Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 40 gem. § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zusteht und ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG vorliegen.

Der Kläger ist 1936 geboren. Mit Bescheid vom 11.03.2005 war ein GdB von 40 festgestellt worden, dem folgende Gesundheitsstörungen zugrunde lagen: Sehminderung beidseits, eingepflanzte Kunstlinse beidseits - Einzel-GdB 20; Krampfadern beidseits (operiert), Hautekzem der Unterschenkel - Einzel-GdB 20; Bluthochdruck, Kopfschlagaderverengung beidseits, Koronarsklerose, Schwindelerscheinungen - Einzel-GdB 20; Schuppenflechte - Einzel-GdB 10; Allergie - Einzel-GdB 10; Lendenwirbelsäulensyndrom - Einzel-GdB 10; Harninkontinenz bei Prostatavergrößerung - Einzel-GdB 10; Muskelkrämpfe - Einzel-GdB 10.

Mit Schreiben vom 14.04.2009 stellte der Kläger Antrag auf Neufeststellung des GdB auf mindestens 50. Im Laufe der letzten Jahre hätten sich die Gesundheitsstörungen, insbesondere betreffend die Schwindelerscheinungen, die Muskelkrämpfe und das Lendenwirbelsäulensyndrom wesentlich verschlechtert. Die übrigen Beschwerden hätten sich nicht verschlechtert.

Die behandelnden Ärzte berichteten auf Nachfrage des Beklagten u.a. über einen "überraschend guten Allgemeinzustand" und darüber, dass der Kläger "beschwerdefrei im Alltag" sei. Eine Verstärkung der Schwindelerscheinungen oder eine Verschlechterung des Lendenwirbelsäulensyndroms oder der Muskelkrämpfe wurden nicht angegeben.

Mit Bescheid vom 16.07.2009 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung ab. Eine wesentliche und anhaltende Leidensverschlimmerung sei nicht eingetreten; der GdB in Höhe von 40 sei weiterhin sachgerecht.

Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass eine wesentliche und anhaltende Leidensverschlimmerung innerhalb der letzten fünf Jahre eingetreten und damit ein GdB von 40 objektiv nicht mehr sachgerecht sei. Durch die sich verschlechternden Schwindelerscheinungen sei er in den letzten Jahren erheblich steh- und gehbehindert geworden. Die beigezogenen ärztlichen Unterlagen seien nur ein Mosaikstein der Gesamtwürdigung. Für eine objektive und gerechte Entscheidung müsse dem Betroffenen Gehör gegeben werden und die von ihm gemachten Ausführungen zur Sache in die Gesamtbeurteilung einfließen. Das Geh- und Stehvermögen sei erheblich aufgrund des Schwindels mit Gleichgewichtsstörungen eingeschränkt. Im Schreiben vom 05.09.2009 ließ der Kläger erkennen, dass er auch die Merkzeichen G oder aG anstrebt.

Am 13.08.2009 berichtete der Neurologe Dr. B., dass der Kläger seit etwa vier Wochen häufige Schwindelgefühle angegeben habe. Neurologisch sei der Schwindel nicht zu erklären. Der klinisch-neurologische Status sei völlig unauffällig, lediglich die Gleichgewichtsprüfung habe eine diskret ungerichtete Unsicherheit gezeigt.

Der Versorgungsärztliche Dienst des Beklagten schlug nach Auswertung der neu vorgelegten Unterlagen vor, eine "diskret ungerichtete Unsicherheit" mit einem Teil-GdB von maximal 20 als Behinderungsleiden anzuerkennen. Ein höherer Gesamt-GdB als 40 und erst recht die beantragten Merkzeichen seien nicht zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2009 wurde daher der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Am 28.09.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Seine Krankheitserscheinungen hätten sich in den letzten vier bis fünf Jahren durch dauernde Schwindelattacken und damit einhergehende Gleichgewichtsstörungen, insbesondere beim Gehen, wesentlich verschlechtert.

Die behandelnden Ärzte des Klägers haben berichtet, dass dieser Schwindelerscheinungen angebe. Wesentliche Veränderungen hätten sich aber nicht ergeben. Der Kläger sei für sein Alter in einem sehr guten, rüstigen Zustand. Am 15.07.2010 ist der Kläger in der Schwindelambulanz der L. untersucht worden. Dort sind eine bilaterale Vestibulopathie, ein Sehkraftverlust und eine benigne Hypertonie diagnostiziert worden. Dem Kläger sind Gleichgewichtsübungen sowie die Vermeidung von sturzgefährdenden Situationen empfohlen worden.

