Tatbestand

Streitig ist die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" - außergewöhnliche Gehbehinderung -.

Bei dem Kläger war durch Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung Potsdam vom 4. Dezember 1992 ein Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) von 60 nebst den gesundheitlichen Voraussetzungen für eine erhebliche Gehbehinderung (Merkzeichen "G") festgestellt worden.

Mit Bescheid vom 19. April 1994 wurde in Ausführung eines gerichtlichen Vergleichs ab dem 7. Mai 1992 (Antragstellung) ein GdB von 70 festgestellt.

Mit Antrag vom 15. September 1998 begehrte der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wegen Verkürzung der Laufstrecke durch Luftnot und Thrombose. Nach Beiziehung von Entlassungsberichten des Klinikums D.v.A. vom 21. Dezember 1998 sowie vom 11. Juni 1999, eines Kurzberichtes des H.-Krankenhauses i. F. vom 16. Juli 1999 und eines Befundberichtes der behandelnden Internistin Dr. G. vom 28. Dezember 1998 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 10. September 1999 nunmehr einen GdB von 80 wegen folgender Behinderungen fest: • Funktionseinschränkung der Hüftgelenke und der Wirbelsäule, künstliches Hüftgelenk rechts - GdB 60 - • Herzleistungsminderung, Bluthochdruck - GdB 30 - • Postthrombotisches Syndrom des linken Beines - GdB 20 • Schlaf-Apnoe-Syndrom mit nasaler Überdruckbeatmung - GdB 20 -. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" wurde abgelehnt, "G" hingegen weiterhin gewährt. In seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er könne nur noch außerordentlich kurze Wege unter Zuhilfenahme von Gehhilfen bewältigen. Daraufhin holte die Versorgungsverwaltung neue Befundberichte von Frau Dr. G. vom 21. Dezember 1999 und 2. Juli 2000 nebst weiteren medizinischen Unterlagen, unter anderem 2 Entlassungsberichte des H.-Krankenhauses i. F. vom 30. August 1999 und 2. Dezember 1999, und Befundberichte des Orthopäden Dipl. Med. R. vom 13. Dezember 2000 sowie des Neurologen und Psychiaters Dipl. Med. Y. vom 3. November 2000 ein. Schließlich wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2001 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Merkzeichen "aG" sei nur zuzuerkennen, wenn wegen der außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das Schwerste eingeschränkt sei. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen gehöre der Kläger jedoch trotz seiner erheblichen Gebehinderung noch nicht zu dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten.

Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.

Das Sozialgericht hat daraufhin zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte (Dipl. Med. R. vom 24. April 2001, Dr. G. vom 9. Mai 2001 und des Orthopäden Dr. L. vom 21. November 2001) eingeholt. Dem Befundbericht von Frau Dr. G. lagen zahlreiche weitere medizinische Befunde bei, unter anderem ein Entlassungsbericht der H-Krankenhaus i. F. gGmbh vom 10. April 2001, ein Arztbrief der Internistin Dr. K. vom 10. November 2000 sowie ein Entlassungsbericht des L. vom 21. Januar 2001. Dr. L. hat seinem Befundbericht einen Entlassungsbericht des M. vom 24. Oktober 2001 über die Implantation einer Knietotalendoprothese (Knie-TEP) links beigelegt. Weiterhin hat das Gericht den Entlassungsbericht des Reha-Klinikums "GH" vom 21. Dezember 2001 beigezogen, aus dem sich ergab, dass der Kläger zum Abschluss der Reha eine Gehstrecke von 100 Metern mit dann anschließenden regelmäßigen Pausen bewältigen konnte.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sich angesichts der Befunde das Merkzeichen "aG" weiterhin nicht begründen lasse. Zwar seien die Leidensbezeichnungen zu ergänzen, es verbleibe jedoch bei einem GdB von 80 und dem Merkzeichen "G".

