Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdegegner nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdeführer) zusteht. Streitig ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG), Az.: S 22 AS 1098/14, ging es um die Höhe von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit ab Januar 2014, insbesondere die Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Am 28.04.2014 erhob der Kläger über seine Bevollmächtigten, die Beschwerdegegner, Klage und beantragte PKH. Diesem Antrag wurde mit Beschluss vom 02.07.2014 entsprochen; die Beschwerdegegner wurden mit Wirkung ab Klageerhebung beigeordnet. Mit Beschluss vom 20.05.2014 wurde der Rechtsstreit mit einem Parallelverfahren (Az.: S 22 AS 1221/14) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (und unter dem Az.: S 22 AS 1098/14 fortgeführt). In der mündlichen Verhandlung des SG vom 18.07.2014 erklärten die Beschwerdegegner die Klage für erledigt.

Mit Schreiben vom 25.07. und 05.08.2014 beantragten die Beschwerdegegner die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 714,00 EUR, im Einzelnen wie folgt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG, 300,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG, 280,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RV, 20,00 EUR 19% USt, Nr. 7008 VV RVG, 114,00 EUR

Gesamt: 714,00 EUR

Dabei vertraten die Beschwerdegegner die Auffassung, dass die Staatskasse Dritter im Sinne des § 15a Abs. 2 RVG sei; eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr habe nicht zu erfolgen. Die Beschwerdegegner würden von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, die Verfahrens- auf die Geschäftsgebühr anzurechnen. Seitens der Beschwerdegegner bestehe Interesse an einer grundsätzlichen Klärung dieser Rechtsfrage.

Mit Beschluss vom 10.09.2014 setzte der zuständige Urkundsbeamte die Vergütung der Beschwerdegegner auf insgesamt 535,50 EUR fest. Dabei rechnete er die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG in Höhe von 150,00 EUR auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG an:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RV, 300,00 EUR abzüglich Anrechnung Nr. 2302 VV RVG, -150,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG, 280,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG, 20,00 EUR 19% USt, Nr. 7008 VV RVG, 85,50 EUR

Gesamt: 535,50 EUR

Hiergegen haben die Beschwerdegegner am 10.10.2014 Erinnerung eingelegt und diese damit begründet, dass der Beschluss gegen § 15a Abs. 1 RVG verstoße. Aus der Vorschrift folge, dass es dem Ermessen des Anwalts obliege, ob er die Geschäftsgebühr oder aber die Verfahrensgebühr hälftig mindere.

Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass in der Rechtsprechung umstritten sei, ob die Staatskasse Dritter im Sinne von § 15a Abs. 2 RVG sei, dass teilweise die Meinung vertreten werde, mit der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei für das sozialgerichtliche Verfahren eine spezielle Anrechnungsregel geschaffen worden, welche die anwaltliche Wahlfreiheit bezüglich der Anrechnung einschränke, und dass gegebenenfalls eine Parität zwischen der Vergütung eines Wahlanwalts und eines im Wege der PKH-Bewilligung beigeordneten Anwalts beachtet werden müsse.

Die Beschwerdegegner haben u.a. die Frage aufgeworfen, ob es rechtspolitisch gewollt sei, die im Sozialrecht tätigen Rechtsanwälte bei der Vertretung auf PKH-Basis insgesamt in ihrem Anspruch auf Vergütung durch die Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr zu beschränken. Es könne sich hieraus die Motivation des Anwalts ergeben, das Vorverfahren immer dem Rechtssuchenden zu überlassen und womöglich den Kläger selbst zur Rechtsantragsstelle zu schicken. Auch der mittellose Rechtssuchende solle jedoch die Möglichkeit haben, bereits im Vorverfahren adäquat betreut zu werden. Ein Vergleich zum "Wahlanwalt" sei verfehlt. Es sei zu befürchten, dass ein auf PKH-Basis tätiger Rechtsanwalt gegenüber einem Anwalt, der einen rechtsschutzversicherten oder selbst zahlenden Mandanten vertrete, benachteiligt werde. Nicht zuletzt spreche auch der Wortlaut von § 15a RVG für die von den Beschwerdegegnern gewählte Auslegung.

