Gründe:

I.

In dem beim Senat anhängigen Berufungsverfahren L 12 RJ 1296/04 geht es um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat mit Schreiben vom 01.07.2004 beim Antragsteller unter Beifügung von ca. 800 Blatt Akten ein internistisch-rheumatologisches Fachgutachten in Auftrag gegeben, das dieser unter dem Datum des 05.08.2004 auf insgesamt 41 Seiten erstattet hat. Dabei hat er auf 30 Seiten die Anamnese und die Befunde sowie die Auswertung der Fragebögen dargestellt und auf insgesamt neun Seiten die Beweisfragen des Senats (ohne deren Wiederholung) beantwortet.

Mit seiner Rechnung vom 20.08.2004 hat der Antragsteller zunächst die Vergütung von 21,5 Stunden zu je 60 EUR zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer und Versandauslagen begehrt. Auf Nachfrage des Senats hat er seine Rechnung überprüft und wie folgt spezifiziert:

Aktenstudium 4,25 Stunden Untersuchung mit Anamneseerhebung 4,25 Stunden Diktat von Anamnese und Befunden einschließlich Auswertung der Fragebögen (letzteres 2,25 Stunden) 6,5 Stunden Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat 3,25 Stunden Korrektur 2,5 Stunden Insgesamt 20,75 Stunden

Bei einem Stundensatz von 60 EUR und (aufgerundet) 21 Stunden ergebe sich ein Betrag von 1260,00 EUR. Zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer (201,60 EUR) und Versandauslagen inklusive Porto (15,00 EUR) betrage die Rechnungssumme 1476,60 EUR.

Der Antragsgegner hat gegen eine Vergütung in dieser Höhe keine Einwände erhoben.

II.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.6.2004 an den Antragsteller erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).

Im Hinblick auf das neue Kostenrecht hält der Senat nach § 4 Abs. 1 JVEG eine gerichtliche Festsetzung der Vergütung von Amts wegen für angemessen und er entscheidet deshalb - § 4 Abs. 7 JVEG sieht eine Entscheidung des Einzelrichters nur über einen Antrag auf richterliche Festsetzung vor - in voller Besetzung.

Die Vergütung ist antragsgemäß in Höhe von 1476,60 EUR festzusetzen.

Grundlage des Vergütungsanspruches ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG. Danach erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen bemessen ist. Dementsprechend wird es gem. § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages.

A. Stundenzahl

Aus § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG ergibt sich damit, dass sich die Anzahl der zu vergütenden Stunden nicht daran orientiert, wie viele Stunden der Sachverständige zur Erstattung des Gutachtens aufwandte, sondern daran, wie viele Stunden für die Erstattung des Gutachtens erforderlich waren. Insoweit ist keine Änderung der Rechtslage gegenüber dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) eingetreten. Für die Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es - wie im bisherigen Recht, vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG - nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten Stunden an. Auch hängt die Zeit, die erforderlich ist, nicht von der individuellen Arbeitsweise des jeweiligen Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., § 3 Rdnr. 21).

Wie bisher schon kann auch unter der Geltung des JVEG allerdings davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit richtig sind und dass die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Dementsprechend findet regelmäßig nur eine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung anhand allgemeiner Erfahrungswerte statt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sachverständige eine Kostenrechnung vorlegt, anhand derer eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen werden kann. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Sachverständige die Kostenrechnung entsprechend der Vorgaben verfasst, wie sie ihm im Merkblatt, das er zusammen mit dem Gutachtensauftrag erhält, mitgeteilt werden. Sofern der Sachverständige innerhalb des durch die Plausibilitätsprüfung gezogenen Rahmens bleibt oder diesen Rahmen nur geringfügig überschreitet, wird er antragsgemäß entschädigt. Verlangt er erheblich mehr als die sich nach der Plausibilitätsprüfung ergebenden Stunden vergütet, muss diese Überschreitung nachvollziehbar sein, entweder aufgrund ohne weiteres erkennbarer oder auf Grund vom Sachverständigen vorgetragener besonderer, eine Abweichung von den allgemeinen Erfahrungswerten rechtfertigender Umstände. Lässt sich die (erhebliche) Überschreitung nicht nachvollziehen, können nur die auf Grund der Plausibilitätsprüfung ermittelten Stunden vergütet werden.

