Sachverständigenentschädigung: Bei Bemessung des Stundensatzes eines Sachverständigen für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens können Gliederung, überflüssige Wiederholung der Beweisfragen und Literaturliste nicht berücksichtigt werden. Allein wegen eines bestimmten medizinischen Fachgebietes ist eine erhöhte Entschädigung nicht erforderlich; das gilt z.B. für Nervenärzte, Neurochirurgen, Neurologen und Psychiater sowie Kardiologen.
Tatbestand
In dem Klageverfahren K. und A. S. ./. B.-Kasse (Az.: S 3 KR 2240/00) beauftragte die Vorsitzende der 3. Kammer die Antragstellerin mit Verfügung vom 24. August 2001 mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Nach den Beweisfragen waren u.a. Befunde der Kläger und ihres Sohnes zu erheben und zur Notwendigkeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme Stellung zu nehmen. Übersandt wurden der Antragstellerin insgesamt 42 Blatt Gerichts- und 41 Blatt Verwaltungsakten.
Unter dem 25. Januar 2002 erstattete diese ihr psychologisches Gutachten auf insgesamt 30 Seiten, einschließlich Deckblatt, Gliederung, Beweisfragen und Literaturnachweisen. Mit ihrer Kostenrechnung vom 31. Januar 2002 machte sie Kosten von 1.038,30 € geltend (23 Stunden Sachverständigenaufwand zu 40,90 € (940,70 €), Schreibgebühren 93,00 € (30 Seiten zu 2,05 €, 50 Seiten zu 0,51 €, 40 Seiten zu 0,15 €) und Portokosten 4,60 €). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 1 f. des Kostenhefts verwiesen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte mit Verfügung vom 7. Februar 2002 die Rechnung auf 826,19 € und berücksichtigte dabei 19 Stunden Aufwand zu 75,00 DM. Nach ihrer Ansicht könnten die übrigen beantragten Posten unverändert übernommen werden.
Dagegen hat die Antragstellerin die richterliche Festsetzung beantragt und ausgeführt, zur Abfassung der Beurteilung gehörten auch die gesamten Ergebnisse der Explorationen und psychologischen Untersuchungen. In seinem Schriftsatz vom 27. Mai 2002 hat der Beschwerdeführer u.a. vertreten, nur die Seiten 23 bis 29 des Gutachtens seien als Beurteilung zu werten.
Mit Beschluss vom 2. Januar 2003 hat das Sozialgericht die Entschädigung für das Gutachten vom 25. Januar 2002 (nicht: 2001) auf 979,58 € festgesetzt und aufgeführt, die Beurteilung habe die Seiten 12 bis 30 des Gutachtens umfasst. Der Ansatz der Antragstellerin überschreite mit 23 Stunden die für angemessen erachtete Zeit (20 Stunden) nicht um mehr als 15 v.H., so dass die gesamte Zeit zu berücksichtigen sei. Das mittelschwere Gutachten sei mit einem Stundensatz von 75,00 DM zu entschädigen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf den Schriftsatz vom 27. Mai 2002 und das Kürzungsschreiben der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bezogen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 2. Januar 2003 aufzuheben und die Entschädigung für das Gutachten vom 25. Januar 2002 auf 826,19 € festzusetzen.
Die Antragstellerin hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
Die Beschwerde ist nach § 16 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) zulässig und im Ergebnis begründet.
Bei seiner Entscheidung hatte der Senat alle für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umstände zu überprüfen und ziffernmäßig festzusetzen, obwohl der Beschwerdeführer den Beschluss der Vorinstanz nur bzgl. des Zeitansatzes für die Beurteilung angreift (vgl. u.a. Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 - Az.: L 6 SF 48/02 und vom 14. Januar 2002 - Az.: L 6 B 38/01 SF; Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 22. Auflage 2002, § 16 Rdnr. 9.3).
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ZuSEG in der Fassung bis Ende 2001 (= a.F. ) betrug die Entschädigung eines Sachverständigen für jede Stunde der erforderlichen Zeit 50,00 DM bis 100,00 DM. Diese Gebühren ermäßigten sich um 10 v.H. nach Anlage 1 Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt 3 Nr. 26 des Einigungsvertrages (EV), § 1 der Verordnung zur Anpassung der für die Kostengesetze in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet geltenden Ermäßigungssätze (Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung) vom 15. April 1996 (BGBl. I S. 604).
