BSG - B 9a V 1/05 R - Urteil vom 20.07.2005
Berufsschadensausgleich nach dem BVG: Der Ursachenzusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem beruflichen Schaden ist nach den Grundsätzen der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Kausalität zu beurteilen - Theorie der wesentlich mitwirkenden Bedingung -. Die Beweiserleichterung für das "Ausscheiden aus dem Erwerbsleben wegen der Schädigungsfolgen" ist begrenzt auf ein sozial gesichertes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit einer vorzeitigen Rente/Versorgung wegen Schwerbehinderung nach dem SGB VI oder dem Beamtenrecht.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSchA).
Der 1938 geborene Kläger erlitt im Mai 1945 auf der Flucht vor sowjetischen
Truppen eine Verletzung am linken Unterarm, in deren Folge der Arm unterhalb des
Ellenbogengelenks amputiert wurde. Der Beklagte erkannte zuletzt durch bindenden
Bescheid vom 23. März 1984 als Schädigungsfolgen "Verlust des linken Unterarmes,
Stumpflänge fünf Zentimeter, Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks" an
und stellte fest, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei hierdurch um 60 vH
gemindert.
Seinen schulischen Weg beendete der Kläger im März 1956 mit der mittleren Reife.
Anschließend war er als Praktikant in einer Wäscherei tätig und begann 1957 eine
Ausbildung zum Wäschereikaufmann. Diese beendete er nicht, arbeitete kurzfristig
als Aushilfe in der Wäscherei der Eltern und absolvierte vom 1. April 1958 bis
zum 31. März 1961 eine Ausbildung zum (Industrie)Kaufmann. Nach deren
erfolgreichem Abschluss arbeitete er wiederum in der Wäscherei der Eltern und
legte 1965 die Prüfung als Textilpflegemeister ab. Als solcher war er danach
sowohl im elterlichen Betrieb, als auch zur Aushilfe bei seinem Bruder
beschäftigt. Im Mai 1969 nahm er eine Stelle als Betriebsassistent an. Ab 1970
besuchte er das L., um dort die Reifeprüfung nachzuholen, mit dem Ziel,
Gewerbelehrer zu werden. Diese Ausbildung beendete er wegen des Todes der Eltern
vorzeitig. Zwischen 1972 und 1977 arbeitete der Kläger als Textilpflegemeister -
nach seinen eigenen Angaben als Betriebsleiter - und Industriekaufmann. Nach
einer kurzen Zeit als Aushilfe im Betrieb des Bruders meldete er sich dann im
Februar 1977 arbeitslos. Während des Leistungsbezugs vom Arbeitsamt absolvierte
er einen Lehrgang zum Erwerb betriebswirtschaftlichen Grundwissens (Oktober 1977
bis Juni 1978) und nahm an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beim Finanzamt
(Juli bis Dezember 1979) teil. 1980 folgte ein Lehrgang zum Speditionskaufmann,
den er mit einer Prüfung abschloss und dem sich - nach seinen eigenen Angaben -
eine Tätigkeit als Speditionskaufmann bei der Firma T. bis Februar 1984
anschloss. Von März bis Oktober 1984 war er nochmals als Wasch- und Plättmeister
tätig und arbeitete von Januar 1989 bis Januar 1990 im Rahmen einer
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Universitätsbibliothek F. . Im Übrigen bezog
er von Oktober 1984 bis Juni 1990 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vom
Arbeitsamt. Ein erster Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen
Erwerbsminderung wurde 1984 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
(BfA) mit der Begründung abschlägig beschieden, dieser sei noch in der Lage,
seine bisherigen Berufe als Wasch- und Plättmeister sowie Speditionskaufmann
vollschichtig auszuüben. Durch Bescheid vom 5. August 1991 bewilligte ihm die
BfA dann (rückwirkend ab 1. Juni 1990) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit
mit der Begründung, er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwar noch halb-
bis untervollschichtig Erwerbstätigkeiten verrichten, der Teilzeitarbeitsmarkt
sei jedoch verschlossen. Die Zeitrente wurde durch Bescheid vom 23. September
1994 verlängert und ab 1. April 1997 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf
Dauer umgewandelt.
Zwei Anträge des Klägers auf Gewährung von BSchA wurden durch bindend gewordene
Bescheide des Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 16. Juni 1986 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988, bestätigt durch Urteil des
Sozialgerichts Frankfurt am Main (SG) vom 18. August 1992, sowie Bescheid vom 9.
