Gründe


I

Streitig ist die Entziehung einer Grundrente und in ihrer Folge eines Heilbehandlungsanspruchs wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus nach § 1a Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der am 23. April 1922 in S./Pommern geborene Kläger meldete sich nach seinen eigenen Angaben 1940 freiwillig zur Waffen-SS. Seinen Dienst trat er im Juni 1941 bei der 1. SS-(Totenkopf)-Infanterie-Brigade (mot), Regiment 10, in der 9. Kompanie des III. Bataillons an. Nach den vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) beigezogenen Unterlagen der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Wehrmacht (WASt) vom 30. April 2002 erlitt der Kläger am 8. Januar 1942 einen Frostschaden an beiden Füßen und wurde am 12./13. Januar 1943 an der Rollbahn Podberesi-Wel-Luki verwundet. Der Kläger gab im Verwaltungsverfahren an, ab Mai 1945 zunächst in sowjetischer und anschließend bis zum 21. April 1950 in polnischer Kriegsgefangenschaft gewesen zu sein. In Polen habe er als Kriegsgefangener in einem Bergwerk unter Tage arbeiten müssen und sei im Februar 1948 an einer Rippenfellentzündung erkrankt.

Mit Bescheid vom 18. November 1950 bewilligte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein dem Kläger ab 1. November 1950 eine Kriegsbeschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH, die durch Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamtes Flensburg vom 20. Februar 1951 in eine Grundrente nach dem BVG umgewandelt wurde. Ab 1. Juli 1953 gewährte ihm das Versorgungsamt Grundrente nach einer MdE von 100 vH (Bescheid vom 30. November 1953). Als Schädigungsfolgen wurden dabei anerkannt: Geschlossene Lungentuberkulose rechts, Erfrierungsfolgen an der rechten Großzehe und belanglose Narbe an der linken Ellenbeuge. Später wurde die MdE auf 80 vH (Bescheid vom 17. Februar 1959) und danach auf 60 vH (Bescheid vom 20. September 1962) herabgesetzt.

Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft war der Kläger zunächst als Hilfsarbeiter beschäftigt. Vom 3. Juli 1953 bis zum 30. Juni 1961 bezog er eine Invaliden- bzw Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Anschließend ging er bis zum 31. Juli 1983 wiederum einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach. Das Erwerbsleben beendete er zum 1. August 1983 mit dem Bezug eines flexiblen Altersruhegeldes.

Im Juli 1998 - nach dem Inkrafttreten des § 1a BVG im Januar diesen Jahres - ersuchte der Beklagte die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg (Zentralstelle) um Auskunft, ob dort Erkenntnisse über einen möglichen Verstoß des Klägers gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit während seines Dienstes bei der Waffen-SS vorlägen. Die Zentralstelle übersandte alsdann Protokolle über Vernehmungen des Klägers aus den Jahren 1961 und 1979.

Im Rahmen eines Vorermittlungsverfahrens hatte der Kläger am 8. August 1961 gegenüber Beamten des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg "Sonderkommission - Zentrale Stelle -" (Az: 202 AR-Z 1212/60) in Alpirsbach angegeben: Er sei am 9. Juni 1941 zur SS-Totenkopfstandarte nach Brünn-Kuhberg einberufen worden. Bei Ausbruch des Russlandfeldzuges am 22. Juli 1941 sei er zur 1. SS-Infanterie-Brigade (mot) nach Krakau zur weiteren Ausbildung und anschließend zu einem Truppenübungsplatz nach Lidice verlegt worden. Ende August 1941 sei die Einheit zum Fronteinsatz in die Pripjetsümpfe abgerückt. Noch im sowjetisch besetzten Teil Polens habe der damalige Kompanieführer Storch den Befehl erteilt, sämtliche Bewohner einer Stadt ohne Altersunterschied aus ihren Häusern zu holen und auf dem Marktplatz zusammenzutreiben. Hieran habe er sich beteiligt, wobei ihm nicht klar geworden sei, um welche Bevölkerungsgruppen es sich gehandelt habe; insbesondere nicht, ob es Juden gewesen seien. Sein Zug habe dann den Befehl erhalten, sich an einer genauer bezeichneten Stelle außerhalb der Stadt einzufinden. Nach weiteren ein bis zwei Stunden hätten sie den Befehl zur gruppenweisen Erschießung der zwischenzeitlich dorthin verbrachten Stadtbewohner erhalten. Zunächst hätten sich ca 30 männliche Zivilpersonen an dem Rand einer zuvor ausgehobenen Grube, mit dem Gesicht zur Grube, in einer Reihe aufstellen müssen. Anschließend seien sie von hinter ihnen in zwei Reihen stehenden Schützen seines Zuges erschossen worden, wobei immer zwei Schützen auf eine Person zu zielen gehabt hätten. Bei dieser ersten Exekution, an der er beteiligt gewesen sei, seien alle Opfer sogleich tot gewesen. Nach einer Pause hätte sich eine zweite Gruppe zur Exekution aufgestellt, in der sich auch Frauen, Kinder im Alter zwischen 12 und 14 Jahren sowie Säuglinge auf den Armen ihrer Mütter befunden hätten. Die zu Exekutierenden seien, weil einige Schützen absichtlich daneben geschossen hätten, nicht alle sogleich tot gewesen. Um eine ausgesprochene Befehlsverweigerung habe es sich jedoch nicht gehandelt. Bereit stehende Unterführer hätten dann Nachschüsse mit Pistolen abgegeben. Die Erschießung zweier weiterer Gruppen, ebenfalls mit Frauen und Kindern, sei nicht mehr erfolgt; wahrscheinlich habe ein höherer Wehrmachtsoffizier das Ende der Erschießungen befohlen, zumindest seien sie anschließend nicht wieder aufgenommen worden.

Gegenüber dem Kriminalkommissariat Freudenstadt hatte der Kläger am 28. Februar 1979 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Hannover gegen unbekannt wegen Kriegsverbrechen im Raum Beresino/Tscherwen (Az: 11 Js 12/74) als Zeuge angegeben: Ende Juli/Anfang August sei seine Einheit in den Raum Minsk zum Fronteinsatz verlegt worden. Während dieses Einsatzes sei es nicht zu Erschießungen von Gefangenen oder Dorfbewohnern gekommen. Ferner berichtete er gegenüber der Kriminalpolizei von seinen Verwundungen und späteren Einsätzen. Ihm sei kein Fall bekannt geworden, in dem die 1. SS-Infanterie-Brigade an der Ostfront Erschießungen von gefangenen Russen oder Dorfbewohnern vorgenommen habe.

Auf seine Anhörung zu diesen Unterlagen durch den Beklagten erwiderte der Kläger: Er sei auf Grund der Angaben im Protokoll vom 8. August 1961 nicht verurteilt worden. Im Übrigen habe er auch keine Möglichkeit gehabt, sich als 19-Jähriger gegen die Erschießungsbefehle zu wehren und habe nicht abschätzen können, dass die Befehle offenbar illegal gewesen seien.

Durch Bescheid vom 1. Dezember 1999 entzog der Beklagte dem Kläger die Versorgungsleistungen ab dem 1. Januar 2000 mit der Begründung: Der Kläger habe durch die aktive Beteiligung an der Erschießung unschuldiger Zivilpersonen im September 1941 - während der Herrschaft des Nationalsozialismus - gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Von Bedeutung sei insoweit, dass weitere Angehörige der Einheit, in der der Kläger gedient habe, sich durch "Vorbeischießen" geweigert hätten, die illegalen Erschießungen durchzuführen, was schließlich zum Abbruch der Aktion geführt habe. Auf einen Befehlsnotstand könne er sich daher nicht berufen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass im Falle der Befehlsverweigerung eine unmittelbare Gefahr für sein Leben bestanden hätte. Hinweise auf einen Versuch, sich dem Befehl zu entziehen, lägen nicht vor. Die Illegalität der Erschießungen habe dem Kläger bekannt gewesen sein müssen, sodass er einen Beitrag zur Verwirklichung des Völkermordes geleistet habe. Angesichts der Schwere des Verstoßes sei das Vertrauen des Klägers in die Fortzahlung der bisherigen Versorgungsbezüge nicht schutzwürdig.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor: Er bestreite die Erschießungen nicht; zu seiner Entlastung seien jedoch sein damaliges Alter und die Unerfahrenheit zu berücksichtigen. Er sei zudem davon ausgegangen, dass eine Befehlsverweigerung zumindest Festungshaft, wenn nicht eine standrechtliche Erschießung nach sich gezogen hätte. Er habe nicht gewusst, warum die Bewohner der Stadt damals zusammengetrieben worden seien, und es sei auch nicht auf Kinder geschossen worden; insoweit sei die Vernehmung 1961 unvollständig und lückenhaft aufgenommen worden. Das "Vorbeischießen" könne nicht als Befehlsverweigerung gewertet werden, sondern sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass viele Angehörige der Einheit bestürzt und unsicher gewesen seien. Er sei zudem durch die Kriegsfolgen sein ganzes Leben lang benachteiligt worden; habe also bereits für die Kriegsteilnahme gebüßt. Durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 2000 schloss der Beklagte das Vorverfahren ab.

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Reutlingen (SG) hat der Klage durch Urteil vom 11. April 2001 stattgegeben, indem es die angefochtenen Bescheide aufhob und den Beklagten verurteilte, dem Kläger auch über den 31. Dezember 1999 hinaus Versorgung zu gewähren. In den Entscheidungsgründen heißt es: Der Kläger habe Anfang September 1941 den objektiven Tatbestand des Mordes nach § 211 Strafgesetzbuch (StGB) verwirklicht. Dennoch führe dieses Verhalten nicht zu dem Entzug der Leistungen. Der Nachweis der Rechtswidrigkeit des Handelns des Klägers sei nicht erbracht. Der Kläger sei hier durch einen Befehlsnotstand gerechtfertigt. Er sei erst zwei Monate bei der Waffen-SS gewesen und nach einer solch kurzen Zeit erstmals vor diese harte Probe gestellt worden, ohne in seinem Leben Erfahrungen gesammelt zu haben, wie man ohne Verstoß gegen das Gesetz und ohne Gefährdung des eigenen Lebens eine derartige Situation meistern könne. Mit seinen damals 19 Jahren habe sich der Kläger zudem in einem Alter befunden, in dem der Entscheidung Älterer Beachtung geschenkt und eigene Bedenken zurückgestellt würden. Einen Ausweg aus dem Dilemma habe er nicht gefunden, vor allem wegen des Drucks der Gruppe und weil er die Folgen eines absichtlichen "Vorbeischießens" nicht habe abschätzen können. Er habe für den Fall der Befehlsverweigerung um sein Leben gefürchtet; insbesondere ggf der gleichen illegalen Härte zu begegnen, wie die von ihm exekutierten Opfer. Auf Grund der Einbuße an Gesundheit durch die Folgen des Krieges sowie wegen seines geringen Einkommens sei es zudem unbillig, dem Kläger 60 Jahre nach der Tat die Versorgungsleistungen zu entziehen.

Das LSG hat auf die Berufung des Beklagten Auskünfte eingeholt und Akten beigezogen von der Staatsanwaltschaft Hannover zu dem Verfahren 11 Js 12/74, der WASt, dem Bundesarchiv - Militärarchiv - (Schreiben vom 13. September 2002), dem Institut für Zeitgeschichte (Schreiben vom 15. Oktober 2002), dem Zentral-Militärarchiv in Prag (Schreiben vom 18. November 2002) sowie ein Sachverständigengutachten vom 16. Februar 2003 bei dem Militärhistoriker Dr. B. (Freiburg) eingeholt. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger vor dem Berufungssenat angehört worden.

Durch Urteil vom 13. November 2003 hat das LSG mit der nachfolgenden Begründung das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen:

Der Ermächtigungstatbestand des § 1a BVG sei insoweit hinreichend bestimmt, als die Voraussetzungen des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit zu prüfen seien. Die gewählte Formulierung "Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit" entspreche der in zahlreichen Entschädigungs- und Wiedergutmachungsgesetzen und sei durch die Rechtsprechung als der Kernbestand an unabdingbaren Rechten der Einzelperson, der materiell niemals beseitigt oder beschränkt werden könne und auch in Zeiten des Nationalsozialismus Geltung behalten habe, bestimmt worden. In tatsächlicher Hinsicht habe der Kläger, nach seinen eigenen Angaben von August 1961, einen Verstoß gegen diese Grundsätze begangen, indem er im Spätsommer/Frühherbst 1941 an der Erschießung von Zivilpersonen (Männer, Frauen und Kinder) teilgenommen habe. Soweit er erstmals im Widerspruchsverfahren ausführe, auf Kinder sei nicht geschossen worden, sei dieses ebenso wenig glaubhaft, wie die in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, es sei nur auf Männer geschossen worden. Auch der Vortrag, seine Aussage im Jahre 1961 sei durch Krankheit beeinflusst worden, könne nicht nachvollzogen werden.

Diese Handlungen seien ihm auch subjektiv vorwerfbar. Da nicht der strafrechtliche Verschuldensbegriff zu Grunde zu legen sei, reiche es aus, wenn der Betroffene die Tatsachen kenne, aus denen sich die Unmenschlichkeit und Rechtswidrigkeit seines Handelns ergebe. Dieses sei dem Kläger bewusst gewesen, denn er habe angegeben, seine Kameraden hätten gezittert und ihm habe anschließend zwei Wochen lang das Essen nicht geschmeckt; er habe die Sache schon vor den Erschießungen satt gehabt und sei damals unheimlich schockiert gewesen.

Auf Befehlsnotstand könne sich der Kläger nicht berufen. Ein offensichtlich rechtswidriger, insbesondere verbrecherischer Befehl könne einen Rechtfertigungsgrund objektiv nicht auslösen. Ebenso wenig komme hier ein entschuldigender Notstand in Betracht, denn nach der Arbeit von Herbert Jäger "Verbrechen unter totalitärer Herrschaft - Studien zur nationalsozialistischen Gewaltkriminalität" sowie dem Sachverständigengutachten des Dr. B. sei kein einziger Fall nachgewiesen, in dem ein Befehlsempfänger wegen der Ablehnung oder Nichtausführung eines verbrecherischen Befehls Schaden an Leib oder Leben genommen habe. Somit verbleibe nur noch der subjektive Befehlsnotstand oder die Putativnotwehr. Deren Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor, da sich der Senat nicht davon habe überzeugen können, dass der Kläger alles in seinen Kräften Stehende getan habe, um das Unrechtsverhalten zu vermeiden. Weder habe er sich nach dem Sinn der Erschießungsaktion erkundigt, noch sei es glaubhaft, dass er sich mit niemandem habe beraten können. Zudem sei - anders als er selbst - ein Teil seiner Kameraden offensichtlich nicht bereit gewesen, den zweiten Erschießungsbefehl zu befolgen.

