Gründe:

I.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (Bayer. LSG) unter dem Aktenzeichen L 3 KN 5/05 U anhängig gewesenen Rechtsstreit ist der Antragsteller mit Beweisanordnung vom 07.04.2010 gemäß §§ 106 Abs. 3 Nr. 5, und Abs. 4, 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Für sein Gutachten vom 01.11.2010 hat der Antragsteller mit Rechnung vom 01.11.2010 (Rechnungs-Nr. 219/2010) insgesamt 3.232,76 EUR wie folgt geltend gemacht:
 - Zeitaufwand: 2.550,- EUR für 30 Stunden, aufgeschlüsselt: 
o     Aktenstudium: 10 Stunden 
o     Literaturrecherche: 2 Stunden 
o     Literaturstudium: 3 Stunden 
o     Formulierung des Gutachtens: 12,5 Stunden 
o     Endreaktion des Gutachtens: 2,5 Stunden 
d.h. insgesamt 30 Stunden, die mit einem Stundensatz von 85,00 EUR angesetzt wurden, ergibt 2.550,- EUR 
- 19% Umsatzsteuer: 484,50 EUR 
- Beschaffung von Literatur online: 188,26 EUR 
- Porto und Verpackung: 10,- EUR.

Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG hat mit Schreiben vom 01.12.2010 lediglich 1.728,75 EUR bewilligt. Zugrunde lagen der Kürzung folgende Annahmen: 
- Zeitaufwand: 1.700 EUR für 20 Stunden, aufgeschlüsselt: 
o     Aktenstudium: 6 Stunden 
o     Abfassung des Gutachtens: 11,28 Stunden 
o     Diktat und Durchsicht: 2,31 Stunden 
d.h. insgesamt 19,59, gerundet 20 Stunden, die mit einem Stundensatz von 85,00 EUR angesetzt wurden, ergibt 1.700,- EUR 
- Schreibgebühren für angefangene 1.000 Anschläge a` 0,75 EUR, insgesamt bei 24.500 Anschlägen 18,75 EUR 
- Porto und Verpackung 10,- EUR.

Die Kürzung der für den Zeitaufwand geltend gemachten Zeiten wurde wie folgt begründet: Für die Aktendurchsicht sei ein Zeitaufwand von einer Stunde für 100 Aktenblätter anzunehmen. Bei hier 600 durchzusehenden Blättern ergebe dies 6 Stunden. Die Beurteilung im Gutachten sei auf S. 3 bis 13 enthalten; bei Zugrundelegung der vom Kostensenat vorgegebenen Schreibweise ergebe dies 11,28 Seiten, was einem Zeitaufwand von 11,28 Stunden entspreche. Kosten für Literaturbeschaffung, -recherche und -studium könnten nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 05.01.2011 die richterliche Kostenfestsetzung beantragt und dies sinngemäß wie folgt begründet: Für ärztliche Gutachten müsse die Umsatzsteuer abgeführt werden. Die von der Kostenbeamtin angesetzte Zeit möge für einfache Gutachten gerechtfertigt sein, nicht aber bei einem solchen Schwierigkeitsgrad wie hier. Eine Lesezeit von einer Stunde für das Studium von 100 Seiten missachte, dass auch handschriftliche Unterlagen in den Akten seien, die nicht so schnell gelesen werden könnten. Zudem hätte er sich mit drei Vorgutachten auseinander setzen müssen. Dies sei bei einer Lesegeschwindigkeit von 36 Sekunden pro Seite nicht möglich. Ohne weitere Literaturrecherche sei es selbst einem Professor mit 40-jähriger Berufserfahrung wie ihm nicht möglich, sich mit der Sache ausreichend auseinanderzusetzen. Er habe weitere Literatur beschaffen müssen, da der Bezug von wissenschaftlichen Fachzeitschriften wegen der immensen Kosten nur beschränkt möglich sei. Die Annahme eines Zeitaufwands von einer Stunde für die Abfassung einer Seite des Gutachtens unterstelle, dass ein sich kurz und bündig ausdrückender Gutachter weniger Zeit als ein weitschweifiger Sachverständige benötige. Bei dem Zeitaufwand für Diktat und Durchsicht werde davon ausgegangen, dass wissenschaftliche Gutachten heute noch diktiert, abgeschrieben und korrigiert würden. Die Mehrzahl der Gutachter nutze aber ein Notebook für Gutachten.

