Gründe:

I.

Der Antragsteller hat als gerichtlich bestellter Sachverständiger in dem Rechtsstreit M. S. gegen Deutsche Rentenversicherung Bund am 26.10.2006 ein fachorthopädisches Gutachten gefertigt, welches am 30.10.2006 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingegangen ist. Der Antragsteller hat mit Rechnung vom 26.10.2006 insgesamt 1.991,50 Euro ohne Umsatzsteuer geltend gemacht. Die Kostenbeamtin beim BayLSG hat 1.890,25 Euro ohne Umsatzsteuer bewilligt.

Das fachorthopädische Gutachten, das der Antragsteller in dem Rechtsstreit M. R. gegen BG Einzelhandel Berlin am 16.11.2006 gefertigt hat, ist am 20.11.2006 beim BayLSG eingegangen. Der Antragsteller hat mit Rechnung vom 16.11.2006 hierfür 2.155,25 Euro ohne Umsatzsteuer geltend gemacht, die ihm auch bewilligt worden sind.

Die Steuerberater des Antragstellers haben sich Ende des Jahres 2007 an den Antragsgegner gewandt, weil das Finanzamt N. den Antragsteller mit Nachricht vom 14.09.2007 dahingehend angehört hat, es sei beabsichtigt Umsatzsteuer für die Vergangenheit nachzufordern, weil die Gutachtertätigkeit des Antragstellers nicht umsatzsteuerfrei sei. Die Gutachten des Antragstellers seien in erster Linie für Zwecke der Entscheidungsfindung, also für Gerichtszwecke (hier: Sozialgerichtsbarkeit), erstellt worden.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 04.02.2008, eingegangen beim BayLSG am 07.02.2008, den entsprechenden Bescheid des Finanzamtes N. für 2005 über Umsatzsteuer vom 24.01.2008 vorgelegt und außerdem gebeten, für die in den Jahren 2006 und 2007 erstellten Gutachten die bislang nicht geltend gemachte Umsatzsteuer nachzubewilligen.

Der Antragsgegner hat die Kostensachen M. S. (Gutachten vom 26.10.2006) und M. R. (Gutachten vom 16.11.2006) exemplarisch ausgewählt und dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat mit den zugehörigen Akten zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der erkennende Senat ist als der durch den Geschäftsverteilungsplan A (Rechtsprechung) des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) bestimmte Kostensenat (vgl. hier: § 4 Abs.1 Nr.1 JVEG) auch unmittelbar für die Entscheidung über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs.2 JVEG zuständig (vgl. in ständiger Rechtsprechung Beschluss des BayLSG vom 09.01.2006 - L 5 R 502/04.Ko -).

Die Kostensachen L 15 SF 17/08 R KO und L 15 SF 18/08 U KO sind in entsprechender Anwendung von § 113 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden, da es sich um die selben Beteiligten handelt, zwischen denen die Frage der Nachbewilligung bislang nicht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer streitig ist.

Nach altem Kostenrecht, das heißt nach § 15 Abs.4 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG), waren auf die Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden. Die Verjährung war nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Demgegenüber bestimmt nunmehr § 2 Abs.2 Sätze 1 und 2 JVEG, der in den verbundenen Kostensachen anzuwenden ist, weil die Gutachtensaufträge nach dem 30.06.2004 erteilt worden sind: "War der Berechtigte ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist nach § 2 Abs.1 JVEG gehindert, gewährt ihm das Gericht auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr verlangt werden."

Zur Problematik der nachträglichen Geltendmachung der Mehrwert- oder Umsatzsteuer hat sich bislang nur das Landessozialgericht Thüringen mit Beschluss vom 18.06.2007 - L 6 B 77/07 SF geäußert: Ein Sachverständiger muss danach seinen Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs.1 JVEG vollständig beziffern. Insofern kann er eine mit der Kostenrechnung nicht geltend gemachte Umsatzsteuer nachträglich nur unter der Voraussetzung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs.2 Satz 1 JVEG erhalten (NZS 2008, S.56). Diesem Grundsatz schließt sich der erkennende Senat an.