In der bisherigen Praxis der Kostenbeamten und des Senats wurde zur Feststellung der zu entschädigenden Stundenzahl und der hierzu erforderlichen Prüfbarkeit der Abrechnung eine Aufgliederung der geleisteten Stunden nach Aktenstudium, Anamnese und Untersuchung, Abfassung des Gutachtens sowie Diktat und Korrektur verlangt und der Beurteilung zu Grunde gelegt. Für das Aktenstudium wurde im Regelfall für die Durchsicht von 150 bis 200 Aktenblättern eine Stunde für erforderlich gehalten. Es handelte sich hierbei um einen Erfahrungssatz aus dem richterlichen Bereich, der auch berücksichtigte, dass für den medizinischen Sachverständigen nur bestimmte Aktenteile von Interesse sind, die er herauszusuchen und zu erfassen hat, soweit es für die Beantwortung der Beweisfragen notwendig ist. Für die Abfassung des Gutachtens fanden sich grundsätzlich keine fiktiven Sätze, insbesondere konnte die Seitenzahl des Gutachtens und speziell die auf die Beurteilung entfallende Seitenzahl nicht mehr als ein ganz grober Anhaltspunkt sein. Maßgeblich war in erster Linie der Inhalt des Gutachtens, in dem der Grad der Intensität und die Gewissenhaftigkeit der Arbeitsweise des Sachverständigen zum Ausdruck kommt. Dieser Teil umfasste die eigentliche Gedankenarbeit mit der Auswertung der Befunde und deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen sowie die diktatreife Vorbereitung des Konzepts. Durchsicht und Korrektur des Gutachtens erforderten nach Auffassung des Senats einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für sechs Gutachtensseiten. Dies berücksichtigte, dass der wesentliche Teil der mit einem Gutachten verbundenen gedanklichen Arbeit bereits im Rahmen der Abfassung des Gutachtens erfolgt und mit dieser Leistung auch abgegolten war.

Unausgesprochen ebenfalls Berücksichtigung fand bei diesen Überlegungen, dass die Stundensätze nach dem ZSEG viele Jahre nicht erhöht wurden, sodass die Entschädigung der Sachverständigen zunehmend außer Verhältnis zu den allgemeinen Kosten, insbesondere den sonstigen Stundensätzen außerhalb des ZSEG geriet. Dementsprechend sah es der Senat als sachgerecht an, bei der zu entschädigenden Stundenzahl eine gewisse Großzügigkeit walten zulassen.

Mit Inkrafttreten des JVEG und der damit verbundenen erheblichen Erhöhung der Stundensätze ist der letztgenannte Aspekt entfallen. Zudem berücksichtigte die bisherige Rechtsprechung des Senats nicht den Wandel der Arbeitstechniken, insbesondere nicht die Tatsache, dass die Abfassung der Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen regelmäßig nicht mehr getrennt von deren Diktat, sondern in einem einheitlichen Arbeitsschritt erfolgt. Häufig werden auch bereits während der Aktendurchsicht der Akteninhalt bzw. während der Anamnese und Untersuchung die entsprechenden Angaben und Befunde diktiert. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die bisherige Aufgliederung teilweise zu einer Doppelvergütung von Stunden führte. Dementsprechend hält der Senat zur Prüfung der nach dem JVEG verlangten Vergütung eine Aufgliederung nach Aktenstudium einschließlich Diktat der Aktenlage (soweit für die Erstellung des Gutachtens erforderlich), Untersuchung mit Anamnese einschließlich Diktat (sofern während der Untersuchung diktiert), Abfassung des Gutachtens unterteilt in Diktat der Anamnese und Befunde (soweit nicht bereits während der Untersuchung diktiert) und Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat sowie Korrektur für notwendig. Der Antragsteller ist hierauf in dem ihm mit dem Gutachtensauftrag übersandten Merkblatt hingewiesen worden und er hat seine zuletzt erstellte Rechnung auch entsprechend gestaltet.