November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1996). Zur
Begründung führte der Beklagte, wie auch in einem erläuternden Schreiben an den
Kläger vom 21. November 1996, aus: Selbst wenn angenommen werde, der Kläger habe
die Ausbildung zum Wäschereikaufmann aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen -
immerhin sei er Textilpflegemeister geworden -, seien die Ausbildungsberufe zum
Industrie- und Speditionskaufmann zumindest gleichwertig. Weder in den
Ausbildungen, noch bei der Ausübung dieser Berufe sei er durch die
Schädigungsfolgen beeinträchtigt. Den Besuch des L. , um die Reifeprüfung zu
erlangen, habe er nicht aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen. Seine
Arbeitslosigkeit hänge ebenso wenig wie die Verrentung wegen Erwerbsunfähigkeit
mit den Schädigungsfolgen zusammen, sondern sei auf die Arbeitsmarktsituation
zurückzuführen.
Der jetzt streitige, im Januar 1998 gestellte Antrag des Klägers auf BSchA wurde
durch Bescheid vom 9. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
12. März 1999 abschlägig beschieden. Zur Begründung bezog sich der Beklagte zum
einen auf seine bisherigen Ausführungen und führte ergänzend aus: Die Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit sei im Wesentlichen auf die schlechte
Arbeitsmarktsituation für Erwerbsgeminderte zurückzuführen. Um etwaigen
Änderungen - sowohl in der gesundheitlichen Situation als auch am Arbeitsmarkt -
Rechnung tragen zu können, sei die Rente zunächst auf Zeit bewilligt worden. Die
Umwandlung in eine Dauerrente sei nur deswegen erfolgt, weil eine weitere
Befristung auf Grund von § 102 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht
mehr möglich und mit dem Wiedererlangen einer vollen Erwerbsfähigkeit nicht zu
rechnen gewesen sei.
Auch im Gerichtsverfahren ist der Kläger bislang erfolglos geblieben
(Gerichtsbescheid des SG vom 8. November 2001 und Urteil des Hessischen
Landessozialgerichts (LSG) vom 18. November 2004). Das LSG hat zur Begründung im
Wesentlichen dargelegt:
Der Beklagte habe bei der Erteilung der Bescheide aus den Jahren 1986 bis 1996
das Recht weder unrichtig angewandt, noch sei er von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Der
Gewährung von BSchA stehe zwar nicht entgegen, dass bei dem Kläger keine
besondere berufliche Betroffenheit iS des § 30 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz
(BVG) festgestellt worden sei. Gleichwohl habe er in der Vergangenheit keinen
Anspruch auf BSchA gehabt; auch stelle die Umwandlung der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit auf Zeit in eine solche auf Dauer keinen neuen
anspruchsbegründenden Tatbestand dar.
Es seien dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der
berufliche Lebensweg des Klägers ohne die anerkannten Schädigungsfolgen anders
verlaufen wäre. Der Berufseinstieg als Wäscher und Plätter erscheine auf Grund
der familiären Verhältnisse folgerichtig. Der Kläger habe alle
Berufsausbildungen erfolgreich abgeschlossen; er sei nicht schädigungsbedingt an
dem Erlernen und Ausüben der verschiedenen Berufe gehindert gewesen. Hinweise
dafür, dass die Ausübung der Berufe schädigungsbedingt eine besondere Tatkraft
erfordert habe, seien ebenfalls nicht vorhanden. Die häufigen Zeiten der
Arbeitslosigkeit seien tatsächlich und rechtlich wesentlich auf die
Arbeitsmarktsituation zurückzuführen. Raum für die Anwendung von § 30 Abs 14 BVG
iVm § 7 Abs 1 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) bestehe nicht; die
Berechnungsvorschrift für BSchA auf Grund einer Schädigung vor der Beendigung
der Schulausbildung sei nur dann anzuwenden, wenn die Schädigung den beruflichen
Werdegang beeinträchtigt habe.
Die Gewährung der Zeitrente beruhe neben den Schädigungsfolgen auf einer
reaktiven Depression und entscheidend auf der Arbeitsmarktlage. Die Umwandlung
der Zeit- in die Dauerrente sei nur unter dem Aspekt des § 102 SGB VI und damit
des Auslaufens der Fristen für eine Weitergewährung der Zeitrente beachtlich.
Ein schädigungsbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben könne auch nicht im
Wege der Beweiserleichterung unterstellt werden, vergleichbar dem Ausscheiden
wegen Rentenbezugs auf Grund von Schwerbehinderung ab Vollendung des 60.
Lebensjahres. Mit dieser von der Rechtsprechung entwickelten
Beweiserleichterungsregel sollten lediglich die Schwerbeschädigten beim Zugang
zum kriegsopferrechtlichen BSchA den schwerbehinderten Arbeitnehmern und Beamten
gleichgestellt werden, die mit 60 Jahren allein durch ihren Antrag und die
Vorlage des Schwerbehindertenausweises den rentenrechtlichen Versicherungs- oder
beamtenrechtlichen Versorgungsfall herbeiführen könnten. Hier sei eine andere
Fallgestaltung gegeben, in der eine Beweiserleichterung nicht in Betracht komme.
Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung von § 30
Abs 3 BVG. Er trägt vor: Den Schädigungsfolgen komme zumindest die Bedeutung
einer wesentlich mitwirkenden Bedingung für sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem
Erwerbsleben zu. Zwar sei die Arbeitsmarktlage ausschlaggebend für die Gewährung
der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewesen und es bestehe auf Grund der
Nachschadensregelung des § 30 Abs 11 BVG keine Handhabe dafür, allein mit
"Arbeitslosigkeit" einen Anspruch auf BSchA zu begründen. Gleichwohl müsse im
vorliegenden Fall berücksichtigt werden, dass er als erwerbsunfähiger Rentner
aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei. Gerade die Regelung des § 30 Abs 11 BVG
verbiete es insoweit, die Arbeitsmarktlage in die Anspruchsprüfung
einzubeziehen. Die Rente sei zudem nicht als Leistung wegen Arbeitslosigkeit,
sondern Erwerbsunfähigkeit bewilligt worden, also auch wegen der
gesundheitlichen Einschränkungen bei einer schädigungsbedingten Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) von immerhin 60 vH. Ihm müsse daher die
Beweiserleichterung im Hinblick auf den Bewertungsanteil zugute kommen, in
Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur vorzeitigen
Altersrente wegen Schwerbehinderung/Schwerbeschädigung. Hierbei sei zu
berücksichtigen, dass ganz allgemein seit Jahren die vorzeitige Verrentung aus
gesundheitlichen Gründen wegen der Arbeitsmarktlage erfolge. Häufig werde dabei
auf die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zurückgegriffen, wenn im rentennahen
Alter beispielsweise die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine
vorzeitige Altersrente nicht gegeben seien. Es sei daher nicht einsichtig, wenn
in diesen Fallkonstellationen der Nachweis des schädigungsbedingten Anteils am
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gefordert werde, zumal dieser Nachweis ebenso
schwer zu erbringen sei, wie der bei Eintritt des 60. Lebensjahres und
vorliegender Schwerbeschädigung. Ferner sei es in die wissenschaftliche und
öffentliche Diskussion geraten, dass traumatische Kriegsereignisse bei der
Bewertung schädigungsabhängiger Verursachungsanteile noch nicht hinreichend
berücksichtigt würden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen LSG vom 18. November 2004 sowie den Gerichtsbescheid des SG Frankfurt am Main vom 8. November 2001 und den Bescheid des Beklagten vom 9. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1999 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 16. Juni 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988 und des Bescheides vom 9. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 1996 Berufsschadensausgleich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend und führt ergänzend
aus: Bei der Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hätten
Nichtschädigungsleiden und die Arbeitsmarktlage im Vordergrund gestanden. Die
Schädigungsfolgen seien keine annähernd gleichwertige Bedingung für die
Rentengewährung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne
mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG)).
II
Die Revision ist zum Teil unzulässig und zum Teil iS der Zurückverweisung an das
LSG begründet.
Streitgegenstand des Rechtsstreits ist die Anfechtung des Bescheides vom 9. März
1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1999 (im Folgenden:
Bescheide 1998/1999) sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von
BSchA. Dieser Streitgegenstand ist wiederum unter drei rechtlich selbstständigen
Aspekten zu überprüfen.
Zum einen hat der Beklagte die Gewährung von BSchA vor dem Ausscheiden des
Klägers aus dem Erwerbsleben mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei auf
Grund der vielfältigen Ausbildungen, die er absolviert habe, nicht
schädigungsbedingt beruflich beeinträchtigt. Die Arbeitslosigkeit stehe nicht in
einem ursächlichen Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen. Er hat insoweit mit
den hier angefochtenen Bescheiden 1998/1999 den bestandkräftigen Bescheid vom
16. Juni 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988
(im Folgenden: Bescheide 1986/1988) einer erneuten Überprüfung iS des § 44 SGB X
unterzogen.
Zum Zweiten hat der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für BSchA unter
dem Gesichtspunkt des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mit dem
Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verneint. Da es sich insoweit um eine
rechtlich selbstständige Begründung handelt, kann es dahinstehen, ob dieser
Aspekt bereits Gegenstand des sich an das Verwaltungsverfahren bezüglich der
Bescheide 1986/1988 anschließenden Gerichtsverfahrens vor dem SG Frankfurt am
Main und dem Hessischen LSG gewesen ist, das erst nach dem Beginn der Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit beendet wurde (Erledigungserklärung vom 11.