Hinsichtlich des fachorthopädischen Gutachtens vom 26.10.2006 in dem Rechtsstreit M. S. gegen Deutsche Rentenversicherung Bund verbleibt es bei der bewilligten Vergütung in Höhe von 1.890,25 Euro. Denn das Gutachten vom 26.10.2006 ist am 30.10.2006 beim BayLSG eingegangen. Der weitergehende Anspruch auf Vergütung (hier: nachträglich geltend gemachte Umsatzsteuer) ist gemäß § 2 Abs.1 JVEG erloschen, weil er nicht binnen drei Monaten beim BayLSG geltend gemacht worden ist. Die Drei-Monats-Frist ist am 30.01.2007 abgelaufen. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs.2 Satz 2 JVEG nicht mehr verlangt werden. Die vorstehend bezeichnete Jahresfrist ist am 30.01.2008 abgelaufen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 04.02.2008, eingegangen beim BayLSG am 07.02.2008, ist um acht Tage nach Fristablauf eingereicht worden.

Abweichend verhält es sich hinsichtlich des fachorthopädischen Gutachtens vom 16.11.2006, das in dem Rechtsstreit M. R. gegen BG Einzelhandel Berlin gefertigt worden ist. Dieses Gutachten ist am 20.11.2006 beim BayLSG eingegangen. Die Drei-Monats-Frist im Sinne von § 2 Abs.1 JVEG ist am 20.02.2007 abgelaufen. Zuzüglich der Jahresfrist im Sinne von § 2 Abs.2 Satz 2 JVEG hätte hier die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bis 20.02.2008 beantragt werden können. Der Antrag vom 04.02.2008 ist daher nicht verspätet, weil er am 07.02.2008 beim BayLSG eingegangen ist (§ 2 Abs.2 Satz 2 JVEG).

Anders als in dem vom Landessozialgericht Thüringen entschiedenen Fall hat hier der Antragsteller auch unverzüglich im Sinne von § 2 Abs.2 Satz 1 JVEG gehandelt und die dort normierte Zwei-Wochen-Frist eingehalten. In diesem Zusammenhang ist nicht auf die Anhörung des Finanzamtes N. mit Schreiben vom 14.09.2007 oder die ergänzenden Voranfragen der Steuerberater des Antragstellers Ende des Jahres 2007 abzustellen, sondern auf den Bescheid des Finanzamtes N. für 2005 über Umsatzsteuer vom 24.01.2008, der am 27.01.2008 als dem Antragsteller zugestellt gilt. Denn mit diesem Bescheid hat der Antragsteller erstmals definitiv erfahren, dass er für die Jahre 2005 und folgende Umsatzsteuer für zahlreiche Gutachten nachzuentrichten hat, die er vor allem für das Sozialgericht München und das BayLSG gefertigt hat. Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 04.02.2008 auch für die in den Jahren 2006 und 2007 erstellten Gutachten um Nachbewilligung der Umsatzsteuer ersucht hat, ist diesem hinsichtlich des fachorthopädischen Gutachtens vom 16.11.2006 stattzugeben, das in dem Rechtsstreit M. R. gegen BG Einzelhandel Berlin gefertigt worden ist.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs.1 JVEG wie folgt: Der Antragsteller hat mit Rechnung vom 16.11.2006 2.155,25 Euro geltend gemacht, die ihm auch bewilligt worden sind. 16 % Mehrwertsteuer hieraus belaufen sich auf 344,84 Euro. Die Gesamtvergütung beträgt somit 2.500,09 Euro.

Zusammenfassend ist betreffend des fachorthopädischen Gutachtens vom 16.11.2006 die Umsatzsteuer in Höhe von 344,84 Euro nachzurichten. Hinsichtlich des fachorthopädischen Gutachtens vom 26.10.2006 verbleibt es bei der bewilligten Vergütung in Höhe von 1.890,25 Euro ohne Umsatzsteuer. Im Übrigen wird versorglich darauf aufmerksam gemacht, dass, soweit altes Recht (§ 15 Abs.4 ZSEG) anzuwenden ist, hierüber von dem Antragsgegner in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens zu befinden ist.

Das Verfahren ist dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat zu übertragen gewesen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 4 Abs.7 Satz 2 JVEG).

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) endgültig. Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs.8 JVEG).