Bay. LSG - L 15 SB 95/05.Ko - Beschluss vom 22.05.2006
Der Anspruch auf Vergütung oder Entschädigung eines Dolmetschers erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die ihn herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet bei Mängeln in der Büroorganisation aus. Auch ein Dolmetscher muss seinen Büroablauf ordnungsgemäß organisieren.
Gründe
I.
Der Antragsteller (As.) war am 07.11.2005 in der mündlichen Verhandlung des 15.
Senates des Bayer. Landessozialgerichtes (Az.: L 15 SB 95/05) als Dolmetscher
tätig. Am 01.03.2006 ging sein am 25.02.2006 unterzeichneter
Entschädigungsantrag bei Gericht ein; das verwendete Antragsformular enthält auf
der ersten Seite rechts oben den "wichtigen Hinweis": "Der Antrag auf
Entschädigung muss binnen einer Frist von drei Monaten gestellt werden, weil der
Anspruch sonst erlischt." Mit Schreiben vom 02.03.2006 teilte der Kostenbeamte
dem As. mit, sein Entschädigungsanspruch sei nach Ablauf von drei Monaten
erloschen; er habe keine Bedenken, die heutige Vorsprache des As. als Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu werten und werde diesen Antrag dem
Kostensenat zur Entscheidung vorlegen. Gleichzeitig klärte er den As. über die
Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf.
Mit Schreiben vom 12.03.2000, das bei Gericht am 14.03.2006 einging, gab der As.
an, im November 2005 seine Rechnung berechnet und seiner Frau Anfang Dezember
zum Fertigmachen und Versenden gegeben zu haben; da sie jedoch einiges an
Erledigungen wegen ihrer Abwesenheit liegen hatte, andererseits wegen
Weihnachten sehr beschäftigt gewesen wäre, habe sie diese Rechnung nicht sofort
fertig gemacht und abgeschickt, sondern zusammen mit anderen Unterlagen in ein
Ablagefach gelegt, so dass diese Rechnung bei ihr in Vergessenheit geraten sei,
obwohl sie bei ihm als erledigt abgehakt gewesen wäre; bei Ablagearbeiten habe
sie das Versehen dann erst am 25.02.2006 entdeckt, weshalb die Rechnung erst
nach diesem Datum habe versendet werden können.
Er beantrage deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und stelle, falls
abgelehnt werde, den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 JVEG.
Der Antragsgegner (Ag.) hat hierzu keine weitere Stellungnahme abgegeben.
II.
Der erkennende Senat ist als der durch den Geschäftsverteilungsplan A
(Rechtsprechung) des Bayer. Landessozialgerichts bestimmte Kostensenat (vgl.
hier: § 4 Abs.1 Nr.1 JVEG) auch unmittelbar für die Entscheidung über Anträge
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs.2 JVEG zuständig
(Meyer/Höfer/Bach, Kommentar zum JVEG, 23. Auflage, Rdnr.2.5 zu § 2; s. auch 22.
Auflage S.374 oben = Rdnr.7.2 zu § 15 ZSEG; a.A. Hartmann, Kostengesetze, 35.
Auflage, Rdnr.17 zu § 2 JVEG).
Nachdem der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung derartiger Anträge bereits
am 17.11.2005 (vgl. L 10 AL 2/02.KO) und am 09.01.2006 (vgl. L 5 R 502/04.KO) in
voller Besetzung entschieden hat, konnte diese Entscheidung vom zuständigen
Einzelrichter getroffen werden.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist abzulehnen. Der Anspruch auf Vergütung oder
Entschädigung eines Dolmetschers erlischt gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 JVEG, wenn er
nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder
beauftragt hat, geltend gemacht wird. Im Fall der Zuziehung als Dolmetscher
beginnt die Frist mit Beendigung der Vernehmung oder Zuziehung (§ 2 Abs.1 Satz 2
Nr.2 JVEG). Beim Kläger war dies die Beendigung seiner Tätigkeit als Dolmetscher
am 07.11.2005.
Diese Fristversäumnis kann auch nicht durch die in § 2 Abs.2 Satz 1 JVEG
vorgesehene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden. Denn der As.
war nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist nach Abs.1
gehindert, abgesehen davon, dass er möglicherweise nicht innerhalb von zwei
Wochen nach Beseitigung des Hindernisses die Tatsachen glaubhaft machte, welche
die Wiedereinsetzung begründen.
Wollte man die Belastung der Ehefrau des As. in der Zeit vor Weihnachten als
ausreichende Entschuldigungsgründe für die Versäumung der Dreimonatsfrist
ansehen, so wäre jedenfalls nach den Feiertagen der Hinderungsgrund für die
Geltendmachung der Vergütung weggefallen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
kann aber gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 JVEG nur gewährt werden, wenn der Berechtigte
innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch
beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung
begründen. Nachdem jedoch die im Schreiben vom 12.03.2006 angegebenen
Wiedereinsetzungsgründe erst am 14.03.2006 und damit mehr als zwei Monate nach
der Weihnachtszeit bei Gericht eingingen, wäre der Wiedereinsetzungsantrag
bereits unzulässig. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der
Kläger seine Rechnung wirklich im November 2005 absendungsfertig berechnete,
weil sein Entschädigungsantrag erst am 25.02.2006 - nach angeblichem Auffinden
im Ablagefach - unterschrieben wurde.
Letzteres deutet im Übrigen auch darauf hin, dass beim As. ein erheblicher
Mangel seiner Büroorganisation vorgelegen hat. Grundsätzlich muss der
Berechtigte sein Büro so organisieren, dass er sowohl Urlaub oder mögliche
Erkrankungen des Personals berücksichtigt (BGH in NJW 99, 3783); dies gilt auch
und erst recht für den Ehegatten, der diesen Organisationsbereich wahrnimmt und
bei dem gemäß § 73 Abs.2 Satz 2 SGG die Bevollmächtigung unterstellt werden
kann. Insoweit muss sich der As. das Versehen anrechnen lassen. Offensichtlich
haben weder er noch seine Ehefrau einen Wiedervorlagekalender geführt;
Klebezettel oder dergleichen reichen jedenfalls nicht aus, um eine
ordnungsgemäße Büroorganisation anzunehmen (BGH in NJW - RR 99, 1336; Thomas/Putzo,
ZPO, Kommentar, 24. Auflage, Rdnr.16, 41 zu § 233).
Abgesehen davon, dass der Wiedereinsetzungsantrag und die Gründe für eine
Wiedereinsetzung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen
Zwei-Wochen-Frist nach Wegfall des Hindernisses vorgebracht worden sind, sind
die vorgetragenen Gründe auch nicht geeignet, den Antrag auf Wiedereinsetzung zu
begründen.
Nachdem damit grundsätzlich feststeht, dass der Anspruch des As. auf
Entschädigung für seine Tätigkeit als Dolmetscher am 07.11.2005 erloschen ist,
braucht der Senat auf Einzelheiten der Entschädigung nicht einzugehen.
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 183 SGG,
§ 4 Abs.8 JVEG); die Entscheidung ist endgültig (§ 4 Abs.4 Sätze 2 und 3 JVEG).