Bundessozialgericht - Urteil vom 20.07.2005 - Az.: B 9a/9 VJ 2/04 R
Für die Annerkennung eines Impfschadens ist zwingend Voraussetzung, dass die Impfung den einschlägigen Impfempfehlungen der dafür zuständigen Behörden entspricht. Das ist bei Schutzimpfungen mit einem zum Zeitpunkt der Impfungen noch nicht zugelassenen Impfstoff nicht der Fall. Entschädigung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu gewähren.
Gründe
I.
Streitig ist die Gewährung von Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG)/Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen gesundheitlicher Folgen von Schutzimpfungen mit einem zum Zeitpunkt der Impfungen noch nicht zugelassenen Impfstoff.
Der am 4. März 1997 geborene Kläger wurde am 6. Mai, 1. Juli, 2. September 1997 und am 5. März 1998 gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus Influenzae b (Hib), Polio und Hepatitis B geimpft. Impfungen zum Schutz vor jeder einzelnen dieser Erkrankungen waren durch Bekanntgabe des Bayerischen Ministeriums des Innern vom 24. September 1990 in der Fassung vom 16. Februar 1993 öffentlich empfohlen worden. Sie wurden hier jeweils mit einem Sechsfach-Kombinations-Impfstoff durchgeführt. Der verwendete Impfstoff war zum Zeitpunkt der Impfung noch nicht zugelassen. Die Eltern des Klägers hatten sich am 6. Mai 1997 schriftlich mit der freiwilligen Teilnahme an der den Impfstoff betreffenden, von der Herstellerfirma finanzierten Verträglichkeitsstudie einverstanden erklärt. Erst am 26. Oktober 2000 erfolgte die Zulassung des Impfstoffs durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Am 22. Mai 2000 beantragten die Eltern des Klägers - als gesetzliche Vertreter - Versorgung nach dem BSeuchG. Sie gaben an, nach allen vier Impfungen sei der Gesundheitszustand ihres Sohnes über mehrere Tage hinweg durch starke Unruhe und ein ausgeprägtes Schreien gekennzeichnet gewesen. Am 1. Mai 1998 sei der erste Grand-mal-Anfall aufgetreten, dem seien weitere gefolgt. Insgesamt leide der Kläger nunmehr an einer geistigen Behinderung mit erheblichem Entwicklungsrückstand und Epilepsie.
Der Beklagte lehnte die Gewährung der beantragten Leistungen mit der Begründung ab: Bei der Impfung sei kein zugelassener Impfstoff verwendet worden, sodass keine staatliche Einstandspflicht für aus einer Impfempfehlung folgende Schäden bestehe. Inwieweit ein Kausalzusammenhang zwischen den Impfungen und den vorliegenden Gesundheitsstörungen gegeben sei, bedürfe daher keiner weiteren Überprüfung (Bescheid vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001).
Auch im Klage- und Berufungsverfahren ist der Kläger erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts München <SG> vom 12. November 2003 und des Bayerischen Landessozialgerichts <LSG> vom 27. Juli 2004). Das LSG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Versorgung nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG wegen der geltend gemachten gesundheitlichen Schäden könne nicht beansprucht werden, da es hier an der erforderlichen öffentlichen Empfehlung der zuständigen Landesbehörde für die durchgeführte Schutzimpfung fehle. Nach § 20 Abs. 3 IfSG und vormals § 14 Abs. 3 BSeuchG stehe es im Ermessen der jeweiligen obersten Landesgesundheitsbehörden, Empfehlungen für Schutzimpfungen auszusprechen. Von diesem Ermessen sei nicht nur die Festlegung des Katalogs der empfohlenen Schutzimpfungen umfasst. Es könnten in der Empfehlung auch anderweitige Einschränkungen ausgesprochen werden, etwa im Hinblick auf den Personenkreis oder die Art des Impfstoffs. Sachlich begründete Einschränkungen hielten sich im Rahmen der vorgegebenen Ermächtigung des Bundesgesetzgebers und begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dieses gelte auch für die hier erfolgte Beschränkung der Impfempfehlung auf Schutzimpfungen mit zugelassenen Impfstoffen (Hinweis auf die Bekanntmachung des Bayerischen Ministeriums des Innern vom 24. September 1990, AIIMBI 20/1990, S 33). Solange sich ein Impfstoff noch in der Erprobung befinde, könne ein Aufopferungsanspruch nicht entstehen, selbst wenn der Impfstoff später in der gleichen Zusammensetzung zugelassen werde. Bis zur Zulassung liege das Risiko für etwaige gesundheitliche Schäden bei der Herstellerfirma und sei nicht vom Staat zu übernehmen.
Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 60 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 3 IfSG. Er vertritt die Auffassung: Die Zulassung eines Impfstoffs erfordere eine hinreichende Erprobungsphase, deren Durchführung im Interesse des Staates liege. Die Zielsetzung des IfSG, eine Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen, um die Ausbreitung gefährlicher Krankheiten zu verhindern, hänge auch von der Wirksam- und Verträglichkeit der eingesetzten Impfstoffe ab, was nur durch Forschung und letztendlich Verträglichkeitsstudien festgestellt werden könne. Zumindest dann, wenn bereits absehbar sei, dass der nur formale Akt der Zulassung eines bestimmten Impfstoffes - in der selben Zusammensetzung wie in der Erprobungsphase - erfolgen werde, müsse der Staat auch für durch diesen Impfstoff vor der Zulassung entstandene Schäden eintreten. Ansonsten unterliege die Entschädigung nach dem IfSG dem Zufall. Nach § 60 Abs. 1 IfSG sei nicht auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zulassung und der Vornahme der Impfung, sondern zwischen deren Vornahme und der Empfehlung sowie auf die Identität zwischen dem eingesetzten Impfstoff und der späteren Empfehlung auf Grund der Zulassung abzustellen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 27. Juli 2004 und des SG München vom 12. November 2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Impfungen vom 6. Mai, 1. Juli, 2. September 1997 und 5. März 1998 Versorgung nach dem BSeuchG/IfSG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend führt er aus: Die Übereinstimmung in der Zusammensetzung des Impfstoffs während der Erprobungsphase und bei der Zulassung sei Zufall; die Zulassung sei mehr als ein rein formaler Akt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats
durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II.
Die zulässige Revision ist unbegründet.
Streitgegenstand des Rechtsstreits ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen nach § 51 Abs. 1 BSeuchG/§ 60 IfSG. Da das IfSG am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, bei zeitgleichem Außerkrafttreten des BSeuchG ohne Übergangsvorschrift (s Art 5 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20. Juli 2000, BGBl I, 1045), ist im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch bis zum Inkrafttreten des IfSG das BSeuchG weiterhin anzuwenden; hier also von der Antragstellung im Mai 2000 bis zum 31. Dezember 2000. Für die Zeit danach sind der Entscheidung die allerdings insoweit im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des IfSG zu Grunde zu legen. Soweit der Kläger in den Vorinstanzen zugleich Härteausgleich nach § 54 Abs. 3 BSeuchG/§ 63 Abs. 5 IfSG iVm § 89 Bundesversorgungsgesetz (BVG) geltend gemacht hat, ist dieser rechtlich selbstständige Anspruch nach der in der Berufungsinstanz erfolgten Beschränkung auf den originären und im Übrigen vorrangigen Entschädigungsanspruch nach § 51 BSeuchG/§ 60 IfSG nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Beklagter und Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem BSeuchG/IfSG hat. Dahinstehen kann, ob die Schutzimpfungen vom 6. Mai, 1. Juli, 2. September 1997 und 5. März 1998, den geltend gemachten Impfschaden hervorgerufen haben; dem Kläger steht bereits unabhängig davon keine Entschädigung nach § 51 BSeuchG (§ 60 IfSG) zu.
Nach § 51 Abs. 1 BSeuchG erhält, wer durch eine Impfung, die ... 3. von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen ... worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes ... § 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG stimmt damit im Wesentlichen überein. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Die durchgeführten Impfungen entsprachen nicht der hier einschlägigen Impfempfehlung der zuständigen Behörde (1). Diese Impfempfehlung war auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 14 Abs. 3 BSeuchG gedeckt (2). Schließlich kann für den Entschädigungsanspruch nach § 51 Abs. 1 BSeuchG/§ 60 Abs. 1 IfSG auch weder grundsätzlich, noch im konkreten Fall auf das Erfordernis der öffentlichen Empfehlung verzichtet werden (3).
(1) In der Bekanntmachung des Bayerischen Ministeriums des Innern vom 24. September 1990, die im Zeitpunkt der drei ersten der hier durchgeführten Impfungen mit nur unbedeutenden Abweichungen (s Druckfehlerberichtigung, AIIMBI Nr. 23/1990, 813; Bekanntmachung vom 16. Februar 1993, AIIMBI 6/1993, 507) galt, werden alle sechs Infektionskrankheiten erwähnt, gegen die die betreffenden Impfungen zur Immunisierung eingesetzt worden sind. Gleiches gilt für die zum Zeitpunkt der letzten Impfung schon in Kraft befindliche Bekanntmachung vom 10. März 1998 (AIIMBI Nr. 9/1998, 262). Letztere nimmt Bezug auf die Bekanntmachung vom 24. September 1990, in der ferner festgelegt worden ist: "Für die Schutzimpfungen dürfen nur Impfstoffe verwendet werden, die vom Bundesamt für Sera und Impfstoffe (Paul-Ehrlich-Institut) zugelassen und deren Chargen von dieser Behörde freigegeben worden sind". Dieser Empfehlung entspricht der hier verwendete 6-fach-Impfstoff nicht. Ausweislich der bindenden Feststellungen des LSG ist er erst am 26. Oktober 2000 für die gesamte Europäische Union zugelassen worden. Zum Zeitpunkt der Impfungen in den Jahren 1997 und März 1998 befand sich der Impfstoff in der klinischen Prüfung (Verträglichkeitsprüfung = Phase I der klinischen Prüfung, um die Sicherheit des Impfstoffs unter dem Aspekt der Verträglichkeit für die Probanden zu prüfen, vgl. Deutsch, VersR 2003, 13, 14). Die Eltern des Klägers hatten sich ausweislich der von ihnen unterschriebenen "Patienten(Eltern)information und Einverständniserklärung" mit der Verabreichung des Impfstoffs im Rahmen einer "Verträglichkeitsstudie eines flüssigen 6-fach-KombinationsImpfstoffs bei gesunden Säuglingen bzw Kleinkindern im Alter von 2, 4, 6 und 12 bis 14 Monaten" durch den Prüfarzt Dr. W. einverstanden erklärt.
