den Erhalt einer Gegenleistung im Austausch gegen die erbrachte Leistung abzielt oder geeignet ist, eine Vergütung für die erbrachte Leistung auszulösen. Das Merkmal des willentlichen Leistungsaustauschs fehlt hingegen bei Schadensersatzleistungen, die auf einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung beruhen. Denn der Schadensersatz wird allein dafür gewährt, dass der Geschädigte eine Einbuße an seinen Rechtsgütern erlitten hat (vgl. z.B. Birk, Steuerrecht, 10. Aufl. 2007, RdNr. 1302).
Gemessen an diesen Kriterien wird die Entschädigung der Zeugen und der ehrenamtlichen Richter nach dem JVEG als (echter) Schadensersatz angesehen, während die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern als Entgelt für eine Leistung eingeordnet wird (vgl. zu § 1 UStG Ziff 1 Abs. 8 UStR 2005). Ausgehend von dieser Unterscheidung wertet die Verwaltungspraxis das pauschale Honorar für die Ausstellung eines ärztlichen Befundberichts ohne nähere gutachtliche Äußerung nach § 10 Abs. 1 i.V.m. Nr. 200, 201 Anlage 2 JVEG (weitgehend) als Entschädigung eines sachverständigen Zeugen (vgl. das vom Beklagten herangezogene Schreiben der OFD F. vom 7.7.2004 sowie das Schreiben des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg vom 11.6.2008 - 31 - S 7170 - 12/00, zitiert nach juris; missverständlich insoweit die im Verfahren vorgelegten Schreiben der OFD F. vom 24.4. und 28.11.2007). Nach der vom Senat eingeholten Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen vom 3.9.2008 entspricht diese Verwaltungspraxis dem Ergebnis einer Erörterung dieser Frage mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Für die Frage, ob auf ein Honorar für einen Befundbericht Umsatzsteuer entfällt, ist danach allein entscheidend, ob eine zusätzliche gutachtliche Äußerung (erbeten und) abgegeben worden ist oder nicht. In letzterem Fall werde der Arzt als sachverständiger Zeuge tätig mit der Folge, dass das Honorar für diese Tätigkeit mangels steuerbarem Umsatz nicht der Umsatzsteuer unterliege.
4. An dieser Handhabung durfte sich der Beklagte bei der angefochtenen Entscheidung orientieren. Denn sie lässt sich mit dem geltenden Recht vereinbaren. Für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei dem Honorar für einen Befundschein ohne nähere gutachtliche Äußerung um eine Vergütung oder um eine Entschädigung im Sinne des Umsatzsteuerrechts handelt, ist vor allem die tatsächliche und rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Arzt und Behörde bei der Erstattung eines solchen Befundberichts von Bedeutung.
a) Es spricht viel dafür, die Ausstellung eines Befundberichts ohne nähere gutachtliche Äußerung im Auftrag der Versorgungsverwaltung, für die der Arzt ein "Honorar" in Höhe von 21,00 Euro nach § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X i.V.m. § 10 Abs. 1, Nr. 200 Anlage 2 JVEG erhält, nicht als Gegenstand eines zweckgerichteten, gewollten Leistungsaustausches zu sehen. Schon im Hinblick auf das geringe "Honorar" erfüllt der Arzt insoweit in erster Linie seine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung als (sachverständiger) Zeuge in einem Verwaltungsverfahren seines Patienten (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SGB X; § 100 Abs. 1 SGB X). Der Arzt bekundet dabei lediglich eigene Wahrnehmungen von Tatsachen und Zuständen, die er - unabhängig von dem Verwaltungsverfahren - im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten gemacht hat, gibt also lediglich bereits anderweitig erhobene Befunde wieder. Dies erfordert zwar eine besondere (medizinisch-ärztliche) Sachkunde, eine gewisse bewertende Auswahl sowie eine fachliche Einordnung der betreffenden Wahrnehmungen, überschreitet jedoch noch nicht die Grenze zu einer auf Veranlassung der Behörde erstellten gutachtlichen Äußerung (zur Abgrenzung eines Befundberichts ohne nähere gutachtliche Äußerung von einem Zeugnis mit kurzer gutachtlicher Äußerung vgl. bereits BSG SozR 1925 § 8 Nr. 1 S 3; BSG Meso B 20b/56; BSG Meso B 20b/58; BSG SozR 3-1925 § 5 Nr. 1 S 4 f).
