Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 313/10 - Urteil vom 26.07.2012
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) enthalten keine GdB-Vorgaben für ein Histamintoleranzsyndrom. Es erscheint geboten, deshalb die Bewertungsgrundsätze in Teil B Nr. 17.2 VMG zu einer Urticaria (= Nesselsucht) zur GdB-Bestimmung entsprechend heranzuziehen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt (noch) die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 60 ab dem 07. Oktober 2005.
Die 1955 geborene Klägerin ist aufgrund des Unfalltodes ihres Ehemannes im Jahre 1998 verwitwet und war zuletzt seit dem 01. Januar 1991 bei der als Sachbearbeiterin tätig. Seit dem 01. September 2007 bezieht die Klägerin neben einer Witwenrente eine z. Zt. bis zum 31. Dezember 2012 befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Am 07. Oktober 2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten unter Hinweis auf eine bestehende Depression, Gelenk- sowie Wirbelsäulenbeschwerden, für sie einen GdB sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festzustellen. Nach Beiziehung ärztlicher Auskünfte insbesondere der die Klägerin behandelnden Ärzte stellte der Beklagte der gutachtlichen Einschätzung des MR K in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 08. November 2005 folgend mit Bescheid vom 21. November 2005 einen GdB von 30 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
Persönlichkeitsstörungen, Verhaltensstörungen, Depressionen (Einzel GdB 30)
Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen - Muskelreizerscheinungen der Wirbelsäule (Einzel GdB 10).
Zugleich stellte der Beklagte fest, dass eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ("d. E.") gegeben sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "aG" lägen ebenfalls nicht vor.
Auf den hiergegen am 05. Dezember 2005 erhobenen Widerspruch der Klägerin zog der Beklagte weitere ärztliche Auskünfte ein. Den gutachtlichen Stellungnahmen der Ärztin M vom 11. März 2006 sowie der Fachärztin für Allgemeinmedizin MR Dr. F vom 20. Juli 2006 folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. August 2006 den Widerspruch zurück. Neu hinzugetreten seien Herzrhythmusstörungen (Einzel GdB 10), die jedoch zu keiner Änderung des Gesamt GdB führen würden. Das bestehende Kontaktekzem bedinge keinen GdB von wenigstens 10 und könne daher ebenfalls keine Berücksichtigung finden.
Die Klägerin hat am 05. September 2006 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, mit der sie die Feststellung eines GdB von mindestens 50 sowie das Bestehen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" begehrt hat. Die zudem auf die Feststellung des Bestehens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "aG" gerichtete Klage hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 09. Dezember 2008 zurückgenommen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und sodann den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 30. März 2007 in seinem Gutachten vom 10. April 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 07. Juni 2007 zu der Einschätzung, dass der Gesamt GdB seit Antragstellung aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen mit 40 zu bewerten sei:
Depressionen, Somatisierungs- und Anpassungsstörungen (Einzel GdB 30)
rezidivierende Urticaria - Nesselsucht - (Einzel GdB 20)
Das mit 30 zu bewertende psychische Leiden stelle die Ausschöpfung des maximalen Ermessensspielraumes dar.
Das Sozialgericht hat ferner den Arzt Dr. K mit der Erstattung eines dermatologisch allergologischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 06. "Mai" 2008 gelangte der Gutachter nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 01. September 2008 zu der Einschätzung, dass
ein Histaminintoleranz Syndrom mit rezidivierenden Exanthemschüben (Einzel GdB 20)
ein rezidivierend-allergisches Kontaktekzem bei nachgewiesener Typ IV Sensibilisierung gegenüber Amerchol L und Wollwachsalkohol (Einzel GdB 10)
gegeben sei. Vom Hinzutreten der zuvor genannten Hauterkrankungen, die insgesamt mit einem GdB von 20 zu bewerten seien, sei ab Januar 2006 (stationäre Aufenthalt in der Universitätsklinik R) auszugehen.