(2) Soweit die Bekanntmachung vom 24. September 1990 die Impfempfehlung auf Impfungen mit zugelassenen Impfstoffen beschränkt, ist sie auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 14 Abs. 3 BSeuchG gedeckt. Da der Anspruch auf Entschädigung erst auf Grund der öffentlichen Empfehlung im Zeitpunkt der Vornahme entsteht, ist hier insoweit ausschließlich auf die Regelung des BSeuchG abzustellen (vgl. BSG SozR 3850 § 54 Nr. 1). Danach können die obersten Landesgesundheitsbehörden zum Schutz der Gesundheit Impfungen öffentlich empfehlen. Die Empfehlung braucht sich nicht nur auf die Benennung der Erkrankungen zu beschränken, die durch die Schutzimpfung verhütet werden sollen, sondern kann auch die näheren Bedingungen zur Durchführung der Impfungen festlegen. Diese Befugnis betrifft auch die Art des zu verwendenden Impfstoffes. Das folgt aus Wortlaut, Sinn und Zweck, systematischem Zusammenhang in dem § 14 Abs. 3 BSeuchG steht, sowie dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen.
§ 14 Abs. 3 BSeuchG räumt der obersten Landesgesundheitsbehörde das Ermessen ein, Impfungen zum Schutz der Gesundheit öffentlich zu empfehlen. Das LSG weist zutreffend darauf hin, dass dem Wortlaut der Vorschrift zumindest keine Beschränkung der Art zu entnehmen ist, der zuständigen Behörde sei es untersagt, mehr als nur die Krankheiten bekannt zu machen, zu deren Bekämpfung aktive Schutzimpfungen empfohlen würden. Der Begriff der Impfung/Schutzimpfung wird in der Medizin in dem Sinne verstanden, dass dadurch eine Immunität zur individuellen und kollektiven Vorbeugung gegen Infektionskrankheiten erzeugt werden soll (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, 2002, S 1509). Dieser Vorgang kann denknotwendig nicht von dem Mittel abgekoppelt werden, das die Immunität erzeugen soll, nämlich dem Impfstoff. Er muss - was bereits der Gesetzestext vorgibt - geeignet sein, dem Schutz der Gesundheit zu dienen. Dieser umfasst nicht nur den Aspekt des Schutzes vor der Infektionskrankheit, sondern ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Zweck der Impfempfehlung ist es mithin auch, die gesundheitlichen Risiken, die mit der Impfung verbunden sind, so gering wie möglich zu halten.
Ein Blick auf die Grundlagen der Impfempfehlungen verdeutlicht dieses. So werden von der ständigen Impfkommission des Bundesgesundheitsamtes (STIKO) auf der Basis aktuellen Wissens effektive und praktikable Empfehlungen erarbeitet, die den zuständigen Landesgesundheitsbehörden als Entscheidungshilfe für die Bekanntmachungen nach § 14 Abs. 3 BSeuchG und § 20 Abs. 3 IfSG dienten und dienen. Die Empfehlungen der STIKO berücksichtigen immer beide der zuvor erwähnten Aspekte einer Impfung, nämlich ihre möglichen Nebenwirkungen und die jeweilige epidemiologische Situation (vgl. Huber, Das Impfwesen in der BRD - Strategie, gegenwärtige Situation, Defizite, Öffentliches Gesundheitswesen 1991, Sonderheft, S 260, 261).