Schließlich bedürfen die vom Senat bisher zu Grunde gelegten Erfahrungswerte der Konkretisierung. So ist bei der Aktendurchsicht einschließlich Diktat des für das Gutachten erforderlichen Akteninhalts auch das Ausmaß der gutachtensrelevanten Aktenteile (einschlägige Befundberichte der behandelnden Ärzte, Vorgutachten, Rehabilitationsberichte, Beschwerdeschilderungen beispielsweise in der Widerspruchs-, Klage- und Berufungsbegründung) zu berücksichtigen. Dabei legt der Senat seine eigenen Erfahrungswerte aus dem richterlichen Bereich zu Grunde. Danach ist - bei Gutachten auf Grund ambulanter Untersuchung - für bis zu 200 Aktenseiten mit bis zu 50% gutachtensrelevantem Anteil bei der Plausibilitätsprüfung eine Stunde für Durchsicht und erforderliches Diktat anzusetzen.

Zu differenzieren ist auch im Bereich des zeitlichen Aufwandes für das Diktat der Anamnese und der Befunde gegenüber der Beurteilung. Denn anders als das Diktat von Anamnese und Befunden stellt die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen die eigentliche Gedankenarbeit mit der Auswertung der Befunde und deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen dar. Dementsprechend ist der zeitliche Aufwand für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat wesentlich höher anzunehmen, als die Wiedergabe von Anamnese und den erhobenen Befunden. Auch insoweit verfügt der Senat über Erfahrungswerte und hält beim außerhalb der Untersuchung erfolgtem Diktat von Anamnese und Befunden einen zeitlichen Aufwand von einer Stunde für acht Seiten im Falle der Darstellung standardisiert erhobener Anamnese und Befunde (häufig in orthopädischen Gutachten) bzw. einen zeitlichen Aufwand von einer Stunde für sechs Seiten bei ausführlicher und komplizierterer Darstellung (beispielsweise in psychiatrischen Gutachten) für akzeptabel. Für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen (ohne deren Wiedergabe) dagegen ist weiterhin in erster Linie der Inhalt des Gutachtens, in dem der Grad der Intensität und die Gewissenhaftigkeit der Arbeitsweise des Sachverständigen zum Ausdruck kommt, maßgeblich. Bei durchschnittlich komplizierten Ausführungen ohne Wiederholungen ist - auch dies entspricht Erfahrungswerten aus der (auch kosten-) richterlichen Praxis - ein Zeitaufwand von einer Stunde für zweieinhalb Seiten nicht zu beanstanden. Für die Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht sieht der Senat einen Zeitaufwand von einer Stunde für zwölf Seiten als angemessen an. Dabei legt der Senat hinsichtlich der Zeichendichte die vom Gesetzgeber für die Schreibgebühren vorgegebenen Grundsätze (ca. 2700 Anschläge einschließlich Leerzeichen pro Seite, vgl. BTDrs. 15/1971 Seite 184) zu Grunde.

Im vorliegenden Fall sind 21 Stunden zu vergüten.

Dabei sieht der Senat im Rahmen der Plausibilitätsprüfung für das Aktenstudium bei ca. 800 Blatt Akten und ohne eine Wiedergabe des Akteninhalts 3,5 Stunden (statt der vom Antragsteller angegebenen 4,25 Stunden), für Untersuchung und Anamnese 4,25 Stunden und für die Auswertung der Fragebögen 2,25 Stunden als angemessen an. Bei der Beurteilung des Zeitaufwandes für das Diktat der 30 Seiten Anamnese und der Befunde berücksichtigt der Senat, dass diese Seiten z. T. nicht vollständig beschrieben sind und deswegen nur teilweise der Standardseite von 2700 Anschlägen entsprechen. Der Senat hält insoweit einen Abzug von vier Seiten für angemessen. Für die Abfassungs- und Diktatgeschwindigkeit legt der Senat angesichts der sich stellenden Problematik einer Fibromyalgie und der deshalb erforderlichen relativ komplizierten Darstellung sechs Seiten pro Stunde zu Grunde, sodass sich ein Zeitaufwand von 4,3 Stunden errechnet. Bei den neun Seiten Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen hält der Senat zum Zwecke der Umrechnung auf Standardseiten einen Abzug von 1,5 Seiten für erforderlich. Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung und bei einem Zeitaufwand von einer Stunde für zweieinhalb Seiten ergeben sich für die Vergütung dieses Teiles des Gutachtens drei Stunden. Für die Korrektur der so errechneten 33,5 Standardseiten zuzüglich zwei Seiten mit kurzer Wiedergabe der Aufgabenstellung und der Beweisfragen legt der Senat bei einem Zeitaufwand von einer Stunde für zwölf Seiten insgesamt drei Stunden zu Grunde.