Mit Bescheid vom 24.09.2010 hat der Beklagte einen zwischenzeitlich gestellten Neufeststellungsantrag abgelehnt.

Im Auftrag des Gerichts hat der Neurologe Dr. P. am 08.12.2010 ein Gutachten erstellt. Bei der gutachterlichen Untersuchung hat der Kläger u.a. angegeben, dass die Unterschenkel oft pelzig seien und er sich beim Gehen unsicher und schwindlig fühle. Die Beschwerden bestünden seit sechs bis neun Monaten. Er könne 600 bis 700 m ohne Weiteres gehen, habe dabei keine Schmerzen in den Beinen. Das Gangbild hat der Sachverständige als flüssig beschrieben; bei der Untersuchung habe der Kläger aber ängstlich und vorsichtig gewirkt. Es habe eine sehr theatralische Ausgestaltung vorgelegen. Bei der Untersuchung sei eine leichtgradige Polyneuropathie zu finden gewesen, das Gangbild imponiere recht wechselhaft, teilweise weitgehend unauffällig, teilweise bestehe eine kurzzeitige Starthemmung und Kleinschrittigkeit. Es lägen Hinweise auf eine Schädigung des Vestibularis-Systems vor. Die Ursache der Gangstörung sei multifaktorell zu sehen. Daneben finde sich aber auch eine psychogene Überlagerung. Eine vermehrte Sturzneigung resultiere nicht, eine Gehhilfe sei nicht erforderlich. Der GdB sei mit 20 zu bewerten. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen seien nicht erfüllt. Weiter lägen beim Kläger eine generalisierte arteriosklerotische Gefäßerkrankung mit Durchblutungsstörungen an den Beinen, Verkalkungen an der äußeren Halsschlagader und Durchblutungsstörungen des Herzens bei Bluthochdruck und leichter Fettstoffwechselstörung vor (GdB 20). Die Sehleistung sei mit einem Visus von 0,6/0,8 dokumentiert (GdB 10). An den Unterschenkeln würden sich deutliche Krampfadern sowie eine Stauungsdermatitis (GdB 20) zeigen. Eine Schuppenflechte mit geringgradiger Manifestation sei mit einem GdB von 10 adäquat bewertet. Im Vergleich zum Bescheid vom 11.03.2005 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Neu hinzugetreten seien seit etwa neun Monaten eine Gleichgewichtsstörung und eine leichtgradige Polyneuropathie. Der Gesamt-GdB sei ab dem 14.04.2009 mit 40 zu bewerten.

Der Kläger hat diesem Gutachten widersprochen; tatsächlich habe sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert. Dies betreffe vor allem die ständigen Gleichgewichtsstörungen und die Polyneuropathie, die alle 10 bis 15 Minuten auftrete. Die körperliche Beweglichkeit habe sich erheblich verschlechtert. Er sei nicht mehr in der Lage, eine Strecke von 500 bis 700 m zu Fuß zurückzulegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.03.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen; es hat sich dabei der Einschätzung des Sachverständigen Dr. P. angeschlossen.

Am 05.04.2011 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er beantrage die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem GdB von mindestens 50 mit den Merkzeichen G und aG. Er leide seit Jahren u.a. an ständigen Schwindelerscheinungen und Gleichgewichtsstörungen; diese hätten sich in den letzten Monaten erheblich verschlechtert. Dadurch komme es immer öfter vor, dass er beim Gehen trotz gepflegter Wegstrecken und guter Sichtverhältnisse hinfalle oder stürze. Gegenwärtig könne er nur eine Wegstrecke von ca. 50 bis 80 m sehr langsam und konzentriert zurücklegen. Die Ausfertigung eines Schwerbehindertenausweises würde seinen täglichen Lebensablauf, z.B. auch beim Parken, wesentlich erleichtern.

Auf Nachfrage des Gerichts wegen der Behandlung der Schwindelerscheinungen, Gleichgewichtsstörungen und Schlafstörungen hat der Kläger mitgeteilt, dass er am 15.07.2010 in der L. behandelt worden sei. Weitere Behandlungen hätten nicht stattgefunden.

