Gründe:

I.

In dem Rechtsstreit, in dem die Beteiligten um die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr streiten, hat das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 08.02.2005 dem nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Leistungen beziehenden Kläger unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ab Klageerhebung am 22.06.2004 Prozesskostenhilfe bewilligt. Das SG hat den Beklagten ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 08.08.2005 antragsgemäß verurteilt und dem Beklagten die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Der Kläger hat die Festsetzung folgender Gebühren nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) beantragt:

Sozialgerichtsverfahren §§ 12, 116 I Ziffer 1 BRAGO 355,00 Euro Auslagenpauschale gem. § 26 BRAGO 20,00 Euro 16 % Mehrwertsteuer 60,00 Euro Gesamtbetrag 435,00 Euro.

Am 25.10.2005 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die geltend gemachte Vergütung gegen die Landeskasse auf 342,20 Euro festgesetzt. Dabei ist er von einer Gebühr nach § 116 Abs. 1 Ziff. 1 BRAGO in Höhe von 275,00 Euro ausgegangen, weil die Bedeutung der Angelegenheit eher gering und der Umfang des Schriftwechsels durchschnittlich gewesen sei.

Auf die Erinnerung des Klägers hat das SG mit Beschluss vom 06.01.2006 die dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 342,20 Euro festgesetzt. Die beantragte Mittelgebühr komme nur in Betracht, wenn alle Bewertungskriterien als durchschnittlich zu bewerten seien. Wenn alle Kriterien mit "0" zu bewerten seien, käme lediglich die Mindestgebühr in Betracht. Das Gericht gehe davon aus, dass alle vier Kriterien gleichwertig seien. Wenn somit einzelne Kriterien mit "0" bzw. unterdurchschnittlich zu beurteilen seien, sei ein Betrag in Höhe von 25 % der Differenz zwischen Mittel- und Mindestgebühr von der Mittelgebühr abzusetzen bzw. ein Abschlag von der Mittelgebühr in der dem Grad der "Unterdurchschnittlichkeit" entsprechenden Höhe vorzunehmen. Entsprechend sei zu verfahren, wenn einzelne Kriterien als überdurchschnittlich zu bewerten seien. Die Bedeutung der Angelegenheit sei als unterdurchschnittlich zu bewerten, weil es für den Kläger lediglich um einen monatlichen Einsparungsbetrag von 10 Euro gehe. Deshalb sei ein Differenzbetrag von 12,5 % abzusetzen.

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei als leicht bis unterdurchschnittlich zu beurteilen, denn es sei keine, wie im Sozialgerichtsverfahren sonst üblich, Auseinandersetzung mit medizinischen Unterlagen erforderlich gewesen; der Prozessbevollmächtigte habe auch keine mündliche Verhandlung wahrnehmen müssen. Abzusetzen sei somit ein weiterer Differenzbetrag von 10 %. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei als leicht überdurchschnittlich zu bewerten. Der Rechtsstreit habe weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schwierige Fragen aufgeworfen. Es handele sich um eine wenig komplexe Rechtsfrage, bei der wegen Fehlens entsprechender Rechtsprechung auch keine Auseinandersetzung mit ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlich gewesen sei. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass eine Verständigung mit dem Kläger nur in englischer Sprache möglich sei. Es sei deshalb gerechtfertigt, die Mittelgebühr um 7,5 % des Differenzbetrages zwischen Mittel- und Mindestgebühr zu erhöhen. Im Hinblick auf die deutlich unterdurchschnittlich zu beurteilenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei es angemessen, von der Mittelgebühr einen Betrag in Höhe von 12,5 der Differenz zwischen Mittel- und Mindestgebühr abzusetzen. Insgesamt sei es angemessen, die Mittelgebühr um einen Differenzbetrag von 27, 5 % , das seien ca. 80 Euro, zu kürzen.

Gegen den am 12.01.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am Montag, den 13.02.2006, Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Bedeutung der Angelegenheit sei als deutlich überdurchschnittlich zu bewerten. Es stehe auch seine Bewegungsfreiheit auf dem Spiel. Die Entscheidung des Gerichts sei auch von Bedeutung für künftige Zeiträume, in denen dann die Wertmarke ebenfalls kostenfrei auszustellen sei. Ein Betrag von 60,00 Euro sei für eine Sozialhilfeempfänger von großer Bedeutung. Es sei nicht zulässig den Betrag in monatliche Teilbeträge aufzuspalten. Dass die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit über den Kosten für die Wertmarke in Höhe von 60.00 Euro liegen müsse, folge auch daraus, dass das Gericht in dieser Sache, in der die Berufung der Zulassung bedürfe, von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen sei. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit liege ebenfalls über dem Durchschnitt. Die Verfahrensdauer habe über der durchschnittlichen Verfahrensdauer in Nordrhein-Westfalen von 15 Monaten gelegen. Es seien fünf Schriftsätze eingereicht worden. Die anwaltliche Tätigkeit in Verfahren, in denen eine Auseinandersetzung mit medizinischen Berichten und Gutachten erfolge, dürfe nicht als Maßstab herangezogen werden. In zahlreichen Bereichen des Sozialrechts sei dies in der Regel nicht der Fall. Auch das Entfallen der mündlichen Verhandlung dürfe nicht zu einer Bewertung des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit als unterdurchschnittlich führen.

