Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale der außergewöhnlichen Gehbehinderung (aG) und für das Merkzeichen T bei schwerer Hüftgelenksarthrose, weiteren psychischen, orthopädischen und internistischen Leiden und einer Adipositas permagna.

Der 1942 geborenen Klägerin wurde 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer zuerkannt. Mit Bescheid des Beklagten vom 5. März 1998 wurden der Grad der Behinderung der Klägerin mit einem Betrag von 70 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen einer erheblichen Gehbehinderung (Merkzeichen G) festgestellt. Die Klägerin benutzt etwa seit Mitte 2000 einen Rollator. Sie beantragte im August 2003 die Neufeststellung wegen Verschlimmerung bestehender Behinderungen und Hinzutretens neuer Behinderungen. Der Beklagte holte den Befundbericht der behandelnden Orthopäden, der behandelnden Nervenärztin und des behandelnden Internisten sowie eine gutachterliche Stellungnahme des praktischen Arztes B ein. Er lehnte mit Bescheid vom 1. Dezember 2003 eine Neufeststellung ab. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen RF, aG und T seien nicht erfüllt.

Ihren Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sich ihr Gesundheitszustand seit März 1998 wesentlich verschlimmert habe und, weil sie nicht mehr Treppen steigen könne, in eine andere Wohnung umgezogen sei. Sie habe große Probleme, einen Parkplatz in der Nähe zum Hauseingang zu finden und warte teilweise stundenlang, bis ein Parkplatz frei werde. Nach Verlassen des Autos auf dem Weg zum Hauseingang müsse sie sich auf den vor dem Haus stehenden Betonklötzen zum Ausruhen setzen. Die Möglichkeit, den Telebus zu nutzen, habe sie als große Erleichterung empfunden. Ärzte, die nur über Treppen zu erreichen gewesen seien, habe sie wechseln müssen. Zur Begründung ihres Widerspruchs reichte die Klägerin das Attest ihrer behandelnden Orthopäden (Dr. T und Dr. Dr. Z) vom 14. Dezember 2003 ein. Diese unterstützten den Widerspruch der Patienten bezüglich der Merkzeichen aG und T.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2004 zurück; aus Gründen der Vollständigkeit und Klarheit wurden die Funktionsbeeinträchtigungen neu bezeichnet. Die Voraussetzungen, unter denen die begehrten Merkzeichen aG und T festgestellt werden könnten, lägen bei der Klägerin nicht vor. Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Berlin reichte die Klägerin verschiedene Atteste ihrer behandelnden Ärzte, den Bescheid ihrer Krankenkasse vom 23. Juni 2004 über die Kostenübernahme für die Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung und die Kostenübernahme für einen Rollator vom 14. Januar 2005 ein. Das Sozialgericht holte Befundberichte bei der behandelnden Nervenärztin Dr. P vom 1. März 2006, bei den behandelnden Orthopäden vom 24. Februar 2006, bei der behandelnden Urologin W vom 23. Februar 2006 und vom Hausarzt der Klägerin, dem Facharzt für Allgemeinmedizin S, vom 3. Mai 2006 ein. Mit Bescheid der zuständigen Pflegekasse vom 21. Februar 2006 aufgrund der Begutachtung vom 14. Februar 2006 wurde der Klägerin Pflegegeld für die Pflegestufe I ab 1. Dezember 2005 bewilligt. Der Beklagte veranlasste die sozialmedizinische Begutachtung durch Dr. W vom 30. Januar 2007. Daraufhin erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2007 einen GdB von 90 ab August 2003 an und stellte die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen B und G fest. Es wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt (dabei folgte der Beklagte der sozialmedizinischen Gutachterin; die Beträge in den Klammern geben die jeweiligen Einzel-GdB nach dem Gutachten an):

a) psychische Behinderung (50)
b) Coxarthrose beiderseits, beginnender Kniegelenksverschleiß bds., Fußfehlform (60)
c) Fehlform der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen und Reizerscheinungen, Osteoporose (30)
d) Polyarthrosen der Fingergelenke, Heberden-Bouchard-Arthrose (20)
e) chronische Gastritis, Nierensteine (10)
f) Blasenschwäche (10)
g) Diabetes mellitus (10)
h) Funktionsbehinderung des Schultergelenkes (10).