Der Risikominimierung, auch im Hinblick auf Nebenwirkungen eines Wirkstoffes, dient - neben der Steigerung der Effizienz -, gerade das Zulassungsverfahren für Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz <AMG> (Rehmann, AMG, Stand 1999, Einführung, RdNr. 4, 5). Arzneimittel - auch Sera und Impfstoffe sind Arzneimittel iS des AMG (§ 4 Abs. 3 und 4 AMG) - dürfen nach dem AMG im Wesentlichen erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch das Bundesgesundheitsamt oder (bei Sera/Impfstoffen) durch das Paul-Ehrlich-Institut zugelassen worden sind (vgl. Rehmann, aaO, Einführung RdNr. 11). Der Proband, der sich an einer klinischen Studie beteiligt, sei es in der Verträglichkeits- oder auch Wirksamkeitsphase eines Medikaments/Impfstoffs (vgl. dazu Deutsch, aaO, S 13, 14), erhält jedoch Arzneimittel, die (noch) keiner Zulassung nach dem AMG bedürfen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 AMG). In dieser Phase unterliegt die Verabreichung der Arzneimittel vielmehr besonderen Regeln. Erst die Ergebnisse der klinische Studie (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG) bilden die Grundlage für die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen und damit der Zulässigkeit des Inverkehrbringens eines Arzneimittels (vgl. zu den Grundlagen der Durchführung einer klinischen Prüfung: Hielscher in Schnieders/Mecklenburg, Zulassung und Nachzulassung von Arzneimitteln, 1987, S 19 ff). Die Zulassung ist unter anderem abhängig von der Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf das angegebene Anwendungsgebiet, in Verbindung mit dessen Verträglichkeit, der Gegenanzeigen und Nebenwirkungen (vgl. Rehmann, aaO, § 22 RdNr. 21). Die Zulassungsentscheidung selbst erfolgt auf der Grundlage der vom pharmazeutischen Unternehmer gemäß §§ 22 bis 24 AMG gemachten Angaben und Unterlagen sowie der bekannt gemachten Ergebnisse der Aufbereitung des wissenschaftlichen Erkenntnismaterials (§ 25 Abs. 6 AMG) unter Berücksichtigung der klinischen Studien (Hielscher in Schnieders/Mecklenburg, aaO, S 6). Die Unterlagen sollen den Zulassungsbehörden die Möglichkeit verschaffen, zu überprüfen, ob das Arzneimittel, das in den Verkehr gebracht werden soll, wirksam, ausreichend qualitativ getestet und - bei Vornahme einer Risiko-Nutzenanalyse - unbedenklich ist.
Die Zulassungsvorschriften erhalten damit eine Schlüsselfunktion bei der Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit (Rehmann, aaO, Vor § 21 RdNr. 2). Wenn somit die zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde zu Impfungen gegen Infektionskrankheiten rät, hierzu auffordert, sie befürwortet (zum Begriff der "Empfehlung" verstanden als: Aufforderung, Befürwortung, Anraten, vgl. Erdle, Infektionsschutzgesetz, 2000, § 20 Anm. 4), so folgt hieraus - von Ausnahmen abgesehen, wenn etwa bei akuter Seuchengefahr der erforderliche Impfstoff noch nicht zugelassen ist - im Interesse des Schutzes der Gesundheit zwingend, dass nur Impfungen mit zugelassenen Impfstoffen empfehlenswert sind. Insoweit entspricht der Wortlaut der hier vorliegenden Empfehlung auf jeden Fall der Ermächtigungsgrundlage.
Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem mit der Impfempfehlung verfolgten Zweck (vgl. dazu auch Schumacher/Meyn, Bundesseuchengesetz, 4. Auflage, 1992, § 51 S 148). Sie soll eine Förderung der Impfbeteiligung bewirken. In der Bundesrepublik Deutschland besteht keine allgemeine Impfpflicht mehr. Gleichwohl ist es das Ziel, den Einzelnen durch die Impfung vor einer ansteckenden Krankheit zu schützen und durch Erreichen hoher Durchimpfungsraten einzelne Krankheitserreger regional zu eliminieren sowie schließlich weltweit auszurotten (vgl. Impfempfehlung der STIKO - März 1997, Bundesgesundheitsblatt 1997, 296). Die Impfempfehlung muss dabei immer im Blick haben, dass dieses Ziel nur dann erreicht werden kann, wenn die Schäden durch Impfungen möglichst gering gehalten werden, was nur dann gewährleistet ist, wenn auf Grund des strengen Zulassungsverfahrens die mit der Impfung verbundenen gesundheitlichen Risiken bekannt sind und als tolerabel im Sinne einer Nutzen-Lastenanalyse angesehen werden können. Auch aus dem Zusammenhang von Impfempfehlung und Entschädigungspflicht des Staates im Falle des Impfschadens folgt, dass der entschädigungspflichtige Staat im Interesse der Minimierung seiner Entschädigungspflicht und damit auch des dadurch der Gesamtheit der steuerzahlenden Bevölkerung entstehenden Schadens, die Bedingungen der Impfung, die er empfiehlt, festlegen können muss, zuvörderst durch die Bestimmung, nur Impfungen mit zugelassenen Impfstoffen durchzuführen (vgl. Huber, Das Impfwesen in der BRD - Strategie, gegenwärtige Situation, Defizite, Öffentliches Gesundheitswesen 1991, Sonderheft, S 260, 262).