November 1993). Ginge man hiervon aus, wären die Bescheide 1986/1988 auch
insoweit, allerdings unabhängig von dem erst genannten rechtlichen Aspekt, nach
§ 44 SGB X zu überprüfen gewesen. Anderenfalls hätte der Beklagte mit dem
Bescheid vom 9. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
Mai 1996 (im Folgenden: Bescheide 1995/1996) im Hinblick auf die Begründung des
BSchA mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben über einen neuen
Leistungsantrag iS des § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu entscheiden
gehabt. Wird nämlich die Gewährung einer Dauerleistung abgelehnt und stellt der
Betroffene wegen dieses Bescheides später einen Antrag auf einen
Zugunstenbescheid gemäß § 44 Abs 1 SGB X, so verfolgt der Betroffene außer dem
Maximalziel, die erstrebte Leistung rückwirkend, dh auf Grund des mit dem
Altbescheid abgelehnten Antrages, zu erhalten, auch das weniger weit reichende
Ziel, die Leistung wenigstens vom Zeitpunkt seines Neuprüfungsantrages an zu
beziehen, und sei es auch wegen erst nach Erlass des aufzuhebenden Bescheides
eingetretener tatsächlicher und/oder rechtlicher Umstände. Der Kläger begehrt -
was sich aus seinem eigenen Vorbringen ergibt - nicht nur die Aufhebung der von
ihm für fehlerhaft gehaltenen Altbescheide, sondern er möchte ggf auch auf
anderem Wege die Gewährung der ihm - nach seiner Auffassung - zustehenden
Leistung erreichen. Der Leistungsträger darf in diesem Fall zwar den auf § 44
SGB X gestützten Antrag nicht zugleich als Antrag nach § 48 SGB X behandeln,
weil der Altbescheid selbst keine Dauerwirkung entfaltet hat (vgl BSGE 58, 27,
28, 29 = SozR 1300 § 44 Nr 16). Er muss über ihn aber in aller Regel auch als
neuen Leistungsantrag entscheiden. Lehnt er die beantragte Rücknahme des - vom
Antragsteller als rechtswidrig angesehenen - Ablehnungsbescheides nach § 44 Abs
1 SGB X ab, so bedeutet dies in aller Regel auch, dass er die Voraussetzungen
für eine Leistung unter Berücksichtigung inzwischen eingetretener neuer Umstände
ebenfalls verneint (vgl BSG SozR 3-3100 § 30 Nr 18, S 46, 47). Nach der
Begründung der hier angefochtenen Bescheide 1998/1999 hat der Beklagte die
Gewährung von BSchA jedenfalls auch unter diesem Gesichtspunkt erneut verworfen.
Zum Dritten hat der Beklagte mit den Bescheiden 1998/1999 die Gewährung von
BSchA wegen eines weiteren hinzugetretenen Umstandes in der Gestalt der
Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit in eine solche auf Dauer
abgelehnt. Für die Einbeziehung auch dieses rechtlichen Aspekts in den
Streitgegenstand gelten die vorhergehenden Ausführungen entsprechend.
Hinsichtlich des ersten Teilaspektes - Überprüfung des Bescheides vom 16. Juni
1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1988 im
Hinblick auf eine berufliche Schädigung vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
- ist die Revision unzulässig. Sie genügt insoweit nicht den Formerfordernissen
des § 164 Abs 2 SGG.
Nach § 164 Abs 2 SGG muss die Revision neben einem bestimmten Antrag und der
Bezeichnung der verletzten Norm auch die Gründe enthalten, die aus Sicht des
Revisionsführers das Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Erforderlich ist
daher eine zumindest kurze Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen
Urteils (vgl nur: BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Hieran mangelt es im vorliegenden
Fall bezüglich des Teils des LSG-Urteils, der den erstgenannten rechtlichen
Gesichtspunkt betrifft. Das LSG hat insoweit ausgeführt, aus dem Akteninhalt
ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der berufliche Lebensweg des
Klägers ohne die anerkannten Schädigungsfolgen anders verlaufen wäre, als mit
den anerkannten Schädigungsfolgen. Der Kläger sei weder schädigungsbedingt
gehindert gewesen, die erlernten Berufe auszuüben, noch sei zu ihrer Ausübung
eine besondere Tatkraft erforderlich gewesen. Die häufigen Zeiten der
Arbeitslosigkeit seien auf ein Überangebot an Arbeitskräften, nicht jedoch die
Schädigungsfolgen zurückzuführen. Hierauf geht der Kläger in seiner
Revisionsbegründung nicht ein. Er stellt ausschließlich auf das Ausscheiden aus
dem Erwerbsleben durch den Bezug der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit und
später auf Dauer als die seiner Ansicht nach einen Anspruch auf BSchA
auslösenden Faktoren ab.
Im Übrigen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der in der Sache zu prüfende Anspruch des Klägers richtet sich zunächst nach §
44 Abs 1 SGB X: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines
Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist danach der
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückzunehmen. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist im
Revisionsverfahren nicht festzustellen. Der Senat kann nicht abschließend
entscheiden, ob der Kläger - entgegen den bindenden Bescheiden - einen Anspruch
auf BSchA auf Grund seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mit Bewilligung
einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat. Es sind im Übrigen keine nach den
Bescheiden 1995/1996 eingetretenen Umstände ersichtlich, die erstmalig einen
Anspruch des Klägers auf BSchA begründen könnten.
