Bayerisches Landessozialgericht - L 15 RF 32/16 - Kostenbeschluss vom 21.11.2016
Dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Ermächtigung zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe der Sachverständigenvergütung ausschließen hätte wollen, dass aus fiskalischen Gründen und nicht (nur) zur Vereinfachung der Abrechnung derartige Vereinbarungen abgeschlossen werden, findet in den Gesetzesmaterialien keine Grundlage. Dies wird für den Senat schon aus der Formulierung "vor allem" in der Gesetzesbegründung von 1956 deutlich, die erkennen lässt, dass zwar eine Vereinfachung der Abrechnung, die im Übrigen auch dem Sachverständigen selbst die Rechnungsstellung erleichtert und ihm daher zugute kommt, ein wesentliches Ziel für den Abschluss einer Vereinbarung ist, gleichwohl aber auch andere Gründe für den Abschluss einer Vereinbarung maßgeblich sein können. So sind marktwirtschaftliche Gründe in dem Sinn, dass einerseits der Sachverständige nach dem Abschluss einer derartigen Vereinbarung mit einer vermehrten Zuziehung durch die Gerichte rechnen kann, die Gerichtsbarkeit andererseits dafür ein gewisses finanzielles Entgegenkommen des Sachverständigen im Sinn eines Mengenrabatts erwarten kann, auch ein Grund für den Abschluss von Vereinbarungen. Davon, dass diese Überlegungen bei der Einführung der gesetzlichen Regelung des § 13 ZSEG bzw. § 14 JVEG, wenn auch nicht zu Papier gebracht, so doch zu Grunde gelegen haben, ist der Senat überzeugt.
I.
Der Antragsteller begehrt die Festsetzung der Vergütung für ein im Auftrag des Gerichts erstelltes Gutachten durch gerichtlichen Beschluss gemäß § 4 Abs. 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
Der Antragsteller ist als ärztlicher Sachverständiger tätig. Er schloss am 08.11.2015 mit dem Freistaat Bayern, vertreten durch die Präsidentin des Sozialgerichts (SG) Würzburg, diese vertreten durch den Richter am SG L. als weiteren aufsichtsführenden Richter eine ab dem 01.12.2015 wirksame Vereinbarung für auf Anforderung eines Richters der Sozialgerichtsbarkeit des Freistaats Bayern erstattete schriftliche Gutachten ab. Für ein Gutachten nach Untersuchung sieht die Vereinbarung pauschal eine Vergütung in Höhe von 450,- EUR vor, bei schwierigem ursächlichem Zusammenhang von 675,- EUR. Die jeweiligen Pauschalsätze werden - so die Vereinbarung in Ziff. 3. - ohne Rücksicht auf den Umfang des Gutachtens oder der Verrichtungen und den im Einzelfall erforderlichen Zeitaufwand gewährt. Mit ihnen ist die gesamte ärztliche Sachverständigenleistung einschließlich der besonderen Aufwendungen für nichtärztliche Hilfskräfte abgegolten. Zusätzlich zur vorgenannten Pauschale wurde für Schreibgebühren eine Pauschale von 35,- EUR je Gutachten vereinbart. Gesondert zu ersetzen sind Porto- und Versandauslagen.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 19 R 867/15 geführten Berufungsverfahren in einer rentenversicherungsrechtlichen Streitsache erstellte der Antragsteller im Auftrag des Gerichts (Auftragsdatum: 21.07.2016) unter dem Datum vom 20.09.2016 ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Im Rahmen des Gutachtensauftrags war darauf hingewiesen worden, dass für das Gutachten ein Vorschuss in Höhe von 2.800,- EUR vorliege. Sollten die gesamten Kosten den Vorschuss übersteigen, müsse diese dem Gericht unverzüglich mitgeteilt werden.
Mit Rechnung vom 20.09.2016 machte der Antragsteller für sein 18-seitiges Gutachten eine Vergütung in Höhe von insgesamt 2.348,18 EUR geltend, wobei er einen Zeitaufwand für 19 Stunden zu je 100,- EUR (Honorargruppe M 3), Kopierkosten von 9,- EUR für 18 Seiten, Schreibgebühren über 44,26 EUR und Porto in Höhe von 20,- EUR, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, ansetzte.
Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG bewilligte mit Schreiben vom 28.09.2016 lediglich einen Betrag in Höhe von 585,47 EUR, davon für das Gutachten 450,- EUR, für Schreibgebühren 35,- EUR und für Porto 6,99 EUR, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Die Kürzung begründete sie mit Hinweis auf die geschlossene Honorarvereinbarung; Kopierkosten - so die Kostenbeamtin - für das Gutachten seien nicht zu erstatten, da das Gutachten nur einfach angefordert worden sei.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10.10.2016 die Abrechnung beanstandet. Er weist darauf hin, dass der Gutachtensantrag "auf Antrag der Klägerin" erfolgt sei und der Kontakt zur Klägerin über eine Internetseite zu Stande gekommen sei. Das Gericht sei also lediglich der Anforderung der Klägerin gefolgt, ein Gutachten durch ihn erstellen zu lassen. Damit sei die Vereinbarung nicht gültig. Zudem würde die Rechnung von der Rechtsschutzversicherung der Klägerin übernommen. Im gerichtlichen Schreiben vom 21.07.2016 sei auf Seite 2 darauf hingewiesen worden, dass er als Sachverständiger mitteilen solle, wenn der eingezahlte Vorschuss in Höhe von 2.400,- EUR [Anmerkung des Senats: Im Auftragsschreiben vom 21.07.2016 ist ein Vorschuss in Höhe von 2.800,- EUR genannt.] überschritten werde. Im Vorfeld sei also nicht die Rede von einer pauschalen Vergütung gewesen. Wenn dies so gewesen wäre, hätte er den Gutachtensauftrag in diesem speziellen Fall ohnehin nicht annehmen können, da der (in der Rechnung dokumentierte) Zeitaufwand wegen der Komplexität des Falls, der deutlich erschwerten Untersuchungsbedingungen und der umfangreich vorhandenen Aktenlage weit zu hoch gewesen sei. Die unbedingt notwendige einzelne Bewertung der zahlreich vorhandenen Vorgutachten und die Sichtung und Beurteilung der sehr umfangreichen Vorbefunde begründe zudem ausreichend die Klassifikation "bei schwierigem ursächlichen Zusammenhang" (M 3)". Das Gutachten sei schon deshalb mit einem hohen Schwierigkeitsgrad zu bewerten, da er gezwungen gewesen sei, umfassende und vielschichtige Überlegungen bezüglich der Bewertung bzw. Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung anzustellen. Zudem habe eine Vielzahl unterschiedlicher, unklarer und teilweise sich widersprechender Befunde, Atteste usw. vorgelegen. Auch verlange er eine vollständige Erstattung der Portokosten, zumal im Vorfeld der Gutachtenserstellung eine schriftliche Kommunikation mit der Klägerin und dem LSG stattgefunden habe.
II.
Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn dies wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 10.10.2016 sinngemäß dadurch beantragt, dass er die Festsetzung der Vergütung durch die Kostenbeamtin als unzureichend beanstandet.
Die Vergütung für das Gutachten vom 20.09.2016 ist auf 589,05 EUR festzusetzen.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).
2. Vergütung des Antragstellers
Maßstab für die Ermittlung der Vergütung ist die zwischen dem Freistaat Bayern und dem Antragsteller abgeschlossene Vereinbarung vom 08.11.2015.
2.1. Allgemeine Voraussetzungen einer Vereinbarung
Gemäß § 14 JVEG können zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung und Honorarabrechnung Vereinbarungen mit Sachverständigen geschlossen werden. Die in der Vereinbarung getroffenen Vorgaben für die Vergütung gehen dann den allgemeinen Abrechnungsvorgaben des JVEG vor.
Die Vereinbarung ist für Landesgerichte zwischen der für den Gerichtszweig zuständigen obersten Landesbehörde und dem Sachverständigen zu treffen. Statt der obersten Landesbehörde kann auch eine von dieser bestimmte Stelle die Vereinbarung mit dem Sachverständigen abschließen.