Mit streitgegenständlichem Beschluss vom 09.06.2015 hat das SG den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.09.2014 abgeändert; die zu erstattende Vergütung sei, so das SG, auf insgesamt 714,00 EUR festzusetzen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage hat das SG die Beschwerde zugelassen. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr, wie von dem Kostenbeamten vorliegend vorgenommen, sei wegen des anwaltlichen Wahlrechts gemäß § 15a Abs. 1 RVG, so das SG, nicht möglich. § 15a Abs. 2 RVG finde keine Anwendung, da die Staatskasse kein Dritter im Falle der Bewilligung von PKH sei, sondern Kostenschuldner des Rechtsanwalts. Erst wenn eine der Gebühren bezahlt werde, müsse der Rechtsanwalt die Rechnung für den anderen Teil wegen der Anrechnung kürzen. Eine gesetzliche Grundlage dafür, dass der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt sich gegebenenfalls fiktive Zahlungsansprüche anrechnen lassen müsse, sei aus dem RVG nicht abzuleiten.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 17.06.2015 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Unter Verweis auf die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG hat er darauf hingewiesen, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Staatskasse de facto die Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren bezahlen solle, obwohl PKH nur für gerichtliche Verfahren bewilligt werde.

Den Beschwerdegegnern ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens und des erstinstanzlichen Klageverfahrens des SG verwiesen.

 

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerden ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper. Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.). Denn der unbedingte Auftrag i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist dem Beschwerdeführer nach dem 31.07.2013 erteilt worden. 1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, da sie vom SG zugelassen wurde, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Vergütung der Beschwerdegegner zutreffend festgesetzt. Der Kostenansatz durch den Urkundsbeamten war zu niedrig. Der Vergütungsanspruch der Beschwerdegegner umfasst weitere 178,50 EUR (insgesamt 714,00 EUR).

Der diesen zuerkannte Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse beruht auf §§ 45 ff. RVG. Streitig ist vorliegend allein die Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr.

Wie das SG zu Recht entschieden hat, ist vorliegend eine Anrechnung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht vorzunehmen (auch eine horizontale Anrechnung gemäß § 58 RVG kommt nicht in Betracht). Denn die Beschwerdegegner haben keine Zahlungen ihres Auftraggebers (oder eines Dritten) erhalten.

Entsprechend den zutreffenden Darlegungen des SG wurde mit der neu gefassten Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, auf eine echte Anrechnungsregelung umgestellt (vgl. auch z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorbemerkung 3 VV, Rdnr. 4). Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d.h. eine nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet (so auch der Beschluss des Hessischen LSG vom 03.02.2015, Az.: L 2 AS 605/14 B; vgl. z.B. auch Müller-Rabe, a.a.O., Rdnr. 5).

Maßgeblich ist vorliegend somit § 15a Abs. 1 RVG. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Anwalt im Weg der PKH beigeordnet worden ist (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.). Der Senat folgt der Auffassung des SG, dass § 15a Abs. 2 RVG im Verhältnis gegenüber der Staatskasse keine Anwendung findet (vgl. auch Hessisches LSG, a.a.O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13; Hansens, RVGreport 2015, 299 ff.). Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung von Leistungen eines Dritten im Außenverhältnis stattfindet. Die Staatskasse ist jedoch kein Dritter im Falle der Bewilligung von PKH, sondern Kostenschuldner des Rechtsanwalts (§ 45 Abs. 1 Satz 1 RVG). Sie tritt insoweit an die Stelle des Mandanten (vgl. z.B. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.05.2013, Az.: 18 W 68/13).

Eine Beschränkung des durch § 15a Abs. 1 RVG gewährten Wahlrechts des Rechtsanwalts infolge Anrechnung greift nur, wenn eine entsprechende Zahlung tatsächlich erfolgt ist.

Zwar spricht für eine Anrechnung unabhängig von einer solchen zunächst der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG. Nach diesem gilt: "Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte ( ...) auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet." Danach kommt es nicht auf die tatsächliche Zahlung an, sondern nur auf das Entstehen einer Geschäftsgebühr. Vorliegend kann der Senat keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Geschäftsgebühr nicht entstanden wäre. Auch könnte der Regelungszweck von § 15a RVG für eine Anrechnung unabhängig von einer erfolgten Zahlung sprechen. Der Senat sieht auch in § 15a Abs. 1 RVG eine Vorschrift zur Minderung staatlicher Belastungen. Denn auch diese Vorschrift dient der Vermeidung von Überzahlungen und damit der Kostendämpfung (zur horizontalen Anrechnung ausdrücklich z.B. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 58 RVG, Rdnr. 4). Auch Praktikabilitätserwägungen könnten eine von Zahlungsströmen unabhängige Anrechnung im oben genannten Sinn nahelegen (s. hierzu unten).