Das Sozialgericht hat sodann den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens sowie den Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie/Tropenmedizin Prof. Dr. W mit der Erstattung eines internistisch-gastroenterologischen Zusatzgutachtens, Prof. Dr. O mit der Erstattung eines urologischen Zusatzgutachtens, Prof. Dr. C mit der Erstattung eines neurologischen Zusatzgutachtens und Dr. S mit der Erstattung eines unfallchirurgischen Zusatzgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 17. September 2010 gelangte der Hauptsachverständige Dr. T nach ärztlicher Untersuchung der Klägerin vom 18. Februar 2009 unter Berücksichtigung der Feststellungen und Bewertungen, wie sie durch die Zusatzgutachter getroffen worden sind, zu der Einschätzung, dass der Gesamt GdB mit 60 zu bewerten sei. Dem lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
Dysthymie (Einzel GdB 20)
Histaminintoleranz-Syndrom mit rezidivierenden Exanthemschüben und einem rezidivierenden allergischen Kontaktekzem bei nachgewiesener Typ IV Sensibilisierung gegenüber Amerchol L und Wollwachsalkohol (Einzel GdB 20)
einheimische Sprue - Entzündung der Dünndarmschleimhaut infolge glutenhaltiger Nahrungsmittel - (Einzel GdB 20)
Harninkontinenz II. Grades (Einzel GdB 20)
Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule (Einzel GdB 10)
Mit Urteil vom 08. Dezember 2010 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 30. Das psychische Leiden als Hauptleiden im Sinne einer Dysthymie sei von dem Sachverständigen Dr. T zutreffend mit einem Einzel GdB von 20 bewertet worden. In Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dr. K und Prof. Dr. W seien die dermatologischen Erkrankungen zutreffend mit einem Einzel GdB von 20 bewertet worden. Dies gelte auch, wie der Sachverständige Prof Dr. W zutreffend ausgeführt habe, bezüglich der im Februar 2008 diagnostizierten Sprue. Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule sei von dem Sachverständigen Dr. S zutreffend mit einem Einzel GdB von 10 bewertet worden. Die bestehende Harninkontinenz bedinge keinen GdB, weil sie nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. O therapierbar sei. Auch die bestehenden Herzrhythmusstörungen sowie die Fibromyalgie bedingten nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen keinen Einzel GdB von mindestens jeweils 10. Angesichts der letztlich nur leichten Funktionsbeeinträchtigungen lasse sich ein Gesamt GdB von 60, wie von dem Sachverständigen Dr. T vorgeschlagen, nach den Bewertungsmaßstäben der versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht rechtfertigen. Schließlich lägen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das noch begehrte Merkzeichen "G" nicht vor.
Gegen das ihr am 15. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Dezember 2010 Berufung eingelegt, mit der sie nunmehr noch die Feststellung eines Grades der Behinderung von 60 begehrt. Die Berufung auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 28. Oktober 2011 zurückgenommen.
Der Senat hat im Anschluss an diese mündliche Verhandlung den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 15. Februar 2012 gelangt der Sachverständige nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 26. Januar 2012 zu der Einschätzung, dass der Gesamt-GdB seit Antragstellung am 7. Oktober 2005 mit 30 zu verwerten sei. Dem lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde:
Dysthymia (Einzel GdB 20)
Dermatologisch-allergologische Behinderungen (Histaminintoleranz-Syndrom mit rezidivierenden Exanthemschüben, Typ IV- Sensibilisierung gegenüber Amerchol L und Wollwachsalkohol (Einzel GdB 20)
einheimische Sprue (Einzel GdB 20)
Die Klägerin ist der Ansicht, dass aufgrund der multiplen Beeinträchtigungen, die sich wechselseitig negativ beeinflussen würden, der Sachverständige Dr. T zutreffend von einem Gesamt GdB von 60 ausgegangen sei. Ihre psychische Erkrankung sei von den Sachverständigen Dr. Th und Dr. At zu gering bewertet worden; die bestehende Fibromyalgie sei gänzlich unberücksichtigt gelassen. Gleiches gelte für die bestehende, mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertende Harninkontinenz II. Grades, die nicht therapierbar sei, sowie ihre orthopädischen Leiden. Sie verweist insoweit auf das Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. H vom 15. März 2012.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 08. Dezember 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. August 2006 zu verpflichten, für die Klägerin ab dem 07. Oktober 2005 einen Grad der Behinderung von 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der angefochtene Bescheid vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 seit dem 7. Oktober 2005.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als 6 Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu bewerten. Hierbei sind als antizipiertes Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend der streitgegenständlichen Zeit ab dem 7. Oktober 2005 in den Fassungen von 2005 und - zuletzt - 2008. Seit dem 01. Januar 2009 sind die in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), zuletzt geändert durch die Vierte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 28. Oktober 2011, festgelegten "versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP - ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre - abgelöst haben.