Ein Blick in die Gesetzesmaterialen belegt ferner, dass es vom Gesetzgeber sogar intendiert war, in der Impfempfehlung auch die Bedingungen für die jeweiligen Schutzimpfungen festzulegen. In dem Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des BSeuchG wird mit Blick auf die Einführung einheitlicher Entschädigungsleistungen nach dem BSeuchG ausgeführt (BT-Drucks VI/1568, S7; s auch BSGE 54, 202, 204 = SozR 3850 §54 Nr. 2, mwN zu den Gesetzesmaterialien): "Ein (Bundes)Land, das eine Empfehlung ausspricht, muss ... die uneingeschränkte Möglichkeit haben, die Art der Durchführung der Impfung zu bestimmen und damit Impfschäden zu vermeiden." Der sich bereits aus dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 BSeuchG/§ 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG ergebende Hinweis auf den Zusammenhang zwischen der öffentlichen Empfehlung einer Impfung und der Vermeidung von Impfschäden wird somit auch von dem Gesetzgeber unterstrichen.
(3) Ein Entschädigungsanspruch nach § 51 Abs. 1 BSeuchG/§ 60 Abs. 1 IfSG besteht grundsätzlich dann nicht, wenn der gesundheitliche Schaden durch eine Impfung verursacht worden ist, die nicht von der öffentlichen Empfehlung gedeckt ist. Nach dem Wortlaut sowie den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks VI/1568, S 7) wird der Entschädigungsanspruch mit der vorliegenden öffentlichen Empfehlung der Impfung eng verknüpft. Umfasst die öffentliche Empfehlung nur Schutzimpfungen mit zugelassenen Impfstoffen, so beschränkt sich mithin der Entschädigungsanspruch auf den Ausgleich von gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden durch Impfungen mit solchen Stoffen. Eine erweiternde Auslegung der einschlägigen Bestimmungen ist insoweit nicht angebracht. Dieses ergibt sich auch aus Sinn und Zweck sowie systematischem Zusammenhang des öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruchs wegen Impfschäden.
Die Impfopferentschädigung beruht - worauf der Senat bereits mehrfach hingewiesen hat - auf dem Rechtsgedanken der Aufopferung; der Staat verlangt dem Impfpflichtigen ein Sonderopfer ab, nämlich die Duldung eines nicht ganz risikofreien Eingriffs, der die Gesundheit gefährden kann. Die Maßnahme soll nicht allein den Geimpften persönlich schützen, sondern darüber hinaus die Krankheit, die durch Ansteckung verbreitet wird, im Interesse der Allgemeinheit eindämmen (vgl. BSGE 42, 172, 175 = SozR 3850 § 51 Nr. 2; BSGE 42, 178, 181 = SozR 3850 § 51 Nr. 3; SozR 3850 § 51 Nr. 4; SozR 3850 § 54 Nr. 1); die gesamte Bevölkerung ist mithin Nutznießer der individuellen Impfung ("Nutznießerprinzip"; vgl. dazu BSG SozR 3850 § 54 Nr. 2; s auch BSGE 42, 172, 175 = SozR 3850 §51 Nr. 2). Die vormalige Impfverpflichtung mit Zwangscharakter ist zwar weitestgehend durch die Impfempfehlung ersetzt worden. Gleichwohl legt diese dem Einzelnen mit staatlicher Autorität nahe, sich dem Eingriff zum Schutz der Allgemeinheit zu unterziehen (vgl. BSGE 50, 136, 140, 141 = SozR 3850 § 51 Nr. 6; SozR 3850 § 54 Nr. 1, mwN; SozR 3850 § 54 Nr. 2). Durch die Impfopferentschädigung wiederum soll das staatlich initiierte Risiko des Einzelnen im Schadensfall verringert werden. Soweit aus dem Nutznießerprinzip eine Verpflichtung zur Risikominimierung, etwa auch durch Gewährleistung kostenfreier Heilbehandlung des Impfschadens, folgt, ist es mithin legitim, wenn das Eintreten für das verwirklichte Risiko auf solche Fälle beschränkt wird, die einschätzbar, also vom Staat bzw. durch seine Organe selbst empfohlen worden sind. An dieser Einschätzbarkeit fehlt es jedoch, wenn die staatliche Risikokontrolle in Gestalt des Zulassungsverfahrens für Impfstoffe noch nicht abgeschlossen ist.