Zwar kann sich der Kläger weder darauf berufen, er habe in seinem Erwerbsleben
eine besondere Tatkraft aufwenden müssen, was ein vorzeitiges Ausscheiden aus
dem Erwerbsleben bedingt habe (1), noch darauf, dass die Arbeitsmarktlage als
Ursache für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit auf Grund
der Regelung des § 30 Abs 11 BVG von vornherein außer Betracht zu bleiben habe
(2). Auch ist die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Beweiserleichterung
bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit einer Altersrente wegen
Schwerbehinderung ab Vollendung des 60. Lebensjahres auf die Situation bei dem
Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht übertragbar (3). Es fehlt
jedoch an hinreichenden Feststellungen des LSG dazu, ob die anerkannten
Schädigungsfolgen das Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben durch den
Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wesentlich mitbedingt haben (4).
(1) Nach § 30 Abs 3 BVG idF vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) erhalten
rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer
Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Abs 2
einen BSchA in Höhe von 42,5 vH des auf volle Deutsche Mark nach oben
abgerundeten Einkommensverlustes (Abs 4) oder, falls dies günstiger ist, einen
BSchA nach Abs 6. Spätere Änderungen des § 30 BVG haben für den Kläger keine
günstigere Rechtslage gebracht. In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein
anerkannt, dass der Anspruch auf BSchA trotz des Hinweises in § 30 Abs 3 auf §
30 Abs 2 BVG nicht von der vorhergehenden Feststellung eines besonderen
beruflichen Betroffenseins abhängig ist. Anspruch auf BSchA kann auch ohne einen
solchen auf Erhöhung der MdE wegen des besonderen beruflichen Betroffenseins
bestehen (vgl BSGE 33, 60, 61 = SozR Nr 47 zu § 30 BVG mwN; Urteil des Senats
vom 28. April 2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR,
JURIS; s auch Hansen, Der Berufsschadensausgleich, 1996, S 68; Förster in Wilke
ua Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage, 1992, § 30 RdNr 44).
Zwar kann es für den Ursachenzusammenhang zwischen Schädigungsleiden und
Berufsaufgabe - auch mit Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit -
entscheidend bedeutsam sein, ob der Beschädigte seinem Beruf nur unter
Aufwendung von außerordentlicher Tatkraft nachgehen konnte. Diese tatsächliche
Voraussetzung kann sowohl ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinn des §
30 Abs 2 BVG begründen (vgl BSG SozR 3100 § 30 Nr 22, S 96) als auch einen
Anspruch auf die Versorgungsleistung nach § 30 Abs 3 BVG. Falls sie zu bejahen
ist, besteht ein starkes Anzeichen dafür, dass die Schädigungsfolgen neben
schädigungsunabhängigen Umständen zumindest eine annähernd gleichwertige Ursache
dafür gewesen sind, den Beruf nicht mehr auszuüben und die Rente in Anspruch zu
nehmen.
Das LSG hat im vorliegenden Fall allerdings festgestellt, der Kläger sei in der
Ausübung seiner erlernten Berufe durch die Schädigungsfolgen nicht erheblich
behindert gewesen; er habe insoweit wegen der Schädigungsfolgen keine
außergewöhnliche Tatkraft aufwenden und außergewöhnliche Anstrengungen
unternehmen müssen. Er sei nicht wegen der Einschränkungen durch die
Schädigungsfolgen arbeitslos geworden, sondern wegen eines Überangebots an
Arbeitskräften in den Berufsbereichen, in denen er Kenntnisse besessen habe.
Diese Feststellungen sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Der
Kläger hat dagegen keine Verfahrensrügen erhoben, die den gesetzlichen
Anforderungen nach der ständigen Rechtsprechung der Revisionsgerichte genügten
(§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG; vgl hierzu: BSG SozR Nr 14 zu § 103 SGG; Nr 64 zu § 162
SGG; Nr 28 zu § 164 SGG; BSG Urteil vom 13. August 1986, - 9a RV 12/84, JURIS).
Dementsprechend kann er unter diesem Gesichtspunkt keinen BSchA beanspruchen.