Der den Kläger behandelnde Internist Dr. K. hat am 09.05.2011 berichtet, dass es dem Kläger gut gehe. Wesentliche nachteilige Erkrankungen, die das Befinden beeinträchtigen würden, seien ihm nicht bekannt. Der Internist und Kardiologe Dr. B. hat aktuell keine limitierenden Beschwerden im Alltag feststellen können. Die Befundkonstellation sei insgesamt konstant.

Auf den Hinweis des Gerichts vom 17.05.2011, dass sich eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, was die Schwindelerscheinungen und die Gleichgewichtsstörungen angehe, aus den Befundberichten nicht ersehen lasse, hat sich der Kläger mit Schreiben vom 20.05.2011 dahingehend geäußert, dass das Gericht auf seine Berufungsbegründung in keinster Weise eingegangen sei. Er habe doch begründet dargelegt, dass sich die ständigen Schwindelattacken und Gleichgewichtsstörungen in den letzten Monaten erheblich verschlechtert hätten. Dies habe zur Folge, dass er in letzter Zeit beim Gehen öfter zu Fall komme und auch ab und zu stürze. Dies bedeute, dass erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen hinzugekommen seien. Das Gericht wolle dies nicht zur Kenntnis nehmen und stütze sich stattdessen ausschließlich auf ärztliche Befundberichte. Tatsache sei aber, dass kein Arzt dabei sei, wenn er falle oder stürze. Es sei doch logisch und nachvollziehbar, dass er bei Schwindelattacken und Gleichgewichtsstörungen hinfalle und Stürze möglich seien. Das Gericht solle diese Tatsachen endlich zur Kenntnis nehmen und der Berufung stattgeben. Es sei Aufgabe des Gerichts, ihm das Gegenteil zu beweisen. Seine Aussagen zur Sache müssten angemessen und gebührend berücksichtigt werden. Ergänzend hat er angemerkt, dass nach seinen regelmäßigen Hinfallattacken und Stürzen außer Hautabschürfungen und Prellungen bis jetzt keine weiteren größeren körperlichen Gesundheitsschäden entstanden seien. Mit Schreiben vom 01.06.2011 hat der Kläger dem Gericht vorgeworfen, ausschließlich die Aussagen des Beklagten zu berücksichtigen, seine Aussagen aber einfach zu ignorieren. Das Gericht solle zur Kenntnis nehmen, dass sich viele Krankheitserscheinungen und auch deren Verschlechterungen trotz aller ärztlichen Untersuchungen nach derzeitigem ärztlichen Kenntnisstand einfach nicht belegen lassen würden.

Dr. K., der den Kläger zuletzt am 14.04.2011 behandelt hatte, hat auf Anforderung eines aktuellen Befundberichts durch das Gericht am 09.02.2012 angegeben, dass die Schwindelerscheinungen und Gleichgewichtsstörungen, über die der Kläger berichtet habe, deutlich zugenommen hätten. Die Veränderungen seien in den letzten Monaten bemerkt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, 

den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 24.03.2011 und unter Abänderung des Bescheids vom 16.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2009 sowie des Bescheids vom 24.09.2010 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG festzustellen.

Der Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Landshut beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Der Kläger hat mit Schreiben vom 15.03.2012 mitgeteilt, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen werde. Er hat um gerichtliche Entscheidung und Zusendung des Urteils gebeten.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Höhe des GdB und der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG. Gegenstand des Verfahrens ist gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch der Bescheid vom 24.09.2010 geworden, mit dem der Beklagte während des sozialgerichtlichen Verfahrens die vom Kläger beantragte Neufeststellung abgelehnt hat.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 16.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2009 sowie der Bescheid vom 24.09.2010 sind nicht zu beanstanden. Ein höherer GdB als 40 ist nicht nachgewiesen, ebenso nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen G und aG. Bis zur mündlichen Verhandlung am 20.03.2012 haben sich keine neuen Tatsachen ergeben, die einen höheren GdB als 40 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G und aG begründen würden.

1. Zur Höhe des GdB:

In den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers hat sich keine Änderung ergeben, die eine Erhöhung des festgestellten GdB von 40 begründen würde.

