Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung).

Der 1943 geborene Kläger bewohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau nach einem Umzug zum 1. Juni 2009 nunmehr eine 3-Zimmer-Mietwohnung im 1. Obergeschoss eines ohne Aufzug ausgestatteten Mehrfamilienhauses. Bis zu seiner Verrentung war der Kläger zuletzt als Angestellter im Strafvollzugsdienst des Landes B beschäftigt. Seit dem 1. April 2006 bezieht er von der zuständigen Pflegekasse Leistungen der Pflegestufe II, nachdem ihm zuvor ab dem 1. August 2001 Leistungen der Pflegestufe I gewährt wurden.

Aufgrund einer im Jahre 1998 erlittenen osteoporotischen Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelsäulenkörpers beantragte der Kläger am 14. Dezember 1999 die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) und die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "H" (Hilflosigkeit). Mit Bescheid vom 3. März 2000 stellte der Beklagte nach Einholung einer ärztlichen Auskunft des Facharztes für Innere Medizin Dr. F vom 14. Januar 2000 und einer gutachtlichen Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. G vom 19. Februar 2000 wegen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule bei Lendenwirbelfraktur und Osteoporose einen GdB von insgesamt 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" fest; die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" lägen indes nicht vor.

Auf den Änderungsantrag des Klägers vom 17. Juni 2003, mit dem er zugleich unter Hinweis auf eine bestehende schwerwiegende Steh- und Gehbehinderung die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" beantragt hatte, holte der Beklagte eine ärztliche Auskunft der Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie und Ultraschall Dr. P vom 12. August 2003 sowie eine gutachtliche Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. F vom 18. Dezember 2003 ein. Der gutachtlichen Stellungnahme folgend änderte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2004 gemäß § 48 des Sozialgesetzbuches X. Buch (SGB X) seinen Bescheid vom 3. März 2000 ab dem 17. Juni 2003 dahingehend ab, dass mit Blick auf die bei dem Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen

- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule, verheilter Wirbelbruch, Versteifung von WS-Abschnitten, Osteroporose - Verschlimmerung - (Einzel-GdB 70) - Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links - neu hinzugekommen - (Einzel-GdB 20)

der GdB insgesamt mit 80 zu bewerten sei; die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "G" lägen vor, nicht jedoch die für das Merkzeichen "aG".

Mit hier interessierendem Änderungsantrag vom 21. September 2005 beantragte der Kläger unter Hinweis auf ein bestehendes Augenleiden, eine Bronchitis, das Bestehen von Herz-Rhythmus-Störungen sowie einen im August 2005 erlittenen Oberschenkelhalsbruch die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG", "H" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).

Der Beklagte holte daraufhin ärztliche Auskünfte der Augenärztin Dr. H vom 11. Oktober 2005, des Facharztes für Innere Medizin Dr. F vom 19. Oktober 2005, der Fachärztin für Orthopädie Dr. P vom 2. November 2005 und des Facharztes für HNO-Erkrankungen Dr. J vom 2. November 2005 sowie eine gutachtliche Stellungnahme des Arztes M vom 26. November 2005 ein, der zu der Einschätzung gelangte, dass der GdB trotz Hinzutretens eines Leberschadens (Einzel-GdB 30), einer Funktionsbehinderung des Hüftgelenkes links (Einzel-GdB 10) und einer Schuppenflechte (Einzel-GdB 10) bei gleichzeitiger Besserung der Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links (Einzel-GdB 10) unverändert mit 80 zu bewerten sei.