Auf Anforderung des Gerichts hat der Orthopäde Dr. L. am 6. April 2002 ein Sachverständigengutachten erstellt. Darin ist er zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: 1. Chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom beiderseits bei fortgeschrittener Spondylochondrose, Spondylose, Spondylarthrose der gesamten Lendenwirbelsäule mit Linksskoliose und degenerativem Drehgleiten - GdB 30 - 2. Gutes funktionelles Ergebnis nach Hüft-TEP rechts - GdB 20 - 3. Gutes bis befriedigendes funktionelles Ergebnis nach Knie-TEP links - GdB 20 - 4. Initiale Verschleißerkrankung an vielen großen Körpergelenken (rechte Schulter, beide obere Sprunggelenke, beide Mittelfüße etc) - GdB 10 - 5. Herz-Kreislauf-Leistungsminderung, Bluthochdruck, Zustand nach Lungenembolie - GdB 30 - 6. Diabetes mellitus - GdB 10 - 7. Adipositas per magna. - GdB 10 -. Der Gesamt-GdB sei nach wie vor mit 80 einzuschätzen. Die zwischenzeitlich eingetretene Verschleißerkrankung am linken Kniegelenk habe nur zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Gesamtbefindlichkeit geführt. Der Kläger sei in seiner Gehfähigkeit bereits durch die orthopädischen Erkrankungen sowie die allgemeine Leistungsminderung bei Herz-Kreislauf-Erkrankung, Zustand nach Lungenembolie und erheblicher Adipositas (150 kg bei 193 cm) erheblich beeinträchtigt. Wegen der orthopädischen Erkrankungen sei er auf die Benutzung von 2 Unterarmgehstützen angewiesen. Bei seiner allgemeinen Leistungsminderung sei die Benutzung der Gehstützen zusätzlich erschwerend. Daneben bestehe eine mäßiggradige Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule sowie beginnend der rechten Schulter, die die Benutzung der Gehstützen außerdem zu erschweren vermöge. Der Kläger gebe eine schmerzarme Gehstrecke von 100 bis 150 Metern an. Der Personengruppe der außergewöhnlich Gehbehinderten sei er jedoch noch nicht gleichzusetzen.

Das Gericht hat anschließend einen neuen Befundbericht von Frau Dr. G. vom 27. Mai 2002 eingeholt, worin diese keine Änderung der internistischen Krankheitsbilder angegeben hat. Schwere Dekompensationszeichen oder eine Ruheinsuffizienz lägen nicht vor.

Dr. L. hat in einer vom Gericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 29. Mai 2002 ausgeführt, zum Zeitpunkt seiner Begutachtung hätten keine Anzeichen einer cardiopulmonalen Dekompensation vorgelegen. Unbestritten bestehe bei dem Kläger durch die hochgradige Adipositas, die internistische Leistungsminderung und die zusätzliche orthopädische Erkrankung ein Schadensbild, welches sich ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirke. Dennoch sei eine außergewöhnliche Gehbehinderung - vergleichbar einem Doppeloberschenkelamputierten oder Querschnittsgelähmten - nicht gegeben.

Mit Urteil vom 21. August 2002 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen und einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" verneint. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur unter großen Anstrengungen außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Die Kammer schließe sich insoweit der Beurteilung des Sachverständigen Dr. L. an.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".

Das Gericht hat zunächst Befundberichte der Orthopädin Dipl. Med. K. vom 22. August 2003 und von Frau Dr. G. vom 19. September 2003 eingeholt.

In einer vom Gericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 1. November 2003 führt Dr. L. aus, der von der Orthopädin geäußerte Verdacht einer Endoprothesenlockerung habe sich stationär nicht bestätigt. Allerdings sei ein Patellarückflächenersatz wegen eines so genannten Retropatellarsyndroms durchgeführt worden. Bei unauffälligem postoperativem Verlauf ergebe sich daraus jedoch aller Voraussicht nach keine andere gutachterliche Bewertung. Weiterhin ist der Entlassungsbericht des Reha-Klinikums "GHF" vom 9. Januar 2004 beigezogen worden, in dessen Abschlussbefund ein vornüber gebeugter flüssiger Gang mit raumgreifendem Schritt an 2 Gehstützen mit starkem Abstützen beschrieben wird.

Von Amts wegen hat der Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2004 zusätzlich ab 1. November 2003 das Merkzeichen "B" - Notwendigkeit ständiger Begleitung - zuerkannt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. S. eingeholt. Aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 13. April 2005 gelangt Dr. S. zu folgenden, sich auf das Gehvermögen auswirkenden, Gesundheitsstörungen: • Massiv geminderte Belastbarkeit beider Beine bei TEP rechte Hüfte, linkes Kniegelenk und Arthrose linkes Hüftgelenk und rechtes Kniegelenk, beginnende Arthrose beider Sprunggelenke • Chronische Lumboischialgie bei degenerativ bedingtem Lumbalsyndrom, Skoliose und Spinalkanalstenose • Belastungsminderung der Arme rechts stärker als links bei Schultergelenksarthrose rechts und degenerativ bedingtem Zervikalsyndrom • Massive Adipositas • Herzleistungsminderung mit Belastungsdyspnoe.