Die Plausibilitätsprüfung führt damit zu folgendem Ergebnis:

Aktenstudium 3,5 Stunden Untersuchung und Anamnese 4,25 Stunden Auswertung der Fragebögen 2,25 Stunden Abfassung und Diktat von Anamnese und Befunden 4,33 Stunden Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat 3,0 Stunden Korrektur 3,0 Stunden Insgesamt 20,33 Stunden

Die vom Antragsteller geltend gemachte Anzahl von 20,75 Stunden überschreitet die vom Senat nach Plausibilitätskriterien ermittelte Stundenzahl von 20,33 Stunden um weniger als 10% und damit nur geringfügig. Dementsprechend sind dem Antragsteller - gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG nach Aufrundung - 21 Stunden zu vergüten.

B. Stundensatz

Medizinische Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist.

In Anlage 1 des JVEG werden die medizinischen Gutachten ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend in die bereits genannten drei Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 eingeteilt, wobei sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert hat und die Vergütung damit aufwandsbezogen gestaltet haben will (BTDrs. 15/1971 Seite 186). Im Einzelnen lautet die Regelung (soweit der Bereich der Sozialgerichtsbarkeit betroffen sein könnte):

Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten Honorar M1 Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere· zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung 50 EUR M2 Beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten· in Verfahren nach dem SGB IX,· zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität,· zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen), 60 EUR M3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten· zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen,· in Verfahren nach dem OEG,· in Verfahren nach dem HHG,· zur Geschäfts-, Testier oder Prozessfähigkeit,· zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten,· zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit. 85 EUR

Die in Anlage 1 des JVEG vorgenommene Aufteilung von Gutachten nach den aufgeführten Sachgebieten ist für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit nicht praktikabel. Insbesondere fehlt eine erkennbare Zuordnung von Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Gerade auf diesem Sachgebiet hat der Antragsteller sein Gutachten erstattet.

Schon die Behauptung in der Begründung zum Gesetzentwurf, die Aufzählung in der Anlage 1 erfasse die in der Praxis wichtigsten Sachgebiete, also Sachgebiete, aus denen am häufigsten Sachverständige herangezogen würden (BTDrs. aaO, Seite 182), trifft nicht zu. So werden beispielsweise Gutachten in Verfahren nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) aufgeführt, obwohl derartige Gutachten sehr selten sind. Demgegenüber werden die im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit häufigsten Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) nicht erwähnt.

Insbesondere lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass die in der Anlage 1 erwähnten Begriffe Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Invalidität Gutachten nach dem SGB VI erfassen sollen.

Der Begriff der Invalidität deutet auf die Invalidenversicherung hin, einen Regelungsbereich in der früheren Reichsversicherungsordnung, der schon 1957 durch die Rentenversicherung der Arbeiter ersetzt wurde. Danach und bis zum 31.21.2000 war für die Gewährung einer Rente wegen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit nicht mehr das Bestehen von Invalidität maßgebend, sondern das Vorliegen von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Seit dem 01.01.2001 ist eine volle oder teilweise Erwerbsminderung - für eine Übergangszeit auch wegen Berufsunfähigkeit - maßgebend.

