Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 10 SB 74/10 - Urteil vom 08.06.2011
Ein Ausländer, der nicht in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft (pp) ist bzw. dort keinen Arbeitsplatz hat, hat keinen Anspruch auf Feststellung des GdB und von Nachteilsausgleichen, wenn diesem daraus keine konkreten inländische Rechtsvorteile entstehen. Eine rein abstrakte, theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland genügt nicht, um die Durchbrechung des Territorialitätsprinzips zu rechtfertigen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger trotz seines Wohnsitzes im europäischen Ausland Anspruch auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertenrecht hat.
Der 1935 geborene Kläger, der belgischer Staatsangehöriger ist, lebt in Belgien, im Grenzgebiet zur Bundesrepublik Deutschland, im Ort F. Er ist nicht mehr erwerbstätig und bezieht neben einer belgischen auch eine deutsche Altersrente, diese in Höhe von gegenwärtig etwa 44,- Euro monatlich. Er hat bislang in Deutschland keine Steuern gezahlt und auch nicht beantragt, als unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) behandelt zu werden. Der Kläger hat einen Sohn, der mit seiner Familie in Hannover, Deutschland wohnhaft ist und den der Kläger gelegentlich besucht.
Das Versorgungsamt Aachen stellte bei ihm mit Bescheid vom 14.02.2007/Widerspruchsbescheid vom 03.07.2007 wegen "1. Herzleistungsminderung; 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule" einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest; auch zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide war der Kläger in F., Belgien wohnhaft.
Im Juli 2008 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB sowie der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G", was die Beklagte mit Bescheid vom 11.02.2009 ablehnte: Da der Kläger weder in Deutschland wohne, noch hier einen Arbeitsplatz habe, falle er nicht unter das 9. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit welchem der Kläger geltend machte, bei ihm sei trotz des Auslandwohnsitzes ein GdB festzustellen, weil hierdurch für ihn in Deutschland Vergünstigungen bei der Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Betracht kämen, denn sein einziger Sohn lebe in Niedersachsen und er besuche diesen mittels öffentlicher Verkehrsmittel, wies die Bezirksregierung Münster mit Bescheid vom 26.05.2009 zurück.
Mit der hiergegen am 10.06.2009 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das SG hat Beweis erhoben über den Gesundheitszustand des Klägers sowie die bei diesem vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen durch Einholung eines fachinternistischen und arbeitsmedizinischen Gutachtens von Dr. Q von 02.10.2009. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hat sich der Gesundheitszustand des Klägers seit Februar 2007 insbesondere in Bezug auf die kardiale Erkrankung erheblich verschlechtert: Bei Einzel-GdB-Werten von 50 für die kardiale Erkrankung, 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule sowie 20 für diejenigen von Seiten der Kniegelenke sei der Gesamt-GdB mit 60 zu bemessen; der Kläger erfülle auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G".