(2) Die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes und damit die
Arbeitsmarktlage, geprägt durch hohe Arbeitslosigkeit für leistungsgeminderte
Arbeitnehmer, haben als Ursache für die Gewährung einer Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit und damit als wesentlich mitwirkende Bedingung für das
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers -
nicht von vornherein außer Betracht zu bleiben. Der Auffassung, der
Arbeitsmarktanteil müsse unberücksichtigt bleiben, sodass nur noch der
überwiegend durch die Schädigungsfolgen geprägte gesundheitliche Ursachenanteil
für die Rentengewährung Bedeutung erlange, der wegen der Höhe der festgestellten
MdE mit 60 vH für ein schädigungsbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
spreche, kann nicht gefolgt werden. Entscheidend ist insoweit, dass mit der
Arbeitsmarktlage eine weitere Bedingung - neben den anerkannten
Schädigungsfolgen - zu der Möglichkeit des sozial abgesicherten Ausscheidens aus
dem Erwerbsleben beigetragen hat. Nur wenn die Arbeitslosigkeit
schädigungsbedingt eingetreten wäre - was das LSG bindend verneint hat -, stünde
ihr Anteil an der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung dem Anspruch auf
BSchA ohne nähere Prüfung nicht entgegen (vgl BSGE 81, 150 = SozR 3-3100 § 30 Nr
18). Anderenfalls muss bewiesen werden, dass auch in Ansehung der
Arbeitsmarktlage die Schädigungsfolgen wesentlich mitwirkende Bedingungen für
die Berufsaufgabe waren.
Soweit § 30 Abs 11 Satz 1 letzter Halbsatz BVG ua die schädigungsunabhängige
Arbeitslosigkeit von der Nachschadensregelung ausnimmt, kann hieraus nicht
gefolgert werden, der Anteil der Arbeitsmarktlage an den Voraussetzungen für
eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit habe im Rahmen der Bewertung des
Kausalzusammenhangs zwischen Schädigungsfolgen und Berufsaufgabe außer Betracht
zu bleiben. § 30 Abs 11 Satz 1 BVG lautet: Wird durch nachträgliche
schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das
Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung, das
Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert
(Nachschaden), gilt stattdessen als Einkommen das Durchschnittseinkommen der
Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne den Nachschaden
angehören würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem
Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Die Ausnahme der
Arbeitslosigkeit von der Nachschadensregelung begründet nur dann die
unwiderlegliche Vermutung, dass unverschuldete Arbeitslosigkeit
schädigungsbedingt eingetreten ist, wenn der Beschädigte auch ohne sie Anspruch
auf BSchA hätte. Ein solcher Anspruch kann durch schädigungsfremde
Arbeitslosigkeit nur erhöht werden. Er kann nicht zur Begründung eines Anspruchs
auf BSchA dienen (vgl BSGE 81, 150, 154 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18). Dieses wäre
jedoch hier, würde man die Auffassung des Klägers teilen, die vom Gesetzgeber
nicht intendierte Folge.
Sinn der mit dem Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im
Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18.
Dezember 1975 (HStruktG-AFG - BGBl I 3113) eingeführten Regelung war es zu
verhindern, dass in Fällen, in denen ein - unter Umständen auch nur geringer -
schädigungsbedingter Einkommensverlust eingetreten ist, zugleich auch
versorgungsfremde, unabhängig von der Schädigung eingetretene berufliche
Einbußen mitentschädigt werden müssen (vgl BT-Drucks 7/4127 S 55). Die Regelung
sollte also die öffentlichen Haushalte vor Mehrbelastungen schützen, die dadurch
entstehen können, dass schädigungsunabhängige Ereignisse einen bereits
vorhandenen Einkommensverlust vergrößern. Hiervon hat der Gesetzgeber wiederum
eine Ausnahme zugelassen: Vergrößert sich der Einkommensverlust dadurch, dass
der Berechtigte arbeitslos geworden oder altersbedingt aus dem Erwerbsleben
ausgeschieden ist, so gilt dies nicht als schädigungsunabhängiger Nachschaden (vgl
dazu heute § 30 Abs 11 Satz 1 Halbsatz 2 BVG). Ebenso wenig wie die
Ausnahmeregelung eine Handhabe für die Zuerkennung eines sonst nicht vorhandenen
Anspruchs auf BSchA bietet, kann ihr Ursachenanteil bei der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit auf Zeit hinweggedacht werden, um dem schädigungsbedingten
Anteil gleichsam automatisch eine wesentlich mitwirkende Rolle zuweisen zu
können. Die Nachschadensregelung ist eine Regelung zu Lasten des Beschädigten.
Sie soll verhindern, dass der BSchA durch Berücksichtigung
schädigungsunabhängiger Einkommensverluste erhöht wird. Besteht ein Anspruch auf
BSchA sonst nicht, so kann er nicht durch die in § 30 Abs 11 Satz 1 Halbsatz 2
BVG genannten Umstände, dh nicht durch den Eintritt von (schädigungsfremder)
Arbeitslosigkeit, begründet werden. Denn in einem solchen Fall ist die
Nachschadensregelung des § 30 Abs 11 BVG insgesamt, also einschließlich ihrer
Ausnahmeregelungen, unanwendbar.
(3) Der Kläger kann sich zur Anspruchsbegründung auch nicht auf eine
Beweiserleichterung für das Tatbestandsmerkmal "Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
wegen der Schädigungsfolgen" stützen. Seine Situation ist nicht derjenigen
vergleichbar, für die das BSG eine derartige Beweiserleichterung eingeräumt hat.