Dem Arzt ist in der Regel auch bekannt, dass die Behörde im Falle seiner Weigerung, einen schriftlichen Befundbericht zu erstellen, nach § 22 SGB X die Möglichkeit hat, das zuständige Gericht um seine Vernehmung als Zeuge zu ersuchen. In diesem Fall erhält der Arzt nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 414, 401 ZPO, §§ 19 ff JVEG nur eine Entschädigung (ua für Verdienstausfall), die nicht der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. BVerfGE 101, 331, 356). Dementsprechend liegt es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art 3 Abs. 1 GG) nahe, das pauschale "Honorar" nach Nr. 200 Anlage 2 zum JVEG ebenfalls als (umsatzsteuerfreien) teilweisen Aufwendungsersatz, etwa für eigenen Zeitaufwand des Arztes und die Tätigkeit von Hilfspersonen, anzusehen.
b) Auch die Bestimmungen des JVEG stehen dem dargestellten Besprechungsergebnis der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht entgegen. Das JVEG stuft das "Honorar" für die Ausstellung eines Befundscheins ohne nähere gutachtliche Äußerung nach Nr. 200 Anlage 2 zum JVEG jedenfalls nicht eindeutig als "Vergütung" i.S. des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG ein. Im Gegenteil deutet mehr darauf hin, dass der Gesetzgeber insoweit von einer besonders bemessenen Zeugenentschädigung ausgegangen ist. Die Auffassung des LSG, das JVEG habe den sachverständigen Zeugen vergütungsrechtlich bewusst vom Kreis der übrigen Zeugen abgegrenzt und insoweit den Gedanken der Leistungshonorierung gegenüber dem Gedanken der Entschädigung gestärkt, ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit weder aus dem Gesetzestext (aa), noch der Entstehungsgeschichte (bb), dem systematischen Zusammenhang (cc) oder dem Sinn und Zweck dieses Gesetzes (dd).
aa) Schon der Wortlaut des § 12 Abs. 1 JVEG legt es nahe, diese Bestimmung nur auf Sachverständige und Übersetzer, nicht jedoch auf (sachverständige) Zeugen anzuwenden. Satz 1 enthält den Grundsatz, dass "mit der Vergütung nach den §§ 9 bis 11 JVEG auch die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten" ist. Satz 2 regelt die Fälle, in denen ausnahmsweise (Sachverständigen und Übersetzern) besondere Aufwendungen ersetzt werden. Hierzu gehört nach Nr. 4 die auf die "Vergütung" entfallende Umsatzsteuer, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt.
bb) Auch die Entstehungsgeschichte des § 12 Abs. 1 JVEG spricht dafür, dass der (sachverständige) Zeuge nicht vom persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst wird. Aus dem Wortlaut des bis zum 1.7.2004 geltenden § 8 Abs. 1 Nr. 4 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) ergab sich ausdrücklich eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf Sachverständige ("Dem Sachverständigen werden ersetzt ..."). Ein Arzt, der einen Befundschein ohne nähere gutachtliche Äußerung i.S. der Nr. 3 der Anlage zu § 5 ZuSEG ausstellte, war jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als Sachverständiger, sondern als sachverständiger Zeuge tätig (vgl. BSG SozR 1300 § 21 Nr. 2 S 4; BSG SozR 1925 § 5 Nr. 1; BSG SozR 1295 § 8 Nr. 1 S 2 f; BSGE 80, 171, 172 = SozR 3-1925 § 2 Nr. 1; BSG SozR 3-1925 § 5 Nr. 1 S 3 ff) und unterfiel deshalb nicht der Regelung des § 8 Abs. 1 ZuSEG (vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, E-LSG B 246).
An dieser Rechtslage hat sich entgegen der Auffassung des LSG durch die Neufassung des Rechts der Vergütung von Sachverständigen und der Entschädigung von Zeugen durch das JVEG jedenfalls hinsichtlich der Tätigkeit eines sachverständigen Zeugen nichts geändert. Die Bezeichnung der Leistung wurde von Nr. 3 (Satz 1) der Anlage zu § 5 ZuSEG wortgleich in Nr. 200 Anlage 2 zum JVEG übernommen. Aus der "Entschädigung" in Höhe von 10,00 bis 20,00 Euro wurde allerdings ein "Honorar" in Höhe von 21,00 Euro. Dieser Wechsel der Wortwahl ist darauf zurückzuführen, dass das JVEG das Entschädigungsprinzip bei Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern durch ein Vergütungsmodell ersetzt hat (vgl. hierzu BT-Drucks 15/1971 S 2, 139, 142). Auch wenn es nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 15/1971 S 183 zu § 10) Intention des Gesetzgebers gewesen sein sollte, den sachverständigen Zeugen hinsichtlich des Ersatzes der in § 12 JVEG genannten besonderen Aufwendungen dem Sachverständigen gleichzustellen, so findet sich hierfür weder im Gesetzestext (vgl. hierzu bereits die Ausführungen unter aa) noch in der Systematik des Gesetzes (vgl. hierzu unter cc) ein hinreichender Anhalt.
cc) Die Systematik des JVEG erlaubt den Schluss, dass es sich bei dem "Honorar" für eine Leistung nach § 10 Abs. 1 i.V.m. Nr. 200 Anlage 2 JVEG auch nach neuem Recht um eine "Entschädigung" eines (sachverständigen) Zeugen und nicht um eine "Vergütung" eines Sachverständigen handelt.