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.01.2010 abgewiesen: Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könnten im Ausland wohnhafte behinderte Menschen die Feststellung eines GdB beanspruchen, wenn sie hierdurch konkrete Vorteile im Inland erlangen könnten; die abstrakte und rein theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile reiche nicht aus (Bezugnahme auf ein Urteil des BSG vom 05.07.2007, B 9/9a SB 2/07 R in juris). Es könne dahinstehen, ob diese Rechtsprechung auch auf die Feststellung des begehrten Nachteilsausgleichs "G" Anwendung finden könne. Der Kläger habe jedenfalls keine konkreten Vorteile im Sinne der BSG-Rechtssprechung darlegen können. Er sei in Deutschland steuerlich nicht veranlagt und habe auch nicht vorgetragen, hinsichtlich seines Rentenbezuges durch die Feststellung einer Schwerbehinderung Vorteile erlangen zu können. Eventuelle Vorteile durch die begehrte Freifahrtberechtigung im ÖPNV reichten zur Annahme eines solchen konkreten Vorteils nicht aus. Da dem Kläger wegen seines Wohnsitzes im Ausland jedenfalls kein Beiblatt mit einem Streckenverzeichnis ausgestellt werden könne, wären ihm kostenfreie Fahrten ausschließlich im Nahverkehr der Verkehrsverbünde möglich. Diese Möglichkeit könne im Übrigen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Wertmarke mit einer Zuzahlung von 60 Euro pro Jahr erworben werde. Die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Fahrscheine beliefen sich aber nur auf Beträge von 4,10 Euro im Jahr 2007, 27,10 Euro im Jahr 2008 und 27,60 Euro im Jahr 2009. Bei Gegenüberstellung dieser Kosten sei ein finanzieller Vorteil des Klägers lediglich theoretisch. Dem Vortrag des Klägers, er besuche in Deutschland nicht nur seinen Sohn, sondern suche auch Apotheken und Ärzte auf, stünden dessen eigene Angaben entgegen, wonach er ausschließlich bei belgischen Ärzten in Behandlung sei. Jedenfalls ergäbe sich ein etwaiger finanzieller Vorteil bei Inanspruchnahme des begehrten Nachteilsausgleichs "G" nur dann, wenn die Aufwendungen des Klägers für Fahrten im Verkehrsverbund den Zuzahlungsbetrag von 60 Euro jährlich überstiegen. Dies hänge einzig vom tatsächlichen zukünftigen Verhalten des Klägers ab und sei damit rein theoretischer Natur. Der Kläger könne schließlich aus der Tatsache, dass das seinerzeit zuständige Versorgungsamt B mit Bescheid vom 14.02.2007 bereits einen GdB festgestellt habe, keinen Anspruch herleiten, weil dieser Bescheid rechtswidrig sei; eine Selbstbindung der Verwaltung liege nicht vor.
Der Kläger hat gegen das ihm am 24.02.2010 zugestellte Urteil am 10.03.2010 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er weist zudem darauf hin, dass im kulturellen Bereich und bei sonstigen öffentlichen Veranstaltungen regelmäßig für schwerbehinderte Menschen vergünstigte Eintrittspreise vorgesehen seien, die er im Rahmen seiner Besuche der Familie seines Sohnes in I oder bei Aufenthalten im Raum Aachen in Anspruch nehmen könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 25.01.2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2009 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 60 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seit Juli 2008 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig, obwohl zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch die Bezirksregierung Münster zum Erlass des Widerspruchsbescheides sachlich nicht zuständig war. Dies hat der erkennende Senat in seiner Leitentscheidung vom 16.12.2009, L 10 SB 39/09 (Urteil abgedruckt in Juris) entschieden. Anders als noch in dieser Entscheidung war der Widerspruchsbescheid im vorliegenden Verfahren jedoch nicht aufzuheben (Urteil vom 16.12.2009, aa0, Juris Rn 45), weil der Mangel der sachlichen Zuständigkeit durch die Änderung des AG-SGG (Artikel 3 und Artikel 4 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2010, JuMoG NRW, GV. NRW. S 30 ff) und Einführung des § 4a AG-SGG mit rückwirkender Wirkung geheilt worden ist (vgl.. Urteil des erkennenden Senats vom 21.04.2010, L 10 SB 22/09 sowie Urteil des 6. Senats des Hauses vom 13.07.2010, L 6 SB 133/09).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide vom 11.02.2009/26.05.2009 sind rechtmäßig.
Der im Wege des Änderungsantrages nach § 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Anerkennung eines höheren GdB richtet sich nach §§ 2 Abs. 1, 69 SGB IX, derjenige auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nach § 145 SGB IX. Streitgegenständlich ist zudem die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch. Bei verständiger Würdigung des Klage- und Berufungsantrags ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass der Kläger auch diese Feststellung begehrt, da sein Klageantrag bezüglich des Nachteilsausgleichs "G" sonst ins Leere geht. Voraussetzung für die Feststellung dieses Nachteilsausgleichs ist nämlich zunächst die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch. Dieser Anspruch richtet sich nach § 2 Abs. 2 SGB IX.