Mit Schreiben des Kostenbeamten vom 25.03.2011 ist dem Antragsteller die Auszahlung der bislang unberücksichtigten Umsatzsteuer im Rahmen der richterlichen Kostenfestsetzung angekündigt worden.

Beigezogen worden sind die Akten des 3. Senats des Bayer. LSG zum Aktenzeichen L 3 KN 5/05 U.

 

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Vergütung ist auf 2.155,57 EUR festzusetzen. Dem Antragsteller sind 426,82 EUR nachzuentrichten.

Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 01.11.2010 ergibt sich im Einzelnen wie folgt: - Zeitaufwand: 1.785,- EUR für 21 Stunden, aufgeschlüsselt: o Aktenstudium: 6,18 Stunden o Abfassung der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen: 12,22 Stunden o Diktat und Durchsicht: 2,22 Stunden d.h. insgesamt 20,62, gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG aufgerundet 21 Stunden, die mit einem Stundensatz von 85,00 EUR angesetzt werden, ergibt 1.785,- EUR - Schreibgebühren für angefangene 1.000 Anschläge a` 0,75 EUR, insgesamt bei 24.000 Anschlägen: 18,- EUR - Umsatzsteuer von 1.803,- EUR: 342,57 EUR - Porto und Verpackung: 10,- EUR.

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten (§ 8 Abs. 1 Nr. 2.V.m. § 5 JVEG) und der Entschädigung für Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 6 JVEG) und dem Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 7 und 12 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, dass sich nach Stundensätzen bemisst. Dieses Honorar wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags. Welche Honorargruppe der Abrechnung zugrunde zu legen ist, bestimmt sich nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG.

Für die Ermittlung der Zahl der zu vergütenden Stunden kommt es nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten Stunden an. Die Zeit, die erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Kostensenats (vgl. z.B. die grundsätzliche Senatsentscheidung vom 19.03.2007, Az.: L 14 R 42/03.Ko, weiter den Beschluss vom 01.09.1998, Az.: L 18 V 59/94 KO m.w.N) kann nur der Aufwand als "erforderlich" angesehen werden, den ein Sachverständiger mit einer durchschnittlichen Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Demnach ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. auch Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 8.48).

Aufgrund des auf langjährigen Erfahrungswerten beruhenden Beschlusses des Kostensenats des Bayer. LSG vom 19.03.2007, Az.: L 14 R 42/03.Ko, sowie der darauf aufbauenden Mitteilung des Präsidenten des Bayer. LSG vom 25.05.2007, Az.: GenA 537/07, gelten folgende Bemessungskriterien für die Feststellung der Vergütung in erster Linie medizinischer Gutachten nach dem JVEG bei allen ab dem 01.06.2007 erteilten Gutachtensaufträgen:

- Für das Aktenstudium 100 Blatt/Stunde einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten bei mindestens 25 % medizinisch gutachtensrelevantem Inhalt. In allen anderen Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt/Stunde angemessen. Das von der Rechtsprechung des Kostensenats im Einzellfall zugebilligte und davon abweichende Aktenstudium bleibt davon unberührt, z.B. nur eine bis zwei Stunden bei einem testpsychologischen Zusatzgutachten nach dem JVEG.

- Für die Abfassung einer Seite der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen eine Stunde, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1.800 Anschlägen (30 Zeilen x 60 Anschläge nach DIN 1422) ausgegangen wird.

- Für Diktat und Durchsicht eine Stunde für je sechs Seiten, wobei auch hier für jeweils eine ganze Seite 1.800 Anschläge (30 Zeilen x 60 Anschläge) zugrunde gelegt werden.

Bei Beachtung dieser Vorgaben stellt sich die Honorierung des Gutachtens des Antragstellers wie folgt dar:

 

1. Zeitaufwand für Aktenstudium:

Die dem Antragsteller übersandten Akten umfassen insgesamt 618 durchnummerierte Seiten (Verwaltungsakten: 262 Seiten; SG-Akten: 278 Seiten; LSG-Akten: 78 Seiten). Daraus ergibt sich ein objektiver Zeitaufwand von 6,18 Stunden.