Das Vertrauen des Klägers in die Weitergewährung von Grundrente und Heilbehandlung sei angesichts der Schwere des begangenen Verstoßes auch nicht überwiegend schutzbedürftig. Dem Kläger seien zwar sein jugendliches Alter zum Zeitpunkt der Tat, seine hieraus folgende Unerfahrenheit sowie die jahrelange Indoktrination mit nationalsozialistischem Gedankengut, die gesundheitlichen Auswirkungen der Schädigungsfolgen und die hieraus sich ergebenden mangelnden beruflichen Möglichkeiten zu Gute zu halten. Andererseits hätte sich der Umstand, dass auf Grund der erst zehn Jahre nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft aufgenommenen Erwerbstätigkeit Rentenversicherungsbeiträge fehlten, nicht stark rentenmindernd ausgewirkt, da an Stelle von Beiträgen eine Rentenbezugszeit bei der Berechnung der heutigen Altersrente rentensteigernd berücksichtigt worden sei. Angesichts einer GRV-Rente in Höhe von 954,41 EUR sei der Entzug der Grundrente nach dem BVG (272,00 EUR) nicht gravierend. Der Kläger sei zudem in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) krankenversichert. Danach sei im Hinblick auf das begangene Verbrechen kein überwiegendes Interesse des Klägers an der vollständigen oder teilweisen Fortgewährung der Versorgungsleistungen gegenüber den Belangen der Allgemeinheit und dem mit der Regelung des § 1a BVG verfolgten Zweck festzustellen. Ebenso wenig sei zu erkennen, dass die sofortige Entziehung der Versorgungsleistungen zum 1. Januar 2000 zu einer unbilligen Härte führe.

Schließlich sei die Regelung auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 24. November 2005 hat er die Klage zurückgenommen, soweit sie (neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide auch) die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Versorgung über den 31. Dezember 1999 hinaus betrifft. Zur Begründung seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1a BVG sowie von Art 3, 14 Abs 1, 3 und Art 20 Grundgesetz (GG). Dazu führt er aus:

Das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, indem es keinen Beweis dazu erhoben habe, wo und wann die ihm zur Last gelegten Erschießungen stattgefunden hätten und in welcher Weise er darin verwickelt gewesen sei. Es habe sich ausschließlich auf das Vernehmungsprotokoll aus dem Jahre 1961 gestützt. Dieses habe jedoch nicht verwertet werden dürfen, denn er bestreite die Richtigkeit der dortigen Angaben, insbesondere, dass Kinder erschossen worden seien. Auch hierzu habe das LSG keinen Beweis erhoben. Das Protokoll unterliege darüber hinaus bereits aus formellen Gründen einem Verwertungsverbot, da es bei seiner damaligen Vernehmung an einer Belehrung über sein Recht auf Aussageverweigerung gefehlt habe. Somit seien nur seine jetzigen Einlassungen zu Grunde zu legen, die wiederum nicht ausreichten, um von dem Nachweis eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ausgehen zu können. Vor dem Hintergrund der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung bestünden sogar Bedenken, ob er im sozialgerichtlichen Verfahren hätte angehört werden dürfen. Zusammenfassend könne angesichts dessen lediglich davon ausgegangen werden, dass er irgendwann im Jahre 1941 an einem Erschießungskommando teilgenommen habe. Da eine Befehlsverweigerung eine standrechtliche Erschießung zur Folge gehabt hätte, sei er gezwungen gewesen, auf Personen zu schießen, von denen er nicht einmal gewusst habe, was ihnen zur Last gelegt worden sei. Zudem könne nicht festgestellt werden, dass er tatsächlich getroffen habe; immerhin sei das Kommando wegen der schlechten Schießergebnisse abgebrochen worden. Die Beweisführung durch ein historisches Gutachten sei zurückzuweisen, solange die historischen Tatsachen nicht feststünden.

Auch die subjektive Seite der Tat sei nicht nachgewiesen. Er habe keinen Ausweg gesehen, der Ausführung des Befehls zu entgehen. Soweit das LSG etwas Anderes annehme, fehle es an hinreichenden Tatsachenfeststellungen zu den äußeren Umständen, mit denen die inneren Tatsachen belegt werden könnten. Zudem habe das LSG die Ergebnisse der Befragung zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht protokolliert und diese auch nicht im Rahmen des individuellen Schuldvorwurfs berücksichtigt.

Ihm stehe darüber hinaus ein schutzwürdiges Interesse an dem Weiterbezug der Rente zur Seite. Dabei müsse Berücksichtigung finden, dass er die Rente seit 50 Jahren beziehe, sich in fortgeschrittenem Alter befinde und sein Lebensstandard wegen der Auswirkungen der Schädigungsfolgen auf seine Erwerbsmöglichkeiten auch im Rentenalter sehr bescheiden geblieben sei. Unter Abwägung mit der geringen individuellen Schuld sowie dem Gesetzeszweck sei es mithin nicht gerechtfertigt, ihm die Leistungen zu entziehen.

§ 1a BVG sei im Übrigen verfassungswidrig. Die Vorschrift bedinge eine unechte Rückwirkung, die nur dann zulässig sei, wenn gute Gründe des Allgemeinwohls für die Erforderlichkeit einer derartigen Regelung sprächen, die hier nicht zu erkennen seien. Eine Überprüfung von nach 60 Jahren kaum noch nachweisbaren Sachverhalten liege nicht im zwingenden öffentlichen Interesse. Allenfalls wenn eine strafgerichtliche Verurteilung erfolgt sei, könne der Entzug einer Rentenleistung für die Zukunft als verfassungsgemäß angesehen werden. Zudem ergebe sich aus der Einführung strafrechtlicher Gesichtspunkte in das Sozialrecht eine Systemwidrigkeit, durch die das Gesetz faktisch unanwendbar werde. Da die Verwaltung den individuellen Schuldnachweis in der Regel nicht mehr führen könne, entstehe des Weiteren eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Es werde auch keine Gleichbehandlung mit im Ausland lebenden Berechtigten hergestellt, denn § 64 BVG beinhalte keine "Unwürdigkeitsklausel", sondern beruhe letztendlich auf außenpolitischen Motiven. Zudem sei die Bestimmtheit des Gesetzeswortlauts nicht gewahrt; und es fehle an jeglichen Differenzierungen zwischen den verschiedenen Leistungen des BVG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13. November 2003 aufzuheben sowie die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 11. April 2001 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend und führt ergänzend aus:

Das LSG habe das Vernehmungsprotokoll aus dem Jahre 1961 verwerten dürfen. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger angebe, erhebliche Erinnerungslücken zu haben, und gleichwohl wisse, seine damalige Aussage sei in den wesentlichen Punkten unzutreffend gewesen. Auch die individuelle Schuld des Klägers sei nachgewiesen. Insoweit reiche ein zurechenbares, vorwerfbares und damit schuldhaftes Verhalten aus, ohne dass es des Vorsatzes zur Begehung einer bestimmten Straftat bedürfe. § 1a BVG erlege keine strafrechtliche Sanktion auf, sondern regele lediglich die Aberkennung einer staatlich gewährten Sozialleistung.

Dem Kläger sei die Tat auch subjektiv vorwerfbar. Weder objektiv noch subjektiv habe ein Befehlsnotstand vorgelegen. Eine Zuspitzung auf die Alternativen Befehlsausführung einerseits oder ausdrückliche Befehlsverweigerung andererseits werde der Problematik nicht gerecht. In dem Zwischenbereich hätte es zahlreiche andere Möglichkeiten gegeben, sich dem Erschießungsbefehl zu entziehen. Der Kläger habe jedoch zu keinem Zeitpunkt angegeben, überhaupt irgendwelche Überlegungen in Richtung auf eine Umgehung der Beteiligung an den Exekutionen angestellt zu haben.

Ein Abwägungsfehler im Bereich des Vertrauensschutzes sei ebenfalls nicht ersichtlich; das Interesse des Klägers an der Weitergewährung der Leistung müsse wegen der Schwere des begangenen Rechtsverstoßes hinter dem öffentlichen Interesse an dem Entzug der Leistung zurückstehen.

Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liege nicht vor; vergleichbare Formulierungen fänden sich in zahlreichen anderen Entschädigungsgesetzen, seien also Bestandteil des gesetzgeberischen Programms in Deutschland. § 1a BVG verhelfe zudem der Grundlage des Wertesystems des GG, der Menschenwürde (Art 1 GG), zum Durchbruch. Diese gebiete es, Leistungen zu entziehen, wenn das Verbrechen einen Verstoß genau hiergegen darstelle. Ein Wertungswiderspruch entstehe hingegen, wenn Kriegsverbrechern die Leistungen belassen würden, zumal dieses zu einer unterschiedlichen Behandlung von Berechtigten im In- und Ausland führe.

Ein Verstoß gegen Art 14 GG sei ebenfalls nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber habe hier Inhalt und Schranken des unter dem Eigentumsschutz stehenden Anspruchs auf Beschädigtenversorgung zutreffend bestimmt. Der Eingriff sei bei unechter Rückwirkung grundsätzlich zulässig. Der Vertrauensschutz zu Gunsten des Leistungsbeziehers hindere nicht, die Leistung für die Zukunft zu entziehen, zumal eine Einzelfallabwägung im Hinblick auf den Grad der Betroffenheit sowie den Schuldvorwurf und die Schwere der Tat ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sei. Eine entschädigungspflichtige Enteignung liege nicht vor.

II

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet und teilweise unbegründet.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass das Urteil des SG vom 11. April 2001 durch die diesbezüglich vom Kläger vor dem Senat erklärte Klagerücknahme insoweit gegenstandslos geworden ist, als der Beklagte dadurch (gesondert) verurteilt worden ist, dem Kläger über den 31. Dezember 1999 hinaus Versorgung zu gewähren. Die betreffende Klagerücknahme war sachgerecht, weil die neben der Anfechtung des Entziehungsbescheides erhobene Leistungsklage unzulässig war. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2000 keinen Bestand hat, ergibt sich die Pflicht des Beklagten zur Weitergewährung von Versorgung bereits aus dem bindenden Neufeststellungsbescheid vom 20. September 1962.

Dem Kläger sind die Versorgungsleistungen nach dem BVG zu Recht entzogen worden, soweit sie die Erfrierungsfolgen an der rechten Großzehe und die belanglose Narbe an der linken Ellenbeuge betreffen. Im Hinblick auf die Versorgung für die Schädigungsfolge "geschlossene Lungentuberkulose rechts" ist die Entscheidung des Beklagten jedoch rechtswidrig. Zwar hat der Kläger während der Herrschaft des Nationalsozialismus im Sinne von § 1a BVG gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen; er ist insoweit Täter geworden. Der in § 1a BVG geregelte Ausschluss einer Versorgung erfasst in verfassungskonformer Auslegung jedoch solche Ansprüche nicht, die auf schädigende Einwirkungen zurückzuführen sind (Opferlage nach dem BVG), denen es an einem engen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat fehlt, was in der Regel nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Fall ist und hier auf die in polnischer Kriegsgefangenschaft erlittene Schädigung zutrifft, die der Anerkennung der "geschlossenen Lungentuberkulose rechts" zu Grunde liegt.

Die streitige Entziehung von Versorgungsleistungen des Klägers richtet sich nach § 1a BVG. Diese Vorschrift lautet:

(1) Leistungen sind zu versagen, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem sich die Berechtigung ableitet, während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat und er nach dem 13. November 1997 einen Antrag auf Leistungen gestellt hat. Anhaltspunkte, die eine besonders intensive Überprüfung erforderlich machen, ob ein Berechtigter durch sein individuelles Verhalten gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, können sich insbesondere aus einer freiwilligen Mitgliedschaft des Berechtigten in der SS ergeben.

(2) Leistungen sind mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise zu entziehen, wenn ein Versagungsgrund im Sinne des Absatzes 1 vorliegt und das Vertrauen des Berechtigten auf eine fortwährende Gewährung der Leistungen im Einzelfall auch angesichts der Schwere der begangenen Verstöße nicht überwiegend schutzbedürftig ist.

(3) Soweit in den Fällen des Absatzes 2 die sofortige Entziehung oder Minderung der Leistungen zu unbilligen Härten führt, soll die Entziehung oder Minderung nach einer angemessenen Übergangsfrist erfolgen.

Der hier einschlägige § 1a Abs 2 BVG sieht die Entziehung von Versorgungsleistungen vor, die in früherer Zeit bindend bewilligt worden sind (vgl Frank, br 2000, 125, 129; allg dazu auch BSGE 91, 231 = BSG SozR 4-8850 § 5 Nr 1; BSGE 80, 72 = SozR 3-8850 § 5 Nr 2; BSG SozR 3-8850 § 5 Nr 3; SG Potsdam Breith 2000, 837, 846). Er stellt insoweit eine Sonderregelung dar, die gemäß § 37 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts (§§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) grundsätzlich vorgeht. Ob dieses auch dann uneingeschränkt gilt, wenn der gewährende Verwaltungsakt nach dem Inkrafttreten des § 1a BVG am 21. Januar 1998 erlassen worden ist, kann hier dahinstehen, denn der Kläger bezieht die hier fraglichen Leistungen nach dem BVG seit 1950. Ihre Rechtfertigung erfährt diese spezielle Entziehungsvorschrift - vergleichbar der Regelung des § 5 Entschädigungsrentengesetz ((EntschRG); s hierzu BSGE 91, 231 = SozR 4-8850 § 5 Nr 1 und BSG SozR 3-8850 § 5 Nr 2, 3) - aus der Spezialität des Eingriffsobjekts (Recht auf Versorgungsleistungen), der Begrenzung des möglicherweise betroffenen Personenkreises (Versorgungsberechtigte, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus Unrechtstaten begangen haben) und den besonderen Aufhebungsmaßstäben (Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit). Die Norm ermächtigt zudem zur Kürzung oder Aberkennung des Rechts auf Entschädigung nur mit Wirkung für die Zukunft, dh für Zeiten ab Beginn des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Entziehungsbescheid bekannt gegeben wird.