Einzel-GdB sind entsprechend diesen Maßstäben als Grad der Behinderung in Zehnergraden entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG zu bestimmen. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB IX die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Teil A Nr. 19 AHP 2005 und 2008, S. 24 ff., bzw. Teil A Nr. 3 der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 22 f., die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von einer Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 19 Abs., 1, 3 und 4, AHP 2005 und 2008, S. 24 ff., bzw. Teil A Nr. 3 d) aa) - ee) der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 22).
Dies zu Grunde gelegt, hat der Beklagte den GdB im Falle der Klägerin seit der Antragstellung am 7. Oktober 2005 zutreffend mit 30 bewertet.
Das bestehende psychische Leiden, das durchgängig vorgelegen hat, ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. T und Dr. Albrecht auch zur Überzeugung des Senats mit einem GdB von in Form einer Dysthymie als leichtere psychovegetative bzw. psychische Störung nach Maßgabe des Teils A Nr. 26.3 AHP 2005 und 2008, Seite 48, bzw. Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 der VersMedV, Seite 42, zu bewerten. Die Sachverständigen haben übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass es sich um eine Dysthymie, also um eine chronische Form einer depressiven Verstimmung, handelt, die ihren Ursprung in dem Unfalltod des Ehemannes der Klägerin im Jahre 1998 findet. Eine Höherbewertung rechtfertigt sich auch zur Überzeugung des Senates nicht, weil sich in Auswertung der Anamnese sowie der Exploration zum typischen Tagesablauf, wie sie durch die Sachverständigen Dr. T und Dr. A vorgenommen worden sind, kein Anhalt dafür ergibt, dass die Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden ist. Der Sachverständige Dr. T hat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass eine somatoforme Störung bei der Klägerin nicht vorliegt, die Schmerzwahrnehmung als Symptom der Dysthymie bei der Bewertung des GdB berücksichtigt worden sei und insoweit kein eigenständiges Störungsbild vorliege, da sich ein Korrelat in den körperlichen Beeinträchtigungen fände. Demzufolge war auch eine diagnostizierte Fibromyalgie, die nach den Bewertungsmaßstäben der AHP bzw. VersMedV letztlich als somatoforme Störung zu bewerten ist (vgl. Teil A Nr. 26.18 AHP 2005 und 2008, S. 113, bzw. Teil B Nr. 18.4 der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 104,) nicht zu berücksichtigen. Diese Einschätzung hat der Sachverständige Dr. Al auf ausdrückliche Anfrage des Senats bestätigt. Insoweit hat er überzeugend ausgeführt, dass die verstärkte Fokussierung der Klägerin auf die Schmerzwahrnehmung allein ein Epiphänomen der bestehenden Dysthymie sei.
Mit den Sachverständigen Dr. K und Prof. Dr. W, sind die dermatologischen Erkrankungen des a) Histamintoleranzsyndroms und eines b) Kontaktekzems mit einem Einzel GdB von 20 bzw. 10 ab ihrer Feststellung im Januar 2006 zu bewerten. Der Sachverständige Dr. K hat bezüglich der Histaminintoleranz überzeugend dargelegt, dass dieses mangels entsprechender ausdrücklicher Benennung in den AHPs bzw. der VersMedV entsprechend den Bewertungsgrundsätzen zu einer Urticaria (= Nesselsucht) wegen der häufiger auftretenden Schübe und Allergene unter Berücksichtigung ihrer Vermeidbarkeit bei konsequenter Ernährung nach Maßgabe des Teils A Nr. 26.17 der AHP 2005 und 2008, Seite 107, 108 bzw. des Teils B Nr. 17.2 der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 98, mit einem Einzel GdB von 20 zu bewerten ist, während das Kontaktekzem infolge der Nutzung umfangreich angebotener Kosmetika, Pflegepräparate und Medikamente, die relevante Allergene nicht enthalten, keine besondere Beeinträchtigung im Alltagsleben nach sich ziehe, so dass der GdB insoweit in Anwendung vorgenannter Grundsätze nur mit 10 zu bewerten war.
