Tatbestand:

Der 1964 geborene Kläger begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 69 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).

Mit Erstantrag vom 17.06.2003 hat der Kläger auf den bei ihm bestehenden insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I hingewiesen. Der Beklagte hat die Unterlagen der Diabetes-Schwerpunktpraxis A. und E. beigezogen. Diese haben den Kläger auf eine intensivierte konventionelle Insulintherapie eingestellt. Dementsprechend haben sich im Folgenden hyper- oder hypoglykämische Stoffwechselentgleisungen nicht mehr nachweisen lassen. Die berufliche Situation des Klägers ist als problematisch eingestuft worden (Bundesgrenzschutz am Flughafen D-Stadt im Flugsicherheitsdienst mit Dienst an der Waffe).

Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 28.08.2003 hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung Bayreuth vom 02.09.2003 den Grad der Behinderung (GdB) wegen der bestehenden Gesundheitsstörung "Zuckerkrankheit (mit Diät und Insulin einstellbar)" mit 40 festgestellt. Eine Steuerbescheinigung nach § 33b des Einkommensteuergesetztes (EStG) ist nicht ausgestellt worden.

Der Widerspruch vom 12.09.2003 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung Bayreuth vom 02.09.2003 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 18.11.2003 zurückgewiesen worden. Der GdB betrage zutreffend 40 und nicht 50.

Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 08.01.2004 eingehend dargelegt, dass der bei dem Kläger bestehende erhebliche Therapieaufwand GdB-erhöhend zu berücksichtigen sei. Es sei mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" nicht vereinbar, dass ein Diabetiker mit einem ganz erheblichen Therapieaufwand (4-Spritzen-Regime) gut eingestellt sei und dementsprechend einen niedrigeren GdB zu erwarten habe, als derselbe Diabetiker, der aufgrund eines insuffizienten Therapieregimes schlecht eingestellt sei. Dies führe dazu, dass dem Patienten, der sich nicht an die Therapieempfehlungen halte, am Ende ein höherer GdB zugeordnet werde als demjenigen, der die Therapieempfehlungen gewissenhaft befolge. Insoweit werde auf die Stellungnahmen der Deutschen Diabetesgesellschaft in gleichgelagerten Fällen verwiesen, ebenso auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.03.2003 - S 31 SB 388/01.

Der Beklagte hat die versorgungsärztlich-internistische Stellungnahme des Dr. H. P. vom 09.02.2004 vorgelegt. Danach liege bei dem Kläger ein mit Antikörpern gegen die Glutamin-Decarboxylase einhergehender LADA (= latenter Autoimmun-Diabetes der Adulten) vor, also ein relativ spät manifestierter Diabetes Typ I, der nach kurzer Phase der Behandlung mit oralen Antidiabetika insulinpflichtig geworden sei und nun mit intensivierter konventioneller Insulintherapie (ICT) behandelt werde. Folgeschäden würden bisher nicht vorliegen. Die gute Einstellung werde auch im Widerspruchsschreiben bestätigt. Dementsprechend werde empfohlen, den GdB wie bisher mit 40 festzustellen.

Das Sozialgericht Bayreuth hat weitere ärztliche Unterlagen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J. K. mit Fremdbefunden der Diabetes-Schwerpunktpraxis A. und E. beigezogen. Gleiches gilt für die Unterlagen des Arbeitsmedizinischen Dienstes Grenzschutzpräsidium Süd. Im Folgenden hat das Sozialgericht Bayreuth mit Beweisanordnung vom 03.05.2004 Dr. J. T. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat die Einschätzung des Diabetes mellitus mit einem GdB von 40 als zutreffend erachtet. Nach den vorliegenden Unterlagen handele es sich weder um einen besonderen schwer einstellbaren Diabetes mellitus noch würden zusätzliche diabetische Komplikationen vorliegen. Eine minimale Störung der Oberflächensensibilität und des Vibrationsempfindens würden keinen zusätzlichen GdB bedingen.

