Tatbestand:

Die 1963 geborene Klägerin wehrt sich gegen die Herabsetzung des bei ihr festgestellten Grades der Behinderung (GdB) auf einen Wert unter 50. Mit Bescheid vom 7. Mai 2001 hatte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 60 festgestellt und dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt bei Annahme des aus dem Klammerzusatz ersichtlichen jeweiligen Einzel-GdB:

1. Operierte Brusterkrankung links im Stadium der Heilungsbewährung (50),
2. Funktionseinschränkung beider Füße (20) sowie
3. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, Schultergelenk rechts (20).

Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 stellte der Beklagte unter teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 7. Mai 2001 fest, dass der GdB ab dem 15. Januar 2007 40 betrage und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vorliege. Hierbei ging er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus:

1. Teilverlust der Brust links nach Ablauf der Heilungsbewährung (20),
2. Funktionseinschränkung beider Füße (20),
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des Schultergelenkes rechts (20),
4. Klimakterisches Syndrom (10),
5. Schlafstörungen (10) sowie
6. Magenbeschwerden (10).

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2007 zurück. Zur Begründung stützte er sich im Wesentlichen auf eine Stabilisierung der Situation nach der Brustkrebserkrankung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 15. Januar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 begehrt, soweit die Absenkung auf einen GdB unter 50 erfolge, und dies damit begründet, dass sie zusätzlich an einem Restless-Legs-Syndrom leide, ferner an Allergien sowie einem gutartigen Stroma-Tumor. Das Sozialgericht hat Befundberichte und ein Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. F eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 27. Juni 2008 zu der Einschätzung gelangt, der Gesamt-GdB von 40 sei angemessen und ist im Wesentlichen den Einschätzungen des Beklagten gefolgt. Mit Urteil vom 12. März 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Ergebnis der Begutachtung der Klägerin im Klageverfahren gestützt.

Mit der hiergegen am 14. Mai 2012 erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom12. März 2012 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 aufzuheben, soweit darin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 2001 der Gesamt-GdB auf einen Wert unter 50 abgesenkt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie physikalische Therapie Prof. Dr. G. Der Sachverständige ist nach Untersuchung der Klägerin am 27. März 2013 in Bezug auf den 10. Oktober 2007 zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin sei

1. ein Teilverlust der Brust links (GdB 20),
2. Funktionseinschränkung beider Füße nach Operation und bei sensibler Polyneuropathie (GdB 20),
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des Schultergelenkes rechts (GdB 20),
4. Rezidivierende depressive Episode mit Somatisierungsreaktion (klimakterisches Syndrom, Schlafstörungen) (GdB 20)

festzustellen. Der hieraus resultierende Gesamt-GdB betrage 40.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat sodann nach § 109 SGG ein Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S eingeholt. Diese ist nach Untersuchung der Klägerin am 2. September 2014 zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin seien folgende Funktionsbeeinträchtigungen

1. Teilverlust der linken Brust (20),
2. Funktionseinschränkung beider Füße nach Operation bei sensibler Polyneuropathie (20),
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule/Schultergelenk rechts (20),
4. Psychovegetative Störungen und psychische Störungen (rezidivierende depressive Episoden und chronisches Müdigkeitssyndrom) (40),
5. Chronische Magenschleimhautentzündung nach entferntem Stroma-Tumor (10).

Ihres Erachtens betrage der Gesamt-GdB 50. Der Beklagte ist dem Ergebnis der Begutachtung entgegen getreten, insbesondere soweit es die psychische Einschätzung betrifft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Anfechtungsklage hat Erfolg, denn der Absenkungsbescheid vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er ist daher aufzuheben, soweit er mit der Klage angefochten ist.

Rechtsgrundlage für einen Absenkungsbescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X). Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im hier zu entscheidenden Fall handelt es sich bei dem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung um den Verwaltungsakt vom 7. Mai 2001. Ob im Sinne der genannten Vorschrift in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, kann indes dahinstehen, denn der angefochtene Verwaltungsakt vom 15. Januar 2007 überschreitet hinsichtlich der darin angeordneten Rechtsfolge den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Entgegen der Ermächtigungsnorm hat der angefochtene Verwaltungsakt vom 15. Januar 2007 den Dauerverwaltungsakt nicht mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben, sondern mit Wirkung für die Vergangenheit. Nach dem Verfügungsteil des Bescheides vom 15. Januar 2007 sollte die Aufhebungswirkung ab demselben Tag eintreten. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Mithin konnte die Wirkung des angefochtenen Verwaltungsakts gegenüber der Klägerin erst ab der Bekanntgabe im Sinne des § 37 SGB X eintreten und nicht bereits am Tag der Erstellung des Absenkungsbescheides. Tatsächlich handelte es sich damit um eine Aufhebung mit Wirkung bereits für die Vergangenheit und nicht um eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft.

Die Rechtswidrigkeit führt auch zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang der Anfechtung. Insbesondere kommt eine Aufhebung nur für die Zeit vor Bekanntgabe des Bescheides nicht in Betracht, da eine Teilbarkeit des Bescheides in zeitlicher Hinsicht nicht gegeben ist. Ein Bescheid, mit dem eine begünstigende Feststellung im Schwerbehindertenverfahren ganz oder teilweise aufgehoben wird, ist nicht derart in zeitlicher Hinsicht teilbar, dass einer rechtswidrig früh einsetzenden Wirkung durch Aufhebung des Bescheides nur für einen Teilzeitraum Rechnung getragen und der Bescheid im Übrigen aufrechterhalten werden könnte (a.A. 11. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. November 2014 - L 11 SB 178/10). Bei einem Entziehungsbescheid, der eine günstige Feststellung in einem Dauerverwaltungsakt ändert, handelt es sich seinerseits nämlich nicht um einen Dauerverwaltungsakt (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 24. Juni 2014, L 3 SB 23/12, juris). Seine Wirkung beschränkt sich darauf, den aufzuhebenden Dauerverwaltungsakt zum Zeitpunkt der von der Behörde intendierten Wirksamkeit ganz oder teilweise aufzuheben. Für nachfolgende Zeiträume enthält er hingegen keinerlei Feststellung. Maßgeblich ist insoweit einzig der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt in der Fassung, die er durch den Absenkungsbescheid erhalten hat. Diese zeitlich punktuelle Wirkung eines Aufhebungsbescheides führt dazu, dass eine erst später eintretende Wirkung der intendierten Entziehung - anders als eine geringer ausfallende Entziehung der Begünstigung - nicht ein Minus gegenüber der ursprünglichen Regelung ist, sondern ein Aliud.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und berücksichtigt das Ausmaß des Obsiegens in der jeweiligen Instanz.

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben, zumal der Beklagte nach Kenntnis des Senates unterdessen seine Verwaltungspraxis geändert hat.