Eine Abweichung von den pauschalierenden Vorgaben für die Ermittlung des Zeitaufwands ist aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung und der daraus resultierenden Gleichbehandlung der Abrechnungsfälle wegen der gebotenen Einheitlichkeit, Transparenz und Gerechtigkeit nicht möglich.

Gleichwohl sieht sich der Senat, ohne dass dies für die Entscheidung von Bedeutung wäre, zu folgenden Anmerkungen veranlasst: Wenn der Antragsteller geltend macht, dass in diesem Fall der Aufwand für das Aktenstudium höher gewesen sei als üblich, ist dies nicht nachvollziehbar. In medizinischen Akten sind regelmäßig auch handschriftliche Unterlagen vorhanden. In den vorliegenden Verwaltungsakten sind nach der Erfahrung des Senats sogar ungewöhnlich wenig handschriftliche Aufzeichnungen enthalten. Zudem sind in den Verwaltungsakten große Aktenbestandteile der sozialgerichtlichen Akte, so z.B. die Gutachten, in Kopie eingeheftet. Der Antragsteller möge bedenken, dass ihm dies im Sinne der gebotenen Pauschalierung nicht kostenmindernd entgegen gehalten wird, er also insofern von der Pauschalierung auch profitiert. Eine Auseinandersetzung mit Vorgutachten, auch wenn es drei sind, ist in einem gerichtlichen Verfahren nicht unüblich.

Sofern der Antragsteller sinngemäß vorträgt, dass eine Lesegeschwindigkeit von 36 Sekunden pro Aktenseite, wie sie sich aus den angeführten Vorgaben für die Ermittlung des Zeitaufwands für das Aktenstudium errechne, unrealistisch sei, so übersieht er dabei, dass Grundlage der pauschalierenden Betrachtungsweise, mit der der durchschnittliche Zeitaufwand ermittelt worden ist, die Tatsache ist, dass in den Verwaltungsakten bei weitem nicht nur medizinische Befunde enthalten sind, die der genaueren Durchsicht durch den Sachverständigen bedürfen. Vielmehr ist bei der Erkenntnis, dass durchschnittlich 100 Seiten Aktenlektüre samt Exzerpierung in einer Stunde möglich sind, berücksichtigt, dass der nicht-medizinische und damit nicht gutachtensrelevante Teil der Akten den größeren Anteil ausmacht und ein Gutachter mit der Lektüre nicht relevanter Aktenbestandteile nicht viel Zeit verschwenden wird. Eine Lesegeschwindigkeit von 36 Sekunden pro Aktenseite ergibt sich damit für die gutachtensrelevanten Aktenblätter bei weitem nicht.

 

2. Zeitaufwand für Abfassung der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen:

Das Gutachten folgt nicht dem üblichen Aufbau, wie er bei sozialgerichtlichen Gutachten regelmäßig der Fall ist. Üblicherweise erfolgt zunächst eine kurze Wiedergabe des Akteninhalts, soweit dies für das Verständnis des Gutachtens erforderlich ist, dann die Anamnese und der Untersuchungsbefund mit ggf. technischen Untersuchungsbefunden wie Röntgen o.ä., als wesentlicher Teil des Gutachtens anschließend die Beurteilung sowie danach die Beantwortung der Beweisfragen (unter einmaliger Wiedergabe derselben) und abschließend ein Literaturnachweis bei in Ausnahmefällen notwendigem Literaturstudium. Der Senat ist sich bewusst, dass es dabei lediglich um den häufig bis regelmäßig anzutreffenden Aufbau eines Gutachtens handelt, wobei es einen bindend vorgegebenen oder Standardaufbau nicht gibt. Dies gilt vorliegend umso mehr, als von der Art des Gutachtens sich ein anderer Aufbau, wie ihn der Sachverständige gewählt hat, angeboten hat. Gleichwohl ist der häufig anzutreffende Aufbau insofern eine Hilfe bei der vom Kostenbeamten oder Kostenrichter durchzuführenden Schätzung des für die Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen erforderlichen und anhand der dazu im Gutachten enthaltenen Passagen zu ermittelnden Zeitaufwands. Denn Textteile, die üblicherweise unter der Überschrift "Akteninhalt" mit der Vorgeschichte oder "Befund" aufgeführt werden und deshalb nicht bei der Ermittlung des Zeitaufwands für die Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen berücksichtigt werden, werden bei einem vom üblichen Aufbau abweichenden Gutachten unter Umständen unter der Überschrift "Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen" angeführt sein, da das Gutachten ansonsten schwer verständlich würde. Diese aufbaubedingte Besonderheit der Platzierung von gutachtlichen Ausführungen kann aber nicht dazu führen, dass sich eine höhere Honorierung ergibt, als dies bei einem Gutachten mit üblichem Aufbau der Fall wäre. Es sind daher die Passagen herauszufiltern, die der eigentlichen Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen zuzurechnen sind (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 17.05.2010, Az.: L 15 SF 396/09, unter Hinweis auf den Grundsatzbeschluss vom 19.03.2007, Az.: L 14 R 42/03.Ko).