Mit Urteil vom 31. Juli 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Von den unstreitig bei der Klägerin anerkannten Behinderungen würden sich auf die Gehfähigkeit letztlich nur die Behinderungen zu b) und c) auswirken. Nach den Ausführungen der Gutachterin sei es der Klägerin möglich, mit Hilfsmitteln durchaus noch mehr Schritte zu laufen und auch Treppenstufen zu steigen als das dem für die Berechtigung ausdrücklich genannten Personenkreis, welchem die Klägerin gleichgestellt werden wolle, in der Regel objektiv und zumutbar möglich sei. Die von der Klägerin empfundenen großen Schmerzen und Beschwerden bei der Fortbewegung seien in ganz erheblichem Umfang nicht behinderungsbedingt, sondern auf das der starke Übergewicht der Klägerin zurückzuführen. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG seien deshalb nicht erfüllt. Weil der Klägerin das Merkzeichen aG nicht zustehe und ein mobilitätsbedingter Grad der Behinderung von mindestens 80 nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht erkennbar sei, seien auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen T nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF erfülle die Klägerin nur insoweit, als ihr ein GdB von mindestens 80 zustehe. Die Klägerin sei jedoch objektiv nicht ständig von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen behinderungsbedingt ausgeschlossen. Die Kammer folge insoweit der engen Auslegung des BSG.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Berufung weiter. Sie hat verschiedene Atteste ihrer behandelnden Ärzte vorgelegt. Ihr wurde durch ihre Krankenkasse am 12. Oktober 2007 ein Faltrollstuhl bewilligt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie könne inzwischen nur noch etwa drei bis fünf Meter gehen und brauche dann eine Pause wegen der Anstrengung und der Schmerzen. Auch Stehen sei ihr nur noch für max. 2,5 bis 3 Minuten möglich. In ihrer Wohnung stehe deshalb im Flur ein Drehsessel, auf dem sie sich ausruhe, wenn sie sich in der Wohnung bewege. Wenn sie stürze, könne sie sich nicht mehr allein aufrichten.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend den Rechtsstreit für die Zeiträume vor dem 3. Dezember 2009 sowie hinsichtlich des Merkzeichens RF für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 in der Fassung des Bescheides vom 1. März 2007 zu ändern, den Beklagte zu verpflichten, für die Klägerin die gesundheitlichen Merkmale der außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und für das Merkzeichen T mit Wirkung vom 3. Dezember 2009 festzustellen.

Der Beklagte hält das Urteil für zutreffend und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Befundbericht der behandelnden Orthopäden vom 19. August 2007 eingeholt.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsakten des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin für das nunmehr noch anhängige Klagebegehren hat Erfolg. Die Klägerin ist außergewöhnlich gehbehindert und erfüllt die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Fahrdienstes nach der Telebus-Verordnung.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" ist § 69 Abs. 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO (neu bekannt gemacht am 26.01.2001, BAnz 2001, Nr. 21, S 1419, zuletzt geändert am 2009-07-17, BAnz Nr. 110, S 2598) und D 3b Anlage zur Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind (D 3b Anl-VersMedV).

Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, RdNr. 17 f m w N). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, im 1. Halbsatz aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG ebd m w N). Auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten Behindertengruppen kann es aber grundsätzlich nicht ankommen. Denn es liegt auf der Hand, dass solche Besonderheiten angesichts des mit der Zuerkennung von aG bezweckten Nachteilsausgleiches nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden können. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, RdNr. 17 m w N). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (vgl. BT-Drucks 8/3150, S 9 f in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG a.a.O. RdNr. 17 m w N). Nach D 3c Anl-VersMedV erfolgt eine Gleichstellung insbesondere dann, wenn ein Rollstuhl nicht nur verordnet wurde, sondern der Betroffen auch ständig auf ihn angewiesen ist, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder unter großer Anstrengung fortbewegen kann.

Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Wie der 9. BSG-Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 2002 (B 9 SB 7/01 R) ausgeführt hat, lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, RdNr. 18). Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Auch soweit die o g großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden (BSG ebd RdNr. 19). Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv, fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Merkzeichens aG reichen jedoch nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in D 3b Anl-VersMedV einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes bzw. der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein (BSG ebd RdNr. 19). Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich u a aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren - auch auf Großparkplätzen - mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG ebd).

Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die medizinischen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt werden. Denn für das Merkzeichen aG gelten gegenüber G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG a.a.O. RdNr. 21). Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Merkzeichens aG herleiten (BSG ebd RdNr. 22). Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie z.B. die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG a.a.O. RdNr. 22). Das BSG hat allerdings geklärt, dass in ihrer Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkte schwerbehinderte Menschen sich beim Gehen regelmäßig körperlich besonders anstrengen müssen und dass die für aG geforderte große körperliche Anstrengung dann gegeben sein dürfte, wenn die festgestellte Wegstreckenlimitierung auf 30 m darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach dieser kurzen Wegstrecke erschöpft ist und er neue Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, RdNr. 24 m w N). Das BSG geht für den Fall, dass der Betroffene sich nur langsam und selbst mit Hilfe des Rollators nur über maximal 30 m am Stück fortbewegen kann und danach eine Pause einlegen muss, wobei er sich auf den Rollator setzt, und wenn darüber hinaus beim Gehen Schmerzen und Unsicherheiten auftreten, davon aus, dass der Betroffene in seiner Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, RdNr. 24). Dass die Einschätzung der Gehfähigkeit überwiegend auf den subjektiven Angaben des Betroffenen beruht, braucht keinen Verfahrensfehler darzustellen. Allerdings ist sodann weiter zu klären, ob der Betroffene sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen kann wie die in D 3b Anl-VersMedV genannten Personen.

Das BSG hat überdies inzwischen geklärt, dass ein erhebliches Übergewicht nicht zu den Faktoren gehört, die keinen Bezug zu einer Behinderung haben und daher bei der Beurteilung des Gehvermögens unberücksichtigt bleiben (BSG, Urteil vom 24.04.2008, B 9/9a SB 7/06 R, RdNr. 14). Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna sind nicht nur bei Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB (erhöhend) zu berücksichtigen, sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen (BSG ebd m w N). Dieser zum Merkzeichen G ergangenen Rechtsprechung ist auch für das besondere gesundheitliche Merkmal der außergewöhnlichen Gehbehinderung zu folgen. Dies folgt aus dem funktionenorientierten Charakter der Anerkennung der Behinderungen und der Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche, d h die Feststellungen haben sich nicht an den Ursachen sondern an den Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu orientieren (vgl. zum GdB: BSG, Urteil vom 30. September 2009, B 9 SB 4/08 R RdNr. 30, sog "finale" Betrachtung).