Rechtsgrundlage der mit der Klage angefochtenen Bescheide ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Verschlechterung (oder Besserung) der der Behinderung zugrunde liegenden Verhältnisse eine Erhöhung (oder Herabsetzung) des GdB um wenigstens 10 ergibt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhältnissen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid vom 11.03.2005 zugrunde gelegen haben, keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Vielmehr liegt nur insofern eine für die Höhe des GdB unwesentliche Änderung vor, als allenfalls eine nicht GdB-relevante Verschlimmerung der Gleichgewichtsstörungen und neu eine leichtgradige Polyneuropathie aufgetreten sind. Eine Änderung der Verhältnisse, die einen höheren GdB begründen würde, hat sich aber bis heute nicht ergeben.

Rechtsgrundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den seit dem 01.01.2009 maßgeblichen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Die VG haben die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) abgelöst, die für die Zeit vor dem 01.01.2009 weiterhin als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (vgl. BSG, Urteile vom 18.09.2003, Az.: B 9 SB 3/02 R, und vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R; Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 06.03.1995, Az.: 1 BvR 60/95). Die VG sind - wie schon zuvor die AHP - ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.

Der beim Kläger festgestellte GdB ist nach der Überzeugung des Senats mit einer Höhe von 40 vom Beklagten zutreffend bewertet worden; diese Bewertung ist nach wie vor richtig.

Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf das überzeugende und nachvollziehbar begründete Gutachten des Sachverständigen Dr. P ... Der Gutachter hat die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben der VG zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen. Die Überzeugung davon, dass sich seit der Begutachtung keine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands ergeben hat, hat der Senat aus den Auskünften der behandelnden Ärzte gewonnen.

Nach den eigenen Angaben des Klägers hat sich gegenüber den Verhältnissen, wie sie dem Bescheid vom 11.03.2005 zugrunde gelegen haben, insofern eine Verschlechterung ergeben, als Schwindel und Gleichgewichtsstörungen vermehrt aufgetreten sind und sich verschlimmert haben.

Die vom Kläger angegebenen Schwindelerscheinungen und Gleichgewichtsstörungen sind multifaktoriell zu erklären. Er leidet an einer Störung des Vestibularis-Systems, einer leichtgradigen Polyneuropathie, an Bluthochdruck und einer generalisierten arteriosklerotischen Gefäßerkrankung an den Beinen mit geringgradiger Ausprägung. Bei der gutachterlichen Untersuchung waren die Auswirkungen der angegebenen Gleichgewichtsstörungen gering. Die Beeinträchtigungen beim Gehen sind als eher schwach ausgeprägt beschrieben worden, wobei zudem zu berücksichtigen ist, dass ganz offensichtlich eine nicht unerhebliche Demonstrationsneigung des Klägers vorgelegen hat. Der Sachverständige Dr. P. hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar auf die bei der Untersuchung offenkundig vorliegende sehr theatralische Ausgestaltung und psychogene Überlagerung hingewiesen. Diese Einschätzung des Gutachters hält der Senat für überzeugend. Trotz der dargelegten Ausgestaltung durch den Kläger ist bei der Untersuchung durch den Sachverständigen keine Standunsicherheit, auch nicht im Romberg-Versuch, feststellbar gewesen. Dies liefert einen deutlichen Beleg für die zielgerichteten Beschwerdeangaben des Klägers.