Dem folgend lehnte der Beklagte mit hier angefochtenem Bescheid vom 27. Januar 2006 eine Höherbewertung des GdB und auch die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der weiteren Merkzeichen "aG", "H" und "RF" ab. Aufgrund des hiergegen erhobenen Widerspruchs vom 16. Februar 2006, mit dem der Kläger insbesondere geltend gemacht hatte, dass der Oberschenkelhalsbruch nicht ausgeheilt und ihm ab Dezember 2005 ein Rollstuhl verordnet worden sei, holte der Beklagte weitere ärztliche Auskünfte der Augenärztin Dr. H vom 24. Februar 2006, des Facharztes für Innere Medizin Dr. F vom 10. März 2006 und der Fachärztin für Orthopädie Dr. P vom 25. April 2006 sowie eine gutachtliche Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Medizinalrat Dr. W vom 10. Juni 2006 ein. Aufgrund des beigezogenen Pflegegutachtens der Pflegefachkraft M S des M vom 9. Mai 2006, das zur Anerkennung der Pflegestufe II ab dem 1. April 2006 geführt hatte, gelangte die Ärztin Dr. R in ihrer gutachtlichen Stellungnahme vom 24. November 2006 zu der Einschätzung, dass bei im Übrigen unveränderter Bewertung die Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "H" ab dem 1. April 2006 (Zuerkennung der Pflegestufe II) gegeben seien. Dementsprechend gab der Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich des Merkzeichens "H" mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2006 statt und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Der Kläger hat am 20. Dezember 2006 Klage erhoben, mit der er zunächst nur die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "aG" geltend gemacht und später auch die Feststellung eines GdB von 100 sowie (vgl. insoweit den vom Kläger selbst ausgefüllten Fragebogen zur Person vom 10. März 2007) die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "RF" begehrt hat.

Das Sozialgericht hat Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. F vom 30. Mai 2007, des Facharztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Chirotherapie Dr. B vom 4. Juni 2007 und des Facharztes für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Physiotherapie Dr. H vom 21. September 2007 eingeholt. In seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 5. November 2007 hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G-L auf ein hinzugetretenes epileptisches Anfallsleiden (Einzel-GdB 40) sowie eine Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenkes (Einzel-GdB 40) hingewiesen und einen GdB von insgesamt 100 befürwortet. Dem zumindest im Ergebnis folgend hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. November 2007 ein Teilanerkenntnis auf Feststellung eines GdB von 100 ab April 2007 abgegeben, das der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Januar 2008 angenommen hat.

Das Sozialgericht hat sodann die Fachärztin für Chirurgie und Orthopädie Dr. T mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 11. März 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16. Mai 2008 gelangt die Sachverständige nach einmaliger ambulanter Untersuchung des Klägers zu der Einschätzung, dass sich zwar das chronische Thorakolumbalsyndrom bei Zustand nach Spondylodesen wegen osteoporotischer LWK1-Kompressionsfraktur, die Coxarthrose mit Verkürzung und Außenrotation verheilter pertrochantärer Fermurfraktur links und der Zustand nach Implantation einer Schulterprothese rechts auf die Fortbewegungsfähigkeit auswirken würden. Sowohl unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers als auch aufgrund der klinisch objektiven Befunde dürfte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht zutreffen, dass der Kläger einer Gehstreckenlimitierung von unter 100 bis 200 Meter unterliege. Der Kläger könne sich ohne fremde Hilfe fortbewegen. Er sei in seiner Geh- und Stehfähigkeit nicht derart eingeschränkt, wie es regelmäßig Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Hüftexartikulierte oder einseitig Oberschenkelamputierte seien, die dauernd außerstande seien, ein Kunstbein zu tragen, oder die nur eine Beckenkorbprothese tragen könnten oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert seien. Eine Vergleichbarkeit zu vorgenannter Personengruppe lasse sich vorliegend nicht begründen.

Mit Urteil vom 29. Oktober 2008 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die in der mündlichen Verhandlung auf das Merkzeichen "aG" beschränkte Klage abgewiesen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Der Kläger sei unter Berücksichtigung der Feststellungen und der Einschätzung der Sachverständigen Dr. T, denen die Kammer folge, nicht außergewöhnlich gehbehindert. Die Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger nicht zu dem begünstigten Personenkreis gehöre, denen das Merkzeichen "aG" zu erteilen sei. Insbesondere sei der Kläger dem ausdrücklich genannten Personenkreis nicht gleichzustellen.

Gegen das ihm am 24. Februar 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. März 2009 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der er sein Begehren auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" weiterverfolgt. Er ist der Ansicht, dass der Einschätzung der Sachverständigen Dr. T nicht gefolgt werden könne, da diese auf seiner ungenauen und unvollständigen Selbsteinschätzung seiner Gehfähigkeit beruhe. Dass seine eigenen Angaben insoweit nicht verwertbar seien, zeige gerade der im Berufungsverfahren eingeholte Befundbericht des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. B vom 21. Juli 2010. Feststehe, dass er sich nur mit fremder Hilfe, insbesondere der seiner Ehefrau, fortbewegen könne. Es sei außerdem rollstuhlpflichtig, was durch das Attest der Orthopädin Dr. P vom 16. April 2008 belegt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 27. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 in der Fassung des mit Schriftsatz vom 28. November 2007 abgegebenen Teilanerkenntnisses zu verpflichten, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) ab dem 21. September 2005 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er ergänzend auf die versorgungsärztliche Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. H vom 8. September 2010.