Nach entsprechender Ankündigung vom 03.08.2004 hat das Sozialgericht Bayreuth die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2004 abgewiesen und sich hierbei auf die übereinstimmenden Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten und des nach § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG bestellten Sachverständigen Dr. J. T. gestützt.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 20.09.2004 ging am 21.09.2004 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des BayLSG wurden die Schwerbehindertenakten des Beklagten, die erstinstanzlichen Unterlagen sowie die Blutzuckertagebücher des Klägers beigezogen.

Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige Prof. Dr. W. A. S. kam mit fachinternistischem Gutachten vom 28.12.2005 zu dem Ergebnis, dass der bei dem Kläger bestehende Diabetes mellitus vom Typ LADA ohne chronische Komplikationen, behandelt nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft mit intensivierter Insulintherapie (ICT) mit 4-Spritzen-Regime, mit einem GdB von 50 zu bewerten sei, dies aufgrund des erforderlichen Mehraufwandes zur Optimierung der Stoffwechselsituation bei vier Insulininjektionen pro Tag.

Dr. S. verwies mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 15.03.2006 darauf, es sei nach den Anhaltspunkten nicht vorgesehen, dass ein Diabetiker in Abhängigkeit von der Häufigkeit der täglichen Blutzuckermessungen unterschiedliche GdB-Werte zugesprochen bekomme.

In Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien holte das BayLSG weitere Befundberichte von Dr. P. P. und der Leiterin Ärztlicher und Sicherheitstechnischer Dienst Bundespolizeipräsidium Süd ein. Die nunmehrige Behandlerin Dr. S. D. bestätigte mit Befundbericht vom 04.12.2006, dass die Blutzuckereinstellung in den letzten Monaten nach ihrer Datenlage stabil gewesen sei. Im Folgenden bestellte das BayLSG mit Beweisanordnung vom 13.12.2006 Dr. B. E. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser befürwortete mit internistischem Gutachten vom 04.03.2007 einen GdB von 40. Bei dem Kläger liege ein Diabetes mellitus Typ I ohne Organkomplikationen vor. Die Bevollmächtigte des Klägers betonte mit Schriftsatz vom 08.05.2007, dass bei dem Kläger aufgrund der verschlechterten Einstellbarkeit ein GdB von 50 angemessen sei.

Das BayLSG hat mit Beschluss vom 13.06.2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, um die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Revisionsverfahren B 9a SB 10/06 R abzuwarten.

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 09.12.2008 die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 08.12.2008 vorgelegt. Das Therapieschema des Klägers sei nicht als erhöhter Therapieaufwand zu werten, sondern als üblicher Therapieaufwand der "Basis-Bolus-Konzept-Insulinbehandlung", die die Teilhabe eines Diabetikers am Leben in der Gesellschaft erleichtere und nicht erschwere. Bei dem Kläger liege daher kein erhöhter Therapieaufwand vor, der eine höhere Bewertung der Zuckerkrankheit rechtfertigen würde. In Berücksichtigung der Ausführungen der Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 11.12.2008 holte das BayLSG einen aktuellen ärztlichen Befundbericht von Dr. S. D. ein. In ihren Unterlagen seien nur die Diabetes-spezifischen Befunde vorliegend. Entsprechend dem Ersuchen des BayLSG übermittelte die Bevollmächtigte des Klägers mit weiterem Schriftsatz vom 27.01.2009 ergänzend nochmals Kopien des Diabetikertagebuches für den aktuellen Zeitraum.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2009 berichtet der Kläger, dass er seit Juni 2008 auch wieder eine Dienstwaffe beim Dienst tragen dürfe (Schichtdienst am Flughafen D-Stadt). Im Übrigen schildert er eingehend beispielhafte Tagesabläufe. Das Messen und Spritzen dauere ungefähr zwei Minuten, wenn es hoch komme. Insgesamt sei seine Behandlungsmethode diejenige der Basis-Bolus-Therapie mit gewöhnlich mindestens vier Spritzen. Sein letzter deutlicher hypoglykämischer Zustand sei vor etwa zwei bis drei Monaten gewesen. Ein solcher Zustand dauere ungefähr fünf bis zehn Minuten. Einmal sei er auch bewusstlos geworden, das müsse so 2003/2004 gewesen sein. Er sei eher sportlich, spiele viel Fußball, gehe joggen, fahre Fahrrad und gehe spazieren. Bei sportlichen Aktivitäten müsse er vorher auch immer zwingend eine Messung durchführen. Nach jeder sportlichen Aktivität werde nochmals gemessen.