Diese ist begrenzt auf ein sozial gesichertes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
mit einer vorzeitigen Rente/Versorgung wegen Schwerbehinderung nach dem SGB VI
(vormals Angestelltenversicherungsgesetz/Reichsversicherungsordnung) oder dem
Beamtenrecht (vgl BSGE 74, 195 = SozR 3-3100 § 30 Nr 10; SozR 3100 § 30 Nr 78;
SozR 3642 § 8 Nr 7; SozR 3-3100 § 30 Nr 2; SozR 3-3642 § 8 Nr 1; SozR 3-3642 § 8
Nr 3; SozR 3-3642 § 8 Nr 5; BSGE 71, 68 = SozR 3-3100 § 48 Nr 4). Die
Beweiserleichterung ist in diesen Fällen bereits durch den Gesetzgeber
vorgezeichnet, da im Rentenversicherungs- wie auch im Beamtenrecht nicht nur auf
den Nachweis verzichtet wird, dass die Schwerbehinderung den Versicherten
gezwungen habe, den Beruf aufzugeben, sondern auch auf Nachforschungen darüber,
ob die Schwerbehinderung wenigstens der Grund, also der Beweggrund, für das
Ausscheiden gewesen sei. Entsprechend ist auch in der Kriegsopferversorgung
vorzugehen. Zwar hat der Senat in früheren Entscheidungen zur weiteren
Begründung wiederholt darauf hingewiesen, kaum ein Beschädigter, der
jahrzehntelang mit seinem Versorgungsleiden gearbeitet habe, könne beweisen,
dass er seine Erwerbstätigkeit wegen einer Verschlimmerung des
Schädigungsleidens gerade zum möglichen Rentenbeginn habe aufgeben müssen. Auch
mag sich der Kläger in durchaus vergleichbarer Beweisnot befinden. Gleichwohl
unterscheidet sich seine Lage grundlegend von der des Schwerbeschädigten, der
mit Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitig Rente in Anspruch nehmen kann. Der
Kläger musste seine mangelnde Erwerbsfähigkeit gegenüber dem
Rentenversicherungsträger nachweisen. Sie ist von diesem nicht auf Grund der
Vorlage des Anerkennungsbescheides nach dem BVG unterstellt worden. Die bloße
Feststellung des schädigungsbedingten Anteils oder eine durch Bescheid
festgestellte Schwerbehinderung waren insoweit für die Entscheidung unbedeutend.
Ferner konnte der Kläger nicht allein auf Grund der medizinischen
Einschränkungen zu der begehrten Leistung gelangen, sondern nur in Verbindung
mit den ungünstigen Arbeitsmarktchancen für teilweise Erwerbsgeminderte. In
einer solchen Situation ist kein Raum für Beweiserleichterungen.
Für das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben durch die Umwandlung der
Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine solche auf Dauer gelten keine anderen
Maßstäbe. Die Verhältnisse unterscheiden sich nicht von denen, die für die
Zeitrentengewährung von Bedeutung waren. Dieses gilt sowohl für die Frage der
Beweiserleichterung, als auch des Gewichts des Faktors Arbeitsmarkt.
Soweit der Kläger vorbringt, es sei nicht einleuchtend, dass im Falle eines
Beschädigten im rentennahen Alter, der Erwerbsunfähigkeitsrente erhalte, von der
Beweiserleichterungsregel, wie sie vom Senat für den Fall der vorgezogenen Rente
wegen Schwerbehinderung entwickelt worden ist, abgerückt werde, verkennt er,
dass Erwerbsunfähigkeitsrente, anders als die vorzeitige Altersrente, nicht von
dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters abhängig ist. Gerade sein Fall des
Ausscheidens aus dem Erwerbsleben im Jahre 1990 mit 52 Jahren belegt dieses.
Daran ändert es nichts, dass er bei der Umwandlung in die Dauerrente dem
Rentenalter näher gerückt war, denn das LSG hat unangefochten festgestellt, dass
die Aufhebung der Befristung einzig auf § 102 SGB VI beruhte. Dieser sah in Abs
2 Sätze 3 und 4 in der Fassung vom 18. Dezember 1989 (gültig zwischen dem 1.
Januar 1992 bis 31. Dezember 2000) vor: Die Befristung erfolgt für längstens
drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann wiederholt werden, darf jedoch bei sich
anschließenden Befristungen nach § 102 Abs 1 Satz 1 Nr 1 (dh, wenn begründete
Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit
behoben sein kann) die Gesamtdauer von sechs Jahren nicht übersteigen. Die
Folgerung des LSG, im Hinblick auf die Bedeutung des Arbeitsmarktes habe sich
für die Rentengewährung bei der Umwandlung der Zeit- in die Dauerrente keine
tatsächliche Änderung ergeben, ist insoweit nicht zu beanstanden, zumal der
Kläger die Tatsachengrundlage nicht angegriffen hat.