Die bei der Klägerin ferner diagnostizierte Sprue ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. W mit einem Einzel GdB von 20 ab ihrer Feststellung frühestens im Februar 2008 zu bewerten (vgl. Teil A Nr. 26.10 der AHP 2005 und 2008, Seite 80, bzw. Teil B Nr. 20.2.3 der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 72). Unter strenger diätetischer Therapie ist die Erkrankung ohne wesentliche Folgeerscheinungen, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat.
Auch die bestehende Harninkontinenz ist - in Übereinstimmung mit dem Sachverständige Prof. Dr. O nach Maßgabe des Teil A Nr. 26.15 AHP 2005 und 2008, Seite 91, bzw. Teil B Nr. 12.2.4 der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 83 - mit einem Einzel-GdB von max. 20 zu bewerten.
Das Lendenwirbelsäulenleiden rechtfertigt indes unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. S keinen höheren Einzel-GdB als 10. Eine Höherbewertung ergibt sich insbesondere nicht unter Berücksichtigung des von der Klägerin nunmehr vorgelegten Atttestes des Dr. H vom 15. März 2012. Die insoweit bis zum 14. Dezember 2009 erfolgten Befunde sind durch den Sachverständigen Dr. Sch anlässlich der Erstellung seines Zusatzgutachtens im Dezember 2009 gewürdigt worden. Soweit Dr. H auf Untersuchungsergebnisse und Diagnosen vom 15. März 2012 verweist, rechtfertigen diese eine Höherbewertung nicht, weil sich daraus im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedenfalls keine mehr als 6 Monate andauernde weitere Funktionsbeeinträchtigung ableiten lässt (vgl. hierzu § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen rechtfertigt sich kein höherer Gesamt-GdB als 30 seit der Antragstellung am 7. Oktober 2005. Im Rahmen der Gesamt-GdB-Bildung kommt allein der jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden psychischen Erkrankung der Klägerin, dem Histaminintoleranzsyndrom und der Sprue eine Relevanz zu. Aufgrund des Umstandes, dass die vorstehende dermatologische Erkrankung im Januar 2006 und die Sprue im Februar 2008 hinzugetreten sind, die psychische Erkrankung der Klägerin mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. A vor der psychiatrischen Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. T im Februar 2008 nicht ausschließbar noch mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten war, rechtfertigt sich mit dem Sachverständigen Dr. A auch zur Überzeugung des Senats die Einschätzung, dass wegen der Überschneidungen vorgenannter Funktionsbeeinträchtigungen der GdB seit der Antragstellung durchgängig mit 30 zu bewerten ist. Die mit 20 zu bewertende Harninkontinenz wirkt sich nicht GdB-erhöhend aus. Nach den Feststellungen und Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. O führt die Harninkontinenz zu keinem großen Leidensdruck und löst keine Einschränkung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben aus. Vor diesem Hintergrund liegt insoweit lediglich eine leichte Funktionsbeeinträchtigung vor, die nicht auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung schließen lässt Dies gilt erst recht hinsichtlich der weiteren jeweils mit einem Einzel-GdB von lediglich 10 zu bewertenden Funktionsbeeinträchtigungen. Die Bewertung des Gesamt-GdB mit 60 durch den Sachverständigen Dr. T steht unter Berücksichtigung vorgenannter Ausführungen nicht im Einklang mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Dessen Bewertung läuft im Ergebnis nahezu auf eine unzulässige Addition der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen hinaus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.