2.2. Wirksamkeit der Vereinbarung im vorliegenden Fall
Es liegt eine wirksame Vereinbarung im Sinn des § 14 JVEG vor.
2.2.1. Ermächtigung zum Abschluss.
Beim Abschluss der Honorarvereinbarung vom 08.11.2015 hat für den Freistaat Bayern der Richter am Sozialgericht L. als weiterer aufsichtsführender Richter als von der Präsidentin des Sozialgerichts Würzburg beauftragter Vertreter gehandelt. Diese war gemäß dem Schreiben des Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge vom 18.03.1966, modifiziert mit Schreiben des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 06.08.2014, zum Abschluss der Vereinbarung mit Zustimmung des Bayer. LSG ermächtigt.
2.2.2. Inhaltskontrolle der Vereinbarung
Durchgreifende inhaltliche Bedenken gegen die Vereinbarung bestehen nicht.
Die Vorschrift des § 14 JVEG lautet wie folgt:
"Mit Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern, die häufiger herangezogen werden, kann die oberste Landesbehörde, für die Gerichte und Behörden des Bundes die obersten Bundesbehörde, oder eine von diesen bestimmte Stelle eine Vereinbarung über die zu gewährende Vergütung treffen, deren Höhe die nach diesem Gesetz vorgesehene Vergütung nicht überschreiten darf."
Diese Vorgaben hält die Vereinbarung vom 08.11.2015 ein.
2.2.2.1. Obergrenze der Vergütung
Die Vereinbarung beachtet das Gebot der sich aus § 14 JVEG ergebenden Obergrenze der Vergütung nach der Vereinbarung.
Die vereinbarte Vergütung kann die Vergütung, wie sie sich aus den Vorschriften des JVEG, die bei Fehlen einer Vereinbarung anzuwenden sind, regelmäßig nicht überschreiten (§ 14 a.E. JVEG).
2.2.2.2. Untergrenze der Vergütung
Die in der Vereinbarung geregelte eher niedrige Pauschale steht nicht in Konflikt mit sich aus dem JVEG ergebenden kostenrechtlichen Vorgaben oder sonstigen rechtlichen Maßgaben.
Der Senat sieht keine rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt, dass die für die gesamte ärztliche Sachverständigenleistung einschließlich der besonderen Aufwendungen für nichtärztliche Hilfskräfte vereinbarte Pauschale von 450,- EUR bzw. 675,- EUR bei schwierigem ursächlichem Zusammenhang in manchen Fällen nicht ausschließbar erheblich unter der Vergütung liegt, wie sie sich ohne Vorliegen einer derartigen Vereinbarung aus dem JVEG ergeben würde.
Sofern Meyer/Höver/Bach/Oberlack (vgl. a.a.O., § 14, Rdnr. 2) mit Blick auf Vereinbarungen mit Dolmetschern, bei denen im Weg einer Vereinbarung ausschließlich ein geringerer Stundensatz, als er vom JVEG vorgegeben ist, geregelt wird, "eine sich abzeichnende Praxis von einigen der nach § 14 bestimmten Stellen, von herangezogenen Dolmetschern allein aus fiskalischen Gründen regelmäßig den Abschluss einer Vereinbarung nach § 14 zu fordern, die teilweise zu einer deutlich unter der nach diesem Gesetz vorgesehenen Vergütung führt, [als] bedenklich" ansehen, eine Argumentation, die auch auf Vereinbarungen mit Sachverständigen in ähnliche Weise übertragen werden kann, teilt der Senat diese Kritik schon vom Grundsatz her jedenfalls insofern nicht, wenn mit den aufgezeigten Bedenken eine Rechtswidrigkeit der Vereinbarung im Einzelfall begründet werden soll (vgl. Beschlüsse des Senats vom 07.04.2016, Az.: L 15 RF 31/15, und vom 08.04.2016, Az.: L 15 RF 47/15). Zudem kann im vorliegenden Fall einer Vereinbarung mit einem ärztlichen Sachverständigen - anders als möglicherweise mit einem Dolmetscher - nicht von einem rein fiskalischen Hintergrund der Vereinbarung ausgegangen werden. Denn - anders als bei Dolmetschern - ist die Abrechnung von ärztlichen Sachverständigengutachten außerhalb einer Honorarvereinbarung von großer Komplexität und teilweise mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, was ein berechtigter Anlass für die Gerichtsverwaltung ist, derartige Vereinbarungen abzuschließen. Zwar ist Meyer/Höver/Bach/Oberlack zuzugestehen, dass die gesetzliche Regelung des § 14 JVEG nach der Gesetzesbegründung vorrangig der Vereinfachung dienen soll und der Gedanke, dass der Abschluss derartiger Vereinbarungen (auch) ein fiskalisches Instrument zur Kosteneinsparung für die Staatskasse sein könnte, jedenfalls explizit keinen Eingang in die Überlegungen des Gesetzgebers gefunden hat. So hat der Gesetzgeber bereits 1956 in der Gesetzesbegründung zu § 13 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) ("Mit Sachverständigen, die häufiger herangezogen werden, kann die oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle eine Entschädigung im Rahmen der nach diesem Gesetz zulässigen Entschädigung vereinbaren.") Folgendes ausgeführt (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften - Bundestags-Drucksache 2/2545, S. 219):
"Jedoch ist es aus Vereinfachungsgründen zweckmäßig, Vereinbarungen der obersten Landesbehörden mit häufiger herangezogenen Sachverständigen zuzulassen. Gedacht ist dabei vor allem an die Vereinbarung einer pauschalen Entschädigung, die in den typischen Fällen durchschnittlich zu gewährenden gesetzlichen Entschädigungen entspricht."
Einen ähnlichen Eindruck, nämlich dass der Abschluss von Vereinbarungen im Sinn von - heute - § 14 JVEG zum Ziel allein eine Vereinfachung des Abrechnungswesens haben solle, erweckt auch die im Jahr 2003 gegebene Gesetzesbegründung zu § 14 JVEG, die wie folgt lautet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 185):
"In Betracht kommen hier etwa wie bisher Vereinbarungen über Fallpauschalen, die Höhe des Stundensatzes oder die Pauschalierung von Fahrtkosten oder sonstigen Aufwandserstattungen. Solche Vereinbarungen sollen auch in Zukunft möglich sein, da sie für alle Beteiligten einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung des Abrechnungswesens leisten."
Dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Ermächtigung zum Abschluss von Vereinbarungen ausschließen hätte wollen, dass aus fiskalischen Gründen und nicht (nur) zur Vereinfachung der Abrechnung derartige Vereinbarungen abgeschlossen werden, wovon Meyer/Höver/Bach/Oberlack in ihren Kommentierungen zu § 14 JVEG auszugehen scheinen, findet aber in den Gesetzesmaterialien keine Grundlage. Dies wird für den Senat schon aus der Formulierung "vor allem" in der Gesetzesbegründung von 1956 deutlich, die erkennen lässt, dass zwar eine Vereinfachung der Abrechnung, die im Übrigen auch dem Sachverständigen selbst die Rechnungsstellung erleichtert und ihm daher zugute kommt, ein wesentliches Ziel für den Abschluss einer Vereinbarung ist, gleichwohl aber auch andere Gründe für den Abschluss einer Vereinbarung maßgeblich sein können. So sind marktwirtschaftliche Gründe in dem Sinn, dass einerseits der Sachverständige nach dem Abschluss einer derartigen Vereinbarung mit einer vermehrten Zuziehung durch die Gerichte rechnen kann, die Gerichtsbarkeit andererseits dafür ein gewisses finanzielles Entgegenkommen des Sachverständigen im Sinn eines Mengenrabatts erwarten kann, auch ein Grund für den Abschluss von Vereinbarungen. Davon, dass diese Überlegungen bei der Einführung der gesetzlichen Regelung des § 13 ZSEG bzw. § 14 JVEG, wenn auch nicht zu Papier gebracht, so doch zu Grunde gelegen haben, ist der Senat überzeugt. Bestätigung findet diese Einschätzung des Senats letztlich auch in der Gesetzesbegründung zum KostRMoG zu § 14 JVEG, wenn dort unter den möglichen Vereinbarungsgegenständen