Bei der Untersuchung des Klägers am 13. April 2005 sei im Vergleich zu den Vorbefunden und Vorgutachten eine Zunahme der Verminderung der Belastbarkeit hinsichtlich der Geh- und Stehfähigkeit deutlich geworden. In der Gesamtheit des Beschwerdebildes bestehe eine Belastungsdyspnoe schon bei geringsten Anstrengungen infolge Herz-Kreislauf-Leistungsminderung, Zustand nach Lungenembolie und extremer Adipositas. Der Bewegungsradius des Klägers sei schon aus diesem Grund deutlich eingeschränkt. Eigentliche Ursachen seiner verminderten Gehfähigkeit seien eine erheblich verringerte Belastbarkeit beider Beine, ein lumboischialgieformer Beschwerdekomplex sowie eine Arthrose des rechten Schultergelenks. Letzteres bewirke eine schmerzhafte Belastungs- und Bewegungsminderung. Auch die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule führten zeitweise zur verminderten Belastbarkeit der Arme. Die Auswirkungen dieser eigentlichen Ursachen der verminderten Gehfähigkeit würden durch die allgemeine Leistungsminderung verstärkt. Nach Aussage des Klägers habe sich die Gehstrecke in den letzten Jahren stetig verringert. Jetzt betrage sie nach seinen Angaben noch 50 Meter und unter größten Anstrengungen bis zu knapp 100 Metern.

Der Sachverständige gelangt zu der Einschätzung, jenseits der Grenze von 100 Metern sei eine beschwerdearme Fortbewegung kaum noch möglich. Die deutliche Funktionseinschränkung und Belastungsminderung beider Beine werde durch die unzureichende Abstützmöglichkeit mit den Unterarmgehstützen erheblich verstärkt. Insbesondere die schwere Adipositas von 161 kg Körpergewicht setze bei den geschädigten Extremitäten enge Grenzen beim Zurücklegen einer Wegstrecke. Die von Dr. L. vermutete Besserung der Belastbarkeit und Reduzierung der Schmerzbelästigung und damit einhergehende Verbesserung der Gehfähigkeit nach der TEP des linken Kniegelenks sei nicht eingetreten. Es sei ihm daher nicht mehr zuzumuten, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Die Gehfähigkeit sei in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt, so dass er dem Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten wie Doppeloberschenkelamputierten etc. gleichzusetzen sei. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" bestünden spätestens seit dem Zeitpunkt der Untersuchung.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, das Gutachten sei nicht schlüssig, schließlich könne der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen noch eine Strecke von 100 Metern in zumutbarer Weise zurücklegen. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die extreme Adipositas einen erheblichen Anteil an der Einschränkung der Fortbewegung habe. Die aus der Adipositas resultierenden Beeinträchtigungen wie Luftnot und Trainingsmangel dürften jedoch nicht bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger gehbehindert sei, herangezogen werden. Allein die beim Kläger vorhandenen funktionellen Beeinträchtigungen des Stütz- und Bewegungsapparates rechtfertigten das Merkzeichen "aG" nicht. Gleiches gelte für die bisher nachgewiesene Herzleistungsminderung.

Das Gericht hat daraufhin noch ein internistisch-kardiologisches Gutachten von Dr. Dr. F. eingeholt. In seinem Gutachten vom 5. Mai 2006 kommt er zu dem Schluss, beim Kläger lägen folgende, sich auf das Gehvermögen auswirkende, Gesundheitsstörungen vor: 1. Adipositas per magna (BMI 45 kg/m²) 2. Degenerativ bedingtes chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom 3. Coxarthrose beiderseits, Hüft-TEP rechts 4. Gonarthrose beiderseits; Knie-TEP links 5. Omarthrose rechts 6. Oberschenkelschmerzen links nach Muskelfaserriss 2003 7. Sensorische Neuropathie der unteren Extremitäten 8. Postthrombotisches Syndrom links. Der Sachverständige hat einen 6-Minuten-Gehtest durchgeführt, bei dem der Kläger 2 Unterarmgehstützen verwendet und 4 Gehpausen eingelegt hat. Nach einer Gehstrecke von 132 Metern sei die Sauerstoffsättigung im Blut unverändert geblieben. Sämtliche Ergebnisse sprächen für eine gute Funktion sowohl des Herzens als auch der Lunge. Eine Einschränkung der Herz- oder Lungenfunktion, welche für sich allein einen GdB von wenigstens 80 bedinge, liege nicht vor.