Bei Beachtung dieser Grundsätze ist der mit Seite 2 unter Ziff. 2 beginnende Teil des Gutachtens zu berücksichtigen. Nicht in den Bereich der medizinischen Beurteilung fallen die Ausführungen zu Ziff. 1. Es handelt sich dabei um Ausführungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen, die nicht Kerngegenstand der medizinischen Beurteilung sind und damit bei der Honorierung des Zeitaufwands für die Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen nicht berücksichtigt werden können. Die Ausführungen auf Seite 6 ff beinhalten eine teilweise abstrakte Auseinandersetzung mit aus Sicht des Antragstellers bestehenden Mängeln an verschiedenen Studien. Eine Berücksichtigung der bis Seite 9 reichenden Ausführungen ist bei wohlwollender Betrachtung nur dann möglich, wenn davon ausgegangen wird, dass der Antragsteller auf Seite 9 unten eine Verbindung zwischen den abstrakt gehaltenen - und damit auf den ersten Blick nichts mit der konkreten Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zu tun habenden - Ausführungen auf den Seiten davor und der Bewertung der konkreten Begutachtungssituation des damaligen Klägers herstellt. Davon geht der Senat zugunsten des Antragstellers aus. Zudem verzichtet der Senat, um nicht die Anforderungen für die im Rahmen der Honorierung eines Gutachtens zu beachtenden Vorgaben zu hoch zu schrauben, auf eine tiefer gehende Prüfung, ob nicht noch Passagen deshalb unberücksichtigt bleiben müssten, weil sie aufgrund des untypischen Aufbaus des Gutachtens unter der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen enthalten sind - und damit beim Zeitaufwand berücksichtigt werden -, obwohl sie dazu typischerweise nicht gehören. Auch dies kann dem Antragsteller nur zum Vorteil gereichen.

Berücksichtigungsfähig sind damit 11 Seiten des Gutachtens. Dies entspricht bei Zugrundelegung des vom Antragsteller gewählten Schriftbildes, wonach von einer durchschnittlichen Anschlagszahl pro Seite von 69 und eine durchschnittlichen Zeilenzahl von 29 auszugehen ist, rd. 22.000 Anschlägen, was unter Zugrundelegung der vom Senat angenommenen üblichen Schreibweise wiederum einer Seitenzahl von 12,22 entspricht. Dies bedeutet, dass ein Zeitaufwand für Abfassung der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen von 12,22 Stunden angenommen werden kann.

Keinen Einfluss auf die Ermittlung des Zeitaufwands hat die Schwierigkeit eines Gutachtens. Dem Aspekt der Schwierigkeit ist im Rahmen der Honorargruppe Rechnung zu tragen.