Die Voraussetzungen der spezialgesetzlichen Aufhebung des zuletzt maßgebenden Neufeststellungsbescheides vom 20. September 1962 gemäß § 1a Abs 2 BVG sind im vorliegenden Fall im Hinblick auf die bis zum 8. Mai 1945 beim Kläger entstandene Opferlage gegeben. Im Gegensatz zu der vom Kläger vertretenen Auffassung ist der in § 1a BVG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff der Grundsätze der Menschlichkeit hinreichend bestimmt und unabhängig von jeglicher Kodifizierung auch während der Herrschaft des Nationalsozialismus zu beachten gewesen (1). Dem Kläger ist auch nachweislich objektiv und subjektiv ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus im vorbenannten Sinne zur Last zu legen (2). Gleichwohl ist eine Entziehung von Versorgungsleistungen für die nach Kriegsende während der Kriegsgefangenschaft erlittenen gesundheitlichen Schädigungen im vorliegenden Fall nicht rechtmäßig. § 1a Abs 2 BVG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass nicht nur die Verstöße, sondern auch die Opferlage selbst einen hinreichenden Systembezug zu dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat aufweisen müssen (3). Soweit eine Leistungsentziehung danach in Betracht kommt, steht ihr kein schutzbedürftiges Vertrauen des Klägers entgegen (4). Einen Verstoß der in diesem Sinne verstandenen Regelung gegen Art 3 oder 14 GG vermag der Senat nicht zu erkennen (5).

(1) Das Tatbestandsmerkmal eines Verstoßes gegen die "Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit", an das § 1a Abs 1 und 2 BVG für die Leistungsversagung und -entziehung anknüpft, ist hinreichend bestimmt. Das im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerte Bestimmtheitsgebot verpflichtet das Parlament, grundlegende Wertentscheidungen selbst zu treffen und nicht auf die Exekutive oder Judikative zu verlagern. Die Norm ist so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl BVerfGE 49, 168, 181; 78, 205, 212; 93, 213, 238; 102, 254, 337), um zu gewährleisten, dass der Bürger in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten. Die Notwendigkeit der Auslegung macht eine Vorschrift nicht unbestimmt, wobei die Anforderungen umso strenger sind, je intensiver der Eingriff in Grundrechte ist (s auch BVerfGE 59, 104, 114; 86, 288, 311 und 78, 205, 212; 89, 69, 84 f).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat zu § 5 EntschRG, der eine dem § 1a Abs 1 BVG entsprechende Formulierung enthält, festgestellt: Die Vorschrift sei so hinreichend bestimmt, dass sie in einer für die Betroffenen voraussehbaren Weise von den Organen der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt ausgelegt und angewandt werden könne (vgl BSGE 80, 72, 86 = SozR 3-8850 § 5 Nr 2 S 37; s auch SG Potsdam Breith 2000, 837, 847). Dem ist auch für § 1a BVG zu folgen. Im Übrigen finden sich die Begriffe "Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit" in diversen Entschädigungsgesetzen; sie sind durch zT jahrzehntelange Anwendung in Verwaltung und Rechtsprechung hinreichend präzisiert worden (vgl § 1 Abs 4 Satz 2 Heimkehrergesetz (HkG), § 3 Nr 3a und 3b Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art 131 GG fallenden Personen (G 131), § 3 Abs 2 Nr 2 und § 5 Nr 1 Buchst b Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz = BVFG), § 2 Abs 2 Gesetz über die einmalige Zuwendung an die im Beitrittsgebiet lebenden Vertriebenen (Vertriebenenzuwendungsgesetz = VertrZuwG), § 359 Abs 3 Nr 2 Lastenausgleichsgesetz (LAG), § 16 Abs 1 Nr 2 Reparationsschädengesetz (RepG), § 2 Abs 1 Nr 2 Häftlingshilfegesetz (HHG), § 16 Abs 2 Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz = StrRehaG), § 2 Abs 2 Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz = VwRehaG), § 5 Abs 1 EntschRG). Der Gesetzgeber hat damit in § 1a BVG ein hergebrachtes und auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits gebilligtes Begriffspaar verwendet, das selbstverständliche ethisch-moralische Grundwerte zusammenfasst, die Grundlage eines jeden menschlichen Zusammenlebens sind (vgl BVerfGE 12, 264, 269; 93, 213, 238, 239; s auch BVerwGE 15, 336, 338f; 19, 1, 3; 31, 337, 338, 342; vgl auch Frank, br 2003, 1, 2).

Die Grundsätze der Menschlichkeit beinhalten den Kernbestand der in jeder Lebenslage unveräußerlichen Menschenrechte, die demnach materiell niemals beseitigt oder beschränkt werden können (vgl hierzu Entscheidung des SG Potsdam Breith 2000, 837, 845; Frank, br 2000, 125, 132). Es handelt sich um die elementaren, für das menschliche Zusammenleben und für ein Mindestmaß an gerechter staatlicher Ordnung unentbehrlichen Grundsätze, die zum unantastbaren Bereich des Rechts gehören (s hierzu BVerwGE 19, 1, 5; Frank br 2003, 1, 2; derselbe, br 2000 125, 132, 141; Schröcker, DÖV 1963, 455, 458; Hellmann, VIZ 1995, 201, 202). Zu den allgemein anerkannten und unveräußerlichen Menschenrechten gehört vor allem das Recht eines jeden Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es ist ein natürliches und stets gültiges Gebot der Menschlichkeit, dieses Recht vor staatlicher Willkür, auch unrechtmäßigen Kriegshandlungen zu schützen (vgl BVerwGE 31, 337, 338).

Angesichts dessen kann es dahinstehen, aus welchen Quellen sich diese Grundsätze im Einzelnen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entnimmt sie dem Sittengesetz und den jeder Rechtsordnung vorgegebenen natürlichen Rechten der Einzelperson (vgl BVerwGE 15, 336, 338; 19, 1). Letztlich sind sie aus der Daseinsordnung abzuleiten, in die der Mensch als vernunftbegabtes und empfindungsfähiges Wesen gestellt ist. In diese hat er sich einzufügen, wenn er sich selbst und seine Art nicht auf Dauer existentiell gefährden will (vgl dazu allg Loytved, in Festschrift für Alfred Söllner zum 70. Geburtstag, 2000, S 707, 720).

Abgesehen davon spiegeln sich die Grundsätze der Menschlichkeit zB in dem Statut für den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg vom 8. August 1945 wieder, wonach Verbrechen gegen die Menschlichkeit Kriegsverbrechen im engeren Sinne sind. Hintergrund dieser Regelung war es, insbesondere Versklavung, Deportation, Ausrottung und andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung, insbesondere der jüdischen, als Kriegsverbrechen ahnden und die Täter deswegen aburteilen zu können (vgl Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 1947, S 11, 12; Kraus, br 1998, 145, 152). Vergleichbare Bestimmungen fanden sich in dem Kontrollratsgesetz Nr 10 vom 20. Dezember 1945 (KR Abl 50; Sammlung der vom Alliierten Kontrollrat und der Amerikanischen Militärregierung erlassenen Proklamationen, Gesetze, Verordnungen, Befehle, Direktiven, Stuttgart, 1949). Art 2 dieses Gesetzes sah eine Strafandrohung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, ua wegen Ausrottung, Freiheitsberaubung, Mord, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, Vergewaltigung, Verschleppung und unmenschlicher Behandlung der Zivilbevölkerung (vgl Kraus, br 1998, 145, 152). Zurückgegriffen werden kann zudem auf das Abkommen der Vereinten Nationen (UN) zur Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes (Convention on the prevention and punishment of the crime of genozide - UNTS) vom 9. Dezember 1948, dem die Bundesrepublik Deutschland durch Zustimmungsgesetz vom 9. August 1954 beigetreten ist (BGBl II 1954, 210), Art 2 und Art 15 Abs 2 der UN-Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 (BGBl II 1952, 685, 953), aber auch auf die Werteordnung des GG, insbesondere Art 1 Abs 1 GG.

Ohne rechtliche Bedeutung ist dabei, dass die zuvor benannten, in Normen ausgeformten Grundsätze der Menschlichkeit erst nach der Begehung des im konkreten Fall relevanten Verstoßes kodifiziert worden sind. Die Grundsätze der Menschlichkeit galten und gelten unabhängig von jeglicher staatlicher Anerkennung und Kodifizierung (vgl Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit in der deutschen Kriegsopferversorgung, 2003, S 241; s auch SG Potsdam Breith 2000, 837, 847). Ihrer Art nach sind sie auch während der Herrschaft des Nationalsozialismus verbindlich geblieben (s BVerwGE 15, 336, 338, 339; 19, 1; 25, 128, 131; 26, 82; 31, 337, 338) und mit der Stimme des Gewissens erkennbar gewesen (vgl Schröcker, DÖV 1963, 455, 458). Im Übrigen waren die Grundsätze der Menschlichkeit zT auch schon vor 1945 kodifiziert. So sah die Haager Landkriegsordnung (Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907, RGBl 1910, 107) vor, dass keine kriegsführende Partei in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes frei ist (Art 22). § 47 Militärstrafgesetzbuch (MStGB) in den Fassungen der Bekanntmachungen vom 16. Juni 1926 und 16. Oktober 1940 regelte: Nicht jeder Befehl rechtfertige den Ausführenden, zumindest dann nicht, wenn der Befehl ein Verbrechen bürgerlicher oder militärischer Art zum Gegenstand habe (vgl RGBl I 1926, 275, 278; RGBl I 1940, 1347, 1350; Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit , aaO, S 90, mwN; s auch BGHSt 2, 234, 238).

Die Rechtsfolge der Entziehung von Leistungen wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit stellt - auch wegen der Möglichkeit des Rückgriffs auf vorkonstitutionelles Recht - keinen Verstoß gegen den Grundsatz des "nulla poena sine lege, nullum crimen sine lege" (keine Strafe ohne Gesetz, kein Vergehen ohne Gesetz) dar (vgl dazu auch die Ausführungen des Internationalen Militärgerichtshofs von 1946, zitiert nach Kraus, Kontrollratsgesetz Nr 10, S 25). Bei § 1a BVG handelt es sich nicht um eine strafrechtliche Norm. Die Regelung beinhaltet vielmehr einen ethischen Schuldvorwurf des Staates, sodass der die Strafbarkeit regelnde Art 103 Abs 2 GG hiervon nicht berührt wird (vgl hierzu Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit , aaO, S 241 und Frank, br 2000, 125, 133; s auch BVerwGE 25, 128, 129 zu § 3 Satz 1 Nr 3a G 131; BVerfGE 6, 132, 221; 22, 387, 420 f; BVerwGE 19, 1, 3; 26, 82, 88; 31, 337, 342; BSG, Urteile vom 30. Januar 1997 - 4 RA 23/96, S 16 f; vom 30. Januar 1997 - 4 RA 99/95, S 17; vom 24. März 1998 - B 4 RA 78/96 R, S 25).

(2) Einen derartigen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit hat der Kläger während der Herrschaft des Nationalsozialismus objektiv nachweisbar begangen (a). Dieser ist ihm auch zuzurechnen und vorzuwerfen (b).

Die Entziehung der Versorgungsleistungen nach § 1a Abs 2 BVG ist nur dann gerechtfertigt, wenn im konkreten Einzelfall ein Verstoß gegen die genannten Grundsätze objektiv und subjektiv nachgewiesen ist, also die individuelle Schuld festgestellt werden kann (vgl Stenographisches Protokoll der Bundestagssitzung vom 13. November 1997, 13/18367). Die - hier gegebene - Tatsache einer freiwilligen Mitgliedschaft in der SS ist für sich allein nicht ausreichend, um einen derartigen Verstoß annehmen zu können. Zwar ist dieses im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens von der Fraktion der Grünen vorgeschlagen (vgl Antrag vom 23. April 1993, BT-Drucks 12/4788; s auch BT-Drucks 13/1467 vom 19. Mai 1995), jedoch von der Mehrheit der Ausschussmitglieder abgelehnt worden, insbesondere weil ein Leistungsentzug wegen bloßer Gruppenzugehörigkeit als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen wurde. Im Fall der freiwilligen Mitgliedschaft in der SS soll vielmehr nun nach der parlamentarischen Kompromisslösung besonders intensiv zu überprüfen sein, ob ein Berechtigter durch sein individuelles Verhalten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat (vgl § 1a Abs 1 Satz 2 BVG).

Hieraus folgt, dass ein konkretes, räumlich und zeitlich eingegrenztes Verhalten bewiesen werden muss, das individuell-persönlich zuzurechnen und vorzuwerfen, schuldhaft ist (vgl SG Potsdam Breith 2000, 837, 847; s hierzu auch BSGE 91, 231 = SozR 4-8850 § 5 Nr 1 RdNr 28; vgl Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit , aaO, S 211). Dabei reicht es allerdings aus, wenn dem Täter die Unrechtmäßigkeit seines Handelns bei zumutbarer Gewissensanspannung zumindest hätte offenkundig werden müssen (vgl Heinz, ZfS 1999, 137, 138). Bei der Versagung oder Entziehung von Versorgungsleistungen handelt es sich nämlich nicht um eine strafrechtliche Sanktion, sondern um einen sich im Leistungsrecht niederschlagenden ethischen Schuldvorwurf des Staates (Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit ..., aaO, S 210). Sie setzt mithin weder eine bestimmte strafrechtliche Teilnahmeform noch eine Strafbarkeit als Verbrechen oder Vergehen voraus. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob der Berechtigte an einer unmenschlichen oder menschenunwürdigen Handlung beteiligt war, ihr - durch eigenes Handeln - zum Erfolg verholfen hat (vgl hierzu BSGE 91, 231 = SozR 4-8850 § 5 Nr 1 aaO).

(a) Die dem Kläger im vorliegenden Fall zur Last gelegte Handlung beinhaltet einen krassen, in räumlicher und zeitlicher Hinsicht hinreichend konkret eingrenzbaren Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit. Es ist nach den vom Kläger nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, die damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), als nachgewiesen anzusehen, dass der Kläger als freiwilliges Mitglied der Waffen-SS auf Befehl eines Vorgesetzten zusammen mit anderen Soldaten im Spätsommer/Frühherbst 1941 im früher russisch besetzten Teil Polens auf unbewaffnete Zivilisten - Männer, Frauen und Kinder - geschossen hat, die mit dem Rücken zu den Schützen vor einer zuvor ausgehobenen Grube standen und die er bereits mit anderen Kameraden aus ihren Häusern herausgeholt und auf dem Marktplatz ihres Wohnortes zusammengetrieben hatte.