Für die Anwendung dieser Vorschriften ist, worauf bereits das SG zu Recht hingewiesen hat, die für alle Bücher des SGB geltende Vorschrift des § 30 SGB I maßgebend. Nach dessen Absatz 1 gelten die Vorschriften dieses Gesetzbuchs für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Diese Voraussetzung erfüllt der in Belgien wohnhafte Kläger nicht. Auch die vorübergehenden Besuche des Klägers bei seinem in Deutschland wohnhaften Sohn begründen keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 1 SGB I. Nach dessen Absatz 3 Satz 2 hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Aufenthalt des Klägers bei seinem Sohn findet jeweils nur besuchsweise und damit vorübergehend statt.
Die Vorschriften des SGB I gelten nach § 37 SGB I jedoch nur, soweit sich aus den jeweiligen Gesetzen nichts Abweichendes ergibt. Dies ist im Schwerbehindertenrecht sowohl bezüglich der Statusfeststellungen nach § 2 Abs. 2 und 145 als auch nach § 69 SGB IX der Fall.
1. Ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX besteht auch unter Berücksichtigung der von § 30 SGB I abweichenden Voraussetzungen nicht. Diese Vorschrift lässt es für die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch in Durchbrechung des Territorialitätsprinzips genügen, wenn der schwerbehinderte Mensch seine Beschäftigung auf einen Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs hat. Da der Kläger einer Beschäftigung im Inland nicht nachgeht, erfüllt er auch diese Voraussetzungen nicht. Die Regelung des § 2 Abs. 2 SGB IX bezüglich der Schwerbehinderteneigenschaft ist abschließend.
2. Soweit die Feststellung eines GdB von 60 begehrt wird, ist § 2 Abs. 2 SGB IX nicht einschlägig, weil die Feststellung eines GdB nicht mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gleichzusetzen ist (st Rspr des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 29.04.2010, B 9 SB 1/10 R in juris, Rn 16). Der Anspruch auf Feststellung eines nach Zehnergraden abgestuften GdB richtet sich vielmehr nach § 69 SGB IX und kommt auch für behinderte Menschen in Betracht, die nicht schwerbehindert sind. § 69 SGB IX enthält allerdings keine ausdrückliche Ausnahmebestimmung zu § 30 Abs. 1 SGB I. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Norm Abweichendes im Sinne von § 37 S 1 SGB I (vgl. Urteil des BSG vom 29.04.2010, a.a.O., Rn 18, m.w.N.). Die Feststellung des GdB hat keine unmittelbare, sondern dienende Funktion und gewinnt erst dadurch Bedeutung, dass sie als Statusfeststellung auch für Dritte verbindlich ist und die Inanspruchnahme zahlreicher Vorteile auf unterschiedlichen Rechtsgebieten ermöglicht. Für den Anspruch auf Feststellung eines GdB genügt danach ein Inlandsbezug in dem Sinne, dass der behinderte Mensch wegen seines GdB Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen kann. Solche Vorteile und Nachteilsausgleiche gibt es im Inland in einer unüberschaubar vielfältigen Art und Zahl (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 24.04.2008, B 9/9a SB 8/06 R in juris, Rn 16 f). Eben wegen dieser unüberschaubaren Vielfalt hat ein in Deutschland lebender behinderter Mensch nach dem System des Schwerbehindertenrechts des SGB IX Anspruch auf Feststellung eines GdB, ohne darlegen zu müssen, dass er hieraus einen konkreten Vorteil ziehen könnte und sogar unabhängig davon, ob sich dessen rechtliche und/oder wirtschaftliche Situation tatsächlich unmittelbar verbessert (so zuletzt BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 SB 3/10 R, Rn 24).
Etwas anderes gilt jedoch für im Ausland lebende behinderte Menschen. Deren Anspruch hängt nach ständiger Rechtsprechung des BSG davon ab, ob das Feststellungsverfahren nach § 69 SGB IX diesen konkrete inländische Rechtsvorteile ermöglichen. Eine rein abstrakte, theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland genügt nicht, um die Durchbrechung des Territorialitätsprinzips zu rechtfertigen. Als entsprechender Vorteil ist jedenfalls die Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente für schwerbehinderte Menschen anerkannt (BSG, a.a.O.).