explizit auch die Höhe des Stundensatzes genannt wird. Dass eine Vereinbarung zur Höhe des Stundensatzes, abgesehen von dem Fall, dass ein vom Schwierigkeitsgrad unabhängiger einheitlicher Stundensatz für alle Gutachten vereinbart wird, nicht einer Abrechnungsvereinfachung, sondern ausschließlich einer Kosteneinsparung auf Seiten der Staatskasse dient, ist offenkundig. Sofern die Gesetzesbegründungen diesen Umstand sowohl im Jahr 1956 als auch im Jahr 2003 verschwiegen haben, kann dies nur als eine Verschleierung der wahren gesetzgeberischen Motive angesehen werden. In diesem Zusammenhang kann sich der Senat auch nicht des Eindrucks einer gewissen Scheinheiligkeit der Gesetzesbegründung von 1956 erwehren. Denn dass bei Beachtung der Maßgabe der gesetzlichen Regelung des § 13 ZSEG, wonach die Entschädigung eines Sachverständigen - seit dem Erlass des JVEG spricht das Gesetz nicht mehr von einer Entschädigung des Sachverständigen, sondern von seiner Vergütung - nicht den "Rahmen der nach diesem Gesetz zulässigen Entschädigung" überschreiten darf, die bei Vorliegen einer Vereinbarung zustehende Entschädigung nicht in jedem Einzelfall "den in typischen Fällen durchschnittlich zu gewährenden Entschädigungen" entsprechen kann, liegt auf der Hand. Denn wenn - von besonderen Einzelfällen abgesehen - die nach der Vereinbarung zustehende Entschädigung (bzw. Vergütung) der durchschnittlichen Entschädigung (bzw. Vergütung) entsprechen soll, würde dies für nicht wenige Fälle bedeuten, dass der Sachverständige nach der Vereinbarung besser entschädigt (bzw. vergütet) würde als nach den gesetzlichen Vorgaben. Genau dies verbieten aber § 13 ZSEG und § 14 JVEG, sodass die nach einer Vereinbarung zu gewährende Vergütung typischerweise niedriger sein muss (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 07.04.2016, Az.: L 15 RF 31/15, und vom 08.04.2016, Az.: L 15 RF 47/15).
Ein aus § 14 JVEG resultierendes Verbot einer Vereinbarung mit einer Vergütung, die regelmäßig unter der Vergütung liegt, wie sie sich ohne Honorarvereinbarung ergeben würde, wäre auch mit dem Umstand nicht vereinbar, dass gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG dem Sachverständigen die Vergütung nicht von Amts wegen ohne entsprechenden Antrag oder Rechnungsstellung zu gewähren ist, sondern er seinen Anspruch auf Vergütung geltend machen muss. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Geltendmachung des Vergütungsanspruchs besteht nach der gesetzlichen Symptomatik nicht. Warum es einem Vergütungsberechtigten nach dem JVEG nicht erlaubt sein sollte, bereits vorab im Rahmen einer Vereinbarung zu erklären, dass er seinen, ihm nach den gesetzlichen Regelungen zustehenden Vergütungsanspruch nicht in voller Höhe geltend machen werde, lässt sich nicht begründen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 14 JVEG, Rdnr. 6; Beschlüsse des Senats vom 07.04.2016, Az.: L 15 RF 31/15, und vom 08.04.2016, Az.: L 15 RF 47/15).
Die Höhe der in einer Vereinbarung gemäß § 14 JVEG geregelten Vergütung ist daher grundsätzlich der Überprüfung durch den Kostenbeamten und den Kostenrichter entzogen, sofern nicht Gründe offenkundig auf der Hand liegen, dass die vereinbarte Vergütung so niedrig ist, dass sich die Höhe nur durch einen Missbrauch der Marktposition des Staats beim Abschluss der Vereinbarung erklären lässt, weil mit der vereinbarten Vergütung kein vernünftiges wirtschaftliches Tätigwerden am Markt mehr möglich ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 07.04.2016, Az.: L 15 RF 31/15, und vom 08.04.2016, Az.: L 15 RF 47/15). Von einem derartigen Fall ist vorliegend sicherlich nicht auszugehen.