Der Begriff Minderung der Erwerbsfähigkeit ist - was den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit betrifft - ein rechtstechnischer Begriff aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (Siebtes Buch des Sozialgesetzbuches - SGB VII -), aber auch aus dem Bereich des sozialen Entschädigungsrechts, insbesondere der Kriegsopferversorgung (Bundesversorgungsgesetz - BVG -) und der Opferentschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). In Fällen aus diesen Bereichen sind aber regelmäßig auch medizinische Kausalzusammenhänge zu klären. Gleichwohl werden Gutachten zum Kausalzusammenhang ebenso wie Gutachten in Verfahren nach dem OEG - obwohl ohnehin seltener - in der Anlage 1 des JVEG ausdrücklich aufgeführt. Dies wäre nicht erforderlich, wenn der Begriff Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB VII und/oder des sozialen Entschädigungsrechts auszulegen wäre. Ein Bezug zum SGB VI jedenfalls ist auszuschließen, weil die wegen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu gewährenden Renten dort unter dem Begriff Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusammengefasst sind.

Dementsprechend kann nach Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung nicht davon ausgegangen werden, dass die Begriffe Invalidität und Minderung der Erwerbsfähigkeit die dargestellten sozialrechtlichen Bereiche betreffen. Möglicherweise sind Bezüge zum privaten Versicherungssektor beabsichtigt.

Auch im Übrigen bestehen Unklarheiten über die im Gesetz verwendeten Begriffe. So ist beispielsweise unklar, was unter speziellen Kausalzusammenhängen sowie unter problematischen Verletzungsfolgen zu verstehen sein soll und ob sich die "besonderen Schwierigkeiten" in Honorargruppe M 3 nicht nur auf Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern auch auf Berufskrankheiten beziehen.

Die Begründung zum Gesetzentwurf verweist in diesem Zusammenhang lediglich darauf, dass die Zuordnung der gutachtlichen Leistungen zu den Honorargruppen den Vorschlägen der Bundesärztekammer folgten (BTDrs. aaO, Seite 186). Die diesbezüglichen Ermittlungen des Senats haben keine weiteren Erkenntnisse gebracht. Das Bundesministerium der Justiz hat mitgeteilt, dass den Vorschlägen der Bundesärztekammer keine Begründung beigegeben gewesen sei und diese Vorschläge im Wesentlichen übernommen worden seien. Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beteiligten Körperschaften hätten keine Einwände hinsichtlich der Zuordnung zu den Honorargruppen erhoben. Die Bundesärztekammer hat angegeben, lediglich die drei Kategorien M 1, M 2 und M 3 vorgegeben zu haben. Die beratenden medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände hätten diese Kategorisierung durch die Aufzählung von Gutachtentypen ergänzt. Diese Umstände deuten auf weniger gesetzessystematische als vielmehr interessenorientierte Motive der maßgeblichen Einfluss nehmenden Einrichtungen bei gleichzeitigem partiellen Kontrollverzicht der eigentlich zur Gesetzgebung berufenen Institutionen hin.

Damit ist festzustellen, dass Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung in keiner Honorargruppe der Anlage 1 des JVEG genannt sind.

Betrifft das Gutachten einen Gegenstand, der in keiner Honorargruppe genannt ist, ist das Gutachten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Hintergrund dieser Regelung ist die Vorstellung, dass auch die Einteilung der Gruppen nach der Anlage 1 diesem Maßstab folge (BTDrs. aaO, Seite 182). Dies trifft indessen für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu, weil die medizinischen Sachverständigengutachten, die in Angelegenheiten eingeholt werden, die zum Zuständigkeitsbereich der Sozialgerichtsbarkeit gehören, typischerweise entweder von den zuständigen Behörden oder den Sozialgerichten eingeholt werden. Ein außerbehördlicher oder außergerichtlicher Markt ist dementsprechend nicht vorhanden. Folgerichtig wird an anderer Stelle der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes (BTDrs. aaO, Seite 186, zu Anlage 1) angegeben, als Ausgangsniveau für die Höhe der Stundensätze diene zur Vermeidung unverhältnismäßig hoher Anhebungen des Vergütungsniveaus die bisherige Entschädigungspraxis der Justiz. Allerdings bewegte sich diese Entschädigungspraxis nach dem bisher maßgebenden Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen im dort geregelten Entschädigungsrahmen zwischen 25 und 52 EUR. Damit hilft hier § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG nicht weiter.

