L 12 RA 1624/03 KO-A Landessozialgericht Baden-Württemberg - Beschluss vom 17. Februar 2004

 


Gründe

I. In dem beim Sozialgericht Heilbronn (SG) anhängigen Klageverfahren (S 8 RA 2926/01) erstattete der Antragsteller auf Veranlassung des SG das Sachverständigengutachten vom 26.8.2002.

Nach Übersendung des Gutachtens lehnte die Klägerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung. trug sie unter anderem vor, der Akteninhalt und ihre Angaben seien teilweise unzutreffend wiedergegeben worden, wesentliche Anknüpfungstatsachen würden ignoriert, relevante Fakten verkannt, es werde voreingenommen bewertet; der Sachverständige halte aufgrund seiner Omnipotenz eine fachliche Auseinandersetzung und Abwägung mit Vorgutachten offensichtlich nicht für erforderlich.

Mit Beschluss vom 13.2.2003 gab das SG dem Befangenheitsantrag nicht statt. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein (L 9 RA 875/03 B). Zur Begründung gab sie an, teilweise gehe der Gutachter nicht auf die Angaben der Klägerin ein. Von einem gewissenhaften Gutachter sei zu erwarten, dass er die detailliert erfolgten Ausführungen und belegbaren Tatsachen zu den sexuellen Misshandlungen der Klägerin wahrnehme, aufgreife, festhalte und diese Gesichtspunkte im Gespräch mit der Klägerin überprüfe. Die Darlegungen und Anknüpfungstatsachen sowie die Wiedergabe der Aktenlage seien in wesentlichen Punkten unzutreffend.

Die Berichterstatterin forderte den Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 12.3.2003 zur Stellungnahme auf.

Mit Schreiben vom 17.3.2003 nahm der Sachverständige zu der Beschwerde Stellung: Er habe in keiner Weise die gebotene Objektivität verletzt. Hierbei ging er auf die einzelnen Kritikpunkte am Inhalt seines Gutachtens nochmals ein. Mit Beschluss vom 12.5.2003 hat das SG die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 19.3.2003 stellte er bei einem Stundensatz von 41,- € für die Stellungnahme 104,04 € (Zeitaufwand zwei Stunden) in Rechnung.

Mit Schreiben vom 14.4.2003 lehnte die Kostenbeamtin die Entschädigung ab: Der Antragsteller sei nicht zu Beweiszwecken in Anspruch genommen worden, sondern lediglich bezüglich des Befangenheitsantrags.

Hierauf hat der Antragsteller die richterliche Kostenfestsetzung beantragt: Nach den Darstellungen des Bevollmächtigten der Klägerin sei es notwendig gewesen, eine eingehende Stellungnahme abzugeben, um dem Gericht die Möglichkeit zugeben die tatsächlichen Sachverhalte ausführlich und zutreffend zu bewerten. Durch die neu formulierte Darstellung des Bevollmächtigten der Klägerin sei es notwendig gewesen, zum Gutachtens selbst und zu dem Vorwurf der Befangenheit Stellung zunehmen.

Der Antragsgegner hält die Auffassung der Kostenbeamtin für zutreffend.

II. Der Antrag auf richterliche Fristsetzung der Entschädigung für die Stellungnahme vom 17.3.2003 führt zu einer Entschädigung in Höhe von 104,40 €.

Nach § 3 ZSEG werden Sachverständige für ihre Leistungen entschädigt. Diese besteht in erster Linie in der Erstellung eines Gutachtens.

Wird der Sachverständige vom Gericht aufgefordert, zu einem Ablehnungsgesuch Stellung zunehmen, so ist es nur dann richtig, ihn für eine Stellungnahme nicht zu entschädigen, wenn die Besorgnis der Befangenheit im persönlichen Verhalten des Sachverständigen gesehen wird, etwa in seinen Äußerungen gegenüber einem Prozessbeteiligten.

Entgegen der vom Antragsgegner vorgelegten Auffassung des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg (Beschluss v. 4.9.01, Az.: L 2 SF 19/01) kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige, wird er zu einem Ablehnungsantrag wegen der Besorgnis der Befangenheit zur Stellungnahme aufgefordert, nicht zu Beweiszwecken tätig werde.

Zur Leistung des Sachverständigen, die nach § 3 ZSEG zu entschädigen ist, gehören auch die Ausführungen des Sachverständigen in seiner Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch, das auf den Inhalt des Gutachtens gestützt ist.

Wird der Ablehnungsantrag mit Ausführungen zum Inhalt des Sachverständigengutachtens begründet, hängt die Verwertbarkeit des Sachverständigengutachtens zu Beweiszwecken davon ab, ob der Sachverständige diese Einwände für das Gericht nachvollziehbar widerlegen kann. Anders als bei Ablehnungsvorwürfen, die sich nicht auf den Inhalt des Gutachtens beziehen, sondern auf die Person des Gutachters, etwa wegen dessen Äußerungen gegenüber einem Prozessbeteiligten, ist es hier notwendig, dass der Sachverständige sich mit den inhaltlichen Vorwurf auseinandersetzt und für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar hierzu Stellung nimmt. Der Sachverständige hat dafür Sorge zu tragen, dass ein verwertbares Gutachten erstellt wird, und zwar nicht nur im eigenen Interesse zur Vermeidung des Verlustes des Entschädigungsanspruchs wegen einer Pflichtverletzung, sondern auch zur Förderung des Verfahrens (OLG Frankfurt/M. MDR 1993, 484). In Fällen, in denen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten erforderlich ist und daher auch Beweiszwecken dient, ist diese Tätigkeit folgerichtig auch zu entschädigen.

Sowohl der Stundensatz von 41,- € als auch der Zeitaufwand von zwei Stunden sind für die Abgabe der Stellungnahme angemessen. Unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer (14,40 €) beträgt die Entschädigung somit 104,40 €.

Die Entschädigung der Schreibgebühren sind gesondert durch das Schreibbüro in Rechnung gestellt worden. Hierzu ist unter Beachtung dieses Beschlusses eine gesonderte Entschädigung vorzunehmen.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 16 Absatz 2 Satz 4 ZSEG).