Gründe

I.

In der Hauptsache ist unter den Beteiligten noch streitig, ob bei dem kleinwüchsigen Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt werden kann. Bei dem 2004 geborenen Kläger war anfänglich wegen einer angeborenen Knorpelerkrankung mit Wachstumsstörung und motorischer Retardierung ein GdB von 50 festgestellt, ferner die Voraussetzungen für G, B und H. Die Neufeststellung eines GdB von 80 und Merkzeichen aG lehnte das beklagte Land ab. Im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren erklärte sich der Beklagte durch - angenommenes - Teilanerkenntnis bereit, einen GdB von 60 festzustellen. Die darüber hinausgehende Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 8.4.2014). Im Berufungsverfahren hat das LSG ein pädiatrisches Gutachten eingeholt, dass die Funktionseinschränkungen des Klägers mit einem GdB von 70 bewertete und die Voraussetzungen für Merkzeichen aG verneinte. Daraufhin hat sich der Beklagte zu einem Teilanerkenntnis über einen GdB von 70 bereit erklärt, der Kläger die Berufung wegen Merkzeichen aG zurückgenommen und seinen streitigen Antrag in der Hauptsache im Übrigen weiterhin auf die Feststellung eines GdB von 80 gerichtet, das LSG anschließend der Berufung stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt, entgegen dem Sachverständigengutachten sei nicht Teil B Nr. 18.7 Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (AnlVersMedV) für die Bewertung der Funktionseinschränkungen einschlägig, weil der Anwendungsbereich auf kleinwüchsige Erwachsene beschränkt sei. Der GdB beim 11-jährigen Kläger sei vielmehr unter Beachtung der besonderen Gegebenheiten nach Teil A Nr. 2 Buchstabe d und Teil B Nr. 1 Buchstabe b AnlVersMedV zu bemessen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen im Vergleich zu seinen nicht behinderten Altersgenossen in seinem Gehvermögen und seiner Mobilität besonders betroffen sei. Allein für die Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen sei ein GdB von 80 festzustellen (Urteil vom 3.9.2015).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich das beklagte Land mit der Beschwerde und rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs.

 

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl. § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG).

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie im Fall des Beklagten - darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs. 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Beklagte führt an, das Urteil des LSG sei eine Überraschungsentscheidung. Das LSG habe es in der mündlichen Verhandlung unterlassen, einen Hinweis zu erteilen, dass es von der Einschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen habe abweichen wollen. Auch wenn mit dem LSG nicht von Teilhabebeeinträchtigungen von Erwachsenen ausgegangen werde, sei der GdB nach den gutachterlich festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lediglich mit 70 anzusetzen. Der damit behauptete Verfahrensmangel in Gestalt einer Gehörsverletzung (Artikel 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG; Artikel 47 Abs. 2 Satz 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Artikel 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention) ist nicht hinreichend dargelegt.

Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht grundsätzlich nicht, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern (vgl. BSG SozR 3-1500 § 112 Nr. 2 S 3 m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen (rechtlichen) Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 86, 133, 144 f). Der Beklagte zeigt in seiner Beschwerdebegründung nicht auf, wieso er angesichts des Alters des Klägers, der Einschätzung eines GdB von 80 durch den behandelnden Orthopäden im Klageverfahren, des auf aG beschränkten Hinweises des Vorsitzenden zur Erfolglosigkeit der Berufung in der mündlichen Verhandlung und des weitergehenden Antrags des Klägers auf Feststellung eines GdB von 80 keinesfalls damit rechnen brauchte, dass das LSG sich nicht von Teil B Nr. 18.7 AnlVersMedV, sondern Teil A Nr. 2 Buchstabe d AnlVersMedV und Teil B Nr. 1 Buchstabe b AnlVersMedV bei der Bemessung des GdB leiten lassen und besondere Gegebenheiten antragsgemäß würdigen würde. Der Beklagte beanstandet dies letztlich auch nicht, sondern vertritt die Auffassung, dass auch ausgehend von Teil A Nr. 2 Buchstabe d und Teil B Nr. 1 Buchstabe b AnlVersMedV die Feststellungen des Sachverständigen keinen höheren GdB als 70 gerechtfertigt hätten. Indes ist die Bemessung des GdB nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl. z.B. BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 23 m.w.N.). Bei der rechtlichen Bewertung dieser Auswirkungen sind die Gerichte an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen nicht gebunden. Damit wendet sich der Beklagte gegen die Beweiswürdigung durch das LSG, die nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG). Dies gilt auch, soweit der Beklagte zudem die Entscheidung des LSG in der Sache für falsch hält (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 160a Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.