Das Landessozialgericht hat eine Epikrise des Krankenhauses R vom 9. Juni 2008 über den dortigen klägerischen Aufenthalt in der Zeit vom 16. bis zum 29. Mai 2008 sowie eine weitere ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. T vom 11. Dezember 2009 eingeholt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der angefochtene Bescheid vom 27. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 in der Fassung des mit Schriftsatz vom 28. November 2007 abgegebenen Teilanerkenntnisses ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG". Denn der Kläger ist nicht außergewöhnlich gehbehindert.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" ist § 69 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, wobei Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung die in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) enthaltenen Regelungen sind. Nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Dazu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 erster Halbsatz VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29. März 2007 - B 9 a SB 5/05 R -, zitiert nach juris). Dabei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecken ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R -, zitiert nach juris).

Ob und inwieweit zur Beurteilung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ergänzend die im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen in Teil D Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der seit dem 01. Januar 2009 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 in ihrer jeweils geltenden Fassung heranzuziehen sind, kann dahinstehen. Denn ungeachtet der Frage, ob die Regelungen der VersMedV zum Merkzeichen "aG" rechtswirksam erlassen worden sind (vgl. hierzu verneinend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2010 - L 8 SB 3119/08 -, zitiert nach juris), liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für den von dem Kläger begehrten Nachteilsausgleich auch unter Berücksichtigung dieser Regelungen nicht vor. Der Kläger gehört unstreitig nicht zum ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten. Der Kläger ist vorgenanntem Personenkreis auch nicht gleichzustellen, da sein Gehvermögen nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsvorschrift bzw. in der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der medizinischen Ermittlungen fest.

Dabei kann sich der Kläger insbesondere nicht erfolgreich darauf berufen, er sei, um sich fortbewegen zu können, ständig auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Dies könnte zwar eine Vergleichbarkeit mit der Gruppe der Doppeloberschenkelamputierten u. a. indizieren (vgl. hierzu auch Teil D Ziffer 3 der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 115). Die ständige Angewiesenheit des Klägers auf einen Rollstuhl ist jedoch nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und Feststellungen nicht belegt. Soweit der Kläger ein Attest der Orthopädin Dr. P vom 16. April 2008 überreicht hat, wonach er "derzeit rollstuhlpflichtig" sei, lässt sich dem ein ständiges und damit fortdauerndes Angewiesensein auf einen Rollstuhl nicht entnehmen. Überdies hat die Sachverständige Dr. T überzeugend dargelegt, dass die bestehende Osteoporose den Kläger gerade nicht dazu zwingt, sich nur mittels eines Rollstuhls fortbewegen zu können. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Epikrise des Krankenhauses R vom 9. Juni 2008, wonach der Kläger ohne weiteres auch in der Lage ist, zum Zwecke der Fortbewegung einen Rollator zu nutzen, und dessen Nutzung aufgrund fortschreitender Osteoporose als notwendig angesehen wird.

Eine Gleichstellung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger sich nur mit fremder Hilfe fortbewegen könnte. Aus Vorstehendem ergibt sich, dass der Kläger in der Lage ist, sich selbstständig fortzubewegen. Bestätigt wird dies durch das Pflegegutachten vom 9. Mai 2006, wonach der Kläger keine Unterstützung beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie beim Treppensteigen benötigt, beim Gehen lediglich der Beaufsichtigung und beim Stehen der Teilübernahme bedarf. Die diesbezüglich entgegenstehenden Einlassungen des Klägers sind rein subjektiver Natur und werden durch die eingeholten medizinischen Befunde widerlegt. Eine Gleichstellung ist auch nicht deshalb geboten, weil sich der Kläger nur unter ebenso großer Anstrengung wie die ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten fortbewegen könnte. Für die Beurteilung einer Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen lässt sich griffig jedoch weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen, wie die Anlage zu § 2 VersMedV im Übrigen auch, nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Die für den Nachteilsausgleich "aG" geforderte große körperliche Anstrengung ist gegeben, wenn die Wegstreckenlimitierung darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft ist und Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann. Dass der betroffene Gehbehinderte nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, ist allerdings lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" reichen irgendwelche Erschöpfungszustände zudem nicht aus. Vielmehr müssen sie in ihrer Intensität mit den Erschöpfungszuständen gleichwertig sein, die bei den ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten auftreten. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes oder die Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich u. a. aus der Dauer der erforderlichen Pausen sowie den Umständen herleiten, unter denen der Betroffene nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Pausen ist im Hinblick auf die von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (vgl. zu Vorstehendem BSG, Urteile vom 29. März 2007 - B 9a SB 1/06 R und 5/05 R -, jeweils zitiert nach juris).

