LANDESSOZIALGERICHT NORDRHEIN-WESTFALEN , Beschluss vom 15.08.2000, Az.. L 10 B 8/00 SB

1. Zur Übernahme von Gutachterkosten nach § 109 SGG auf die Landeskasse.

2. Soweit ein nach § 109 SGG gehörter Sachverständiger  lediglich in seiner Einschätzung des GdB vom nach § 106 SGG
beauftragten Sachverständigen abweicht, kommt eine Kostenübernahme grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes gilt
nur dann, wenn der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige neue - rechtlich erhebliche - Tatsachen feststellt und deswegen
einen höheren GdB vorschlägt.
 

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Beteiligte, auf dessen Antrag ein bestimmter Arzt
gutachterlich gehört wird, die Kosten vorzuschießen und vorbehaltlich einer an deren Entscheidung des Gerichts endgültig
zu tragen. Eine demgegenüber "andere Entscheidung des Gerichts", die also den Kläger von der Pflicht befreit,
Begutachtungskosten endgülig zu tragen, ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn das Gutachten für die Entscheidung
oder den sonstigen Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung gewesen ist (vgl. Peters/Sautter/Wolf, SGG, 4. Auflage, § 109
II/74-74f; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 193 Rdn. 16a m.w.N.).

Ausgehend hiervon hat das Sozialgericht zutreffend die Kostenübernahme abgelehnt. Der Sachverhalt war aufgrund der nach §
106 SGG eingeholten Gutachten geklärt. Das Gutachten des Sachverständigen M. war für die Entscheidung des
Sozialgerichts irrelevant. Es hat dem Sozialgericht keine neuen medizinischen Erkentnisse verschafft. Die von diesem
Sachverständigen erhobenen Befunde entsprechen im wesentlichen denen, die bereits der Sachverständige T. in seinem
Gutachten vom 03.03.1997 mitgeteilt hat. Der Senat teilt insoweit die kritischen Anmerkungen des Sachverständigen T.
in der ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.1999 zum Gutachten des Prof. M..

Selbst wenn das Gutachten des Sachverständigen M. neue Erkenntnisse vermittelt hätte, ist eine völlige oder
teilweise Kostenfreistellung nur gerechtfertigt, wenn diese rechtlich beachtlich wären. Daran fehlt es. Soweit der
Sachverständige M. den GdB mit 60 eingeschätzt hat, weicht es zwar von der Wertung des nach § 106 SGG gehörten
Sachverständigen T. ab, der den Gesamt-GdB mit 40 angenommen hat. Der Grad der Behinderung ist indes ein rechtlicher
Begriff, dessen Festlegung nicht die Aufgabe von Sachverständigen ist und auch nicht auf medizinischer Erfahrung beruht,
sondern sich als rechtliche Wertung von Tatsachen darstellt. Diese Tatsachen allerdings sind mit Hilfe von medizinischen
Sachverständigen festzustellen; zu diesen Tatsachen gehört neben dem Krankheitsbild auch das Leistungsvermögen bzw. die
Beschreibung der Funktionsstörung (so BSG vom 29.08.1990 -9a/9 RVs 7/89 - SozR 3 § 4 Schwbg Nr. 1; Senatsbeschluß vom
05.11.1999 - L 10 B 9/99 SG -).

Soweit ein nach § 109 SGG gehörter Sachverständiger sonach lediglich in seiner Einschätzung des GdB vom nach § 106 SGG
beauftragten Sachverständigen abweicht, kommt eine Kostenübernahme grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes gilt
nur dann, wenn der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige neue - rechtlich erhebliche - Tatsachen feststellt und deswegen
einen höheren GdB vorschlägt.

Vorliegend hat der Sachverständige M. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde es zwar als notwendig angesehen, die
Erkrankungsbilder des Halte- und Bewegungsapparats zu komplettieren bzw. zu spezifizieren. Die von ihm erhobenen Befunde
weichten nur geringfügig von denen ab, die der Sachverständige T. festgestellt hat. Für die Feststellung und
abweichende Bezeichnung einzelner "Behinderungen" besteht indessen kein Rechtsschutzbedürfnis (BSG vom 24.06.1998 - B 9
SB 18/97 R -). Im übrigen hat der Sachverständige M. seinen Vorschlag, den GdB mit 60 zu bewerten, weder
nachollziehbaar begründet, noch sich hierzu mit den Vorgaben der Anhaltspunkte 1996 auseinandergesetzt. Dies wird
insbesondere deutlich in der ergänzenden Stellungnahme vom 18.05.1999. Hierin hat der Sachverständige über drei Seiten
nochmals den bereits be kannten Sachverhalt referiert und anschließend zusammenhangslos und wiederum ohne Begründung den
GdB mit 60 eingeschätzt.

Entgegen der Beschwerde reichte es für eine vollstländige oder auch nur teilweise Kostenübernahme nicht aus, dass sich
nachfolgend ein weiterer Sachverständiger mit dem Gutachten des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen
auseinandersetzt. Dann hat nämlich nicht das Gutachten des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen, sondern erst das
nachfolgende Gutachten zur Sachaufklärung beigetragen.

Im Ergebnis hat das Gutachten des Sachverständigen M. den Rechtsstreit nur verzögert, ohne in der Sache
weiterzuführen. Im übrigen führt die Auffassung des Klägers dazu, dass selbst die Kosten untauglicher Gutachter
übernommen werden müssen, denn auch in diesen Fällen wird in der Regel eine weitere Stellungnahme eines Sachverständigen
nach § 106 SGG eingeholt werden müssen. Dass dies nicht dem mit § 109 SGG verfolgten Zweck entspricht, bedarf keiner
Eröterung.

Somit: Das Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen M. ist rechtlich nicht erheblich und hat demgemäß
für die Entscheidung des Sozialgerichts keine Bedeutung gewonnen.

Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.