Zwar ist es zutreffend, wenn der Kläger darauf hinweist, auch im Falle der Teilnahme an einer Verträglichkeitsstudie für Impfstoffe werde der Einzelne dem Nutznießerprinzip gerecht, da durch die pharmazeutische Weiterentwicklung von risikoärmeren Impfstoffen die Durchimpfungsrate der Bevölkerung gesteigert und damit der Seuchengefahr entgegengewirkt werden könne. Hieraus folgt jedoch keine Einstandspflicht des Staates in dem Sinne, dass er verpflichtet wäre, die Entschädigungsregelung auf nicht von der Impfempfehlung gedeckten, sich in der Testphase befindlichen Impfstoff auszudehnen. Die Risikoverteilung folgt insoweit anderen Regeln. Es stehen sich hier die Aufopferung des Probanden für den medizinischen Fortschritt einerseits (vgl. Rittner u.a., Zur Angemessenheit des Probandenschutzes nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 Arzneimittelgesetz, VersR 2000, 688, 689) und diejenige im Interesse der Eindämmung von Infektionskrankheiten anderseits gegenüber. In beiden Fällen ist zwar die Volksgesundheit im weitesten Sinne berührt, gleichwohl handelt es sich um unterschiedliche Risikobereiche, denen der Gesetzgeber jeweils spezielle Haftungsregelungen für den Fall der Verwirklichung des Risikos zugeordnet hat. § 51 Abs. 1 BSeuchG und § 60 Abs. 1 IfSG decken nur den letztgenannten Fall ab. Es ist insoweit zwischen dem zivilrechtlichen und dem öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch zu unterscheiden.
Grundsätzlich erfolgt die Haftung für Arzneimittelschäden auf Grund einer besonderen Produkthaftung. § 84 AMG, der einen Gefährdungshaftungstatbestand umschreibt, regelt: Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des AMG an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt ... ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich des AMG in den Verkehr gebracht hat, unter den weiteren Bedingungen des Satzes 2 dieser Vorschrift verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. § 84 AMG sieht mithin nur eine Haftung für Schäden durch zulassungspflichtige und zugelassene Arzneimittel vor, nicht jedoch für solche, die sich aus dem Einsatz von Arzneimitteln ergeben, die sich noch in der klinischen Testphase vor der Zulassung befinden.
Während der Teilnahme an der klinischen Studie sind, wegen der gleichzeitig damit verbundenen Gefahren für den Probanden, besondere Verfahrensgrundsätze einzuhalten und zu überwachen (Rehmann, aaO, § 40 RdNr. 1). Ein wichtiger Verfahrensgrundsatz ist die Freiwilligkeit. Die Teilnahme an einer klinischen Prüfung bedarf der Zustimmung des Probanden. Die Zustimmung hat rechtlich gesehen zwei Seiten: Einerseits rechtfertigt sie die Körperverletzung und andererseits übernimmt der Proband grundsätzlich das Risiko des Gesundheitsschadens (vgl. Deutsch, aaO, S 13, 16). Hieraus ergeben sich in der Situation der klinischen Prüfung vor der Zulassungsentscheidung auch haftungsrechtliche Konsequenzen. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und nach dessen Abs. 2 iVm §§ 223 ff Strafgesetzbuch richtet sich nicht gegen den pharmazeutischen Unternehmer, sondern vielmehr gegen die für die Prüfung Verantwortlichen. Im Interesse des Probandenschutzes, insbesondere um bei Verwirklichung des Risikos tatsächlich einen adäquaten Schadensausgleich gewährleisten zu können, sieht § 40 Abs. 1 Nr. 8 AMG für den Fall, dass bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt werden, zwingend den Abschluss einer Versicherung nach Maßgabe des § 40 Abs. 3 AMG (u.a. Versicherungssumme von mindestens 1 Mio. DM/500.000 €) vor. Die Versicherungsbedingungen sind u.a. so auszugestalten, dass dann Leistungen gewährt werden, wenn kein anderer für den Schaden haftet. Der Eintritt der Versicherung in diesem rechtlich klar umgrenzten Risikobereich erfolgt verschuldensunabhängig (vgl. Rittner u.a., aaO, 688), nimmt also den Gedanken des § 84 AMG auf, dass für Arzneimittelrisiken grundsätzlich verschuldensunabhängig gehaftet werden soll (vgl. Rehmann, aaO, § 40 RdNr. 12).