Der Kläger verweist darauf, dass bereits Dr. S. das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" bejaht habe. Außerdem legt er einen Arztbrief der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. M. und M. vom 26. September 2006 zur Widerspiegelung seines sich ständig verschlechternden Gesundheitszustandes vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. August 2002 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2001 und des Bescheides vom 16. November 2004 zu verurteilen, ihm das Merkzeichen "aG" ab April 2005 zuzuerkennen,

hilfsweise ein Gutachten von Amts wegen zur Aufklärung des orthopädischen Leidensbildes einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die den Kläger betreffende Schwerbehindertenakte des Beklagten lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.




Entscheidungsgründe


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig jedoch nicht begründet. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine das Merkzeichen "aG" rechtfertigende außergewöhnliche Gehbehinderung.

Das Merkzeichen "aG" ist gemäß § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - bzw. früher § 4 Abs. 4 Schwerbehindertengesetz - i. V. m. der auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festzustellen. Nach Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 der VV sind als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind. Der Kläger gehört hier offensichtlich nicht zu der ausdrücklich bezeichneten Gruppe von Schwerbehinderten.

Der Kläger ist darüber hinaus dieser Personengruppe auch nicht gleichzustellen, denn die Einschränkung seiner Gehfähigkeit ergibt sich im Wesentlichen aus seinem extremen Übergewicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Betroffener gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 der VV aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Bei der Prüfung einer Gleichstellung ist maßgeblich auf Satz 1 der o.g. Verwaltungsvorschrift abzustellen. Denn die in Satz 2 der VV-StVO genannte Gruppe von Schwerbehinderten ist nicht homogen. Vielmehr können einzelne der in der Vorschrift genannten Schwerbehinderten bei einem Zusammentreffen von gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler orthopädischer Versorgung nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen (vgl. Urteil des BSG vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R - sowie Urteil des Senats vom 25. März 2004 - L 11 SB 15/02). Es ist daher nicht erforderlich, dass der Betroffene - wie etwa ein Querschnittsgelähmter - nahezu unfähig ist, sich fortzubewegen. Ausreichend ist vielmehr, dass er auch unter Einsatz orthopädischer Hilfsmittel praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kfz nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung gehen kann (BSG a. a. O.). Ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen lässt sich deshalb weder quantifizieren noch qualifizieren; eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt dazu grundsätzlich nicht. Entscheidend ist, dass die Gehfähigkeit so stark eingeschränkt ist, dass es dem Betroffenen unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BSG a. a. O. unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; auch Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 14. Dezember 2005 - L 5 SB 173/04 - und - L 5 SB 23/05 - ). Allerdings hat das BSG in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2002 zum Ausdruck gebracht, dass die für das Merkzeichen "aG" geforderte große körperliche Anstrengung gegeben sein dürfte, wenn der Betroffene bereits nach einer Wegstrecke von 30 m wegen Erschöpfung eine Pause einlegen müsse.

Im Rahmen der Beurteilung der Gleichstellung kann nur auf solche Gesundheitsstörungen abgestellt werden, die sich auf die Gehfähigkeit beeinträchtigend auswirken. Dies entspricht der Parkerleichterung als Ausnahmegenehmigung. Sie ist dazu gedacht, den Schwerbehinderten mit dem PKW möglichst nah an sein jeweiliges Ziel fahren zu lassen. Der Nachteilsausgleich "aG" soll die neben der PKW-Benutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Es kommt also nicht auf die vergleichbare allgemeine Schwere der Leiden an, sondern auf die Schwere der behinderungsbedingten Einschränkung der Gehfähigkeit. Dies bedeutet zugleich, dass der berechtigte Personenkreis eng zu fassen ist. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift nach dem Zweck des SchwbG bzw. des SGB IX ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BSG SozR 3870 § 3 Nr. 18).

Die bei dem Kläger bestehende Funktionseinschränkung ist nicht mit einem der in der VV-StVO ausdrücklich genannten Beispielsfälle vergleichbar, da erst das Hinzutreten der extremen Adipositas mit einem Übergewicht von mehr als 50 kg die starke Geheinschränkung verursacht, wie sich aus dem Gutachten des Dr. S. von August 2005 ergibt. Eine Adipositas allein bedingt keinen GdB (Nr. 26.15 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) von 2004 und 2005) und ist damit in der Regel nicht als Behinderung im Sinne des Schwerbehindertenrechts anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei einer Übergewichtigkeit und einem mangelnden Trainingszustand um solche Faktoren, die für die Beurteilung einer behinderungsbedingten Einschränkung der Gehfähigkeit im Sinne der AHP außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Urteil des BSG vom 13. August 1997 - 9 RVs 1/96 - zum Merkzeichen "G"). Die AHP tragen dadurch dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (vgl. Urteil des BSG vom 13. August 1997).