Das folge daraus, dass nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) eine Terminsgebühr auch anfalle, wenn mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Es habe sich auch um eine schwierige anwaltliche Tätigkeit gehandelt. Es sei die Entwicklung einer eigenständige Argumentation erforderlich gewesen; dies sei deutlich schwieriger als die Referierung höchstrichterlicher Rechtsprechung. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei dem mit abzuhandelnden AsylbLG eher um ein entlegenes Spezialgebiet handele. Was die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers angehe, so komme diesen im Rahmen der Festsetzung von Prozesskostenhilfegebühren keine eigenständige Bedeutung zu. Gleichsam wie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines vermögenslosen oder nur über ein geringes Einkommen verfügenden Rechtsschutzversicherten als normal und durchschnittlich anzusehen seien, sei bei Gewährung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse ebenfalls von normalen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig, denn der Beschwerdewert übersteigt 50 Euro. Die Vorschriften der BRAGO sind gemäß § 61 Abs. 1 des am 01.07.2004 in Kraft getretenen RVG weiter anzuwenden, weil der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor dem genannten Zeitpunkt erteilt worden ist

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisses des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten - hier: Landeskasse - zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO). Entspricht die Bestimmung der Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt nicht der Billigkeit, ist sie richterlich zu korrigieren. Dabei sind die vom Gesetzgeber vorgegebenen festen Anhaltspunkte (Mindest-, Mittel- und Höchstgebühr) sowie der in Rechtsprechung und Literatur akzeptierte Toleranzrahmen von bis zu 20 v.H. zu berücksichtigen; d.h. nur eine Bestimmung des Rechtsanwalts, die um 20 v.H. oder mehr von der Vorstellung der anderen Stelle abweicht, ist unbillig (BSG, Urteil vom 26. Februar 1992 - 9a RVs 3/90 -; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, Rdn. 9).

Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls liegen die Voraussetzungen für eine richterliche Korrektur der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers getroffenen Gebührenbestimmung nicht vor. Die Gebühr ist nicht unbillig i.S. des § 12 Abs. 1 BRAGO. Zu Recht ist der Gebührenrechnung die Mittelgebühr i.H. von 355,00 Euro (§ 116 Abs. 1 Ziff. 1 BRAGO) zugrunde gelegt worden.

Entgegen der Auffassung des SG ist vorliegend nicht von einer deutlich unterdurchschnittlichen sondern von einer zumindest durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger auszugehen. Denn die Kosten der für ein Jahr gültigen Wertmarke i.H. von 60,00 Euro sind gemessen an den dem Kläger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährten monatlichen Leistungen (im Jahr 2004: monatlich 401,00 Euro) erheblich. Zu Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Aufspaltung des Betrages in monatliche Teilbeträge, die bezogen auf ein Jahr sogar nur 5,00 Euro betrügen, bei der Frage nach der Bedeutung der Angelegenheit für ihn nicht zulässig ist. Denn die Ausgabe der Wertmarke erfolgt erst nach Zahlung des - gesamten - Betrages von 60,00 Euro (§ 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit sind auch die weiteren Auswirkungen auf die persönlichen Lebensumstände des Klägers zu berücksichtigen. Denn mit dem Besitz der Wertmarke ist eine Erweiterung der Bewegungsmöglichkeit des erheblich gehbehinderten Klägers und damit eine Verbesserung der Lebensqualität verbunden.

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, d.h. der zeitliche Aufwand und die Intensität der anwaltlichen Arbeit, waren hier ebenfalls insgesamt als zumindest durchschnittlich einzuschätzen. Zwar hat eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden. Jedoch ist der Klagebegründung zu entnehmen, dass dieser ein Akten- und Literaturstudium vorausgegangen ist. Zu Recht hat das SG bei der Beurteilung der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit berücksichtigt, dass eine Verständigung mit dem Kläger nur in englischer Sprache möglich ist. Dagegen vermag der Senat dem SG insoweit nicht zu folgen, als es die Auffassung vertreten hat, der Rechtsstreit werfe weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht schwierige Fragen auf. Zwar war - anders als in der überwiegenden Anzahl der Rechtsstreitigkeiten nach dem SGB IX - eine Auseinandersetzung mit medizinischen Gutachten nicht erforderlich. Es ist mangels fehlender Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen auch keine Auseinandersetzung mit ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung notwendig gewesen. Indes hat der Kläger zu Recht hervorgehoben, dass gerader der Umstand, dass entsprechende Rechtsprechung nicht vorhanden ist, die anwaltliche Tätigkeit schwierig gemacht habe, weil eine eigenständige Argumentation habe entwickelt werden müssen. Hinzu kommt, dass das Asylbewerberleistungsrecht in den Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht kaum von Bedeutung ist.

Zwar sind als weiteres Bemessungskriterium auch die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Grundsätzlich können bessere wirtschaftliche Verhältnisse eine höhere Vergütung und schlechtere wirtschaftliche Verhältnisse eine Mäßigung der Gebühr begründen. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers allein rechtfertigen es jedoch nicht, die von seinem Prozessbevollmächtigten getroffene Bestimmung der Mittelgebühr als unbillig zu bewerten. Denn in Fällen, in denen - wie hier - Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, liegen grundsätzlich schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert a.a.O. § 12, Rdn. 15). Zu berücksichtigen sind alle Umstände des Einzelfalls. Anderenfalls könnte ein Rechtsanwalt, der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist, in einem solchen Fall nicht die Gebühr erhalten, die aufgrund des Vorliegens der übrigen Bemessungskriterien gerechtfertigt wäre.

Die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist somit antragsgemäß wie folgt festzusetzen:

Gebühr (§§ 12, 116 Abs. 1 Zif. 1 BRAGO) 355, 00 Euro Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) 20,00 Euro 375,00 Euro
16 % Umsatzsteuer (§ 25 BRAGO) 60,00 Euro
Gesamtbetrag 435,00 Euro.

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werde (§ 177 SGG).