Auf Hinweis des BayLSG hat sich die Bevollmächtigte des Beklagten bereit erklärt, dem Kläger ab Antragstellung (17.06.2003) eine Steuerbescheinigung gemäß § 33b EStG auszustellen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.09.2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 02.09.2003 in Form des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2003 bei dem Kläger ab dem 17.06.2003 einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 festzustellen.

Die Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Bayreuth hat die Klage gegen den Bescheid vom 02.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2003 mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2004 zutreffend abgewiesen.

Menschen sind gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 SGB IX).

Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004, 2005 und 2008" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").

Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. Die "Anhaltspunkte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art. 3 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. - Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".

In Ergänzung zu § 30 Abs. 1 BVG hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 17 BVG n.F. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des GdS i.S. des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Dementsprechend sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2008" mit Wirkung ab 01.01.2009 durch die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" abgelöst worden (vgl. Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Diese sind im Wesentlichen zu den vormals maßgeblichen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2008" inhaltsgleich; betreffend der Bewertung eines Diabetes mellitus ist jedoch insoweit eine Modifikation vorgenommen worden, als nicht mehr zwischen einem Diabetes mellitus Typ I und Typ II unterschieden wird. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2008" war in Rz. 26.15 vorgesehen, dass ein Diabetes mellitus des Typ I (wie hier) durch Diät und alleinige Insulinbehandlung gut einstellbar einen GdB von 40 bedingt. Ein schwer einstellbarer Diabetes Typ I, verbunden auch mit gelegentlichen ausgeprägten Hypoglykämien, ist mit einem GdB von 50 zu bewerten gewesen. Nun sehen die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Teil B Ziff. 15 vor, dass ein Diabetes mellitus unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwankend) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten ist. Besteht eine unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien, bedingt dies einen GdB von 50.

Unabhängig davon hat das BSG seine Rechtsprechung zur Bewertung eines Diabetes mellitus mit Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - fortgeführt und grundsätzlich ausgesprochen: Zur Feststellung des GdB wegen Diabetes mellitus unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R, mit der der erkennende Senat festgestellt hat, dass die den Diabetes mellitus betreffenden Nr. 26.15 der AHP 1996 und 2004 nur mit gewissen Maßgaben dem höherrangigen Recht und dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Die angesichts der Entscheidung des BSG vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R vom ärztlichen Sachverständigenbeirat "Versorgungsmedizin" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erfolgte vorläufige Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr. 26.15 der AHP (s. Rundschreiben des BMAS vom 22.09.2008 - IV C 3-48064-3) berücksichtigt allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht den die Teilhabe beeinträchtigenden Therapieaufwand. Die Notwendigkeit seiner Berücksichtigung ergibt sich indes zwingend aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX (ab 01.05.2004: Satz 4). Er kann je nach Umfang dazu führen, dass der allein anhand der Einstellungsqualität des Diabetes beurteilte GdB auf den nächsthöheren Zehnergrad festzustellen ist. Neben der Einstellungsqualität und dem Therapieaufwand für den Diabetes mellitus selbst führen sog. Organkomplikationen, also dauerhafte, durch den Diabetes verursachte Gesundheitsstörungen an anderen Organen, nicht zu einer Erhöhung des Einzel-GdB wegen Diabetes.