Soweit der Kläger im Revisionsverfahren rügt, diese Feststellungen, die im Wesentlichen auf seiner 1961 protokollierten Aussage beruhen, könnten nicht zu Grunde gelegt werden, weil das LSG das Vernehmungsprotokoll nicht habe verwerten dürfen, kann er damit nicht mehr gehört werden. Unabhängig davon, ob er 1961 über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden ist, ist ein etwa in der Verwertung dieses Beweismittels liegender Verfahrensfehler (vgl hierzu BGH, Urteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 202/83) gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 295 Zivilprozessordnung ((ZPO); vgl zur Anwendbarkeit im sozialgerichtlichen Verfahren BSG, Beschluss vom 22. Januar 1990 - 5 BJ 87/89) als geheilt anzusehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob die unterbliebene Belehrung auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu einem Verwertungsverbot führen würde (§ 202 SGG iVm § 384 Nr 2 ZPO). § 295 ZPO ist auch in einem Fall der Benutzung eines unzulässigen Beweismittels - hier der Aussage ohne vorherige Belehrung als Urkundenbeweis - anwendbar (vgl zur Verwertung der strafprozessualen Aussage eines Angehörigen ohne Belehrung im Zivilprozess: BGH, Urteil vom 19. Januar 1984 - III ZR 93/82 - JURIS RdNr 20; BSG, Beschluss vom 22. Januar 1990 - 5 BJ 87/89 - JURIS). Insoweit greift der Zweck des § 295 ZPO ein, im Interesse der Prozessökonomie einen schnellen und sicheren Ablauf des Rechtsstreits zu gewährleisten. Ist das Rügerecht jedoch bereits in der Berufungsinstanz verloren gegangen, so kann der Beteiligte den Verfahrensmangel in der Revisionsinstanz nicht mehr geltend machen (vgl BFH, Beschluss vom 26. März 1991 - VII R 72/90). So liegt der Fall hier.

Die Voraussetzungen des § 295 ZPO für den Verlust des Rügerechts des Klägers sind gegeben. Nach § 202 SGG iVm § 295 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form der Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt gewesen sein musste. Die Aussage des Klägers aus dem Jahre 1961 ist spätestens durch wörtliches Zitat in dem Tatbestand des SG-Urteils im Wege des Urkundenbeweises in das sozialgerichtliche Verfahren eingeführt worden. Der Kläger hat im LSG-Verfahren ua im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht deren Verwendung als solche, sondern lediglich die inhaltliche Richtigkeit von Teilen seiner damaligen Aufgaben angegriffen.

Dieses Vorbringen beinhaltet keine Rüge des nunmehr geltend gemachten Verfahrensmangels. Unabhängig davon, ob hier die Tatsachen substantiiert zu bezeichnen gewesen wären, die den Verfahrensmangel ergeben könnten, und unabhängig von der Frage, welche Unterlagen des Beklagten im Einzelnen nach Auffassung des Klägers unverwertbar sein sollen, hat er die unterbliebene Belehrung als Grund für die Unverwertbarkeit der Aussage in diesem Schriftsatz nicht einmal im Ansatz erwähnt. Er stellt darin die "Unverwertbarkeit" lediglich in den Zusammenhang, dass er sich wegen Fehlens eines Strafverfahrens nicht habe verteidigen können. Insoweit befasst sich der Kläger letztendlich - wie auch ansonsten in den betreffenden Ausführungen zum Ausdruck kommt - kritisch mit dem Inhalt der Aussage, den er bisher nur in gewissem Rahmen zugestanden hatte und nunmehr bezüglich bestimmter Punkte bestreitet. Dass die 1961 protokollierte Aussage nach Auffassung des Klägers verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen sein könnte, ergibt sich mithin aus dem Schriftsatz vom 4. September 2001 nicht. Damit hat sich der auch seinerzeit schon anwaltlich vertretene Kläger in Kenntnis der unterbliebenen Belehrung auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den 1961 festgehaltenen Angaben eingelassen und ihre Verwertung nicht spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gerügt. Der Kläger hat vielmehr erstmals im Revisionsverfahren auf den möglichen Verfahrensfehler hingewiesen.

Auch mit seinen weiteren Rügen vermag der Kläger nicht durchzudringen. Soweit er die inhaltliche Richtigkeit der Angaben aus dem Jahre 1961 bestreitet und den Tathergang nunmehr anders darstellt, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des LSG, ohne einen Verfahrensmangel schlüssig darzulegen. Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), ein Fehler in der Beweiswürdigung ist somit kein Verfahrensfehler, sofern nicht die Grenzen der Beweiswürdigung überschritten worden sind. Eine derartige Überschreitung der Grenzen freier Beweiswürdigung ist nur dann anzunehmen, wenn das Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt bzw gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen hat. Einen derartigen Fehler des LSG hat der Kläger nicht dargetan.

Von einem Verstoß gegen Denkgesetze ist nur dann auszugehen, wenn aus den Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, jede andere nicht "denkbar" ist und das Gericht die allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat. Sind dagegen verschiedene Schlussfolgerungen denkbar und hält das Gericht eine davon für die allein richtige oder auch nur für die wahrscheinlich richtige, so liegt kein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, sondern eine denkgesetzlich zulässige Beweiswürdigung (vgl BSG KOV 1959, 115, 116; BVerwG DVBl 1973, 373; BVerwG Buchholz 234 § 7 G 131 Nr 51 und 310 § 108 VwGO Nr 70; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; SozR 3-2200 § 539 Nr 19; SozR 3-2200 § 548 Nr 39; BSG, Urteil vom 15. Mai 1985, - 7 RAr 40/84, JURIS; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 12).

Dementsprechend handelt es sich nicht um eine ordnungsgemäße Rüge, soweit sich der Kläger gegen die Annahme des LSG wendet, sein Vorbringen, es sei "nur" auf Männer geschossen worden und seine abweichenden Angaben aus dem Jahre 1961 seien durch Krankheit beeinflusst, sei im Verlaufe des Verfahrens entwickelt worden und nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, inwiefern diese berufungsgerichtliche Bewertung angesichts der detaillierten Aussage aus dem Jahre 1961 gegen Denkgesetze verstoßen soll, zumal zeitlich dem betreffenden Ereignis nähere Aussagen bei der Beweiswürdigung regelmäßig den Vorzug verdienen (vgl zu diesem Punkt: Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Band I, 2. Aufl, RdNr 192). Hinzu kommt, dass die späteren Angaben des Klägers widersprüchlich erscheinen können, wenn er ausführt, sich nicht an Details erinnern, gleichwohl sicher sagen zu können, nicht auf Frauen und Kinder geschossen zu haben.

Der Kläger hat auch keinen Erfolg mit der Rüge, der Inhalt der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG dürfe nicht verwertet werden, weil ihm diese "abverlangt" worden sei. Abgesehen davon, dass das LSG ihn offenkundig nicht zu den dortigen Angaben gezwungen hat, kann es nicht darauf ankommen, ob der Kläger sich persönlich insoweit zu einer irgendwie gearteten Mitwirkung verpflichtet gefühlt haben könnte. Er war nämlich bei dieser Anhörung anwaltlich beraten. Im Übrigen hat das LSG die dortigen Angaben des Klägers in seiner Entscheidung nicht tragend verwertet.

Entgegen der Annahme des Klägers kommt es im sozialgerichtlichen Verfahren ferner nicht darauf an, ob ein Beteiligter eine ihn belastende Tatsache zugesteht. Das sozialgerichtliche Verfahren ist vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) geprägt. Dass das LSG diesen - ausgehend von seiner materiellen Rechtsauffassung - im Zusammenhang mit den Feststellungen zum Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verletzt habe, hat der Kläger nicht substantiiert behauptet.

Aus der Sicht des Senats besteht kein Anlass, weitere Ermittlungen von Amts wegen zu verlangen. Die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen zum objektiven Tathergang reichen aus. Abgesehen von den eigenen Angaben des Klägers fügen sich die Feststellungen des LSG zur Bestimmung des räumlichen und zeitlichen Rahmens des Geschehens auch in die historisch überlieferten Abläufe ein. Das LSG führt - anders als der Kläger meint - keinen Beweis mit historischen Tatsachen, sondern überprüft lediglich die festgestellten Tatsachen anhand allgemeiner historischer Erkenntnisse. Dieses ist nicht zu beanstanden und kann vom BSG mit eigener Prüfungskompetenz nachvollzogen werden (vgl zur Befugnis des Revisionsgerichts, historische Tatsachen selbst feststellen zu dürfen: BSGE 58, 38, 42 = SozR 3100 § 5 Nr 7; BSG, Urteil vom 28. April 2005 - B 9a/9 V 4/04 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, JURIS).

Der Kläger hat 1961 den Zeitpunkt der Erschießungsaktion mit Sommer/Frühherbst 1941 angegeben. In örtlicher Hinsicht benennt er den ehemals russisch besetzten Teil Polens. Diese Angaben ermöglichen eine hinreichend konkrete räumliche und zeitliche Eingrenzung des Geschehens. Nach den aus allgemeinen Quellen zu gewinnenden zeitgeschichtlichen Erkenntnissen war die Einheit (1. SS-Infanterie-Brigade, Regiment 10), in der der Kläger zu Beginn des "Unternehmens Barbarossa" Dienst verrichtete, auf beiden Seiten der früheren polnisch-sowjetischen Grenze eingesetzt. Die Region umfasste die südlichen Ausläufer des Polesje und Wolhynien mit den daran angrenzenden Städten Rowno und Shitomi (Ukraine) (vgl Cüppers, Wegbereiter der Shoah, Die Waffen-SS, Der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939 bis 1945, Darmstadt 2005, S 165). Rowno sowie die gesamte Region "Polesje" mit den Pripjetsümpfen und der westliche Teil Wolhyniens waren von 1921 bis 1939 nach dem Friedensvertrag von Riga polnisch und wurden im September 1939 von den sowjetischen Truppen besetzt (vgl Brockhaus, Bibliographisches Institut und F.A. Brockhaus AG, 2002, Schlagworte "Rowno" und "Polesien"). Wenn der Kläger sich auch nicht mehr an einen genauen Ort des Einsatzes erinnern konnte, so ist die Eingrenzung auf das Grenzgebiet zwischen dem sowjetisch besetzten Teil Polens und der Ukraine angesichts der Kriegsbedingungen hinreichend konkret, zumal die Einheiten diesseits und jenseits, also auf ehemals polnischem wie bereits auf ukrainischem Gebiet agierten. Es ist auch eine zeitgeschichtliche Tatsache, dass in diesem Grenzbereich zu dem vom Kläger benannten Zeitpunkt massenhaft und systematisch Erschießungen der unbewaffneten Zivilbevölkerung durch die Regimenter 8 und 10 der 1. SS-Infanterie-Brigade durchgeführt worden sind; allein zwischen Juli und Mitte August 1941 sind ca. 7.000 Jüdinnen und Juden jeden Alters (vgl Cüppers, aaO, S 174; Unsere Ehre heisst Treue, Kriegstagebuch des Kommandostabes Reichsführer SS, Tätigkeitsberichte der 1. und 2. SS-Inf.-Brigade, der 1. SS-Kav.-Brigade und von Sonderkommandos der SS, 1965, S 95 - 141) von den Angehörigen dieser Brigade ermordet worden.

Unter den gegebenen Umständen ist es unerheblich, dass die auf den Bekundungen des Klägers beruhenden Orts- und Zeitangaben des LSG nicht präzise sind. In zeitlicher Hinsicht hat das LSG kein genaues Datum festgestellt, jedoch einen kurzen Zeitraum, innerhalb dessen sich die vom Kläger selbst angegebenen Verstöße nach tatrichterlicher Überzeugung tatsächlich zugetragen haben. Diese Verfahrensweise ist mit Blick auf die Ausführungen des Dr. B. in dem vom LSG eingeholten Gutachten vom 16. Februar 2003 gerechtfertigt. Der Sachverständige weist dort darauf hin, der Kläger habe sich bereits hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns des Russlandfeldzugs um einen Monat vertan. Der Kläger hat insoweit den 22. Juli 1941 angegeben, tatsächlich begann die Offensive und damit auch der Einsatz des Klägers einen Monat früher. Unter Berücksichtigung dessen sind die vom LSG übernommenen Angaben des Klägers und die historisch belegten Tatsachen in Einklang zu bringen. Auch spricht nach Meinung des Sachverständigen vieles dafür, dass der Kläger sich im Hinblick auf die genauen Ortsangaben teilweise geirrt hat. Die von ihm genannten Orte Lidice und Minsk sind räumlich so weit von dem historisch nachweisbaren Einsatzgebiet der Einheit entfernt, in der er Dienst geleistet hat, dass es sachgereicht erscheint, diese Ortsangaben außer Betracht zu lassen. Dieses rechtfertigt sich auch deswegen, weil die weiteren Angaben des Klägers, die Operation habe im ehemals besetzten Teil Polens stattgefunden und anschließend sei ein Einsatz in den Pripjetsümpfen erfolgt, wiederum historisch belegt sind.

(b) Der Kläger ist bei diesem objektiv festgestellten Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit nicht durch einen Befehl gerechtfertigt gewesen. Der Verstoß ist ihm auch persönlich zuzurechnen (iS von §§ 104, 827 BGB; zur Schuldfähigkeit vgl auch Dreher/Tröndle, StGB und Nebengesetze, 53. Aufl 2006, Vor § 13 RdNr 32 ff) und vorzuwerfen.

Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger hier zwar auf Befehl gehandelt; dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht sein Verhalten. Die befohlene Handlung war nicht rechtmäßig; die den Befehl beinhaltende Erschießung war - wie sich bereits aus der Begehungsweise ergibt - ein offensichtlicher Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit. Ein solches Verhalten ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass es nationalsozialistischer Anschauung oder formal nationalsozialistischem Recht entsprochen habe oder damals von der Strafverfolgung ausgeschlossen gewesen sei: Zeitbedingte Weltanschauungen begründen ebenso wenig einen Rechtfertigungs- wie Schuldausschließungsgrund. Auf einer solchen Grundlage beruhende Handlungen sind vorwerf- sowie zurechenbar, wenn diese Quellen Mord, Vertreibung und Gewalttaten forderten oder zu rechtfertigen versuchten (vgl BVerwGE 31, 337, 341, 343 und 34, 332, 341; 36, 268, 275 f). Es sind an die Handlungsweise des Betroffenen auch in subjektiver Hinsicht nachträglich andere Maßstäbe anzulegen als die, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft üblich waren (vgl BVerwGE 25, 128, 137; 31, 337, 342). Von diesem rechtlichen Standpunkt aus ist es nicht zu beanstanden, wenn das LSG annimmt, dass der Kläger durch die Beteiligung an der Erschießung der Zivilisten im Sommer 1941 vorwerfbar, dh schuldhaft, einem rechtswidrigen Befehl Folge geleistet hat.