Der Senat macht sich die Einschätzung des Sachverständigen Dr. P., der einen Einzel-GdB von 20 für die Gleichgewichtsstörungen angenommen hat, zu eigen; diese Einschätzung ist nachvollziehbar und steht in Einklang mit den Vorgaben der VG. Diese sehen in Teil B, Nr. 5.3 für Gleichgewichtsstörungen mit leichten Folgen einen GdB von 20 vor. Leichte Folgen hat der Verordnungsgeber wie folgt beschrieben: "leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallsschritte bei alltäglichen Belastungen, stärkere Unsicherheit und Schwindelerscheinungen bei höheren Belastungen, leichte Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen erst auf höherer Belastungsstufe". Bei Berücksichtigung der Feststellungen des Sachverständigen, der u.a. ein flüssiges und teilweise weitgehend unauffälliges Gangbild beschrieben hat, auch wenn der Kläger das Gangbild wechselhaft demonstriert hat, und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine vermehrte Sturzneigung nicht vorliegt, ist von Gleichgewichtsstörungen "mit leichten Folgen" im vorgenannten Sinn auszugehen. Ein höherer GdB als 20 lässt sich nicht begründen. Vielmehr ist ein GdB von 20 mit Sicherheit ausreichend, wenn nicht sogar eher großzügig, wie dies auch der Beklagte im Rahmen der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.11.2010 erläutert hat. Bestätigt wird die Richtigkeit - und Großzügigkeit - dieser Einschätzung auch dadurch, dass die behandelnden Ärzte von einem angesichts des Alters des Klägers überraschend guten Allgemeinzustand und - dies verwundert angesichts der Angaben des Klägers gegenüber dem Beklagten und Gericht und lässt die Angaben des Klägers in einem zweifelhaften Licht erscheinen - Beschwerdefreiheit im Alltag berichtet haben.

Sofern der Kläger im Gegensatz zu den sachverständigen Feststellungen insbesondere im Rahmen der Berufungsbegründung behauptet, ständig Schwindelattacken zu haben, beim Gehen öfter zu Fall zu kommen und immer wieder zu stürzen, ist dies nicht geeignet, die sachverständigen Feststellungen in Zweifel zu ziehen und einen höheren GdB zu begründen.

Eine derart stark ausgeprägte Schwindelneigung und Störung des Gleichgewichtssinns lässt sich nicht objektivieren. Gesundheitsstörungen bedürfen, um bei der Ermittlung des GdB Berücksichtigung finden zu können, des Vollbeweises. Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht erforderlich, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Zwar sind selbstverständlich auch die Angaben eines Beteiligten im Rahmen der Beweisführung zu berücksichtigen. Jedenfalls dann aber, wenn - wie hier - erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestehen, kann der Vollbeweis allein damit keinesfalls mehr erbracht werden. Dem Kläger steht kein Anspruch zu, dass das Gericht ihm unbesehen glaubt.

Die Zweifel des Senats an den Angaben des Klägers stützen sich zum einen auf die sachverständigen Feststellungen. Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung hat eine erhebliche Abweichung der Feststellungen des Sachverständigen von den Angaben des Klägers zum Umfang der Schwindelerscheinungen und Gleichgewichtsstörungen bestanden; der Sachverständige hat die Gleichgewichtsstörungen in dem vom Kläger behaupteten Umfang objektiv anhand der durchgeführten Untersuchungen nicht bestätigen können. Zudem finden die Angaben des Klägers auch keinerlei Bestätigung in den Berichten seiner behandelnden Ärzte. Diese haben zu einem Zeitpunkt, für den der Kläger schon massive Gleichgewichtsstörungen vorgetragen hat, derartige Störungen in ihren Berichten nicht erwähnt und den Kläger vielmehr als "beschwerdefrei im Alltag" und in einem "überraschend guten Allgemeinzustand" beschrieben. Gerade die Tatsache, dass der Kläger gegenüber den behandelnden Ärzten die von ihm dann, wenn es um die Geltendmachung von versorgungsrechtlichen Vorteilen geht, als massiv beeinträchtigend beschriebenen Störungen nicht angegeben hat und deshalb nicht behandelt worden ist, weckt nicht unerhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Klägers.

