Bayerisches Landessozialgericht - L 15 B 25/07 SB PKH - Beschluss vom 29.01.2007 (rechtskräftig)
Wird über die Höhe des GdB bzw. über Nachteilsausgleiche nach dem Schwerbehindertenrecht gestritten, ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe nicht erforderlich. Denn der Ausgang des Verfahrens hängt regelmäßig von dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlung im Sinne von §§ 103 ff. SGG ab. Es bedarf keiner anwaltschaftlichen Vertretung z.B. als Mittler zwischen einem ggf. noch zu hörenden ärztlichen Sachverständigen und dem PKH-begehrenden Kläger.
Gründe:
I.
In dem dem Beschwerdeverfahren wegen Gewährung von Prozesskostenhilfe zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt der Beschwerdeführer die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 60 gem. § 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz vom 14.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrum Bayern Familie und Soziales vom 26.10.2006 ist der GdB wie bisher mit 60 bewertet worden. Als Funktionsstörungen hat der Beklagte berücksichtigt:
1. Hochgradige Schwerhörigkeit beidseits (Einzel-GdB 50).
2.
Bronchialasthma (Einzel-GdB 20).
3. Reizzustand des linken Kniegelenkes
(Seitenband), Knorpelschäden beider Kniegelenke (Einzel-GdB 20).
4.
Durchblutungsstörungen des Herzens, Coronardilatation, Bluthochdruck
(Einzel-GdB 10).
5. Funktionsbehinderung der Brust- und
Lendenwirbelsäule mit Seitverbiegung (Einzel-GdB 10).
6.
Funktionsbehinderung des Handgelenkes links (Einzel-GdB 10).
In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg mit Beschluss vom 11.12.2006 - S 12 SB 747/06 - die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Im Hinblick auf die Amtsermittlungspflicht des Gerichts gem. §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gem. § 73a SGG i.V.m. § 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erforderlich.
Die Bevollmächtigten des Beschwerdeführers haben mit Beschwerde bzw. Beschwerdebegründung vom 02.01.2007 hervorgehoben, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht mit dem Hinweis auf das Amtsermittlungsprinzip verweigert werden könne. Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg sei insofern aufzuheben, als keinerlei Darlegungen zur Redegewandtheit, Fähigkeit sich schriftlich und mündlich auszudrücken sowie zur Hilflosigkeit des Antragstellers bzw. Sprachschwierigkeiten berücksichtigt worden seien. Im Übrigen könne auch der Hinweis darauf, dass der Rechtsstreit weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schwierig wäre, nicht die Beiordnung verneinen. Vor allem hinsichtlich des Merkzeichens "G" seien rechtliche und medizinische Probleme bzw. Feststellungen zu prüfen. Weiterhin sei der Beklagte durch geschulte Mitarbeitervertreter. Außerdem könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Begutachtung gem. § 109 SGG kenne. Außerdem sei fraglich, ob der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesundheitszustandes einen Verhandlungstermin selbst wahrnehmen könne.
Das Sozialgericht Regensburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und den Gesamtvorgang dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Bevollmächtigten des Beschwerdeführers beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 11.12.2006 aufzuheben und dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt H. T. zu bewilligen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner ist mit Nachricht des Bayer. Landessozialgerichts vom 18.01.2007 informiert worden. Er hat mit Schreiben vom 23.01.2007 die Auffassung vertreten, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg sei nicht gegeben.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig (§§ 73a, 172 ff. SGG i.V.m. § 127 Abs.2 Satz 2 ZPO).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist gem. § 121 Abs.1 ZPO nicht erforderlich, weil in sozialgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben ist.
Wenngleich der Beklagte und Beschwerdegegner regelmäßig durch geschulte Mitarbeiter vertreten wird, ist eine Beiordnung gem. § 121 Abs.2 ZPO nicht geboten. Denn anders als Rechtsanwälte haben die Bevollmächtigten des Beschwerdegegners nicht nur dessen Interessen zu wahren, sondern gem. § 2 Abs.2 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB I) auch zu beachten, dass die sozialen Rechte des Beschwerdeführers möglichst weitgehend verwirklicht werden.
Weiterhin ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 121 Abs.2 ZPO in Angelegenheiten nach §§ 2 und 69 SGB IX hier nicht erforderlich. Denn der Ausgang des Verfahrens hängt regelmäßig von dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlung im Sinne von §§ 103 ff. SGG ab. Insoweit hat das Sozialgericht Regensburg bereits eine Reihe von Befundberichten eingeholt. Ob ggf. noch die Einholung eines Gutachtens auf Kosten der Staatskasse gem. § 106 Abs.3 Nr.5 SGG erfolgt, wird das Sozialgericht Regensburg in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden haben. Insoweit bedarf es jedenfalls keiner anwaltschaftlichen Vertretung gleichsam als Mittler zwischen einem ggf. noch zu hörenden ärztlichen Sachverständigen und dem Beschwerdeführer.
Vielfach machen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf die Möglichkeit aufmerksam, einen Arzt eigener Wahl und auf eigenes Kostenrisiko gem. § 109 Abs.1 SGG zu benennen. Eine Hinweispflicht hierauf besteht jedoch grundsätzlich nicht (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Auflage, Rz 9 zu § 109 SGG m.w.N.).
Auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18.12.2001 - 1 BVer 391/01 - stützt das Begehren nicht. In dem dortigen Verfahren ist entscheidungserheblich gewesen, dass die Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeiten des dortigen Behinderten im Hinblick auf dessen Leiden und Beeinträchtigungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet nicht ausreichend gewürdigt worden sind. Vergleichbar schwerwiegende Funktionsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet mit Auswirkung auf die Kommunikationsfähigkeit sind jedoch hier aktenkundig nicht gegeben. Die bei dem Beschwerdeführer im Vordergrund der Behinderung stehende "hochgradige Schwerhörigkeit beidseits" schränkt zwar dessen Kommunikationsfähigkeit ein, macht es jedoch nicht unmöglich, vor allem das Ausmaß der gegebenen Hörstörung und der weiterhin vorgetragenen Gehbehinderung zu prüfen und zu bewerten.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist daher zurückzuweisen, ohne dass es auf die von dem Beschwerdegegener hervorgehobene - nach seiner Auffassung nicht gegebene - hinreichende Aussicht auf Erfolg ankommt.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§ 177, 183 SGG).