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ist für diese Feststellung seine vorherige strafrechtliche Verurteilung nicht erforderlich (s auch SG Potsdam Breith 2000, 837, 847). Wie bereits dargelegt, bedarf es zur Feststellung der subjektiven Seite des Tatbestandes keines Verschuldens im strafrechtlichen Sinne. Die Rechtsordnung kennt in einem abgestuften System zahlreiche Sanktionen unterschiedlicher Intensität, mit denen einem rechtsfeindlichen oder gemeinschaftsschädigenden Verhalten begegnet werden kann. Die Unwürdigkeitsklausel des § 1a BVG ist in dieses außerstrafrechtliche Sanktionensystem eingebettet. Die Verletzungshandlung gegen die von den Grundsätzen der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit erfassten Schutzgüter ist ohne Rücksicht auf ihre Strafbarkeit als Verbrechen oder Vergehen zu beurteilen (vgl BVerfGE 6, 132, 221; BVerwGE 19, 1, 3; 25, 128 f; 26, 82, 88; 31, 337, 340, 342; 34, 332, 341; BSG, Urteile vom 30. Januar 1997 - 4 RA 23/96, S 16 f; vom 30. Januar 1997 - 4 RA 99/95, S 17; vom 24. März 1998 - B 4 RA 78/96 R, S 25).

Gleichwohl muss dem Betreffenden, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 1a Abs 1 Satz 2 BVG ergibt, die Tat individuell zur Last gelegt werden können. Ein persönlich schuldhaftes Verhalten muss ihm nachgewiesen werden. Ein solches Handeln liegt immer dann vor, wenn der Betroffene die Tatsachen kannte, aus denen sich das unmenschliche oder rechtsstaatswidrige Verhalten ergibt, ihm die Unmenschlichkeit oder Rechtsstaatswidrigkeit bewusst war oder bei der ihm zumutbaren Gewissensanspannung hätte bewusst sein müssen und nicht besondere Gründe die Schuld ausschließen (vgl Heinz, ZfS 1999, 137, 138). Diese Merkmale sind hier vom LSG ohne Rechtsverstoß bejaht worden. Auch in diesem Zusammenhang durfte es die Aussage des Klägers aus dem Jahre 1961 verwenden.

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war sich der Kläger bei der Ausführung des Schießbefehls auch bewusst, unrechtmäßige Handlungen zu begehen. Dieses spiegelt sich nach Auffassung des LSG darin wider, dass der Kläger gezittert, ihm danach zwei Wochen lang das Essen nicht geschmeckt und er geäußert habe, die "Sache" schon vor den Erschießungen satt gehabt zu haben. Dieser Würdigung der Angaben aus dem Jahre 1961 setzt der Kläger - abgesehen von dem untauglichen Angriff gegen die Verwertung der Aussage insgesamt - lediglich seine eigene Darstellung der Tatumstände entgegen. Damit vermag er nicht durchzudringen. Es fehlt insoweit an ordnungsgemäßen Verfahrensrügen iS von § 164 Abs 2 Satz 3 letzter Halbsatz SGG.

Soweit der Kläger ausführt, aus dem Umstand der psychischen Beteiligung könne nicht auf sein Bewusstsein um ein menschenrechtswidriges Handeln geschlossen werden, greift er allgemein die Tatsachenwürdigung des LSG an, ohne einen Fehler im Berufungsverfahren aufzuzeigen. Insbesondere wird kein Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorgebracht.

Die Überlegungen des Klägers, nach der Argumentation des LSG müsse bei einem völlig gefühlskalt handelnden Mörder davon ausgegangen werden, diesem fehle das Bewusstsein, gegen Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen zu haben, führt nicht dazu, dass aus dem Zeigen von Gefühlen nicht auf das Vorhandensein eines Bewusstseins für die Menschenrechtswidrigkeit des Handelns geschlossen werden könnte. Zwar mag die Folgerung des LSG bei einem gefühlskalten Mörder nicht möglich sein, andererseits ist sie jedoch nicht undenkbar, sondern nach Auffassung des Senats durchaus nahe liegend.

Soweit der Kläger dem Schuldvorwurf entgegenhält, er habe auf einen - wenn auch rechtwidrigen - Befehl gehandelt, vermag dieses sein Handeln nicht zu entschuldigen.

Zwar bedarf es hier keines strafrechtlichen Schuldvorwurfs. Dennoch begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn das LSG insoweit gleichwohl das Vorliegen eines strafrechtlichen Schuldausschließungsgrundes - hier des Befehlsnotstandes (vgl §§ 32, 34 StGB, § 47 MStGB) - geprüft hat, den der Kläger selbst zu seiner Entlastung ins Feld geführt hat. Es ist hier das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung zu beachten. Gründe, wegen derer strafrechtliches Handlungsunrecht fehlt, sind zwar nicht notwendig auch in anderen Rechtsgebieten maßgebend (zB für die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts). Spezielle, ihrer Herkunft nach strafrechtliche Erlaubnissätze gelten aber auch für diese Bereiche, da insoweit eine Handlung nicht zugleich erlaubt und verboten sein kann (vgl Lenckner in Schöncke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Aufl 2001, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff, RdNr 27; s auch: derselbe, aaO RdNr 8, § 32 RdNr 42a, § 34 RdNr 7). Voraussetzung ist allerdings immer, dass das fragliche Verbot, auf welches sich der Erlaubnissatz bezieht, für die verschiedenen Teilbereiche des Rechts ein und dasselbe ist. Das ist hier der Fall, denn ein früheres Verhalten ist nach § 1a BVG nicht vorwerfbar, wenn seine heutige strafrechtliche Beurteilung die Schuld ausschließen würde.

Der Senat lässt es offen, ob ein offensichtlich rechtswidriger, weil gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßender, verbindlicher Befehl dogmatisch als Rechtfertigungsgrund (vgl Lenckner in Schöncke/Schröder, aaO, Vorbemerkungen zu §§ 32 ff RdNr 89 mwN) oder als Entschuldigungsgrund (vgl Dreher/Tröndle, StGB, 53. Aufl 2006, Vor § 32 RdNr 8 ff, insbes 16) einzuordnen ist. Der Kläger kann sich von dem objektiv begangenen und zurechenbaren Verstoß jedenfalls nicht dadurch freizeichnen, er habe "nur" auf Befehl gehandelt und habe objektiv keine Möglichkeit gehabt bzw subjektiv eine solche nicht erkennen können, diesen nicht zu befolgen.

Objektiv lag hier nach den vom Kläger nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, das sich insoweit auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. stützt, kein Befehlsnotstand vor. Danach hätte der Kläger ohne unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben die Möglichkeit einer Befehlsverweigerung gehabt (vgl hierzu auch die Ausführungen von Cüppers, aaO, S 168 ff, zu dem Vorfall in Ostrog am 4. August 1941).

Zwar ist nicht auszuschließen, dass dem Kläger dieses nicht bewusst war oder er geglaubt hat, eine Befehlsverweigerung sei mit einer erheblichen Gefahr für sein eigenes Leben verbunden. Er könnte sich insoweit in einem Irrtum über die Notstandslage befunden haben (vgl § 35 Abs 1 Satz 2 StGB). Aber auch dann besteht - gegenüber einem rechtswidrigen Befehl - zunächst einmal die Verpflichtung, alles Zumutbare zu tun, um ein eigenes Unrechtsverhalten zu vermeiden. Es muss letztlich die Ausweglosigkeit der Situation der Grund für die Begehung der Unrechtstat sein (vgl hierzu Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit, aaO, S 214; BVerwGE 25, 135; 26, 84 f zur Zugehörigkeit zum Volksgerichtshof (Richter oder StA) als ein Beweisanzeichen für einen Verstoß, da der Betreffende es unterlassen habe, das ihm Zumutbare zu tun, um sich der Dienstleistung beim Volksgerichtshof zu entziehen; s auch SG Potsdam Breith 2000, 837, 847). Dem Betroffenen wird zugemutet zu versuchen, die Ausführung des unmenschlichen oder rechtsstaatswidrigen Befehls zu verhindern oder wenigsten sich selbst aus der Angelegenheit herauszuhalten (Frank, br 2000, 125, 134).

Angesichts der besonderen Schändlichkeit und Ungeheuerlichkeit der befohlenen Aktion hätte dem Kläger als Befehlsempfänger bei zumutbarer Gewissensanspannung die Erkenntnis kommen müssen, dass die Ausführung dieses Befehls niemals rechtens sein könne, er zumindest versuchen müsse, sich der Umsetzung dessen zu entziehen. Dieses gilt unabhängig von Bildungsgrad, Alter und Schichtzugehörigkeit, denn allein die Begehungsform der erfolgten Erschießungen musste in jedem Menschen die Überzeugung von der Verwerflichkeit des Handelns entstehen lassen (vgl BVerfGE 93, 213, 242). Demjenigen jedoch, der einem Befehl zu einem unmenschlichen Handeln in blindem Gehorsam folgt, ist vorzuwerfen, dass er "blind", also ohne sein Gewissen zu prüfen, gehorchte (vgl BVerwGE 31, 337, 343 f). Die Vorwerfbarkeit der Tat wird in einem solchen Fall auch durch den Befehlsnotstand nicht ausgeschlossen, zumindest dann nicht, wenn sich der Täter keine Gedanken darüber gemacht hat, dass die Erschießung von Zivilpersonen in der geschehenen Form eine sittlich zu verurteilende Tat ist. Gerade diese Gesinnung, ein Menschenleben willkürlich vernichten zu dürfen, nur weil es befohlen ist, spricht für die Verwerflichkeit und damit für die Vorwerfbarkeit der Mitwirkung an einer solchen Tat (vgl hierzu auch BVerwGE 14, 142, 146 in Bezug auf die rechtsähnliche Ausschlussvorschrift des § 8 Abs 1 Nr 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz). So liegt der Fall hier.

Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger nichts unternommen, um der Ausführung des Befehls zu entgehen. Der Kläger bestreitet diese Feststellung des LSG nicht, sondern rügt lediglich, das LSG habe in diesem Zusammenhang keinen Beweis zu seiner Vorbildung, seinen Lebensumständen und seiner Intelligenz erhoben. Er bemängelt, das LSG habe nicht festgestellt, was er sich davon habe versprechen sollen, sich bei den Truppenführern nach dem Hintergrund des Befehls zu erkundigen. Mit diesen Rügen vermag der Kläger nicht durchzudringen. Zum einen führt er nicht aus, welches Ergebnis die von ihm vermisste Beweiserhebung hätte erbringen sollen. Zum anderen ist nach Auffassung des Senats unter den gegebenen Umständen das Bemühen um einen Ausweg unabhängig von Alter, Bildung und Herkunft zu fordern. Erst im Hinblick auf die Bewertung der Eignung eines solchen Bemühens als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund könnte es auf die vom Kläger geforderten Feststellungen ankommen. Da es aber nach den bindenden Feststellungen des LSG bereits an dem Bemühen mangelt, kommt es auf die nach Ansicht des Klägers fehlenden weiteren Ermittlungen hier nicht an.

(3) Wortlaut, systematischer Zusammenhang und Gesetzesbegründung gebieten es, das Fehlverhalten, das Grundlage einer Entziehung von Versorgungsleistungen ist, auf ein solches zu beschränken, das einen engen Bezug zu dem System des nationalsozialistischen Unrechtsstaates hat, sich also aus dem staatlichen Unrechtsprogramm des Nationalsozialismus ergibt (a). Entsprechendes gilt für die Opferlage des Versorgungsberechtigten im Sinne des BVG. Auch ihre Entstehung muss nach verfassungskonformer Auslegung des § 1a BVG einen solchen Systembezug aufweisen (b).

(a) Versagensgrund ist nach dem Wortlaut des § 1a Abs 1 Satz 1 BVG eine konkrete Handlung iS eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus. Damit erfolgt jedoch nicht nur eine zeitliche Eingrenzung des relevanten unwürdigen Verhaltens, sondern es wird sprachlich zweierlei verdeutlicht: Zum einen kommt zum Ausdruck, dass Grund für die Rechtsfolge der Verwehrung oder Entziehung von Versorgungsleistungen nicht die (aktuelle) Unwürdigkeit der Person, sondern deren Handlungsweise während der NS-Zeit ist. Zum anderen wird eine Qualifizierung des Fehlverhaltens dahingehend nahe gelegt, dass es im Zusammenhang mit der Herrschaft des Nationalsozialismus gestanden haben muss. Letzteres wird durch einen Blick auf die Gesetzesmaterialien bestätigt, wonach von § 1a BVG lediglich "krasse" Fälle erfasst werden sollten (BT-Drucks 13/7061, S 3; vgl auch Frank, br 2000, 125, 132). Nun mag man zwar die Auffassung vertreten können, bei Menschenrechtsverstößen handele es sich immer um "krasse" Fälle. Gemeint ist damit jedoch vor allem eine Abgrenzung zur "normalen" ("privaten") Kriminalität im Nationalsozialismus. Wäre diese von § 1a BVG mit erfasst, würden sich unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedenken dagegen ergeben, dass Kriegsbeschädigte, die vor oder nach der NS-Zeit schwere Verbrechen (zB Mord, Totschlag, Vergewaltigung) begangen haben, ihre Versorgungsleistungen behalten können.

Der gewollte Systembezug der in § 1a BVG angesprochenen Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit wird umso deutlicher, wenn der im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Wunsch nach Entfaltung einer außenpolitischen Wirkung der Norm in den Blick genommen wird. Die Bundesrepublik Deutschland wollte sich durch diese Maßnahme nach außen hin von den menschenverachtenden Handlungsweisen während der Herrschaft des Nationalsozialismus distanzieren. So ist die Regelung in der Literatur auch als Instrument der fortdauernden Mahnung gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Gräueltaten und als Baustein des weiteren Aufbaus der rechtsstaatlichen Ordnung verstanden worden (Heinz, ZfS 1999, 137, 138). Das Verhalten des Individuums muss mithin dem kollektiven Staatsunrecht des Nationalsozialismus zuzuordnen sein (Frank, br 2000, 125, 133).

Der festgestellte Verstoß des Klägers gegen die Grundsätze der Menschlichkeit hat unzweifelhaft einen derartigen Systembezug. Die Teilnahme an den Erschießungen erfolgte im Dienst der Waffen-SS. Die Aktion verhalf der menschverachtenden Programmatik des nationalsozialistischen Unrechtsstaates, nämlich der Vernichtung von Juden und anderen als minderwertig eingestuften Bevölkerungsgruppen, zur Durchsetzung.