2.3. Anwendbarkeit der Vereinbarung auch auf das Gutachten vom 20.09.2016
Die Vereinbarung vom 08.11.2015 umfasst auch das Gutachten vom 20.09.2016.
Die Vereinbarung vom 08.11.2015 gilt für jedes "auf Anforderung eines Richters der Sozialgerichtsbarkeit des Freistaates Bayern erstattetes schriftliches Gutachten".
Es ist daher ohne Bedeutung, ob der Auftrag von einem Richter eines Sozialgerichts oder des Bayer. LSG erteilt wird. Ohne Relevanz ist es auch, ob das Gutachten von Amts wegen gemäß § 106 SGG oder auf Antrag eines Klägers gemäß § 109 SGG in Auftrag gegeben wird. Denn auch wenn es sich um ein Gutachten gemäß § 109 SGG handelt, wird der Gutachtensauftrag vom Gericht erteilt, nicht von dem den Antrag gemäß § 109 SGG stellenden Kläger. Eine abweichende Regelung, wonach Gutachten gemäß § 109 SGG nicht von der Vereinbarung umfasst wären, enthält die Vereinbarung vom 08.11.2015 nicht.
Ob die Rechtsschutzversicherung der den Antrag gemäß § 109 SGG stellenden Klägerin auch Kosten übernehmen würde, die über den sich aus der Vereinbarung ergebenden Betrag hinausgehen würden, ist nach den der Vergütung zu Grunde zulegenden Vorschriften des JVEG keine für die Vergütung relevantes Tatbestandsmerkmal. Die Vergütung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG folgt den gleichen Regelungen wie die eines Gutachtens gemäß § 106 SGG.
Sofern der Antragsteller wegen des im gerichtlichen Auftragsschreiben vom 21.07.2016 enthaltenen Hinweises auf einen zur Verfügung stehenden Vorschuss in Höhe von 2.800,- EUR meint, dass im Vorfeld keine Rede von einer pauschalen Vergütung gewesen sei, ist dies ohne rechtliche Auswirkung. Ganz abgesehen davon, dass bei Vorliegen einer Vereinbarung im Gutachtensauftrag des Gerichts ohnehin nicht auf die Selbstverständlichkeit, dass sich die Vergütung des Sachverständigen aus der Vereinbarung ergibt, hingewiesen werden muss, ist der Hinweis auf den zur Verfügung stehenden Vorschuss wegen der gesetzlichen Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zwingend geboten gewesen. Dies gilt auch dann, wenn die ärztliche Sachverständigenleistung aufgrund der vorliegenden Honorarvereinbarung (hier: 450,- EUR) im Vergleich zu dem mitgeteilten, zur Verfügung stehenden Vorschuss (2.800,- EUR) vergleichsweise niedrig ist. Zum Zweck der Vermeidung etwaiger Mehrkosten, die durch den von der Klägerin eingezahlten Vorschuss nicht abgedeckt sind, war der Hinweis unverzichtbar. Im Übrigen ist bei orthopädisch-chirurgischen Gutachten nicht völlig ausgeschlossen, dass durch die Durchführung von radiologischen Verfahren nicht unerhebliche Mehrkosten produziert werden, so dass auch bei einer niedrigen Honorarvereinbarung eine Überschreitung des Vorschusses nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Irgendein Vertrauenstatbestand des Antragstellers darauf, dass im vorliegenden Fall die Vereinbarung nicht zur Anwendung komme, ist nicht gegeben.
Ob der Antragsteller versucht hätte, den Gutachtensauftrag abzulehnen, wenn ihm von vornherein bewusst gewesen wäre, dass das Gutachten nach der von ihm abgeschlossenen Honorarvereinbarung vergütet wird, ändert an der Vergütung im vorliegenden Fall nichts. Es mag zwar durchaus so sein, dass das vorliegende Gutachten im Vergleich zu anderen vom Antragsteller angefertigten Gutachten von vergleichsweise höherem Zeitaufwand gewesen ist. Aber dies steht der Anwendung der Honorarvereinbarung nicht entgegen. Denn die Honorarvereinbarung gilt ausnahmslos für alle von einem Richter der Sozialgerichtsbarkeit angeforderten Gutachten des Antragstellers.