Für den Nachteilsausgleich "aG", der ebenfalls die Gehfähigkeit betrifft, kann insoweit nichts anderes gelten als für den Nachteilsausgleich "G" (so auch: Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 2005 - L 4 SB 54/05 -). Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers auf orthopädischem und internistischem Gebiet begründen für sich aber nicht das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung, wie sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Dr. S. ergibt. Dieser schildert in seinem klinischen Befund folgende Funktionseinschränkungen bei dem über 70-jährigen Kläger: • Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule in allen Ebenen um ca. die Hälfte bei röntgenologisch nachgewiesenen Verschleißerscheinungen • Starke Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule (FBA 100 cm, Reklination aufgehoben) bei röntgenologisch nachgewiesenen Verschleißerscheinungen und Drehgleiten bei L3 • Sensibilitätsstörungen linker und rechter Fuß sowie Unterschenkel; leichte Zehenheberschwäche links • Bewegungseinschränkung vorwiegend des rechten Schultergelenks (aktives Anheben nur bis 100°) bei Schmerzen • Mittelgradige Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke bei TEP rechts und Arthrose • Geringgradige Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke bei TEP links; links Druckschmerz, Kapselschwellung bei Arthrose • Ödeme beider Unterschenkel und Sprunggelenke • Bewegungseinschränkung vorwiegend des rechten Sprunggelenks bei Arthrose. Hinzu kommen internistische Gesundheitsstörungen des Herz-Kreislauf-Systems bei Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Schlafapnoesyndrom mit Überdruckbehandlung und leichter Einschränkung der Lungenfunktion (festgestellt durch Dr. Dr. F.). Eine koronare Herzkrankheit liegt nicht vor.

Zwar ergibt sich bei einem Vergleich der Befunddaten des Dr. L. von 2002 und des Dr. S. von 2005 insbesondere bezüglich der Wirbelsäule, der rechten Schulter, der Hüftgelenke und des rechten Sprunggelenks eine Befundverschlechterung bei im Wesentlichen seit langem unverändertem Gangbild. Diese Befundverschlechterung rechtfertigt jedoch - entgegen der Ansicht von Dr. S. - keine außergewöhnliche Gehbehinderung. Denn entscheidend für die starke Gehstreckenlimitierung sind weder die orthopädischen noch die internistischen Beschwerden - letztere sind nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Dr. F. nicht gravierend -, sondern das massive Übergewicht. Aufgrund des Übergewichts verstärken sich die Schulterbeschwerden, so dass der Kläger die Gehstützen nur eingeschränkt benutzen kann. Andererseits belastet das Übergewicht auch die unteren Extremitäten zu stark, als dass diese in der Lage wären, das Körpergewicht ohne die Hilfe von Gehstützen zu tragen. Berücksichtigt man zudem, dass zwischen der Begutachtung durch Dr. K. im März 2002 und derjenigen durch Dr. S. im April 2005 eine weitere Gewichtszunahme um rund 10 kg erfolgt ist, so wird zur Überzeugung des Senats deutlich, dass entscheidend für die weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes und des Gehvermögens die massive Adipositas ist. Da sich die - weitere - Einschränkung des Gehvermögens aber erst durch das Hinzutreten der massiven Adipositas ergibt, liegen die Voraussetzungen zur Feststellung des Nachteilsausgleich "aG" nicht vor.

Dr. Dr. F. hat darüber hinaus in seinem Gutachten keine derart gravierende Funktionseinschränkung der Herz- oder der Lungenfunktion gefunden, dass sich dafür allein ein GdB von 80 begründen würde (vgl. AHP 2004 bzw. 2005 Nr. 31 Abs. 4). Dieses Ergebnis entspricht den bereits vorhandenen Befunden der behandelnden Ärzte.

Eine weitere dauerhafte Verschlimmerung des Gehvermögens ergibt sich nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Befund der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. M. und M. vom 26. September 2006. Dieser betrifft ausschließlich die Funktion der rechten Schulter und beschreibt für den 26. September 2006 gegenüber dem Befund des Sachverständigen Dr. S. lediglich eine graduell schlechtere Schultergelenksbeweglichkeit. Anlass zu weiterer Beweiserhebung ergab sich hieraus für das Gericht nicht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.