(b) Der Wortlaut des § 1a BVG lässt offen, ob sich die darin vorgesehene Versagung und Entziehung von Versorgung auf alle Leistungen bezieht, unabhängig davon, auf welchem entschädigungsrechtlichen Tatbestand sie beruhen. Auch systematischer Zusammenhang und Regelungszweck bieten insoweit keine eindeutigen Anhaltspunkte. Aus einer undifferenzierten Erstreckung auf alle Fallgestaltungen kann sich jedoch eine sachwidrige Gleich- bzw Ungleichbehandlung der Kriegsopfer untereinander ergeben (vgl Art 3 Abs 1 GG), die durch eine verfassungskonforme Auslegung zu vermeiden ist. Die Unterscheidung zwischen Kriegsopfern, die Leistungen er- und behalten, und solchen, denen sie nach Maßgabe des § 1a BVG versagt oder entzogen werden können, ist dann sachlich gerechtfertigt, wenn die von § 1a BVG erfassten Leistungen auf Opferlagen mit einem hinreichenden Systembezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat beruhen. Das ist bei Schädigungen, die erst nach dem Ende der NS-Herrschaft (grundsätzlich 8. Mai 1945) eingetreten sind, in der Regel nicht anzunehmen. Ein Leistungsausschluss nach § 1a BVG ist mithin nur dann sachgerecht, wenn Verstoß und Opferlage in zeitlicher wie qualitativer Hinsicht dem System des Nationalsozialismus zuzuordnen sind (vgl allg zur verfassungskonformen Auslegung: BVerfGE 71, 81, 105).

Nach dem Wortlaut des § 1a Abs 2 Halbsatz 1 BVG sind "Leistungen" ganz oder teilweise zu entziehen. Der Gesetzestext selbst grenzt die hiervon betroffenen Leistungen nicht ein; denkbar wären - im weitesten Sinne - alle Leistungen nach Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts, für die - über Verweisungsnormen - das BVG zur Anwendung gelangen soll. Eine solche Auslegung ist hier jedoch nicht angebracht.

Ein Blick auf die Verweisungstechnik in den einzelnen sozialen Entschädigungsgesetzen, in denen auf das BVG als dem "Grundgesetz" der sozialen Entschädigung Bezug genommen wird, verdeutlicht dieses Ergebnis. Die entsprechende Anwendung des BVG soll im Hinblick auf Art und Umfang der Leistungsgewährung erfolgen, nicht im Hinblick auf die Grundtatbestände, in deren Zusammenhang die "Unwürdigkeitsregelung" des § 1a BVG eingegliedert ist. So ist in § 1 Abs 1 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) ebenso wie in § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) und in § 60 Abs 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt: Auf Antrag erhält Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG derjenige, bei dem die jeweiligen speziellen Leistungsvoraussetzungen gegeben sind. Bereits aus diesem Grunde kann § 1a BVG für Leistungen nach anderen Entschädigungsgesetzen nicht zur Anwendung gelangen.

Eine weitergehende Eingrenzung der von § 1a BVG erfassten Leistungen lässt sich nicht ohne weiteres durch allgemeine Auslegung begründen. Allerdings liegt es nahe, die Worte "während der Herrschaft des Nationalsozialismus" - in zeitlicher und qualitativer Hinsicht - nicht nur auf die Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, sondern auch auf den Entschädigungsgrund zu beziehen, aus dem sich die betreffenden Versorgungsleistungen herleiten.

Immerhin erschließt sich aus der systematischen Stellung, die § 1a im BVG einnimmt, in groben Umrissen, auf welche Leistungen sich die Versagung oder die Entziehung nach § 1a BVG wegen des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit beziehen soll. Sie stellt mit dem Buchstaben "a" eine Ergänzung zu § 1 BVG dar. Entschädigungsgrund nach § 1 Abs 1 BVG ist im Wesentlichen eine gesundheitliche Schädigung im Zusammenhang mit militärischer Dienstleistung. Danach erhält derjenige, der durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Ist eine solche Schädigung während der Herrschaft des Nationalsozialismus erlitten worden, weist sie im Hinblick auf die erfolgte Dienstleistung ohne weiteres einen engen Bezug zum damaligen Unrechtssystem auf.

Allerdings ist die Bandbreite der Entschädigungsgründe nach § 1 BVG weiter. § 1 Abs 2 BVG stellt denen des § 1 Abs 1 BVG zahlreiche andere gleich, deren Anknüpfungspunkt zeitlich und sachlich weit von der gesundheitlichen Schädigung beim aktiven Einsatz für das damalige Herrschaftssystem, namentlich in dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des Deutschen Reiches, entfernt sein kann, wie zB die Schädigung als Zivilist durch unmittelbare Kriegseinwirkungen (§ 1 Abs 2 Buchst a iVm § 5 BVG) oder durch Internierung im Ausland (§ 1 Abs 2 Buchst c BVG). Unter rein formal-systematischen Gesichtspunkten - über die Verweisung in § 1 Abs 2 BVG - wären zwar auch Leistungen, die auf Grund dieser Entschädigungstatbestände zu gewähren sind oder gewährt werden, von § 1a BVG erfasst. Dieses würde jedoch sowohl zu einer Unausgewogenheit der inhaltlichen Eingrenzungen von Verstoß und Opferlage führen, als auch den erkennbaren Rahmen des gesetzgeberischen Willens überschreiten sowie dem Regelungszweck und dem Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 GG) widersprechen.

Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt: In der Debatte um § 1a BVG haben die daran Beteiligten in erster Linie die "originären" Kriegsopfer im Blick gehabt, also die, die ihre Schädigung im 2. Weltkrieg als "Soldaten" erlitten haben. Ausgangspunkt für die Initiative zur Einfügung des § 1a BVG war eine 1993 ausgestrahlte Fernsehsendung, in der darüber berichtet wurde, dass 128 ehemalige lettische Legionäre der Waffen-SS Leistungen nach dem BVG erhielten, darunter Mitglieder der Schutzmannschaften, die 1941 an Massenerschießungen beteiligt gewesen seien (vgl Frank, Entschädigungsunwürdigkeit , aaO, S 182). In einem Antrag vom 23. April 1993 forderten darauf hin Mitglieder der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Bundestag möge feststellen, es gebe einen unerträglichen Wertungswiderspruch zwischen Kriegsopferversorgung und Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. Kriegsbeschädigte, die im Zusammenhang mit dem Dienst eine Schädigung erlitten und an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen seien, sollten daher von der Versorgung mit Leistungen nach dem BVG ausgeschlossen werden (BT-Drucks 12/4788, S 1, 2). In der Begründung des Gesetzentwurfs selbst wird darauf hingewiesen, durch die zeitliche Beschränkung der Verstöße auf die Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus werde eine zeitliche Nähe zu den entschädigungsrelevanten Tatbeständen erreicht (BT-Drucks 13/8705, S 3). Auch wenn der vorgeschlagene Ausschlusstatbestand der freiwilligen Mitgliedschaft in der SS nicht, wie beantragt, Gesetz geworden ist, so ist er jedenfalls in die Diskussion um die Einführung des § 1a BVG eingeflossen und hat in § 1a Abs 1 Satz 2 BVG Niederschlag gefunden. Dieser Vorgang zeigt deutlich, dass die an dem Gesetzgebungsverfahren Beteiligten von dem Gedanken durchdrungen waren, wegen begangener Verstöße gegen die Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit insbesondere solche Kriegsopfer von der Entschädigung auszunehmen, die eine Schädigung erlitten haben, die in Bezug zu dem nationalsozialistischen System steht. Eine besonders kritische Beziehung zum Herrschaftssystem des Nationalsozialismus kommt durch die Mitgliedschaft in einer Organisation wie der SS zum Ausdruck, die nach historischen Erkenntnissen massiv an der systematischen Ermordung jüdischer Bevölkerungsteile - insbesondere in Polen und der Sowjetunion - beteiligt war (vgl Cüppers, aaO).

Der Regelungszweck des § 1a BVG unterstreicht die Eingrenzung der Opferlage auf eine solche mit Bezug zu dem nationalsozialistischen System. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 1a BVG einerseits einen Wertungswiderspruch zwischen der entschädigungsrechtlichen Behandlung von Opfern des Nationalsozialismus und derjenigen von Tätern dieses Systems (zur Frage, ob sich durch die Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem BVG die tatsächliche Lage der Opfer des Nationalsozialismus in irgendeiner Weise ändert, vgl die Ausführungen der Abgeordneten Marschner, Stenographisches Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 13. November 1997, S 18369) und andererseits eine als sachwidrig empfundene Gleichbehandlung unterschiedlich "belasteter" Kriegsopfer beseitigen. So sollten Kriegsverbrecher nicht in gleichem Maße wie "nur" an dem Krieg teilnehmende Soldaten und deren Hinterbliebene die Entschädigungsleistungen der Gemeinschaft in Anspruch nehmen können. Diese Ziele werden allerdings nur dann verfassungskonform erreicht, wenn auch die von § 1a BVG erfasste Opferlage einen engen Systembezug aufweist und nicht nur in einem durch das BVG vorgegebenen, allgemeinen Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg steht. Diese Einschränkung folgt aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG.

§ 1a BVG stellt eine Abweichung von dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kriegsopfer dar. Insofern bedarf seine konkrete gesetzliche Ausgestaltung und Anwendung einer an Art 3 Abs 1 GG zu messenden Rechtfertigung. Soweit der vorgesehene Leistungsausschluss allein auf ehemalige NS-Täter abzielt, lässt er sich als solcher hinreichend damit begründen, dass dieser Personenkreis nicht nur persönlich schwere Schuld auf sich geladen, sondern auch durch seine Mitwirkung im Unrechtssystem des Nationalsozialismus dazu beigetragen hat, dass dieses die Begehung von Verbrechen geradezu zum Programm erheben und in ungeheuerlichem Ausmaß verwirklichen konnte. Da § 1a BVG als Anknüpfungspunkt für den Leistungsausschluss Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus herausgreift und selbst schwerste andere Verbrechen außer Betracht lässt, wäre er nach Auffassung des erkennenden Senats allerdings mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar, wenn er unterschiedslos alle Versorgungsleistungen nach dem BVG erfassen würde.

Es entstünde eine vor Art 3 Abs 1 GG nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Kriegsopfer untereinander, wenn auch solche Versorgungsleistungen nach dem BVG wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit entzogen oder versagt werden könnten, die auf einem schädigenden Ereignis beruhen, das keinen unmittelbaren Bezug zum Herrschaftssystem des Nationalsozialismus mehr hat. Fehlt nämlich die sachliche Klammer eines (doppelten) Systembezuges (von Verstoß und Opferlage), so wird das Merkmal des während der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit praktisch zu einem rein persönlichen Unwürdigkeitskriterium, das - gemessen an dem individuellen Schuldvorwurf - im Vergleich zu anderen erheblichen Rechtsverstößen nicht generell so viel schwerer wiegt, dass eine gesetzlich normierte ungleiche Behandlung der betroffenen Kriegsopfer gerechtfertigt werden könnte. So wäre zB kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, wenn ein ehemaliger NS-Täter, der weit nach Kriegsende beim Trümmerräumen durch die Explosion einer liegen gebliebenen Mine geschädigt worden ist, seine Versorgungsleistungen verlöre, während ein gleichzeitig verletzter Mann, der kurz zuvor ein Schwerverbrechen begangen hat, seine Ansprüche behielte.

Es ist mithin verfassungsrechtlich geboten, den speziell auf NS-Täter ausgerichteten Leistungsausschluss nach § 1a BVG auf solche Versorgungsansprüche zu beschränken, die ihrerseits mit dem Herrschaftssystem des Nationalsozialismus in einem engen Zusammenhang stehen. Die Rechtsposition des Kriegsopfers muss gleichsam von dem Makel des von ihm begangenen Verstoßes erfasst werden (vgl dazu Kloepfer, DÖV 1998, 1, 3). Das ist allerdings nicht nur dann der Fall, wenn der Täter unmittelbar bei dem Verstoß zu Schaden kommt. Vielmehr reicht es insbesondere aus, wenn er die versorgungsrechtlich relevante Schädigung im Dienst für das nationalsozialistische Herrschaftssystem erlitten hat, in dessen Rahmen er - vorher oder nachher - auch gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen hat (vgl dazu BT-Drucks 12/4788, S 2). Denn es würde der Wertordnung des GG widersprechen, Personen, die derartige Verstöße begangen haben, für gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entschädigen, die sie sich bei der Unterstützung dieses Systems zugezogen haben (vgl dazu Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit ..., aaO, S 188).

Auch bei dieser Auslegung des § 1a BVG wird der angesprochene Wertungswiderspruch gegenüber den Opfern des Unrechtssystems gelöst. Es werden nämlich die, die in dem Unrechtssystem zugleich (Kriegs-)Opfer und Täter geworden sind, nicht entschädigt, während dies bei den vom System Verfolgten der Fall ist. Je weiter die Umstände des erlittenen Kriegsopfers jedoch von dem Systembezug entfernt sind, desto mehr entfällt der betreffende Wertungswiderspruch und damit die Rechtfertigung eines Leistungsausschlusses.

Ähnliche Überlegungen hat der 4. Senat des BSG zu der "Unwürdigkeitsklausel" des § 5 EntschRG (Versagung von Entschädigungsrenten, die die Ehrenpensionen der DDR an die Opfer des Nationalsozialismus ersetzen) angestellt (vgl BSGE 80, 72 = SozR 3-8850 § 5 Nr 2; BSG SozR 3-8850 § 5 Nr 1). Er hält in den von ihm zu entscheidenden Fällen eine unterschiedliche Behandlung von Opfern des Nationalsozialismus untereinander dann für gerechtfertigt, wenn Opferlage und Tatbeitrag (Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit) einen Systembezug (auch in der DDR) aufweisen. Dazu führt der 4. Senat aus: "Aus der Sicht des an die Menschenwürde gebundenen Staates wäre es ... wertungswidersprüchlich, denjenigen NS-Opfern, die selbst die Menschenwürde und die Menschenrechte anderer verletzt und dementsprechend rechtsstaatliche Grundsätze missachtet haben, die gleichen Entschädigungsrechte wie den anderen NS-Opfern zuzuerkennen. Dies wäre aus der Sicht des eine Wiedergutmachung versuchenden Staates wertungswidersprüchlich; es würde ebenso Treu und Glauben widersprechen, wenn ein solches NS-Opfer von der Bundesrepublik Deutschland forderte, sie möge die von ihm erlittenen Menschenrechtsverletzungen gemäß den grundlegenden Anforderungen der Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit wieder gutmachen, diese Grundsätze aber zugleich hinsichtlich der vom Opfer (in Ausübung obrigkeitlicher Funktionen) begangenen Menschenrechtsverletzungen unbeachtet lassen. Deswegen verbietet die verfassungsmäßige Ordnung des GG geradezu, staatliche Wiedergutmachung solchen früheren Opfern des NS-Regimes - ungeschmälert - zu belassen, die in Ausübung von Macht in einer Staatspartei oder in dem von dieser dirigierten Staatsgebilde selbst gerade diese Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit missachtet haben" (BSGE SozR 3-8850 § 5 Nr 1 S 12 f; vgl dazu BVerfGE 22, 387, 418 f; 12, 264, 271).