Entsprechende konkrete inländische Rechtsvorteile hat der Kläger nicht dargelegt, wie das SG zurecht ausgeführt hat. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit zunächst auf das angegriffene Urteil Bezug.
Der Kläger kann etwaige Vorteile für seine deutsche Rente durch die Feststellung eines GdB nicht erlangen. Insbesondere stehen ihm keine steuerrechtlichen Vorteile zu. Da er weder deutscher Staatsangehöriger ist, noch im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, noch die Antragsvoraussetzung des § 1 Abs. 3 EStG erfüllt, ist er nicht unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig im Sinne des deutschen Steuerrechts (§ 1 EStG). Damit kann er etwaige Vorteile aus einer Inanspruchnahme des in seiner Höhe vom GdB abhängigen sogenannten Schwerbehindertenpauschbetrages nach § 33b EStG nicht erzielen.
Auch andere Vorteile sind weder dargelegt, noch erkennbar. Der Kläger selbst stützt sein Begehren im Wesentlichen darauf, mit der Feststellung der Schwerbehinderung sowie des Nachteilsausgleichs "G" finanzielle Vergünstigungen in deutschen ÖPNV erhalten zu können. Diese Vorteile kann der Kläger aber gerade nicht erlangen, weil er weder seinen Wohnsitz, noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Arbeitsplatz im Inland hat und damit einen Anspruch nach § 145 SGB IX auf den Nachteilsausgleich "G" nicht durchsetzen kann. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, wie oft der Kläger Verkehrsmittel des ÖPNV in Deutschland in Anspruch nimmt, weil ihm in Folge des fehlenden Anspruches auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weder ein Schwerbehindertenausweis, noch wegen des Nachteilsausleichs "G" ein Beiblatt nach § 3a der Schwerbehindertenausweisverordnung ausgestellt werden kann; dies ist aber Voraussetzung für die Inanspruchnahme der begehrten Vergünstigungen im ÖPNV.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren ergänzend vorgetragen hat, im kulturellen Bereich und bei sonstigen öffentlichen Veranstaltungen gäbe es für schwerbehinderte Menschen regelmäßig vergünstigte Eintrittspreise, die er ggf. in Anspruch nehmen könne, handelt es sich hierbei eben gerade nicht um eine konkrete, sondern vielmehr um die rein abstrakte Möglichkeit der Inanspruchnahme von Vorteilen, bzw. Nachteilsausgleichen, die immer mit der Feststellung eines GdB verbunden sind.
3. Für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" ist, wie bereits ausgeführt, nach § 145 SGB IX die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch erforderlich, deren Feststellung der Kläger wegen der fehlenden Voraussetzung des Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthalts/Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Inland nach § 2 Abs. 2 SGB XI nicht erfüllt.
4. Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus der Vorschrift des § 48 SGB X. Zwar ist entsprechend dessen Abs. 1 S 1 in den tatsächlichen Verhältnissen, die dem bestandskräftigen Bescheid des Versorgungsamts Aachen vom 14.02.2007 zu Grunde lagen, eine Änderung aufgrund der Verschlimmerung des Gesundheitszustandes und der hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers eingetreten, die die Feststellung eines höheren GdB bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des SGB IX rechtfertigen würden. Die Änderung ist jedoch nicht wesentlich, weil sie aus den genannten Gründen nicht zu einem Anspruch auf Feststellung eines GdB, der Schwerbehinderteneigenschaft oder des Nachteilsausgleich "G" führen kann.
5. Schließlich besteht ein Anspruch auf Feststellung eines GdB, der Schwerbehinderteneigenschaft und/oder auf Vergünstigungen im deutschen ÖPNV auch nicht nach übergeordnetem europäischen Gemeinschaftsrecht, welches der Kläger als belgischer Staatsbürger grundsätzlich in Anspruch nehmen kann. Insoweit hat der europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Entscheidung vom 01.10.2009 (C-103/08 in juris) eine im wesentlichen inhaltsgleiche österreichische Regelung zur kostenlosen Zurverfügungstellung einer sogenannten Jahresvignette zur Benutzung österreichischer Mautstraßen durch Behinderte gebilligt.