Für die Bemessung des Stundensatzes sind der Grad der erforderlichen Fachkenntnisse, die Schwierigkeit der Leistung, ein nicht anderweitig abzugeltender Aufwand für die notwendige Benutzung technischer Vorrichtungen und besondere Umstände maßgebend, unter denen das Gutachten zu erarbeiten war. Der Stundensatz ist einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit zu bemessen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZuSEG); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll berechnet (§ 3 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 ZuSEG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. u. a. Beschlüsse vom 14. Januar 2002 - Az.: L 6 B 38/01 SF, 8. Januar 2001 - Az.: L 6 B 41/00 SF, 16. Juli 1999 - Az.: L 6 SF 201/98, 17. Mai 1999 - Az.: L 6 B 2/98 SF) ist derjenige Zeitaufwand erforderlich, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Ein Anlass zur Nachprüfung besteht dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch ist. Wenn die üblichen Erfahrungswerte mehr als 15 v.H. überschritten werden, erfolgt eine Nachprüfung im Wege der so genannten Vergleichsberechnung.
Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer Merkblatt über die Entschädigung von Sachverständigen grundsätzlich in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.
Im vorliegenden Fall wäre unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte ein Stundenansatz von 16,5 Stunden, aufgerundet 17 Stunden, gerechtfertigt gewesen. Damit werden in der Kostenrechnung der Antragstellerin mit 23 Stunden die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 v.H. überschritten.
Für das Aktenstudium und die vorbereitenden Maßnahmen kann nach der ständigen Senatsrechtsprechung für etwa 80 Blatt Aktenstudium mit medizinischem Inhalt eine Stunde an notwendigem Zeitaufwand in Ansatz gebracht werden (vgl. u.a. Beschlüsse vom 24. November 1999 - Az.: L 6 SF 549/99 und 25. Januar 2000 - Az.: L 6 SF 20/98). Zu prüfen waren insgesamt 83 Blatt, für die der beantragte Zeitansatz von 1 Stunde (noch) akzeptiert werden kann.
Für die Anamnese und die psychologische Untersuchung der Kläger und ihres Sohnes kommt eine Erstattung für 7,5 Stunden in Betracht. Nach der von der Antragstellerin unterschriebenen Bescheinigung für die Kläger vom 14. Dezember 2001 dauerte die Untersuchung von 11.00 bis 18.30 Uhr. Ein höherer zeitlicher Ansatz als in der Bestätigung ist dann ausgeschlossen. Auch eine Aufrundung des Stundenansatzes bei dieser Position scheidet aus; diese kommt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur bei der Gesamtzeit in Betracht, nicht jedoch für die einzelnen Sachverständigenleistungen.
Für die Abfassung der Beurteilung ist angesichts der Schreibweise ein Zeitansatz von 3,5 Stunden angemessen. Sie umfasst nicht nur die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen, sondern auch die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 17. August 1999 - Az.: L 6 B 41/98 SF und vom 9. August 2000 - Az.: L 6 B 26/00 SF). Dazu gehören nur die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Für diesen Teil der Ausarbeitung hält der Senat in ständiger Rechtsprechung bei einem durchschnittlichen Gutachter einen Zeitaufwand von in der Regel 3 Seiten pro Stunde für angemessen (vgl. u.a. Beschluss vom 16. Juli 1999 - Az.: L 6 SF 201/98).
Hier umfasst die eigentliche Beurteilung die Seiten 15 (Mitte) bis 17 (= Gliederung 4.2.1.3), 19 bis 20 (= Gliederung 4.2.2.2.), 22 bis 29 (Gliederung 4.2.3.2. bis 6.), also 10 Seiten. Die eigenen Schilderungen der Kläger und ihres Sohnes (Exploration) sind lediglich Grundlage für das anschließende Ergebnis des Gutachtens; eine eigene Beurteilung enthalten sie nicht. Verwendet werden können diese Angaben in einer gerichtlichen Entscheidung nicht; erst die anschließende Auswertung des Sachverständigen ist hierfür verwertbar.
Dies gilt auch für psychologische Gutachten. Es ist nicht verständlich, warum ausgerechnet hier eigene Angaben von Klägern über ihren Gesundheitszustand Teil der gutachterlichen Beurteilung sein sollen.
Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens sind 4,5 Stunden angemessen. Erfahrungsgemäß kommt für 5 bis 6 Seiten 1 Stunde Zeitaufwand in Betracht, wobei der Gesamtumfang und die Schreibweise des Gutachtens zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich ist zwar vom gesamten Umfang des Gutachtens auszugehen. Hier können aber die vorangestellte Gliederung, die überflüssige Wiederholung der allen Beteiligten bekannten Beweisfragen (dies sogar doppelt - vorgestellt und nochmals bei ihrer Beantwortung) und die Literaturliste nicht berücksichtigt werden. Letztere ist ohne genaue Quellenzitierung nicht nachvollziehbar und damit wenig sinnvoll.