Diese Aspekte vermögen jedoch nicht, eine Anrechnung unabhängig von der Zahlung der Geschäftsgebühr zu rechtfertigen. Denn eine derartige Auslegung wäre weder mit dem weiteren, zentralen Regelungszweck von § 15a RVG, nämlich der vom Gesetzgeber intendierten Wahlfreiheit des Rechtsanwalts, noch mit weiteren Vorschriften des RVG in Einklang zu bringen.

a. Mit dem SG und dem Hessischen LSG (Beschluss vom 03.02.2015, a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass eine Anrechnung ohne tatsächliche Zahlung nicht mit § 15a Abs. 1 RVG zu vereinbaren ist.

§ 15a RVG ist durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 in das RVG eingeführt worden als gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2007/2008 (s. Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 58; vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., § 15a, Rdnr. 7, m.w.N.). Da Abs. 2 der Vorschrift nicht zur Anwendung kommt (s. oben), ist zwingend § 15a Abs. 1 RVG zu berücksichtigen (vgl. SG Fulda, Beschluss vom 29.07.2014, Az.: S 4 SF 16/14 E - "tertium non datur"). Nicht vertretbar erscheint die - im Beschluss des SG Würzburg, Az.: S 14 SF 152/14 E, zum Ausdruck kommende - Auffassung, der Gesetzgeber habe in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG für sozialgerichtliche Verfahren eine besondere Anrechnungsregel geschaffen, welche die anwaltliche Wahlfreiheit hinsichtlich der Anrechnung einschränke. Denn ein solches Verständnis der genannten Vorschriften ist mit der Systematik des RVG nicht in Einklang zu bringen. Während das RVG an verschiedenen Stellen - wie z.B. in der genannten Vorbemerkung - regelt, welche Gebühren aufeinander anzurechnen sind, hat § 15a RVG die Funktion, zu regeln, welche Folgen eine solche Anrechnung im Innenverhältnis nach Abs. 1 (und im Verfahren zu ersatz- oder erstattungspflichtigen Dritten im Sinne von Abs. 2) hat (vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., Rdnr. 8). Die genannte Vorbemerkung kann also nicht als lex specialis gegenüber der Regelung des § 15a RVG verstanden werden; vielmehr handelt es sich insoweit um unterschiedliche Regelungsbereiche. § 15a RVG ist immer dann anwendbar, wenn der Anwalt mehrere Gebühren verdient hat und wenn das Gesetz eine Anrechnung der einen auf eine andere Gebühr vorsieht (vgl. z.B. Hartmann, a.a.O., § 15a, Rdnr. 3).

§ 15a Abs. 1 RVG sieht jedoch ausdrücklich eine Wahlfreiheit des Rechtsanwalts hinsichtlich der Geltendmachung der Gebühren vor; dies ist ausdrücklicher Regelungsgehalt der Vorschrift zur Vermeidung der durch die vorherige BGH-Rechtsprechung verursachten Folgen. Insofern hat der Bundestags-Rechtsausschuss ausgeführt (Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 58):

"Absatz 1 soll die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber regeln. Die Vorschrift beschränkt die Wirkung der Anrechnung auf den geringstmöglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Gebührenansprüche bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Er hat insbesondere die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. Soweit seine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann ihm der Auftraggeber die Anrechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergütungsanspruchs zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird."

Entsprechend der Rechtsprechung des Hessischen LSG (a.a.O.) und des SG ist es folglich Zweck des § 15a Abs. 1 RVG, jedenfalls im Innenverhältnis von Auftraggeber und Rechtsanwalt dem Letzteren die volle Wahlfreiheit zu lassen, welche Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt. Wie das SG Fulda in dem oben genannten Beschluss (a.a.O.) zutreffend darauf hingewiesen hat, träte jedoch dann genau das Ergebnis ein, das der Gesetzgeber durch § 15a Abs. 1 RVG vermeiden hat wollen - nämlich ein von vornherein nur beschränkter Anspruch auf die um die Anrechnung reduzierte Verfahrensgebühr -, wenn man einen Rechtsanwalt durch eine gegebenenfalls rein fiktive Anrechnung darauf verweisen würde, die Zahlung der Geschäftsgebühr bei seinem Mandanten oder dem Prozessgegner zu erwirken. Da die Staatskasse an die Stelle des Auftraggebers tritt und, wie dargelegt, nicht Dritter ist, betrifft die Entscheidung, von der Staatskasse zunächst die volle Verfahrensgebühr im Wege der Vergütungsfestsetzung zu fordern, genau die Wahlfreiheit im Innenverhältnis, die durch § 15a Abs. 1 RVG gesichert wird (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., § 58, Rdnr. 35 sowie § 15a, Rdnr. 12).

b. Dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur dann vorgenommen werden kann, wenn die Geschäftsgebühr auch gezahlt worden ist, ergibt sich zudem auch aus § 55 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 RVG (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., m.w.N.), die wie folgt lauten:

"Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen."

Durch diese Angaben sollen für die Festsetzung der Vergütung die Daten zur Verfügung gestellt werden, die zur Ermittlung benötigt werden, in welchem Umfang die Zahlungen auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festgesetzte Gebühr zu behandeln sind (vgl. Begründung des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 59). Daraus wird ersichtlich, dass bei der Kostenfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen sind, denn anderenfalls wäre eine Angabe, welche Zahlungen der Rechtsanwalt empfangen hat, nicht zwingend erforderlich (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., m.w.N.).

c. Nicht folgen kann der Senat den Bedenken des Beschwerdeführers, die Staatskasse habe de facto die Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren zu bezahlen, obwohl PKH nur für gerichtliche Verfahren bewilligt werde. Denn eine Addition beider Gebühren findet wegen der Deckelung durch die Anrechnung, beschränkt durch den Höchstbetrag von 175,- EUR, gerade nicht statt. Die Staatskasse muss in diesem Rahmen somit hinsichtlich des Betrags immer nur die "PKH-Kosten" tragen.

d. Im Übrigen erschließt sich für den Senat mit Blick auf die Identität der Betragsrahmengebühren nicht, weshalb es vorliegend auf eine angeblich zu wahrende Parität zwischen der Vergütung eines Wahl- und eines beigeordneten Anwalts ankommen könnte, wie es etwa in dem o.g. Beschluss des Sozialgerichts Würzburg thematisiert worden ist.

e. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ist somit nur dann vorzunehmen, wenn und soweit die Geschäftsgebühr auch gezahlt worden ist. Bereits aus Gründen der Rechtssicherheit genügt es insbesondere nicht, wenn der Rechtsanwalt die Gebühr (nur) in Rechnung gestellt hat.

f. Damit wird dem Rechtsanwalt entsprechend der gesetzgeberischen Intention die volle Wahlfreiheit belassen, welche Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt. Dieses Wahlrecht ist auch bei tatsächlich erfolgten Zahlungen erst dann beschränkt, wenn der Deckelungsbetrag der Höchstsumme erreicht ist.

g. Der Senat verkennt nicht, dass in diesem Zusammenhang vor allem zur Vermeidung von Überzahlungen organisatorischer Aufwand der Gerichte besteht. Dieser Gesichtspunkt kann jedoch die von der gesetzgebenden Gewalt gesetzten Regelungen nicht außer Kraft setzen. Wichtig wird daher sein, dass die Staatskasse, sobald ausreichende Erfahrungen vorliegen, von den Antragstellern in den betroffenen Kostenverfahren gezielt die Beantwortung des maßgeblichen Fragenkatalogs verlangt, der für rationell durchführbare, d.h. überflüssigen Aufwand vermeidende "Überwachungsmaßnahmen" erforderlich ist. Aus gerichtlicher Sicht haben die Antragsteller dem zur Festsetzung der Gebühr berufenen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zwingend Kenntnis von sämtlichen Vereinbarungen zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber zu geben und insbesondere die erhaltenen Zahlungen und die gegen den Auftraggeber geltend gemachten Forderungen darzulegen (vgl. hierzu z.B. Hessischer VGH, a.a.O.); vor allem muss dem Urkundsbeamten - ohne dass dieser Veranlassung zu weiteren Nachfragen etc. sehen müsste - klar zur Kenntnis gegeben werden, ob der Anrechnungsbetrag vom Rechtsanwalt seinem Auftraggeber gegenüber überhaupt abgezogen worden ist. Der Senat sieht hier weitreichende Informationspflichten des Rechtsanwalts, vor allem auch hinsichtlich der ungefragten Offenlegung nachträglich erhaltener Zahlungen etc.

Nach alldem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).