Das JVEG unterscheidet - ebenso wie § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X und § 401, § 413 ZPO (jeweils i.d.F. des KostRMoG) - bereits in § 1 Abs. 1 zwischen der Vergütung der Sachverständigen (Nr. 1) und der Entschädigung der Zeugen ua (Nr. 3). Die Vergütung von Sachverständigen ist im Abschnitt 3 (§§ 8 bis 14 JVEG), die Vergütung von Zeugen im Abschnitt 5 (§§ 19 bis 23 JVEG) geregelt. Sachverständige erhalten nach § 8 Abs. 1 JVEG grundsätzlich ein Honorar für ihre Leistungen (§ 9, § 10 JVEG), Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§ 7, § 12 JVEG). Demgegenüber erhalten Zeugen nach § 19 Abs. 1 JVEG grundsätzlich als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG).
Von dieser Grundregel macht § 10 Abs. 1 JVEG insoweit eine Ausnahme, als er - ebenso wie die zuvor geltende Vorschrift des § 5 Abs. 1 ZuSEG - sowohl Regelungen für Sachverständige als auch für sachverständige Zeugen enthält. Danach werden bestimmte, in der Anlage 2 zum JVEG näher beschriebene (ärztliche) Leistungen mit einem gesetzlich vorgegebenen pauschalen "Honorar" abgegolten und zwar unabhängig davon, ob der Arzt insoweit als Sachverständiger oder als sachverständiger Zeuge tätig wird. Aus dieser formalen Gleichbehandlung im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung lässt sich nicht zwingend folgen, dass insoweit stets eine "Vergütung" im Sinne einer Leistungshonorierung vorliegt. In der auf die Anlage 2 zum JVEG verweisenden Norm des § 10 Abs. 1 JVEG wird nämlich jeweils durch das Wort "oder" zwischen "Sachverständigen" und "sachverständigen Zeugen" sowie zwischen "Honorar" und "Entschädigung" unterschieden (weitergehend Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 23. Aufl. 2005, § 8 RdNr. 8.3). Im JVEG ist - anders als in der bis zum 31.12.1986 geltenden Fassung des § 5 Abs. 1 Halbsatz 2 ZuSEG (hierzu BSG SozR 1300 § 21 Nr. 2 S 4) - auch keine ausdrückliche Verweisung enthalten, die eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG auf sachverständige Zeugen vorsieht. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf sachverständige Zeugen im Wege einer gesetzesergänzenden Auslegung kommt wegen fehlender planwidriger, ausfüllungsbedürftiger Gesetzeslücke nicht in Betracht (so bereits BSG SozR 3-1925 § 5 Nr. 1 S 3 f zu § 5 ZuSEG in den ab 1.1.1987 geltenden Fassungen; a.A. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 10 RdNr. 10.4 unter Hinweis auf überholte Rechtsprechung).
dd) Auch Sinn und Zweck der vorgenannten Bestimmungen des JVEG gebieten nicht die vom LSG vertretene Auffassung. Gesetzgeberisches Ziel der Neufassung des JVEG war es in erster Linie, bei Sachverständigen das Entschädigungsprinzip durch ein neues leistungsgerechtes Vergütungsmodell zu ersetzen (vgl. BT-Drucks 15/1971 S 2, 139, 142). Davon unberührt blieb die Entschädigung von Zeugen, auch von sachverständigen Zeugen, die wie jeder Zeuge Tatsachen aufgrund früherer Wahrnehmungen bekunden, allerdings aufgrund einer besonderen Sachkunde. Allein der Umstand, dass eine bestimmte Art der Zeugenerklärung, nämlich ein Befundschein ohne nähere gutachtliche Äußerung, pauschal entschädigt wird, rechtfertigt keine Gleichbehandlung mit einem Sachverständigengutachten.
5. Der Wertung eines Befundscheinhonorars als Zeugenentschädigung wird allerdings im steuerrechtlichen Schrifttum teilweise widersprochen (vgl. Hummel, UR 2008, 569, 571 f m.w.N.). Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch den BFH ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass die finanzgerichtliche Rechtsprechung im Streitfall zu einer anderen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung gelangt. Insofern ist es im Interesse der Klägerin, die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG betreffend das streitgegenständliche Honorar möglichst nicht mit der Tragung einer Umsatzsteuer belastet bleiben soll, angebracht, die ablehnende Entscheidung des Beklagten zur Wahrung des Gesetzeszweckes mit einer entsprechenden Nebenbestimmung zu versehen (§ 32 Abs. 1 SGB X; vgl. hierzu BSGE 62, 32, 42 f = SozR 4100 § 71 Nr. 2 S 11 f; BSGE 67, 104, 114 f = SozR 3-1300 § 32 Nr. 2 S 16 f; BSGE 72, 271, 276 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 19 S 110 f; BSGE 79, 61, 65 = SozR 3-1200 § 42 Nr. 5 S 15). Auf den Hilfsantrag der Klägerin ist deshalb das erstinstanzliche Urteil dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verpflichtet wird, nachträglich die Umsatzsteuer zu erstatten, wenn durch eine unanfechtbare finanzgerichtliche Entscheidung festgestellt werden sollte, dass die Klägerin diese Steuer zu entrichten hatte.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
7. Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Gerichtskostengesetz i.d.F. des KostRMoG.