Von dem Gedanken der verschuldensunabhängigen Haftung ist zwar auch der öffentlich-rechtliche Aufopferungsanspruch wegen eines Impfschadens geprägt. Hier gilt jedoch: Selbst wenn die Teilnahme an einer Impfung - wie im vorliegenden Fall - freiwillig ist, wird sie - anders als bei der Teilnahme an der klinischen Prüfung eines Arzneimittels - mit staatlicher Autorität nahe gelegt. In Abwägung des Gemeinwohl- und des Individualinteresses erfolgt daher der Ausgleich für den Impfschaden in Form einer besonderen gesetzlichen Ausgestaltung des allgemeinen Aufopferungsgedankens (vgl. Bales/Baumann, Infektionsschutzgesetz, 2001, Vorbemerkung zum 12. Abschnitt, S314). Neben Ansprüchen aus dem öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch können zwar weiter gehende Ansprüche, etwa aus Amtshaftung (vgl. § 63 Abs. 2 IfSG) oder nach anderweitigen Rechtsvorschriften, bestehen (vgl. Bales/Baumann, aaO, Vorbemerkung zum 12. Abschnitt, S 314; zum gesetzlichen Forderungsübergang s § 63 Abs. 4 IfSG). Unter Berücksichtigung der dargestellten Risikoverteilung würde es jedoch einen Bruch der gesetzlichen Systematik bedeuten, wenn die Haftung für gesundheitliche Schäden durch Impfstoffe während einer klinischen Testphase vom Staat übernommen werden müsste.
Die Impfentschädigung tritt insofern auch nach der Zulassung des Impfstoffs nicht an die Stelle der Haftung des pharmazeutischen Unternehmers. Diese ist nach § 84 AMG davon abhängig, dass das Arzneimittel bei bestimmungsmäßigem Gebrauch schädigende Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen und ihre Ursache im Bereich der Entwicklung oder der Herstellung haben, oder dass der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Keine dieser Voraussetzungen ist allerdings typischerweise im Falle einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden Schädigung nach einer Schutzimpfung gegeben. Im Gegenteil, gerade die Erkenntnis, dass die Möglichkeit unüblicher Impfreaktionen, also über das hinnehmbare Maß hinausgehender gesundheitlicher Schäden besteht, ist Grundlage des Impfschadensanspruchs.
Soweit der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch bzw. die Entschädigung durch die Versicherung während der klinischen Testphase den Nachweis der Kausalität iS der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit voraussetzt, während im Impfschadensrecht die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges genügt (vgl. § 61 IfSG), rechtfertigen es gerade die insoweit niedrigeren Beweisanforderungen (vgl. Rittner u.a., aaO, 688, 689; s auch BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R, JURIS) des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs, im Interesse der Risikominimierung die Einstandspflicht des Staates auf Schäden zu beschränken, die durch empfohlene Impfstoffe verursacht worden sind.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass der hier verwendete Impfstoff später in der gleichen Zusammensetzung zugelassen worden ist. Eine Impfentschädigung kann allein dann beansprucht werden, wenn die schädlich wirkende Impfung im Zeitpunkt ihrer Vornahme öffentlich empfohlen worden ist (vgl. BSG SozR 3850 § 54 Nr. 1). Wenn sich die öffentliche Empfehlung, wie dargelegt, zu Recht auf Impfungen mit zugelassenen Impfstoffen beschränkt, kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit der verwendete Impfstoff später in dieser Zusammensetzung zugelassen worden ist. Anderenfalls würde der Bedeutung der Zulassungsentscheidung und des bis dahin ablaufenden Verfahrens nicht hinreichend Rechnung getragen. In der Phase der Verträglichkeitsstudie ist das Ergebnis der klinischen Prüfung noch ungewiss. Diese dient generell dazu, über den Einzelfall hinaus Erkenntnisse zum therapeutischen Wert des Arzneimittels, insbesondere der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu gewinnen (vgl. Hielscher in Schnieders/Mecklenburg, aaO, S 19). Nun wird die Wirksamkeit des Impfstoffs im vorliegenden Fall nicht Gegenstand der Prüfung gewesen sein, da alle Einzelkomponenten des 6-fach-Impfstoffs offensichtlich bereits dem Grunde nach im Verkehr waren und im Falle der Unwirksamkeit die sich noch im Kleinkindalter befindlichen Probanden dem erheblichen Risiko ausgesetzt worden wären, an einer nicht behandelbaren Infektion zu erkranken (vgl. zur Wirksamkeitsstudie bei Impfstoffen, Deutsch, aaO, 13, 15). Zu prüfen war jedoch die Verträglichkeit der Kombination der verschiedenen Impfstoffe und der dabei verwendeten Begleitstoffe. Auch wenn die mit der Prüfung verbundenen Risiken, insbesondere bei Minderjährigen, ärztlich vertretbar sein müssen, die Humanstudie also nur durchgeführt werden darf, wenn der Nutzen das Risiko übersteigt, so sind die Erkenntnisse der klinischen Prüfung gleichwohl nur eine der in § 22 AMG normierten Voraussetzungen für das Zulassungsverfahren. Die Zulassung eines Impfstoffs zur klinischen Prüfung ist mithin keineswegs gleich bedeutend mit der späteren Zulassungsentscheidung.
Nach alledem ist bei der Anwendung von § 51 Abs. 1 BSeuchG/§ 60 Abs. 1 IfSG zwischen einer empfohlenen Impfung (mit zugelassenem Impfstoff) und einer nicht empfohlenen Impfung (mit Impfstoff in der klinischen Prüfung) eine klare Grenze zu ziehen. Der Gesichtspunkt einer Identität der Zusammensetzung des hier verwendeten und des später zugelassenen Impfstoffs kann allenfalls im Rahmen des Härteausgleichs nach § 89 BVG Beachtung finden.