Auch sind die Angaben des Klägers zum Zeitpunkt des Beginns bzw. der Verschlimmerung der Schwindelerscheinungen in sich nicht konsistent. So variieren seine Angaben zum Zeitpunkt massiv. Im Neufeststellungsantrag vom 14.04.2009 hat er angegeben, dass sich die Schwindelerscheinungen in den letzten Jahren wesentlich verschlechtert hätten, wobei er den Zeitraum im Widerspruch vom 20.07.2009 auf die letzten fünf Jahre präzisiert hat. Beim Neurologen Dr. B. hingegen hat der Kläger den Beginn des Schwindels auf Juli 2009 terminiert, bei der Untersuchung in der Schwindelambulanz der L. am 15.07.2010 hat der Kläger die gegenüber Dr. B. gemachten Angaben im Wesentlichen wiederholt. Bei der Begutachtung durch Dr. P. am 08.12.2010 wiederum hat der Kläger angegeben, unter den Schwindelbeschwerden seit sechs bis neun Monaten, also ab ca. Frühjahr 2010 zu leiden. Folgt man den Angaben des Klägers, ergibt sich ein zeitlicher Spielraum für den Beginn bzw. die Verschlimmerung der Schwindelerscheinungen von ca. 2004 bis 2010. Aufgrund der unterschiedlichen Beschwerdeangaben des Klägers gegenüber den behandelnden Ärzten einerseits und gegenüber dem Beklagten und den Gerichten andererseits muss sich der Kläger die Frage stellen lassen, welchen seiner Angaben nun Glauben zu schenken ist. Es liegt auf der Hand, dass ein zweckgerichtetes Verhalten, wie es auch der Sachverständige Dr. P. aufgrund der vom Kläger dargebotenen Theatralik gesehen hat, die Angaben maßgeblich beeinflusst hat. Nach alledem darf sich der Kläger nicht darüber wundern, dass das Gericht seine Angaben einer ganz besonders sorgfältigen Prüfung auf Wahrheitsgehalt unterzogen hat.

Sofern der Kläger versucht, die behauptete, aber ärztlicherseits nicht bestätigte gestiegene Schwindelneigung mit der Angabe von zahlreichen schwindelbedingten Stürzen zu belegen, scheitert dieser Versuch. Denn die vom Kläger aufgestellte Behauptung zahlreicher Stürze, die auf eine erhöhte Schwindelneigung hindeuten könnten, ist durch nichts zu objektivieren. Irgendwelche Befunde, die derartige Stürze belegen würden, gibt es nicht. So liegen keinerlei ärztliche Berichte vor, die eine Behandlung wegen derartiger Sturzfolgen dokumentieren würden. Zwar muss nicht jeder Sturz auch zu einer Behandlungsbedürftigkeit führen; wenn aber keine einzige sturzbedingte Behandlung dokumentiert ist, verwundert dies doch und deutet darauf hin, dass die Sturzfrequenz bei weitem nicht so hoch sein kann, wie sie der Kläger angibt.

Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers zu den Schwindelerscheinungen drängen sich auch deshalb auf, weil ein gesteigerter Leidens- und Behandlungsdruck wegen dieser Erkrankung nicht erkennbar ist. Obwohl der Kläger massiv verschlimmerte Schwindelerscheinungen und eine erhöhte Sturzhäufigkeit behauptet, hat er sich seit der einmaligen Behandlung im Schwindelzentrum der L. am 15.07.2010 keiner einschlägigen ärztlichen Untersuchung und Behandlung mehr unterzogen. Es ist schwer nachvollziehbar, dass ein von derartigen Beschwerden, wie sie der Kläger angibt, Betroffener eine solche Krankheitsentwicklung trotz aller mittelbaren Gefährdungen "tatenlos" hinnimmt und nicht einmal den Versuch unternimmt, mithilfe ärztlicher Therapie der Krankheit entgegen zu wirken, zumal es wahrscheinlich ist, dass nicht alle Stürze immer so glimpflich ablaufen, wie es der Kläger vorträgt.

Insofern ist festzuhalten, dass der Senat die Aussagen des Klägers zur Sache sehr wohl ausreichend - wenn auch nicht in dem vom Kläger erwünschten Sinn - berücksichtigt hat. Im Übrigen würden verbliebene Unaufklärbarkeiten nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers gehen. Wenn der Kläger demgegenüber meint, dass das Gericht ihm das Gegenteil seiner Behauptungen beweisen müsse, verkennt er die geltenden Beweisvorgaben.