Hiervon ausgehend steht aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des erkennenden Senats sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage sowie in Beachtung der vorstehend zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, dass der bei dem Kläger bestehende Diabetes mellitus mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet ist. Denn unstreitig besteht bei dem Kläger ein Diabetes mellitus Typ I, der erst im Erwachsenenalter aufgetreten ist (LADA). Übereinstimmend beschreiben sowohl die behandelnden Ärzte A. und E. bzw. nunmehr Dr. D. eine relativ stabile Stoffwechsellage. Gleiches gilt für den erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. J. T. mit Gutachten vom 02.08.2004 bzw. die zweitinstanzlich gehörten Sachverständigen Prof. Dr. W.A. S. mit Gutachten vom 28.12.2005 und Dr. B. E. mit Gutachten vom 04.03.2007. Dies korrespondiert wiederum mit den übereinstimmenden Ausführungen des Klägers selbst in der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2009. Danach ist er einmal bewusstlos geworden, so etwa 2003/2004. Im Übrigen lag sein letzter deutlicher hypoglykämischer Zustand etwa zwei bis drei Monate zurück. Dass der Kläger relativ stabil eingestellt ist, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass er nach eigenem Bekunden seit Juni 2008 wieder eine Dienstwaffe beim Dienst tragen darf (Schichtdienst am Flughafen D-Stadt). Vorstehende Gesichtspunkte belegen zweifelsfrei, dass bei isolierter Betrachtung des bei dem Kläger bestehenden Krankheitsbildes eines Diabetes mellitus Typ I im Erwachsenenalter (LADA) ein GdB von 40 sowohl in der Vergangenheit angemessen war (vgl. AHP 1996, 2004 ff. in Rz. 26.15) als auch derzeit angemessen ist (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze Teil B Ziff.15).

Die Auffassungen der ärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. W.A. S. mit Gutachten vom 28.12.2005 und Dr. B. E. mit internistischem Gutachten vom 14.03.2007 unterscheiden sich in der Frage, ob die bei dem Kläger erforderliche intensivierte Insulintherapie (ICT) mit 4-Spritzen-Regime GdB-erhöhend zu berücksichtigen ist oder nicht (vgl. Urteil des BSG vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R).

Insoweit steht zur Überzeugung der erkennenden Senats fest, dass im Falle des Klägers eine GdB-Erhöhung auf 50 nicht vorzunehmen ist. Es fällt auf, dass der Kläger sein Leben in Berücksichtigung des bei ihm bestehenden Diabetes mellitus bestens eingerichtet und organisiert hat. Dies betrifft nicht nur die Nahrungsaufnahme oder seine berufliche Tätigkeit, sondern auch sein Freizeitverhalten samt den diversen sportlichen Aktivitäten, teils mit der Familie, teils ohne diese. Die erkennbar gewordene "eiserne Disziplin", die der Kläger regelmäßig an den Tag legt, ermöglicht es ihm regelmäßig mit einer intensivierten Insulintherapie (ICT) mit 4-Spritzen-Regime auszukommen. Das Messen und Spritzen dauert nach eigenem Bekunden im Einzelfall ungefähr zwei Minuten, wenn es hoch kommt. Der durchschnittliche tägliche Therapieaufwand beläuft sich bei dem Kläger somit auf maximal zehn Minuten. Bei sportlichen Aktivitäten kommen aufgrund von zwei notwendigen Messungen bis zu fünf Minuten hinzu.

In Übereinstimmung mit Dr. S. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 08.12.2008 ist der Senat der Auffassung, dass ein Therapieaufwand von durchschnittlich 15 Minuten pro Tag noch keinen erhöhten Therapieaufwand darstellt, der eine Höherbewertung des GdB bedingen würde. Denn die angewandte Basis-Bolus-Therapie (der Kläger spritzt nach eigenem Bekunden situationsabhängig Humalog oder das langzeitwirkende Insulin Lantus) bedingt, dass der Kläger zahlreiche individuelle Freiheiten nutzen kann, die Diabetikern mit einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus nicht mehr offenstehen.

Nachdem bei dem Kläger auch keine relevanten Sekundärfolgen bestehen (Dr. J. T. hat mit Gutachten vom 02.08.2004 lediglich auf eine minimale Störung der Oberflächensensibilität und des Vibrationsempfindens hingewiesen), ist auch unter diesem Gesichtspunkt eine Erhöhung des GdB auf 50 nicht veranlasst gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen gewesen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG): In Fortführung des Urteils des BSG vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - ist festzustellen, dass bei einem Kläger, der an einem Diabetes mellitus vom Typ I (LADA) ohne chronische Komplikationen leidet, bei einem durchschnittlichen Therapieaufwand von 10 bis 15 Minuten kalendertäglich nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft mit intensivierter Insulintherapie (ICT) mit 4-Spritzen-Regime keine Erhöhung des GdB von 40 auf 50 gerechtfertigt ist.