Insofern ist durch das Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Konvention-RMBeh – BGBl II 2008 Nr. 35, S 1419 ff) am 26. März 2009 (BGBl II vom 23.07.2009, Nr. 25, S 812) keine Änderung eingetreten. Danach zählen zu den Menschen mit Behinderungen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können (Art 1 Satz 2 UN-Konvention-RMBeh). Auch danach kommt es auf die Ursachen der Beeinträchtigungen nicht an. Vielmehr ist die Behinderung von der ausdrücklichen Zielstellung der Konvention her zu bestimmen, der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft aller Menschen unter Gewährleistung eines würdevollen Lebens, ohne dass hierbei eine langfristige gesundheitliche Beeinträchtigung einen Unterschied machen darf. Welche Bereiche als besonders teilhaberelevant anzusehen sind, gibt die UN-Konvention-RMBeh selbst vor. Dazu gehören u.a. die Zugänglichkeit (Art 9), das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit (Art 17) und auf Gesundheit (Art 25), Recht auf Bildung (Art 24), Freizügigkeit (Art 18), die unabhängige Lebensführung (Art 19), die persönliche Mobilität (Art 20), die Meinungsäußerung und der Zugang zu Informationen (Art 21) und das Recht auf Arbeit und Beschäftigung (Art 27). Als jüngeres unmittelbar geltendes Bundesrecht zwingt die UN-Konvention-RMBeh mit ihrem Normprogramm ihre Maßstäbe der Auslegung von §§ 2 und 69 SGB IX auf. Weil nicht vom gesundheitlichen Defizit sondern von der Teilhabeförderung her zu denken ist, können die Folgen einer Adipositas für die Teilhabe nicht dazu führen, dass ein behinderungsrechtlicher Status versagt bleibt. Gerade bei erheblichen Mobilitätseinbußen (Art 20 UN-Konvention-RMBeh) infolge einer Adipositas permagna können sowohl der Behindertenstatus wie auch behinderungsrechtlich vorgesehene Nachteilsausgleiche nicht damit abgelehnt werden, die Teilhabebeeinträchtigung resultiere aus einer Fettleibigkeit. Eine unterschiedliche Behandlung allein nach der Ursache einer Teilhabebeeinträchtigung wird durch die Konvention ausgeschlossen (Diskriminierungsverbot Art 5 Abs. 1, 2). Damit wird indes der bisherige Ansatz der Rechtsprechung und des Verordnungsgebers rechtlich untermauert, dass die Folgen einer Adipositas permagna behinderungsrechtlich von Bedeutung sind (vgl. auch B 15.3 Anl-VersMedV). Auch die UN-Konvention-RMBeh erwartet das Leistungen zur gesundheitlichen Förderung (Art 25) und Rehabilitation (Art 26) frühest möglich einsetzen. Dies soll allerdings vorhandene Nachteilsausgleiche bei bestehenden Behinderungen nicht ausschließen.

Die Klägerin ist aufgrund der Schwere ihrer Leiden in ihrer Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt. Bei ihr bestehen eine schwere beidseitige Hüftgelenksarthrose (links stärker) bei beginnendem Kniegelenksverschleiß bds. und Fußfehlform, Fehlform der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen und Reizerscheinungen und Osteoporose, eine Funktionsbehinderung der Schultergelenke (links mehr als rechts) und eine Adipositas permagna. Die psychische Behinderung der Klägerin ist wesentlich für die Fettleibigkeit. Daneben bestehen Polyarthrosen der Fingergelenke, Heberden-Bouchard-Arthrose, chronische Gastritis und Nierensteine, Blasenschwäche und ein Diabetes melittus. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. W vom 30. Januar 2007. Die sozialmedizinische Gutachterin der Beklagten hält die Beschwerden der Klägerin für nachvollziehbar. Die von ihr festgestellten Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke entsprächen den von den behandelnden Orthopäden vermerkten und zeigten eine gegenüber der Vorbegutachtung von 1998 deutlich stärkere Einschränkung. Dies gelte ebenso für die Kniegelenke. Die Beschwerden lägen vorrangig in den haltenden Bänder-Muskeln, die fettdurchsetzt seien. Die Kraft der Muskeln reiche daher nicht, die Körperlast – insbesondere beim Treppensteigen – anzuheben, zumal die arthrotisch veränderten Gelenke schmerzen würden. Diese Schwäche gelte auch für die Haltemuskulatur der Wirbelsäule. Diese Feststellungen der Gutachterin sind unstreitig. Die Gutachterin bestätigt in der Sache sowohl die ärztliche Bewertung durch die behandelnden Orthopäden, wie auch die Angaben der Klägerin selbst.