Über die aufgezeigten rechtlich maßgeblichen Kriterien hinaus erlaubt sich der Senat im Übrigen folgenden Hinweis: Auch wenn der Senat nachvollziehen kann, dass das vorliegend erstellte Gutachten für den Antragsteller möglicherweise weniger wirtschaftlich war als andere Gutachten, hat er wenig Verständnis für die Haltung des Antragstellers, er hätte den Gutachtensauftrag abgelehnt, wenn ihm die Vergütung nach der Vereinbarung bei der Auftragserteilung bewusst gewesen wäre. Pauschalvereinbarungen wie hier liegen, wie bereits oben aufgezeigt worden ist, verschiedene Gesichtspunkte zu Grunde. Für einen Sachverständigen ist, davon geht der Senat jedenfalls für viele Fälle aus, Grund für den Abschluss einer Honorarvereinbarung die Erwartung, deshalb mit einer häufigeren Beauftragung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit rechnen zu dürfen. Ein pauschal vereinbartes Honorar, das typischerweise unter der Vergütung liegen wird, wie sie sich aus den Vorschriften des JVEG ergeben würde, wenn keine Vereinbarung vorliegen würde, wird daher mit Blick auf die Zahl der zu erwartenden Gutachtensaufträge für den Sachverständigen aus wirtschaftlicher Sicht heraus sinnvoll erscheinen. Mit dem Abschluss einer derartigen Pauschalvereinbarung akzeptiert der Gutachter aber auch, dass es Gutachten gibt, die rentabler für ihn sind, und solche, die im Einzelfall aufgrund des höheren Zeitaufwand weniger wirtschaftlich erscheinen. Sollte ein Sachverständiger der Meinung sein, dass manche Gutachten für ihn nicht lukrativ genug sind, so kann er sich der Vereinbarung nicht dadurch entziehen, dass er die ihm unwirtschaftlich erscheinenden Gutachtensaufträge ablehnt und nur noch finanziell interessante Aufträge übernimmt. Die adäquat erscheinende Reaktion des Sachverständigen in einer solchen Situation wäre daher nur, zu versuchen, im Weg einer Änderung der Honorarvereinbarung zu einer für beide Seiten finanziell akzeptablen Situation zu kommen. Für das vorliegende Verfahren kann aber eine solche potentielle zukünftige Änderung der Vereinbarung keine Bedeutung haben.
2.4. Vergütung des Gutachtens vom 20.09.2016
Die Vergütung ergibt sich vorliegend wie folgt: * Pauschale Vergütung für ein Gutachten nach Untersuchung nach Ziff. 1.1. der Vereinbarung vom 08.11.2015: 450,- EUR. Eine Vergütung für ein Gutachten "bei schwierigem ursächlichen Zusammenhang", wobei als Kriterium für den schwierigen ursächlichen Zusammenhang die Voraussetzungen anzunehmen sind, die auch für die Honorargruppe M 3 gelten, kommt für ein Gutachten wegen Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 16.08.2016, Az.: L 15 RF 17/16). * Pauschale für Schreibgebühren nach Ziff. 4.3. der Vereinbarung vom 08.11.2015: 35,- EUR. * Porto: 10,- EUR. Die vom Antragsteller angesetzten und nicht näher belegten Kosten von pauschal 20,- EUR sind nicht erstattungsfähig. Dem Beschluss des Senats vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/16, folgend werden ohne weiteren Nachweis 10,- EUR erstattet. * Kopierkosten sind nicht zu erstatten, da das Gutachten vom Gericht nur einfach angefordert worden ist. * Umsatzsteuer: 94,05 EUR.
Dem Antragsteller steht daher eine Vergütung in Höhe von insgesamt 589,05 EUR zu.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).