Bayerisches LSG - L 4 KR 42/05 ZVW.Ko - Beschluss vom 08.01.2007
Das Verbot der Verböserung im Rechtsmittelverfahren greift bei der gerichtlichen Festsetzung gegenüber der von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung nicht ein. Die gerichtliche Festsetzung ist keine Abänderung der von der Anweisungsstelle vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG, wodurch eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos wird.
Gründe:
I.
In dem Streitverfahren der D. W. , geboren 1940, , gegen die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) - L 4 KR 42/05 - ist die Antragstellerin mit Beweisanordnung des Bayer. Landessozialgerichts vom 16.12.2005 gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur ärztlichen Sachverständigen bestellt worden.
Für das facharbeitsmedizinische Gutachten vom 24.04.2006 hat die Antragstellerin mit Rechnung vom 04.05.2006 (RE-2006/00335) insgesamt 2.460,85 EUR geltend gemacht. Für Aktenstudium, Beurteilung, Diktat und Durchsicht seien 24,73 Stunden angefallen. Diese seien nach der Honorargruppe M 3 (= 85,00 EUR) zu vergüten. Hinzukämen Schreibengebühren in Höhe von 13,34 EUR, die gesetzliche Mehrwertsteuer sowie Porto in Höhe von 7,00 EUR.
Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Schreiben vom 30.05.2006 die Vergütung auf 1.728,98 EUR herabgesetzt.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 19.06.2006 vor allem hervorgehoben, dass aus ihrer Sicht eindeutig die Honorargruppe M 3 vorliege, da in der Arbeitsmedizin häufig Zusammenhangsbegutachtungen zu beurteilen seien. Hier liege eine Begutachtung der Erwerbsminderung vor; dabei seien spezielle kausale Zusammenhänge und auch differenzialdiagnostische Probleme mit einem hohen Schwierigkeitsgrad zu erörtern gewesen.
Der Kostenbeamte des Bayer. Landessozialgericht informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.08.2006, dass nach seiner Auffassung insgesamt nur 1.206,98 EUR zu bewilligen gewesen wären. In Berücksichtigung der bereits gezahlten 1.728,98 EUR ergäbe sich eine Überzahlung von 522,00 EUR. Mit der Rückforderung werde abgewartet, bis der Kostensenat des Bayer. Landessozialgerichts über diesen Fall entschieden habe.
II.
Der 15. Senat des Bayer. Landessozialgerichts ist entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan A (Rechtsprechung) der Kostensenat des Bayer. Landessozialgerichts und damit zuständig für die Festsetzung der Vergütung gerichtlich bestellter Sachverständiger gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG. Um einen solchen Antrag handelt es sich bei dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 19.06.2006, auch wenn eine richterliche Festsetzung nicht ausdrücklich beantragt, sondern nur um eine erneute Überprüfung der gestellten Rechnung gebeten worden ist.
Die Vergütung für das facharbeitsmedizinische Gutachten vom 24.04.2006 ist auf insgesamt 1.240,66 EUR festzusetzen:
- Aktenstudium |
7,5 Std. |
60,00 EUR |
450,00 EUR |
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- Beurteilung |
6,5 Std. |
60,00 EUR |
390,00 EUR |
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- Diktat und Durchsicht |
3,5 Std. |
60,00 EUR |
210,00 EUR |
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- Schreibgebühren |
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13,50 EUR |
1.063,50 EUR |
- Mehrwertsteuer |
16 % |
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170,16 EUR |
1.233,66 EUR |
- Porto (Postpaket) |
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7.00 EUR |
1.240,66 EUR |
Das Verbot der "reformatio in peius" greift bei der gerichtlichen Festsetzung gegenüber der von der im Verwaltungswege berechneten Vergütung nicht ein. Die gerichtliche Festsetzung ist keine Abänderung der von der Anweisungsstelle vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 4 Abs.1 Satz 1 JVEG, wodurch eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege gegenstandslos wird (Meyer/Höver/ Bach, Rz.4.12 zu § 4 JVEG mit weiteren Nachweisen auf die höchstrichterliche ständige Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit und Zivilgerichtsbarkeit):
Wie die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.06.2006 abschließend zutreffend hervorgehoben hat, sind von 442 Blatt an Akteninhalt ausgehend insgesamt 7,5 Stunden für das Aktenstudium angemessen.
