Gründe

I.

Mit Urteil vom 23.9.2015 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anstelle des anerkannten GdB von 40 verneint, weil das Hauptleiden der Klägerin in Form einer depressiven Störung in Verbindung mit einem Fibromyalgie-Syndrom und einer somatoformen Schmerzstörung keinen höheren GdB bedingten, der auch durch die weiteren bestehenden Gesundheitsstörungen nicht erhöht werde. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), weil das LSG entgegen der Einordnung in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) die Fibromyalgie nicht unter den Funktionsbereich "Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten" eingeordnet, sondern das Leiden zusammenfassend unter den Funktionsbereich "Nervensystem und Psyche" wegen dessen psychogener Herkunft zugeordnet habe.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl. § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG).

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um ihrer Darlegungspflicht zu genügen, muss eine Beschwerdeführerin mithin Folgendes aufzeigen: (1) Eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr. 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hält es für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung,

"ob und inwieweit das Leiden an einem Fibromyalgie-Syndrom trotz seiner Einordnung in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung unter Teil B Punkt 18.4 zum Funktionsbereich 'Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten' einem anderen Funktionsbereich, etwa dem Funktionsbereich 'Nervensystem und Psyche (Teil B Punkt 3), bei der Bewertung des Grades der Behinderung zugeordnet werden kann".

Es wird bereits nicht deutlich, inwiefern es sich bei dieser Frage um eine Rechtsfrage i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG handelt, also um eine Frage, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann. Nicht dazu gehören Fragen, die Denkgesetze oder Erfahrungssätze bzw. wissenschaftliche Erkenntnisse betreffen, die sich auf die Feststellung und Würdigung von Tatsachen beziehen (vgl. dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 9).

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterlicher Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr. 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 10), wobei das Gericht nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen muss. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach § 69 SGB IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Verfahrensschritt hat das Tatsachengericht über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Diese Umstände sind in die als sog antizipierte Sachverständigen-Gutachten anzusehenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) einbezogen worden. Dementsprechend sind die AHP nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten (siehe BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 9 RdNr. 25 m.w.N.). Für die seit dem 1.1.2009 geltende Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zur VersMedV gilt das gleiche (BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - Juris RdNr. 5).

Die Feststellung des GdB ist dabei in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, den das Tatsachengericht zwingend zu beachten hat. Rechtlicher Ausgangspunkt ist stets § 69 Abs. 1, 3 und 4 SGB IX (siehe BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 16 bis 21 m.w.N.). AHP und VG setzen die gesetzlichen Vorgaben um, wobei insbesondere auch medizinische Sachkunde zum Tragen kommt. Es kann hier offenbleiben, inwieweit in diesem Rahmen grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auftreten können. Jedenfalls hat die Klägerin auch die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargetan.

Es wird schon nicht deutlich, weshalb die Bewertung der sich aus dem Fibromyalgie-Syndrom ergebenden funktionellen Auswirkungen durch das LSG anhand der Grundsätze für die Beurteilung von psychovegetativen und psychischen Störungen unzulässig sein soll. Sofern die Klägerin der Auffassung ist, dass die Einordnung eines Fibromyalgie-Syndroms unter Punkt 18.4 der VersMedV dazu führe, dass die daraus resultierenden funktionellen Auswirkungen ausschließlich entsprechend den Bewertungen im Rahmen der Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatischer Krankheiten zu erfolgen habe, so hätte es einer weiteren Darlegung der Voraussetzungen von Punkt 18.4 der VersMedV bedurft. Danach sind die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungs-Syndrome (z.B. CFS/MCS) jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Hierzu hätte es der weiteren Darlegung bedurft, welche entsprechenden funktionellen Auswirkungen welcher Gesundheitsstörungen analog herangezogen werden können. Daran fehlt es, sodass nicht klar wird, inwiefern die VG nach Ansicht der Klägerin in diesem Zusammenhang rechtliche Zweifelsfragen aufwerfen.

Unabhängig davon hat die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht dargelegt. Diese setzt voraus, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin in ihrem Sinne hätte ausfallen müssen. Ein Beschwerdeführer hat daher den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung und dabei insbesondere den Schritt darzulegen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 31). Hierzu macht die Beschwerdebegründung keine ausreichenden Ausführungen. Sie behauptet lediglich, bei - nach Auffassung der Klägerin - zutreffender Berücksichtigung der Funktionsstörungen durch das Fibromyalgie-Syndrom hätte das LSG aufgrund der hohen Einzel-GdB der Fibromyalgie und der Depression in einer Gesamtschau der Leiden unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe und insbesondere unter der Berücksichtigung der unstrittigen wechselseitigen Beziehungen einen Gesamt-GdB von mindestens 50 feststellen müssen, ohne dies im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen. Die Klägerin legt nicht dar, welche funktionellen Auswirkungen unter Punkt 18, Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten, analog heranzuziehen wären und wie hoch die jeweiligen Einzel-GdB-Werte eingeschätzt werden müssten. Ohne Darlegung der Grundlage der Einzel-GdB-Werte ist aber auch zur vorzunehmenden Bildung des Gesamt-GdB nichts ausgesagt, der auch im Falle der Klägerin streitentscheidend ist (vgl. hierzu BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 10).

Tatsächlich lässt die Beschwerdebegründung erkennen, dass das LSG nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung vielmehr das getan hat, was seine Aufgabe ist, nämlich ausgehend von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung anhand der feststehenden medizinischen Tatsachen vorzunehmen und den Gesamt-GdB anhand der VersMedV selbst zu beurteilen (vgl. BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - RdNr. 5 m.w.N., stRspr). Im Grunde kritisiert die Klägerin mit ihren Ausführungen lediglich die Beweiswürdigung des LSG (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), womit sie gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7 S 10).

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 160a Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.