Allerdings hat die Gutachterin die Bedeutung der Adipositas permagna für die Behinderung und den daraufhin vorzunehmenden Nachteilsausgleichen verkannt. Das Zusammenwirken der sonstigen orthopädischen Behinderungen und der schweren Adipositas, welche wesentlich durch die psychische Erkrankung der Klägerin bedingt ist, müssen bei der Feststellung der Behinderung und dem dadurch veranlassten Nachteilsausgleich berücksichtigt werden. Auch die Gutachterin des Beklagten hält die von der Klägerin geschilderten Beschwerden für nachvollziehbar. Sie stellt im Übrigen auch die über die bloße Gewichtsbelastung der Adipositas permagna bei der Fortbewegung hinausgehenden Auswirkungen auch auf das Gewebe des Halte- und Muskelapparates dar. Der Senat geht deshalb mit den behandelnden und von der Gutachterin letztlich bestätigten behandelnden Orthopäden davon aus, dass die Klägerin nur unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln lediglich sehr kurze Strecken kleinschrittig zurücklegen kann (max. 20 m - Attest vom 17.05.2005 und Befundbericht vom 24.02.2006). Die Hausärztin bestätigt mit ihrem Attest vom 19. November 2007 den Befund und verweist auch im Hinblick auf die diabetische Polyneuropathie und massive Lymphödeme auf den unsicheren und schleppenden Gang sowie auf die Sturzgefahr. Die Schwere des Leidens der Klägerin ist angesichts dieser weitgehend übereinstimmenden Befunde belegt. Auch die aktuellen Angaben der Klägerin erscheinen vor dem Hintergrund ihrer früheren, gutachterlich und ärztlich bestätigten Angaben glaubhaft. Weitere Ermittlungen waren nicht veranlasst.

Die Klägerin muss sich beim Gehen regelmäßig körperlich besonders anstrengen, weil ihr das Gehen selbst sehr schwer fällt und sie bereits nach einer sehr kurzen Wegstrecke von wenigen (jedenfalls max. 20 m) erschöpft ist und neue Kräfte sammeln muss, bevor sie weitergehen kann. Die beim Gehen schon nach wenigen Schritten eintretende Erschöpfung ist gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen, die Schwerbehinderte der in D 3b Anl-VersMedV einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Dies folgt aus der besonderen physischen Belastung ebenso wie aus den besonderen, arthrotisch bedingten Schmerzen der für das Gehen wesentlichen Hüft- und Kniegelenke. Wegen der Schulterbeschwerden kann die Klägerin dies nicht hinreichend durch die Verwendung von Unterarmstützen kompensieren, schon das Stehen fällt ihr schwer. Dieser Zustand besteht bei der Klägerin schon seit längerem (vgl. Bewilligung der Fahrkosten zur ambulanten Behandlung durch die Krankenkasse).

Bei der Klägerin sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichnes T erfüllt. Voraussetzung für das Merkzeichen T ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes (BerlFahrdienstVO), dass das Merkzeichen aG, ein mobilitätsbedingter Grad der Behinderung von mindestens 80 und Fähigkeitsstörungen beim Treppensteigen gegenüber dem Versorgungsamt nachgewiesen werden. Berechtigt nach Maßgabe des § 3 (befristete Berechtigung bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens) sind außerdem Personen, die erstmalig beim Versorgungsamt das Merkzeichen T beantragen und dem Antrag eine Bescheinigung beifügen, aus der hervorgeht, dass eine Krankenkasse oder ein anderer Leistungsträger aufgrund einer ärztlichen Verordnung die Kosten für einen Rollstuhl oder für einen Rollator übernommen hat (§ 1 Abs. 2 BerlFahrdienstVO). Aus dem Vorliegen der Voraussetzungen der außergewöhnlichen Gehbehinderung folgt auch das Vorliegen der ersten der drei Voraussetzungen des Merkzeichens "T". Unter Berücksichtigung der schweren beidseitigen Hüftgelenksarthrose bei beginnendem Kniegelenksverschleiß bds. und Fußfehlform (Einzel-GdB 60), Fehlform der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen und Reizerscheinungen und Osteoporose (Einzel-GdB 30), der Funktionsbehinderung der Schultergelenke (links mehr als rechts), des Diabetes mellitus mit Sensibilitätsstörungen in den unteren Extremitäten und der Adipositas permagna ergibt sich ein mobilitätsbedingter GdB von 80. Es besteht auch eine Fähigkeitsstörung beim Treppensteigen, wie die Gutachterin der Beklagten gezeigt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den anteiligen Erfolg der Rechtsverfolgung. Der Senat hat für die erledigten Streitgegenstände die ursprünglichen Erfolgsaussichten berücksichtigt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).