Hieraus folgt für den vorliegenden Fall: Die Opferlage des Klägers, die auf den Erfrierungen an den Füßen und der Granatsplitterverletzung beruht, weist den erforderlichen Bezug zum Herrschaftssystem des Nationalsozialismus auf. Der Kläger war bei beiden Ereignissen im Dienste des Systems in "militärisch" operierenden oder mit Sonderaufgaben betrauten Einheiten tätig. Während der ersten Schädigung (8. Januar 1942) leistete er laut Auskunft der Deutschen Dienststelle (WASt) noch Dienst bei der 9. Kompanie des "SS-Schützenregiments 10 (mot)", der Einheit, die auch für den Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit im Sommer/Frühherbst 1941 verantwortlich war. Die Granatsplitterverletzung hat er sich am 12./13. Januar 1943 als Freiwilliger der Waffen-SS in der 5. Panzer-Jäger-Kompanie der 1. SS-Infanterie-Brigade (mot) ebenfalls im Dienst zugezogen. Dieses gilt jedoch nicht für die Schädigung durch eine Rippenfellentzündung, die sich nach den Feststellungen des LSG im Januar 1948 in polnischer Kriegsgefangenschaft entwickelt hat.

Gesundheitliche Schädigungen während der Kriegsgefangenschaft bedürfen einer besonderen Betrachtung. Sie werden zwar gemäß § 1 Abs 2 Buchst b BVG vom Schutzbereich der Kriegsopferversorgung erfasst. Der dabei zu Grunde gelegte Zusammenhang mit dem Kriegsdienst reicht jedoch für sich genommen nicht in jedem Fall aus, um den im Rahmen des § 1a BVG erforderlichen Bezug zum Herrschaftssystem des Nationalsozialismus zu begründen. Der versorgungsrechtliche Begriff der Kriegsgefangenschaft beruht auf dem des Völkerrechts. Danach ist Kriegsgefangener, wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangen genommen worden ist und von einer feindlichen (ausländischen) Macht festgehalten wird (vgl dazu BSG SozR 4-3100 § 1 Nr 1 RdNr 9 mwN). Da die Gefangenschaft grundsätzlich nur dazu dient, die betreffenden Personen davon abzuhalten, weiter gegen die Gewahrsamsmacht zu kämpfen, und diese im Falle einer Befreiung auch wieder zum Einsatz kommen können, spricht viel dafür anzunehmen, dass die Kriegsgefangenschaft eines Angehörigen der Waffen-SS dessen Dienst für das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus nicht ohne weiteres in relevanter Weise beendet hat.

Anders verhält es sich hingegen, wenn die Kriegsgefangenen nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten entgegen Art 118 III. Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen (BGBl II 1954, 838) nicht ohne Verzug freigelassen und heimgeschafft werden. Dann ändert sich der Charakter der Gefangenschaft; sie dient nunmehr anderen, insbesondere politischen Zwecken. Im vorliegenden Fall kommt entscheidend hinzu, dass mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus zusammengebrochen ist, dem der Kläger gedient hatte. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Schädigung im Jahre 1948 kann er in seiner Eigenschaft als Kriegsgefangener mithin nicht mehr als Unterstützer eines noch existierenden Unrechtsregimes angesehen werden. Ebenso wenig wie dann noch von § 1a BVG erfasste Verstöße gegen die Menschlichkeit möglich waren, konnten gesundheitliche Schädigungen im Zusammenhang mit einer Mitwirkung am NS-System eintreten.

Da demnach der erforderliche Systembezug bei der vom Kläger 1948 in polnischer Kriegsgefangenschaft durchgemachten Rippenfellentzündung fehlt, bleiben diejenigen Versorgungsleistungen von § 1a BVG unberührt, die sich auf die als Schädigungsfolge anerkannte "geschlossene Lungentuberkulose rechts" beziehen, welche sich aus den Folgen der Rippenfellentzündung entwickelt hat. Der angefochtene Verwaltungsakt ist insoweit teilweise rechtswidrig und in entsprechendem Umfang vom SG zu Recht aufgehoben worden.

(4) Nach Maßgabe des in der dargestellten Weise ausgelegten § 1a Abs 2 iVm Abs 1 BVG sind dem Kläger die Leistungen ab 1. Januar 2000 insoweit vollständig zu entziehen gewesen, als sie auf den Schädigungsfolgen "Erfrierungsfolgen an der rechten Großzehe und belanglose Narbe an der linken Ellenbeuge" beruhen. In diesem Zusammenhang kann er sich im Hinblick auf die bisherige Leistungsgewährung nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. Die Entziehung rechtfertigt sich aus der Abwägung der dem Kläger zur Seite stehenden Vertrauensschutzgesichtspunkte mit der Schwere des begangenen Verstoßes sowie dem öffentlichen Interesse, nicht weiterhin durch die Gemeinschaft finanzierte Leistungen dieser Art an Täter des nationalsozialistischen Unrechtssystems zu gewähren (a). Billigkeitsgesichtspunkte, die für einen späteren Zeitpunkt des Entzuges, als dem von dem Beklagten gewählten sprechen könnten, kommen hier nicht zum Tragen (b).

(a) Das Vertrauen des Klägers in die Fortgewährung der von § 1a BVG erfassten Leistungen ist nicht überwiegend schutzwürdig. Die Abwägung zwischen den persönlichen Verhältnissen sowie Interessen des Klägers einerseits und den Interessen der Öffentlichkeit an der Entziehung der Leistung andererseits ergibt im vorliegenden Fall einen überwiegenden Ausschlag zu Gunsten der Entziehungsentscheidung. In die Vertrauensschutzabwägung sind auf Seiten des Berechtigten im Rahmen seiner persönlichen Verhältnisse insbesondere einzubeziehen: seine finanzielle und gesundheitliche Situation, sein Alter, die Dauer des Leistungsbezuges und der Umfang der zur Entziehung anstehenden Leistung. Dagegen abzuwägen ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Schwere der Schuld, die der Berechtigte auf sich geladen hat (vgl dazu BT-Drucks 13/8980, S 9: " ... (Es) ist im Einzelfall das Vertrauen des Berechtigten gegenüber der Schwere des Verstoßes ... abzuwägen ..."). Es soll damit eine Differenzierung nach der individuellen Schuld ermöglicht werden (vgl BT-Drucks, aaO). Je gravierender die Unrechtshandlungen des Berechtigten nach Anzahl, Art, Umfang und Dauer sowie die Verletzungen der Opfer waren, umso höhere Anforderungen sind an die Schutzwürdigkeit des Vertrauens zu stellen; denn das Ausmaß des den Versorgungsanspruch mindernden oder ausschließenden rechtsstaatlichen Wertungswiderspruchs ist an die Intensität des Fehlverhaltens gekoppelt (vgl hierzu ausführlich: Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit ..., aaO, S 199). Aus der Formulierung " ... auch angesichts der Schwere der begangenen Verstöße ..." in § 1a Abs 2 BVG schließt der Senat zweierlei: Einerseits soll "trotz" eines sehr schweren Verstoßes die Möglichkeit eines Überwiegens des persönlichen Vertrauens des Berechtigten bestehen bleiben. Hier ist etwa an die Fälle zu denken, in denen einem Hinterbliebenen die Leistungen entzogen werden sollen (s § 1a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BVG; vgl BT-Drucks 13/8980, S 9; Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit ..., aaO, S 197). Anderseits ist über die Abwägung dieses Vertrauens mit der Schwere des Verstoßes hinaus das öffentliche Interesse an der Entziehung der Leistung zu berücksichtigen, insbesondere geprägt von den Überlegungen, die den Gesetzgeber bei der Einführung des § 1a BVG geleitet haben (vgl Frank, Die Entschädigungsunwürdigkeit ..., aaO, S 196 f). Weitere Gesichtspunkte können sich aus der Wertordnung des GG ergeben.

Das von dem LSG gewonnene Ergebnis der Vertrauensschutzprüfung ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte nicht zu beanstanden; zulässige und begründete Verfahrensrügen hat der Kläger zu den vom LSG dieser Bewertung zu Grunde gelegten Tatsachen nicht geltend gemacht, sodass der Senat an die Feststellungen des LSG gebunden ist (§ 163 SGG).

Das LSG hat im Hinblick auf die persönliche Situation des Klägers bei Begehung des Verstoßes zu dessen Gunsten gewertet: das jugendliche Alter und die Unerfahrenheit sowie die Indoktrination durch das nationalsozialistische System während einer die Persönlichkeit prägenden Phase des Lebens. Diese Aspekte vermögen jedoch - hiervon geht auch das LSG aus - kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers im Verhältnis zur Schwere des Verstoßes zu begründen. Bereits im Rahmen der Darlegungen zur subjektiven Seite des Verstoßes hat der Senat darauf hingewiesen, dass ein derart menschenverachtender Befehl, wie er dem Kläger erteilt worden ist, von diesem unabhängig von Alter, Erfahrung oder Persönlichkeitsbildung zumindest die Suche nach einem Ausweg gefordert hätte. Da der Kläger diesem Gedanken nach seinen eigenen Angaben jedoch nicht einmal nahe getreten ist, können die genannten Aspekte im Verhältnis zur Schwere der persönlichen Schuld - anders als möglicherweise bei einem Berechtigten, der einen, wenn auch untauglichen, Versuch unternommen hat, keine Schuld auf sich zu laden - keinen Vertrauensschutz begründen.

Ähnliches gilt für den Vortrag des Klägers, er habe für den Verstoß "gebüßt", indem er die Strapazen der Kriegsgefangenschaft durchlitten und einen erheblichen dauerhaften gesundheitlichen Schaden davon getragen habe. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass die sozialrechtlichen Konsequenzen des § 1a BVG nicht in strafrechtlichen Maßstäben zu messen sind; die Leistungsentziehung ist keine Strafe, sondern setzt ein moralisch-ethisches Gebot des Rechtsstaates um, dessen Grundsätze es im Übrigen verbieten, Menschenleben gegen erlittene eigene Körperschäden aufzuwiegen. Zum anderen werden dem Kläger die auf den Verhältnissen der Kriegsgefangenschaft beruhenden Versorgungsleistungen auf Grund einer verfassungskonformen Auslegung des § 1a BVG gerade belassen. Im Übrigen ist zu bedenken: Die Leistungen sind dem Kläger über 50 Jahre hinweg auch für diese Schädigungsfolgen gewährt worden, sodass eine Fortgewährung der Leistung auf Grund einer Art Resozialisierungsgedanken von vornherein ausscheidet (vgl zur Problematik des Resozialisierungsgedankens, Wulfhorst, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung vom 14. Mai 1997 vor dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Sozialordnung, S 3).

Auch der Wertung des LSG, die finanziellen Folgen der Entziehung bedingten keinen überwiegenden Vertrauensschutz, schließt sich der Senat unter Berücksichtigung des Ergebnisses der verfassungskonformen Auslegung im konkreten Fall an. Die finanziellen Folgen der Entziehung der Leistung sind im Verhältnis zur Schwere des Menschenrechtsverstoßes gerechtfertigt. Der Kläger muss allenfalls geringfügige Einschränkungen hinnehmen. Der Anteil der von der Entziehung betroffenen Schädigungsfolgen an der Gesamt-MdE des Klägers fällt kaum ins Gewicht. Mit der verbleibenden Grundrente wird ihm auch weiterhin ein menschenwürdiges Leben gewährleistet. Ebenso wenig schlägt der Entzug der kostenfreien Heilbehandlung der Schädigungsleiden an Arm und Fuß derart zu Buche, dass das Vertrauen des Klägers in die Weitergewährung der Leistung überwöge. Der Kläger ist als Mitglied der KVdR gegen das Heilbehandlungsrisiko abgesichert. Vermögensdispositionen, die ein Vertrauen in die Fortgewährung der Leistung begründen könnten, hat das LSG nicht festgestellt und sind vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden.

Unberücksichtigt gelassen hat das LSG die bisherige Dauer des Leistungsbezugs. Nun kann zwar diese für sich genommen keinen Vertrauensschutz begründen. Allerdings darf insoweit nicht unbeachtet bleiben, dass eine Umstellung in den Lebensverhältnissen, auf die sich der Kläger - auch ohne verbindliche Vermögensdispositionen getroffen zu haben - in 50 Jahren des Leistungsbezugs eingerichtet haben mag, in hohem Alter schwieriger zu bewältigen ist, als in einem Alter, in dem ein Berechtigter noch leichter in der Lage ist, sich aus eigenen Kräften an veränderte finanzielle Verhältnisse anzupassen. Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck gebrachten Zielsetzung des § 1a BVG, die an Überlegungen bei der Einführung des BVG anknüpft, kann diesen Schwierigkeiten hier dennoch nicht ein solches Gewicht beigemessen werden, dass dem individuellen Vertrauen im Verhältnis zum öffentlichen Interesse an der Entziehung der Vorrang eingeräumt werden müsste. Dafür ist im konkreten Fall die den Kläger treffende Änderung seiner Versorgungssituation auch zu geringfügig.

Bei den Beratungen zum BVG war zunächst die Aufnahme einer Art "Unwürdigkeitsklausel" in den Normenkatalog mit folgendem Text erwogen worden: "Soweit ein Anspruch auf Zahlung von Versorgungsbezügen wegen politischer Belastung nicht besteht, entfällt auch der Anspruch auf Geldleistungen nach diesem Gesetz" (vgl BT-Drucks 1949 Nr 1466, S 6). Diese Vorschrift ist letztendlich aus vielfachen - eher pragmatisch-politischen Gründen - nicht Gesetz geworden. So wurde argumentiert, die Kriegsverbrechen seien strafrechtlich zu ahnden. Man wolle einer Prolongation der Entnazifizierung, hier auch noch mit vermögensrechtlichen Konsequenzen, entgegenwirken (vgl BT-Drucks 1949 Nr 1466, S 6; Stenographisches Protokoll der 84. Sitzung des Bundestages vom 13. September 1950, S 3178; Protokoll der Verhandlung des 26. Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen des Deutschen Bundestags über das BVG vom 26. September 1950, S 15). Ferner - und diesem Gesichtspunkt kommt ein erhebliches Gewicht zu - sollte verhindert werden, einen erheblichen Teil der Bevölkerung - eine große Zahl der Kriegsopfer - außerhalb der etablierten Gesellschaft stehen zu lassen, über eine derartige Maßnahme politisch auszugrenzen und damit den von der politischen Mehrheit unerwünschten politischen Bewegungen zuzuführen (vgl die Ausführungen des Abgeordneten Mende in: Stenographisches Protokoll der 84. Sitzung des Bundestages vom 13. September 1950, S 3178). Ein wesentliches Argument war mithin die Sorge um den Aufbau des demokratischen Rechtsstaats, wofür in Kauf genommen wurde, auch diejenigen mit staatlichen Leistungen zu versorgen, die sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten.