Eine etwaige sogenannte verdeckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit durch das Territorialitätsprinzip des deutschen Schwerbehindertenrechts verstößt jedenfalls deshalb nicht gegen das Diskriminierungsverbot (Artikel 12 des Vertrags zur Gründung der europäischen Gemeinschaft - EG - , jetzt Artikel 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäische Union - AEUV -) weil sie durch objektive Erwägungen gerechtfertigt ist, die von der Staatsangehörigkeit unabhängig sind und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck stehen. Als solche objektive Erwägungen hat der EuGH die auch im deutschen Schwerbehindertenrecht angestrebte Förderung der Mobilität und Integration von Behinderten, die eine gewisse Verbindung zur Gesellschaft Deutschlands haben, anerkannt (Urteil des EuGH vom 01.10.2009, a.a.O.). Insoweit ist es zulässig, die Inanspruchnahme von Vorteilen des Schwerbehindertenrechts an den Nachweis des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts zu knüpfen, wenn jedenfalls auch andere verbindende Faktoren zum Inland genügen. Artikel 12 EG/18 AEUV steht damit dem Territorialprinzip des deutschen Schwerbehindertenrechts dann nicht entgegen, wenn dieses seine Vergünstigungen nicht allein und ausschließlich an den Wohnort bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland knüpft, sondern auch diejenigen einschließt, die sich aus beruflichen oder persönlichen Gründen regelmäßig hier aufhalten (s. Leitsätze des genannten Urteils des EuGH vom 01.10.2009, a.a.O.). Diese Voraussetzung erfüllt § 2 Abs. 2 SGB IX, indem die Vorschrift den Schutz des Schwerbehindertenrechts auch Personen zu Gute kommen lässt, die ihre Beschäftigung auf einem Inlandsarbeitsplatz haben; damit wird insbesondere der Personenkreis der Grenzgänger in den Schutzbereich des Gesetzes einbezogen (s. hierzu Urteil des BSG vom 05.07.2007, a.a.O., Rn 21).
Das Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, im Ausland lebenden behinderten Menschen einen Schwerbehindertenausweis zu erteilen und sie unentgeltlich oder vergünstigt im ÖPNV zu befördern, wenn sie keine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Inland haben und sich hier aus persönlichen Gründen auch nicht regelmäßig aufhalten (andere Ansicht offenbar: Dau, Anmerkung zu dem Urteil des EuGH vom 01.10.2009 in: jurisPR-SozR 9/2010 Anm. 6). Für einen solchen regelmäßigen Aufenthalt im Inland aus persönlichen Gründen genügt zur Überzeugung des Senats jedenfalls der sporadische Besuch naher Angehöriger oder gar der unregelmäßige Einkauf in deutschen Geschäften oder Apotheken nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Insoweit hat er berücksichtigt, dass eine höchstrichterliche Entscheidung zur Personengruppe des Klägers - Unionsbürger, die sich als Grenzgänger gelegentlich in Deutschland aufhalten, ohne hier einen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Arbeitsplatz zu haben -, insbesondere dazu, ob sich diese Personengruppe von derjenigen der im Ausland wohnenden Behinderten, die sich nie in Deutschland aufhalten und von derjenigen der in Deutschland tatsächlich ansässigen Ausländer ohne qualifizierten Aufenthaltstitel unterscheidet, nicht vorliegt. Zudem geht der Senat zwar davon aus, dass die Frage der Verletzung übergeordneten Gemeinschaftsrechts durch die Entscheidung des EuGH vom 01.10.2009 (aa0) als geklärt anzusehen ist. Die Entscheidung betrifft jedoch österreichische Rechtsvorschriften; zu den deutschen Rechtsvorschriften liegt noch keine Entscheidung des EuGH vor, so dass auch aus diesem Grund die Zulassung der Revision geboten ist.