Sofern der den Kläger behandelnde Internist Dr. K. dem Gericht am 09.02.2012 berichtet hat, dass die Schwindelerscheinungen und Gleichgewichtsstörungen deutlich zugenommen hätten, können diese Angaben im wohlmeinenden Interesse dieses Arztes nur dahingehend interpretiert werden, dass der Arzt die ihm gegenüber gemachten Angaben des Klägers wiederholt hat und die Auskunft einzig und allein auf den Angaben des Klägers beruht, nicht aber auf vom Arzt selbst erhobenen Befunden. Anders ist der Bericht des Arztes nicht zu erklären, wenn ihm nicht die Abgabe eines Gefälligkeitsattestes unterstellt werden soll. Denn die letzte Behandlung durch Dr. K. hat nach dessen Angaben am 14.04.2011 stattgefunden. Danach hat Dr. K. am 09.05.2011 dem Gericht auf Nachfrage berichtet: "Dem Patienten geht es gut ... Wesentliche nachteilige Erkrankungen, die das Befinden des Patienten beeinträchtigen, sind mir nicht bekannt". Hätten damals wesentliche Schwindelerscheinungen oder eine Verschlimmerungstendenz vorgelegen, hätte dies mit Sicherheit Eingang in den gründlich erstellten Bericht gefunden. Wenn der Arzt demgegenüber einige Monate später, in denen er den Kläger nach eigener Auskunft kein einziges Mal behandelt hat, über eine deutliche Zunahme der Schwindelerscheinungen berichtet, kann dies nur eine Wiederholung ungeprüfter Angaben des Klägers darstellen. Denn eine ärztliche Untersuchung hat ja nicht stattgefunden! Insofern ergeben sich aus dem zuletzt vorgelegten Bericht des Dr. K. keine neuen Tatsachen, die eine Verschlechterung des Gesundheitszustands objektiv belegen könnten.

Eine im Neufeststellungsantrag vom 14.04.2009 angegebene Verschlechterung des LWS-Syndroms ist in der Folgezeit vom Kläger bis heute nicht mehr wiederholt worden. Eine Verschlechterung findet auch in den vorliegenden Arztberichten und Gutachten keine Stütze. Das LWS-Syndrom hat in den Arztberichten, sogar in dem des behandelnden Orthopäden, keine Erwähnung gefunden. Behandlungen deswegen haben aktenkundig nicht stattgefunden. Auch bei der gerichtlich angeordneten Begutachtung hat der Kläger LWS-Beschwerden überhaupt nicht angegeben, sodass von nennenswerten LWS-Beschwerden, geschweige denn von einer Verschlimmerung, aufgrund der eigenen Angaben des Klägers nicht ausgegangen werden kann. Sofern der Kläger zwischenzeitlich wegen Beschwerden im Nacken-Schulter-Oberarmbereich behandelt worden ist, ist nach den Angaben der behandelnden Ärzte nur von vorübergehenden Beschwerden und einer Verbesserung des Schmerzzustandes auszugehen; weitergehende Ermittlungen waren diesbezüglich aufgrund der vergleichsweise geringen Ausprägung der ärztlicherseits berichteten Beschwerden nicht angezeigt.

Die Bildung des Gesamt-GdB mit 40, wie sie der Sachverständige Dr. P. in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Beklagten vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Senat macht sich die überzeugende Einschätzung des Sachverständigen zu eigen. Ob für die Sehstörung ein GdB von 10 oder 20 anzusetzen ist, ist für die Höhe des Gesamt-GdB dabei ohne Bedeutung. Denn auch bei Zugrundelegung eines GdB von 20 wäre dies für die Höhe des Gesamt-GdB ohne Auswirkung. Die beim Kläger vorliegende Sehschärfe von 0,6/0,8 bei beidseitiger Kunstlinsen führt bei Berücksichtigung der VG (dort Teil B, Nr. 4.2 und 4.3) allenfalls zu einem "schwachen" GdB von 20 mit der Konsequenz, dass der Gesamt-GdB dadurch keine Erhöhung erfährt (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 d) ee).

2. Zu den Merkzeichen G und aG:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der beantragten Merkzeichen, da er nicht schwerbehindert ist.

Zuständig für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzung von Merkzeichen ist gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX der Beklagte.

Einen Anspruch auf das Merkzeichen G und damit unentgeltliche Beförderung im Straßenverkehr haben gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur schwerbehinderte Menschen. Schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX sind Menschen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Diese Grundvoraussetzung für das Merkzeichen G liegt in der Person des Klägers nicht vor.

Auch das Merkzeichen aG setzt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX voraus, die dem Kläger aber fehlt.

Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Zwar gehört es nicht zu den Aufgaben des Senats, moralische Ratschläge zu erteilen. Was ihm aber zusteht, ist, seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass der Kläger ihn offenbar mit Übertreibungen oder Angaben, deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, "gefüttert" hat. Bei allem Prozesseifer des Klägers darf der Zweck nicht alle Mittel heiligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).