Bei Beachtung dieser Bewertungskriterien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich der Kläger nicht nur noch mit großer Anstrengung praktisch von den ersten Schritten außerhalb eines Kraftfahrzeuges fortbewegen kann. Der Senat folgt insoweit den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. T die im Ergebnis ausgeführt hat, dass der Kläger in der Lage ist, eine Wegstrecke von jedenfalls 100 Metern zurückzulegen, ohne insoweit wesentlichen Erschöpfungszuständen ausgesetzt zu sein. Diese Ausführungen überzeugen, weil die Sachverständige zu dieser Einschätzung auch aufgrund der klinischen Feststellungen gelangt ist, wie sie von ihr ungeachtet der von dem Kläger gemachten Angaben im Rahmen der Untersuchung getroffen worden sind. Die Sachverständige beschreibt im Wesentlichen ein mit Schuhen ausreichend sicheres Gangbild ohne Hinken bei leicht reduzierter Schrittlänge und verzögertem Schritttempo. Internistische Gesundheitsstörungen, die Einfluss auf die Fortbewegungsfähigkeit hätten, konnten von der Sachverständigen Dr. T nicht festgestellt werden. Gleiches gilt insbesondere auch für den Bereich der unteren Extremitäten. Es waren allenfalls leichte bis mäßige Funktionsstörungen des linken Hüftgelenkes nachzuweisen. Indes sind bei dem Kläger unstreitig Beschwerden gegeben, die sich auf die bei ihm bestehende Osteoporose zurückführen lassen und - wie auch durch den in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten Befund der Praxis für Radiologie, Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung Dr. M und Partner vom 10. Mai 2010 nebst Anlage erneut belegt wird - von wesentlicher Natur sind. Diese Beschwerden wirken sich jedoch entgegen der Einschätzung des Klägers gerade nicht in entscheidungserheblicher Weise auf sein Gehvermögen aus und führen insbesondere nicht dazu, dass sich der Kläger nur noch unter größter Anstrengung quasi von den ersten Schritten an außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen könnte. Denn objektiv schränkt das diesbezügliche Erkrankungsbild die Fortbewegungsfähigkeit nicht maßgeblich ein, vielmehr ist eine kontinuierliche Bewegung geradezu geboten, um einem Fortschreiten der Erkrankung entgegenzuwirken. Bestätigt wird dies im Ergebnis auch durch die Epikrise des Krankenhauses R vom 9. Juni 2008, wonach der Kläger in der Lage ist, längere Wegstrecken am Rollator zurückzulegen. Auch wenn sich hierbei ebenso wie bei der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. T Hüftschmerzen eingestellt haben, lässt sich dem nicht entnehmen, dass die Absolvierung von Wegstrecken mit einem erheblichen Erschöpfungszustand einhergeht, der dem Kläger das Gehen von den ersten Schritten außerhalb eines Kraftfahrzeuges nahezu unmöglich macht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst. Anlass dafür, aufgrund des von dem Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Teilanerkenntnisses eine Kostenquotelung vorzunehmen, sieht der Senat nicht. Der Kläger hat zwar die Feststellung eines höheren GdB zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht. Dies ist jedoch nach Ablauf der in § 87 SGG geregelten Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 geschehen, so dass er ohne das Teilanerkenntnis des Beklagten mit diesem Begehren - ebenso wie mit dem ebenfalls erst nach Ablauf der Klagefrist geltend gemachten Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF", auf den er im Rahmen seiner Antragstellung in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichtes nicht mehr zurückgekommen ist - nicht hätte durchdringen können.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.