Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) vorliegen.

Die 1917 geborene Antragstellerin, bei der 2013 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G und B festgestellt worden waren, machte mit ihrem Verschlimmerungsantrag vom 27. April 2016 das Merkzeichen "aG" geltend. Gegen die Ablehnung des Antrags durch Bescheid vom 19. August 2016 erhob sie Widerspruch. Nach versorgungsärztlicher Auswertung des Entlassungsberichts des SG Krankenhauses vom 16. September 2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11. November 2016 mit der Begründung zurück, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" seien nicht erfüllt. Hierbei ging er von folgenden Behinderungen aus:

1. Erkrankung der Brust in Heilungsbewährung (Einzel-GdB von 80), 2. Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung (Einzel-GdB von 80), 3. Kunstgelenkersatz der Hüfte rechts, Funktionsbehinderung des oberen und unteren Sprunggelenks beidseitig, Polyneuropathie, Funktionsbehinderung des Hüftgelenks beidseitig, Funktionsbehinderung des Kniegelenks beidseitig, Muskelschwäche am Bein beidseitig (Einzel-GdB von 40), 4. Diabetes mellitus mit Diät, oralen Antidiabetika und Insulin einstellbar (Einzel-GdB von 30), 5. degenerative Veränderungen und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Spinalkanalstenose (Einzel-GdB von 30), 6. Lungenfibrose (Einzel-GdB von 20), 7. Sehbehinderung beidseitig (Einzel-GdB von 10), 8. Bluthochdruck (Einzel-GdB von 10), 9. normochrome Anämie (Einzel-GdB von 10).

Mit der bei dem Sozialgericht Berlin am 9. Dezember 2016 erhobenen Klage (Az. S 42 SB 2023/16), über die noch nicht entschieden worden ist, verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

Den gleichzeitig gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2016 abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die von der Antragstellerin begehrte Statusfeststellung sei bereits ihrer Rechtsnatur nach einer einstweiligen Regelung nicht zugänglich. Darüber hinaus sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden. Eine besondere Eilbedürftigkeit liege nicht vor. Der Nachteil in Form gelegentlich längerer Fußwege, den die Antragstellerin dadurch erleide, dass sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über keine Parkerleichterung verfüge, sei nicht schwerwiegend, so dass er vorläufig hingenommen werden müsse. Auch das hohe Lebensalter der Antragstellerin rechtfertige keine andere Beurteilung, da die Dauer des Klageverfahrens nicht vorhersagbar sei.

Mit ihrer hiergegen am 17. Januar 2017 erhobenen Beschwerde bringt die Antragstellerin insbesondere vor, sie könne sich wegen der bei ihr bestehenden Erkrankungen nur noch mit großer Anstrengung zu Fuß fortbewegen. Sie sei auf die mit der begehrten Feststellung verbundenen Parkerleichterungen angewiesen, um ihren bereits jetzt stark herabgesetzten Gesundheitszustand nicht weiter zu beeinträchtigen und um in zumutbarer Weise noch so weit und so lange wie möglich am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Hierzu hat sie eine eidesstattliche Versicherung ihres Sohnes vom 14. Februar 2017 vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2016 aufzuheben sowie den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" vorläufig festzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2017. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

 

II.

Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Senat lässt hierbei offen, ob eine Statusfeststellung, hier der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG", überhaupt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG verfolgt werden kann (so Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 11. Senat, Beschluss vom 28. Februar 2011 - L 11 SB 288/10 B ER -), oder ob derjenige, welcher bis zur einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache über die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" Behindertenparkplätze benutzen und Parkerleichterungen in Anspruch nehmen möchte, vielmehr darauf zu verweisen ist, dass er sich an die zuständige Straßenverkehrsbehörde wegen eines befristeten Parkausweises bzw. einer befristeten Ausnahmegenehmigung (vgl. Abschnitt IX Nr. 1 bzw. Nr. 2 zu § 45 Abs. 1 bis Abs. 1e und Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung [VwV-StVO]) wendet, wobei der vorläufige Rechtsschutz auf dem Verwaltungsrechtsweg zu erlangen wäre.

Vorliegend hat der Antrag der Antragstellerin schon mangels Anordnungsanspruchs keinen Erfolg.

Nach der Überzeugung des Senats ist es ausgeschlossen, dass die Antragstellerin gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" hat.

Anspruchsgrundlage ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist.

Die Voraussetzungen der außergewöhnlichen Gehbehinderung ergeben sich nunmehr aus § 146 Abs. 3 SGB IX, der durch Art. 2 Nr. 13 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) neu geschaffen wurde und die am 1. Januar 2018 in Kraft tretende Regelung des § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. mit Wirkung ab 30. Dezember 2016 vorwegnimmt (Art. 26 Abs. 2 BTHG). Mangels Übergangsregelung im BTHG hat der Senat allein § 146 Abs. 3 SGB IX seiner Entscheidung zugrunde zu legen, da die begehrte einstweilige Anordnung zukunftsgerichtet ist und nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit der noch auf der Grundlage des alten Rechts ergangenen Entscheidungen festzustellen.

Nach § 146 Abs. 3 Satz 1 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt nach der Legaldefinition des § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können.

In Abkehr von der bisherigen Rechtslage, die nach Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO - Teil D Nr. 3 der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I 2412) war mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nichtig, da § 70 Abs. 2 SGB IX nach Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15) erst am 15. Januar 2015 in Kraft getreten ist - durch die Differenzierung in Regelbeispiele und Gleichstellungsfälle geprägt war, normiert § 146 Abs. 3 SGB IX nunmehr zwei (kumulative) Voraussetzungen:

Bei dem Betroffenen muss (1.) eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung bestehen, die (2.) einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 entspricht.

Auch wenn bei der Antragstellerin eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX besteht, erreichen deren Behinderungen, die sich negativ auf die Mobilität auswirken, eindeutig keinen GdB von mindestens 80 und kommen dieser Beeinträchtigung auch nicht gleich. Nach den aktuellen Feststellungen vom November 2016, die von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt worden sind, sind der Kunstgelenkersatz der Hüfte rechts, die Funktionsbehinderung des oberen und unteren Sprunggelenks beidseitig, die Polyneuropathie, die Funktionsbehinderung des Hüftgelenks beidseitig, die Funktionsbehinderung des Kniegelenks beidseitig und die Muskelschwäche am Bein beidseitig mit einem Einzel-GdB von 40, die degenerative Veränderungen und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die Wirbelsäulenverformung und die Spinalkanalstenose mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Lungenfibrose mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Da nach den hier entsprechend heranzuziehenden Vorgaben für die Ermittlung des Gesamt-GdS in Teil A Nr. 3a Satz 1 Halbsatz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV die einzelnen Werte nicht addiert werden dürfen, liegt der mobilitätsbezogene GdB bei der Antragstellerin weit unter 80.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.