Der Senat hält hier den vom Beschwerdeführer zuerkannten Stundensatz von 75,00 DM pro Gutachterstunde für angemessen. Die Rechtsprechung aller Kostensenate des Thüringer Landessozialgerichts seit 1995 geht davon aus, dass die Sachverständigenleistungen in vier Schwierigkeitsstufen entschädigt werden (vgl. u.a. Beschluss des Thüringer LSG vom 19. September 1995 - Az.: L 5 B 17/94):
Erste Stufe: Einfachste Leistungen und einfache Gutachten zu leicht überschaubaren Vorgängen (50,00 DM; im Beitrittsgebiet 45,00 DM). Zweite Stufe: Leichte medizinische Gutachten, zu deren Erstattung wissenschaftliche Fachkenntnisse erforderlich sind, die Diagnose aber verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind (67,00 DM; im Beitrittsgebiet 60,00 DM). Dritte Stufe: Mittelschwierige medizinische Gutachten, bei denen die Zuordnung der gesundheitlichen Störung zu einem Krankheitsbegriff (Diagnose) oder die Frage der Krankheitsursache (Ätiologie) oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern (84,00 DM; im Beitrittsgebiet 75,00 DM). Vierte Stufe: Schwierige medizinische Gutachten, bei denen der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. In erster Linie handelt es sich um schwierige Zusammenhangsgutachten aus den Gebieten der Unfall- und Kriegopferversorgung (100,00 DM; im Beitrittsgebiet 90,00 DM).
Hier handelt es sich um ein mittelschwieriges wissenschaftliches Gutachten nach der dritten Stufe. Es waren der gesundheitliche Zustand des Sohnes der Kläger und die Notwendigkeit der Teilnahme der Eltern zur Beurteilung der Notwendigkeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu beurteilen.
Mit dem Ansatz von 40,90 € begehrt die Antragstellerin eine höhere Entschädigung. Diese kommt bei Zustandsgutachten nur dann in Betracht, wenn komplizierte, widersprüchliche Befunde mit entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2000 - Az.: L 6 B 31/00 SF). Für einen solchen Fall gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Allein wegen eines bestimmten medizinischen Fachgebietes ist eine erhöhte Entschädigung nicht erforderlich, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. Beschluss vom 15. August 2000 - Az.: L 6 B 28/00 SF (Nervenärzte), Beschluss vom 20. November 2000 - Az.: L 6 B 31/00 SF (Neurochirurgen), Beschluss vom 14. November 2002 - Az.: L 6 B 26/02 SF (Neurologen und Psychiater); Beschlüsse vom 9. August 2000 - Az.: L 6 B 26/00 SF und vom 3. September 2001 - Az.: L 6 B 62/00 SF (Kardiologen)).
Die Schreibgebühren werden nach § 8 Abs. 1 ZSEG in Höhe von 4,00 DM je angefangene Seite erstattet. Angesichts der geschilderten überflüssigen Ausführungen kommt dies nur für insgesamt 27 Seiten in Betracht. Danach sind für diese Position 167,30 DM zu zahlen (27 Seiten zu 4,00 DM = 108,00 DM, 50 Seiten Mehrfertigungen zu 1,00 DM = 50,00 DM; 31 Seiten zu 0,30 DM = 9,30 DM).
Gegen die Erstattung der Portoauslagen bestehen keine Bedenken.
Die DM-Beträge sind mit Ablauf des 31. Dezember 2001 in € umzurechnen (§ 1 Satz 2 des Gesetzes über die Beendigung der auf Deutsche Mark lautenden Banknoten und der auf Deutsche Mark oder Deutsche Pfennig lautenden Bundesmünzen (DM-Beendigungsgesetz - DMBeEndG) vom 16. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2402). Nach Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2866/98 des Rates der Europäischen Union vom 31. Dezember 1998 beträgt der Umrechnungskurs für einen € 1,95583 DM.
Danach errechnet sich folgender Entschädigungsbetrag:
Sachverständigenentschädigung 17 Stunden x 75,00 DM = 1.275,00 DM : 1.95583= 651,89 €, Schreibauslagen 167,30 DM : 1.95583 = 85,53 € und Portoauslagen 4,60 € ergibt zusammen 742,02 €.
Nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag aber auf 826,19 € begrenzt hat, kommt eine Kürzung unter diesen Betrag nicht in Betracht.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 16 Abs. 5 ZuSEG, § 177 des Sozialgesetzbuches).