(4) Gleichwohl kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Im Hinblick auf
das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit der Erwerbsunfähigkeitsrente, zunächst
auf Zeit und später auf Dauer, hat das LSG zwar den Ursachenzusammenhang mit den
anerkannten Schädigungsfolgen verneint. Es hat allerdings nur festgestellt,
neben den anerkannten Schädigungsfolgen und einer von dem
Rentenversicherungsträger festgestellten reaktiven Depression sei die
Rentengewährung wegen der Arbeitsmarktlage - der Verschlossenheit des
Teilzeitarbeitsmarktes - erfolgt. Diese Feststellung beinhaltet keine
tatrichterliche Wertung im Hinblick auf die Wesentlichkeit der Bedingungen für
den Erfolg, hier: das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit einer Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit. Eine solche wäre jedoch erforderlich gewesen, denn das
alleinige Nebeneinander von Schädigungsfolgen und weiteren Bedingungen lässt
nicht den Schluss zu, die Schädigungsfolgen seien keine wesentlich mitwirkende
Ursache für den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit gewesen.
Der Ursachenzusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem beruflichen
Schaden nach § 30 Abs 3 BVG ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie
der der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Kausalität (vgl Hansen, aaO, S 28
f). Es ist mithin der Kausalitätsbeurteilung auch im Berufsschadensrecht die
Theorie der wesentlich mitwirkenden Bedingung zu Grunde zu legen.
Danach sind die tatsächlich gegebenen Einzelfaktoren zu gewichten. Nur diejenige
Bedingung, die im Verhältnis zu den Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen
Beziehung zum Erfolg beim Eintritt konkret wesentlich mitgewirkt hat, ist
ursächlich in diesem Sinne (vgl Hansen, aaO, S 29; Fehl in Wilke ua, aaO, § 1
RdNr 67). Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie rechtlich
nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und
Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Für den
Anspruch auf BSchA genügt es dabei, wenn die Schädigungsfolgen allein oder aber
im Vergleich mit den Nichtschädigungsfolgen und anderen schädigungsunabhängigen
Umständen etwa gleichwertig zu dem Erfolg beigetragen haben. Kommt dagegen einer
Nichtschädigungsfolge eine überragende Bedeutung für den Erfolg zu, so ist
dieser nicht schädigungsbedingt im Rechtssinne (vgl BSGE 1, 150; 1, 268; 6, 120;
7, 180; BSG Urteil vom 2. Oktober 1975 - 10 RV 383/74, JURIS), denn die
Nichtschädigungsfolge verdrängt die anderen und ist allein als Ursache im
Rechtssinne anzusehen (vgl BSG SozR Nr 44 zu § 30 BVG; Urteil vom 21. September
1971 - 8 RV 475/70, JURIS). Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche
Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und
welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl
BSGE 1, 72, 76).
Zwar mag das LSG zu der Überzeugung gelangt sein, die Arbeitsmarktlage habe die
ausschlaggebende Bedeutung für die Rentengewährung gehabt, wenn es formuliert,
sie beruhe "... und aber entscheidend auf ..." dieser. Eine derartige Wertung
setzt jedoch eine abwägende Gewichtung des Verhältnisses der einzelnen
Bedingungen voraus. Die Arbeitsmarktlage in der Gestalt der Verschlossenheit des
Teilzeitarbeitsmarktes ist untrennbar mit den gesundheitlichen Einschränkungen
des Klägers, sei es durch die Schädigungsfolge, sei es durch die reaktive
Depression verbunden; die nur noch halb- bis untervollschichtige
Leistungsfähigkeit gründet auf diesen Gegebenheiten. Der Schädigungsfolge
wiederum könnte für die Entstehung, das Ausmaß oder die zeitliche Dauer der
reaktiven Depression eine gewisse Bedeutung zukommen und insoweit oder alleine
Einfluss auf den Zugang des Klägers zum Arbeitsmarkt gehabt haben. Dieses ist
ggf wiederum zu der unbestreitbar schlechten Arbeitsmarktlage für
Erwerbsgeminderte in ein Verhältnis zu setzen. Hierzu fehlt es jedoch an
Tatsachenfeststellungen. Der erkennende Senat kann sie im Revisionsverfahren
nicht nachholen (vgl § 163 SGG). Entsprechende Ermittlungen werden dem LSG im
wieder eröffneten Berufungsverfahren obliegen. Dieses Gericht wird danach erneut
zu beurteilen haben, ob alle drei von ihm genannten Bedingungen für die Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit wesentlich mitwirkende Ursachen waren oder ob
einer von ihnen - und wenn ja welcher - eine so überragende Bedeutung zukommt,
dass sie im Rechtssinne als allein wesentlich anzusehen ist.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.