Die Überlegungen, die dann letztendlich zwischen 1993 und 1997 zu der Schaffung des § 1a BVG geführt haben, wurden 1949/50 zwar erkennbar nicht diskutiert, hatten aber vor dem Hintergrund der Wertordnung des GG auch damals bereits ihre Gültigkeit. Wenn sich der Gesetzgeber in Kenntnis der damaligen politischen Bewertung 1997 dazu entschlossen hat, den Personenkreis, der während der NS-Zeit die Menschenwürde eklatant verletzt hat, nunmehr von den staatlich finanzierten Leistungen der Kriegsopferversorgung auszunehmen, dann steht dieser späten "Läuterung" zumindest kein unbedingter Anspruch auf Fortgewährung der Leistungen entgegen. Denn die Berechtigten hätten, moralisch-ethisch betrachtet, bereits von Anfang an keinen Anspruch auf diese Leistungen haben dürfen. Allerdings ist zu prüfen, inwieweit ihr Vertrauen in den Fortbestand der gewährten Rechtspositionen jetzt im Einzelfall überwiegend schutzwürdig ist. Bei der erforderlichen Abwägung ist dem öffentlichen Interesse, den Grundsätzen der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit durch eine Regelung, die bei unmenschlichem oder rechtsstaatswidrigem Verhalten einen Leistungsentzug vorsieht, nunmehr zum Durchbruch zu verhelfen, grundsätzlich Vorrang vor dem individuellen Leitungsinteresse zu gewähren.

Dabei ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Achtung der Würde der Opfer des Nationalsozialismus durch eine solche Regelung nur symbolisch Rechnung getragen werden kann. Zumindest im Rahmen der im Gesetzgebungsverfahren immer wieder betonten außenpolitische Wirkung einer solchen Regelung kommt diesem symbolischen Akt auch eine konkrete politische und damit eine im Interesse der Öffentlichkeit liegende Bedeutung zu. Gleiches gilt für die mit der Regelung bewirkte Gleichstellung von im In- und Ausland lebenden Kriegsopfern, die Verstöße gegen die Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begangen haben. Zwar ist es zutreffend, wenn darauf hingewiesen wird, § 64 BVG (Auslandsversorgung) enthalte keine eigene "Unwürdigkeitsklausel" (Wulfhorst, Wortprotokoll der 110. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 14. Mai 1997, Protokoll Nr 100, S 12). Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit wird jedoch als wichtiger Grund iS dieser Vorschrift angesehen, weil die Entschädigung eines Kriegsopfers, das sich dessen schuldig gemacht hat, den Interessen der Bundesrepublik zuwiderlaufen würde (vgl BT-Drucks 13/8246, S 5), also außenpolitischen Interessen entgegen stehen könnte (vgl hierzu auch Wulfhorst, aaO).

(b) Billigkeitsgesichtspunkte iS des § 1a Abs 3 BVG, die zu der Einräumung einer Übergangsfrist bis zur endgültigen Entziehung führen könnten, sind nicht ersichtlich. Das LSG hat keine entsprechenden Tatsachen festgestellt, und der Kläger hat insoweit keine Verfahrensrügen erhoben.

(5) Die Regelung des § 1a Abs 2 BVG ist in der vom erkennenden Senat gefundenen Auslegung verfassungsgemäß. Verstöße gegen Art 3 oder 14 GG liegen nicht vor. Zum Bestimmtheitsgrundsatz wird auf die Ausführungen unter (1) verwiesen.

(a) Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Im Hinblick auf die Vergleichsgruppen der im In- und Ausland lebenden Kriegsopfer, die zugleich ehemalige NS-Täter sind, stellt die Regelung eine sachlich gebotene Gleichbehandlung her. Konnten zuvor nur im Ausland lebenden Kriegsopfern über § 64 Abs 1 Nr 2 BVG wegen des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit Leistungen versagt oder entzogen werden, hat sich diese Lage am 21. Januar 1998 durch das Inkrafttreten des § 1a BVG geändert (vgl auch Frank, br 2000, 125, 131, der sogar die Auffassung vertritt, § 64 BVG sei durch § 1a BVG überflüssig geworden). Soweit innerhalb der Gruppe der leistungsberechtigten Opfer danach differenziert wird, ob der Kriegsbeschädigte während der Herrschaft des Nationalsozialismus einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begangen hat, ist diese unterschiedliche Behandlung - wie dargelegt - dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Leistungsberechtigte im NS-System sowohl Täter als auch Opfer geworden ist.

Als Vergleichsgruppen, bei denen sich im Verhältnis zu dem von § 1a BVG verfassten Personenkreis die Frage nach dem Differenzierungsgrund stellt, ist an solche Kriegsopfer zu denken, die in einem anderen staatlichen System Täter geworden sind, sowie an NS-Täter, die kein Kriegsopfer erlitten haben, aber im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus Leistungen aus anderen Sozialsystemen erhalten (zB Ersatzzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung als rentenrechtlicher Tatbestand). Bei der erstgenannten Gruppe rechtfertigt sich die günstigere Behandlung gegenüber den Kriegsopfern, die mit Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtssystem Täter geworden sind, dadurch, dass die von ihnen begangenen Verstöße weder mit den Leistungen der Kriegsopferversorgung noch mit dem NS-System in Beziehung stehen. Hingegen zielt § 1a BVG auf Personen, die Täter und Opfer in ein und demselben System geworden sind, und zwar in einem System, dessen staatliches Programm auf die massenhafte Vernichtung menschlichen Lebens angelegt war. In diesem System haben sie die gesundheitliche Schädigung erlitten und auch bei der Umsetzung der menschverachtenden Staatsziele als Täter gewirkt. Insoweit handelt es sich um eine historische Ausnahmesituation, die angesichts der Schwere und Menge der begangenen Verstöße eine besondere Behandlung rechtfertigt. Im Hinblick auf die zweite Gruppe der NS-Täter, die Leistungen aus anderen sozialen Sicherungssystemen beziehen, ist darauf zu verweisen, dass die dortigen Leistungen vielfach eine andere finanzielle Grundlage haben, wie beispielsweise die Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Rentenversicherung, also ggf auf einer Eigenleistung des betroffenen Täters beruhen. Insoweit reichen bereits Unterschiede der Sozialsysteme als Differenzierungsgrund aus.

Vor diesem Hintergrund bewirkt die Versagung oder Entziehung von Versorgungsleistungen wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit auch keine Systemwidrigkeit, die zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führt (vgl hierzu Wulfhorst, ZfS 2001, 266; s zur Systemgerechtigkeit als Aspekt der Gleichbehandlung: BVerfGE 24, 75, 100; 34, 103, 115; 59, 36, 49; 61, 138, 148; 76, 130, 140). Selbst wenn ein Eingriff in das gewachsene System der Kriegsopferversorgung vorläge, könnte dies jedenfalls für sich allein genommen nicht eine Verfassungswidrigkeit der Norm begründen. Grundsätzlich unterliegt es der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchen Prinzipien er eine Materie ordnen will. Eine Regelung kann daher nur nach den Maßstäben der Verfassung, nicht aber allein unter dem Gesichtspunkt einer Systemwidrigkeit verfassungswidrig sein.

Die gesetzgeberische Entscheidung, solchen Kriegsopfern, die im NS-System eine gesundheitliche Schädigung erlitten und zugleich Menschenrechte verletzt haben, Entschädigungsleistungen zu verwehren, bricht aus guten, einsichtigen und vernünftigen Gründen mit dem allgemeinen Grundsatz der Kriegsopferversorgung, ohne Ansehen der Person allein wegen der entstandenen Opferlage Leistungen zu gewähren. Dabei wird nicht das Recht auf Kriegsopferversorgung iS eines Aufopferungsanspruchs, also eines Ausgleichs für das dem Staat an Gesundheit und Leben erbrachte Opfer (vgl BSG SozR 3100 § 56 Nr 3, S 6 unter Hinweis auf BVerfGE 48, 281, 288 und BSGE 26, 30, 36 = SozR Nr 7 zu § 7 BVG), grundsätzlich in Frage gestellt, insbesondere nicht zu einer Entschädigung für ein während des Ehrendienstes auf dem Felde erlittenes Opfer zurückentwickelt (vgl Wulfhorst ZfS 2001, 266). Es wird vielmehr einer bestimmten Opfergruppe wegen der schwerwiegenden Besonderheit, dass die Betroffenen in demselben System Täter von Menschenrechtsverstößen geworden sind, Versorgung versagt oder entzogen. Die Abweichung von dem bisherigen Strukturprinzip wird insoweit durch ein Gebot der grundgesetzlichen Werteordnung gerechtfertigt und im Übrigen durch die Schaffung einer innergesetzlichen Systemgerechtigkeit (betreffend In- und Auslandsversorgung) kompensiert (vgl Kloepfer, DÖV 1998, 1, 8). Im Übrigen ist die "Entschädigungsunwürdigkeit" auch sonst kein der sozialen Entschädigung unbekanntes Strukturelement (vgl kritisch dazu Wulfhorst ZfS 2001, 266, 267).

(b) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob Ansprüche auf Versorgungsrentenleistungen aus der Kriegsopferversorgung dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG unterfallen (vgl hierzu die allerdings für die Entscheidung nicht tragenden Ausführungen in der Entscheidung des BSG SozR 3100 § 56 Nr 3). Selbst wenn ein derartiger Eigentumsschutz gegeben sein sollte, stellt der Eingriff durch § 1a BVG eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG dar (vgl hierzu auch Kloepfer, DÖV 1998, 1, 3; Frank, br 2003, 1, 5). Die Regelung zur Leistungseinschränkung ist durch legitime öffentliche Interessen gerechtfertigt sowie geeignet und erforderlich, den gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen (vgl auch Frank, br 2003, 1, 5 f; derselbe, Die Entschädigungsunwürdigkeit ..., aaO, S 253 f); darüber hinaus ist sie im engeren Sinne verhältnismäßig. Das ergibt sich bereits aus den vom Senat zur verfassungskonformen Auslegung angestellten Erwägungen. Die Regelung bietet überdies durch die vorgesehene Vertrauensschutzprüfung eine hinreichende Differenzierungsmöglichkeit je nach der Schwere des Schuldvorwurfs und den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen (vgl auch hierzu Frank, br 2003, 1, 6).

Grundsätzlich schützt das auch im Rahmen des Art 14 GG zu berücksichtigende Rückwirkungsverbot zwar das Vertrauen des von einer Regelung - hier einem Leistungsgesetz - Begünstigten in die Kontinuität der unter der Geltung des GG erlassenen Normen sowie der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Dieses Vertrauen ist jedoch nicht schrankenlos schutzwürdig. Es muss ein Ausgleich zwischen den Kontinuitätsinteressen des Einzelnen und den Regelungsbelangen des Staates gefunden werden. Je nachdem wo der Eingriff ansetzt, muss sich der Vertrauensschutz des Leistungsbeziehers der Abwägung mit legitimen öffentlichen Interessen oder zwingenden Gründen des Allgemeinwohls stellen. Diese Vertrauensschutzprüfung hat der Gesetzgeber - sich des rückwirkenden oder rückanknüpfenden Eingriffs wohl bewusst - bereits "einfachrechtlich" in § 1a Abs 2 BVG vorgeschrieben. Nach verfassungskonformer Eingrenzung des Tatbestandes durch Hinzufügen des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals des "Systembezugs" lässt die Vorschrift selbst hinreichenden Raum für Vertrauensschutzerwägungen im Einzelfall.

Eine echte Rückwirkung iS der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG, die dann vorliegt, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl BVerfGE 11, 139, 145), ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Insoweit ist hier insbesondere nicht zu prüfen, ob zwingende Gründe des Gemeinwohls dem Anspruch des Bürgers auf Vertrauensschutz vorgehen (vgl dieses verneinend Azzola, Schriftliche Stellungsnahme zur öffentlichen Anhörung vor dem Bundesstagsausschuss für Arbeit und Sozialordnung vom 14. Mai 1997) oder ob der Betroffene schon in dem Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen ist, nicht mehr mit dem Fortbestand der Regelung rechnen durfte, weil zB ernsthafte Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit bestanden. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass ein Vertrauensschutz nicht Platz greift, wenn durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde (vgl BVerfGE 13, 261, 272; 30, 367, 387 ff; 88, 384, 404). In jedem Fall endet der Schutz des Vertrauens in den Bestand des alten Rechts mit dem Beschluss des neuen Rechts (vgl BVerfGE 13, 206, 213; s auch BVerfGE 95, 64).

Hier ist vielmehr ein Fall der unechten Rückwirkung iS der Terminologie des 1. Senats bzw eine tatbestandliche Rückanknüpfung nach der Dogmatik des 2. Senats des BVerfG anzunehmen (vgl zur Terminologie BVerfGE 30, 392, 402; BVerfGE 92, 277, 344; 97, 67, 78). Die unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Die tatbestandliche Rückanknüpfung betrifft nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm: Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl BVerfGE 31, 275, 292 ff; 72, 200, 242). In beiden Fällen unterliegt die Rückwirkung weniger strengen Beschränkungen als eine solche, die sich auf die Rechtsfolgen bezieht (vgl BVerfGE 92, 277, 344; 97, 67, 78). Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (vgl BVerfGE 30, 392, 402). Jedoch können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 95, 64). Dem wird in § 1a BVG jedoch bereits durch die vorgeschriebene Vertrauensschutzprüfung hinreichend Rechnung getragen, sodass Fälle, in denen sich unter diesem Gesichtspunkt eine Verfassungswidrigkeit ergeben könnte, nicht denkbar sind.

Zutreffend hat der Beklagte die Leistungen, soweit sie die Schädigungsfolgen an Fuß und Arm betreffen, auch mit Wirkung ab dem 1. Januar 2000 entzogen, also für die Zukunft, nach Bekanntgabe des rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes vom 1. Dezember 1999.

Der Beklagte hat dem Kläger 9/10 der außergerichtlichen Kosten für alle drei Rechtszüge zu erstatten (§ 193 SGG). Dabei berücksichtigt der Senat, dass die erfolgte Leistungsentziehung größtenteils keinen Bestand hat. Nach einer Mitteilung des Versorgungsamtes vom 16. Oktober 1962 entfällt auf die als Schädigungsfolge erhalten gebliebene "geschlossene Lungentuberkulose rechts" mindestens eine MdE von 50 vH.