Im Ergebnis ist jedenfalls für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit die Aufzählung der Gutachtentypen in der Anlage 1 des JVEG unvollständig und wenig praktikabel. Erkennbar ist aber die grundsätzliche Abstufung der Honorargruppen nach dem Schwierigkeitsgrad des Gutachtens. Dementsprechend sieht sich der Senat gehalten, seine bisherige, ebenfalls nach dem Schwierigkeitsgrad der Gutachten abgestufte Rechtsprechung zu den Stundensätzen auf das neue Recht ergänzend und konkretisierend zu übertragen.

Es gilt daher:

Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (50 EUR) sind medizinische Gutachten, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten (Anhaltspunkte) oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa · augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie · Gutachten unabhängig vom Sachgebiet (also auch die unten genannten "Zustandsgutachten") ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung - z.B. bei einer Monoverletzung - im Wesentlichen auf Zustand oder Funktion eines Organs (Organpaares) bzw. Körperteiles gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.

Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (60 EUR) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit sind solche, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich · vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts/SGB IX und · die Leidensbesserungen oder -verschlimmerungen bei Neufeststellungen in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind sowie · Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit; Izbicki/Neumann/Spohr, Unfallbegutachtung) orientiert. Hierzu gehören dann auch die in der Anlage 1 des JVEG aufgeführten, im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit zwar denkbaren, aber kaum anzutreffenden Gutachten zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen)

Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 (85 EUR) liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier · Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinandersetzen sowie · Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. In diese Honorargruppe gehören auch die in der Anlage 1 des JVEG beispielhaft aufgeführten Gutachten in Verfahren nach dem HHG, zur Geschäfts- oder Prozessfähigkeit und Gutachten zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit, sofern der eingangs dargestellte hohe Schwierigkeitsgrad vorliegt.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei einer nach dem Schwierigkeitsgrad völlig gleichmäßigen Abstufung die betragsmäßig ungleichmäßige, aber vom Gesetz verbindlich vorgegebene unterschiedliche Vergütung der Honorargruppen von 50 EUR über 60 EUR bis zu 85 EUR nicht nachvollziehbar erscheinen würde. Soweit in der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrs. aaO) in diesem Zusammenhang auf den Umfang der Gutachten verwiesen und eine aufwandsbezogene Ausgestaltung der Vergütung behauptet wird, wird nach Auffassung des Senats vernachlässigt, dass sich der Umfang der Inanspruchnahme des Sachverständigen und damit sein Aufwand in erster Linie an der typischerweise ebenfalls vom Schwierigkeitsgrad des Gutachtens abhängigen Anzahl erforderlicher und zu vergütender Stunden zeigt. Vor diesem Hintergrund erfordert eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 einen gegenüber Gutachten, die nach Honorargruppe M 2 vergütet werden, deutlich höheren Schwierigkeitsgrad, wobei sich dieser Schwierigkeitsgrad gerade aus den Darlegungen im Gutachten entnehmen lassen muss. Es genügt daher für eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 nicht, dass ein schwieriges Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Aus dem Gutachten selbst muss sich vielmehr ergeben, dass der Sachverständige die geforderten vielseitigen bzw. vielschichtigen Überlegungen auch anstellte und wodurch diese veranlasst wurden.

Damit ist der vom Antragsteller geltend gemachte Stundensatz von 60 EUR nicht zu beanstanden. Denn es handelt sich vorliegend um ein typisches "Zustandsgutachten" im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung.

Im Ergebnis errechnet sich somit aus 21 zu vergütenden Stunden und einem Stundensatz von 60 EUR, der gesetzlichen Mehrwertsteuer und der Auslagen von 15 EUR eine Vergütung in Höhe von 1476,60 EUR.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).