Die Beurteilung beginnt auf Seite 8 des Gutachtens vom 24.04.2006 etwa im zweiten Drittel. Sie endet auf Seite 15 im oberen Drittel. Doppelt aufgeführt worden sind die Diagnosen, die in der Zeit vom 06.02.1999 bis 01.11.1999 und in der Zeit vom 02.11.1999 bis 30.06.2000 vorgelegen haben. Nachdem die doppelte Aufführung der vorstehend bezeichneten Diagnosen nur einmal zu berücksichtigen ist, ergeben sich für 6,5 Seiten auch 6,5 Stunden für die Beurteilung.
Für Diktat und Durchsicht sind (gerundet) 3,5 Stunden in Ansatz zu bringen. - Der berücksichtigungsfähige Zeitaufwand umfasst somit 17,5 Stunden.
Der/Die Sachverständige erhält gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 JVEG für jede Stunde ein Honorar in der Honorargruppe M 2 von 60,00 EUR bzw. in der Honorargruppe M 3 von 85 EUR. In der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG werden die Honorargruppen näher definiert. Einfache gutachtliche Beurteilungen, die nach der Honorargruppe M 1 zu vergüten sind, sind z.B. Beurteilungen zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung. In die Honorargruppe M 2 fallen beschreibende (= Zustands-)Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacherer medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten in Verfahren nach dem SGB IX und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, zu ärztlichen Behandlungsfehlern, in Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) und nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) werden in die Honorargruppe M 3 eingruppiert.
Ausweislich der Beweisanordnung des Bayer. Landessozialgerichts vom 16.12.2005 sind in dem Verfahren der D. W. gegen die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in Berücksichtigung der bestehenden depressiven Symptomatik zu klären gewesen. Es handelt sich somit um eine gutachterliche Beurteilung vergleichbar der Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Invalidität in Rentenstreitverfahren. Somit ist ein Honorar nach der Honorargruppe M 2 (= 60,00 EUR pro Stunde) angemessen.
Die Beurteilung des reaktiv-depressiven Zustandsbildes bzw. der ab 28.10.1999 bestehenden akuten Depression beinhaltet keine Auseinandersetzung mit speziellen Kausalzusammenhängen oder differenzialdiagnostischen Problemen. Typische Gutachten, die der Honorargruppe M 3 zuzuordnen sind, sind beispielsweise Fragen des Vorliegens einer Berufskrankheit oder Spätfolgen von Kriegsverletzungen, also vor allem Gutachten aus dem Bereich des Unfallrechts und des sozialen Entschädigungsrechts. - Die hier zu beurteilen gewesene Frage einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer depressiven Symptomatik und deren Auswirkung auf das berufliche Leistungsvermögen fällt zweifelsfrei in die Honorargruppe M 2 (= 60,00 EUR pro Stunde).
Ausgehend von 17,5 Stunden insgesamt à 60,00 EUR pro Stunde ergibt sich ein Honorar von 1.050,00 EUR. Zuzüglich Schreibgebühren in Höhe von 13,50 EUR und 16 % Mehrwertsteuer in Höhe von 170,16 EUR errechnet sich eine Zwischensumme von 1.233,66 EUR. In Berücksichtigung des verauslagten Portos in Höhe von 7,00 EUR ergibt sich eine Gesamtvergütung von 1.240,66 EUR.
Das Verfahren ist gemäß § 4 Abs.7 Satz 2 JVEG dem Senat zu übertragen gewesen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es liegen erst wenige Entscheidungen zur Abgrenzung der Honorargruppen M 2 und M 3 vor.
Die Entscheidung ist gemäß § 177 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) endgültig. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs.8 JVEG).