Der Kläger wird durch die vom Senat vertretene Auslegung des § 51 Abs. 1
BSeuchG/§ 60 Abs. 1 IfSG nicht in seinem Recht auf Gleichbehandlung (Art 3 Abs. 1
Grundgesetz <GG>) verletzt. Der Versorgungsanspruch ist nicht schlechthin an die
Tatsache einer auf die Impfung zurückzuführenden Gesundheitsschädigung geknüpft.
Voraussetzung ist vielmehr u.a. die öffentliche Empfehlung der erfolgten Impfung.
Nur bei einer entsprechenden Impfempfehlung wird dem Einzelnen ein Sonderopfer
abverlangt. Es genügt nicht, wenn die Impfung auch für das staatliche
Gesundheitswesen von Bedeutung ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. August 1982 - 9a/9
RVi 3/81, JURIS). Beschränkt sich die Impfempfehlung auf Impfungen mit
zugelassenen Impfstoffen, ist es aus den dargelegten Gründen nicht sachwidrig,
Schäden durch nicht zugelassene Impfstoffe von der Entschädigungspflicht des
Staates auszunehmen. Impfungen, die der Staat nicht vorschreibt, fallen
grundsätzlich in den Bereich privater Lebensrisiken. Wird dem Bürger die Impfung
nicht einmal empfohlen, sie also ohne den schwächsten staatlichen Hinweis
durchgeführt, so ist es von Verfassungs wegen unbedenklich, wenn das Risiko für
Impfschäden - von möglichen Ausnahmesituationen und Härtefällen abgesehen - bei
ihm verbleibt (vgl. BSG E 50, 136 = SozR 3850 § 51 Nr. 6).
Etwas Anderes gilt zwar dann, wenn der Rechtsschein einer öffentlichen
Empfehlung erzeugt worden und dieser dem Staat zuzurechnen ist (vgl. BSGE 50, 136
= SozR 3850 § 51 Nr. 6). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Der
Kläger hat in keiner Phase des Verfahrens vorgebracht, der impfende Arzt habe
seine Eltern darüber belehrt, dass die von ihm vorgenommenen Impfungen mit dem
noch nicht zugelassenen Impfstoff in dieser Form öffentlich empfohlen seien. Im
Gegenteil: Es muss aus der von den Eltern unterschriebenen umfänglichen "Patienten(Eltern)information
und Einverständniserklärung" geschlossen werden, dass ein derartiger
Rechtsschein gerade nicht hervorgerufen worden ist. Soweit dieses Dokument keine
Informationen zu den Bedingungen eines Entschädigungsanspruchs nach dem BSeuchG
enthält, war dieses auch nicht erforderlich. Die Haftung für etwaige
Gesundheitsschäden war dem Risikobereich des impfenden Arztes als Prüfarzt im
Rahmen der Studie zuzuordnen. Eine fehlende Information durch den Impfarzt über
die haftungsrechtliche Risikoverteilung ist jedenfalls nicht dem Beklagten
zuzurechnen. Die Behörde hat nicht für das Fehlverhalten eines Arztes
einzustehen, der über den Inhalt einer bestehenden öffentlichen Impfempfehlung
nicht hinreichend aufklärt, es sei denn, es handelt sich um einen Arzt des
öffentlichen Gesundheitswesens oder dieser wird Kraft besonderer Bestellung für
die staatliche Gesundheitsverwaltung tätig (vgl. BSGE 50, 136 = SozR 3850 § 51 Nr.
6). Versäumnisse bei der therapeutischen Beratung sind als Behandlungsfehler zu
werten (vgl. BGHZ 126, 386, mwN). Selbst wenn der impfende Arzt jedoch den
Eindruck einer bereits bestehenden öffentlichen Impfempfehlung erweckt haben
sollte, ist vorliegend ein Anspruch aus der Rechtsfigur des Rechtsscheins
ausgeschlossen. Die Einstandspflicht des Staates erfordert nämlich in solchen
Fällen ein zusätzliches pflichtwidriges Tun oder Unterlassen der zuständigen
Verwaltungsstellen. Hiervon kann u.a. dann ausgegangen werden, wenn die zuständige
Behörde das den Rechtsschein verursachende Verhalten des mit der Impfung
regelmäßig befassten Medizinpersonals kannte oder bei pflichtgemäßer Sorgfalt
hätte erkennen müssen und die Fehlinformation hätte verhindern können (vgl. BSG,
Urteil vom 24. August 1982 - 9a/9 RVi 3/81, JURIS). Hinweise auf eine solche
Fallgestaltung sind hier nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.