Zuzugestehen ist dem Antragsteller, dass eine Orientierung des Zeitaufwands am Umfang des Gutachtens es mit sich bringt, dass ein sich kurz und bündig haltender Gutachter eine geringere Vergütung erhält als ein weitschweifiger Sachverständiger. Dies ist aber im Sinne einer Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Abrechnung und wegen der aus der Selbstbindung der Verwaltung resultierenden Gleichbehandlung hinzunehmen. Denn eine andere Abrechnungsweise, die diesem aus Sicht des Antragstellers bestehendem Makel gerecht würde, aber gleichermaßen praktisch handhabbar wäre und nicht die Gefahr schwerwiegenderer Ungerechtigkeiten aufweisen würde, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen würde es den Rahmen des Kostenrechts sprengen, wenn der Kostenbeamte und/oder Kostenrichter sich mit der sprachlichen Frage auseinandersetzen müssten, wann ein Gutachten knapp und bündig und wann es weitschweifig wäre und wo die Grenze dazwischen wäre. Allenfalls dann, wenn für jedermann auf den ersten Blick erkennbar das Gutachten mit Ausführungen angefüllt wäre, die offenkundig nur den Zweck haben können, Zeilen und damit Kosten zu schinden, wäre möglicherweise ein Anlass gegeben, von der Pauschalierung und Anknüpfung an der Anschlagszahl abzuweichen. Eine Festlegung dazu ist aber hier nicht erforderlich, da eine Kürzung beim Kläger unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgt ist. Ob das Gutachten des Antragstellers als kurz und bündig oder wegen der äußerst ausführlichen Erläuterungen zu den angegebenen Mängeln bei verschiedenen Studien als "weitschweifig" bezeichnet werden könnte, kann daher dahingestellt bleiben.

 

3. Zeitaufwand für Diktat und Durchsicht:

Das Gutachten weist ein Schriftbild auf, wonach von einer durchschnittlichen Anschlagszahl pro Seite von 69 und eine durchschnittlichen Zeilenzahl von 29 auszugehen ist. Auf das gesamte Gutachten hochgerechnet, d.h. bei Zugrundelegung einer effektiven Seitenzahl von 12 - Deckblatt und Seite 13 können großzügig betrachtet als eine durchschnittliche volle Seite des Gutachtens berücksichtigt werden -, ergeben sich damit ziemlich genau 24.000 Anschläge, was unter Zugrundelegung der vom Senat angenommenen üblichen Schreibweise einer Seitenzahl von 13,33 Seiten entspricht. Dies bedeutet, dass ein Zeitaufwand für Diktat und Durchsicht 2,22 Stunden angenommen werden kann.

 

4. Zeitaufwand für Literaturrecherche, Literaturstudium, Kosten für Literaturbeschaffung:

Grundsätzlich ist von einem Sachverständigen zu erwarten, dass er sich durch Einsicht in die einschlägige Literatur auf dem Laufenden hält (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 20.02.2008 Az.: L 6 B 186/07 SF, m.w.N.). Die Anerkennung von zusätzlich notwendigem Literaturstudium und -recherche ist nur in ganz besonderen Fällen möglich (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 15.06.2009, Az.: L 15 SF 129/09 B E). In Betracht kommt dies beispielsweise bei ganz speziellen Beweisfragen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 15.03.2010, Az.: L 15 SF 36/10 B E).

Zwar war die hier vorliegende Begutachtungssituation aufgrund der Erkrankung und der Fragestellung zur Kausalität keine solche, wie sie häufig in gleichartiger oder ähnlicher Form vorkommt. Dies gibt aber noch keinen Anlass, zusätzlich einen Zeitaufwand für Literaturrecherche und Literaturstudium sowie Kosten für Literaturbeschaffung berücksichtigen zu können. Bei einem Sachverständigen mit beruflichen Qualifikationen wie beim Antragsteller ist die entsprechende Kenntnis und Verfügbarkeit der einschlägigen Literatur vorauszusetzen. Der Antragsteller betreibt ein Institut für epidemiologische Studien, wird als strahlenepidemiologisch sehr erfahrener und international renommierter Gutachter von professoralen Kollegen empfohlen, war Mitglied der Strahlenschutzkommission (SSK) von 2003 bis 2004 sowie der Radarkommission und ist durch diverse Publikationen aus dem strahlenepidemiologischen Bereich im Auftrag namhafter Institutionen, so z.B. auch von Bundestagsfraktionen, bekannt. Auch hat der Antragsteller selbst mit Schreiben vom 05.01.2011 angegeben, bereits eine Vielzahl einschlägiger Gutachten erstellt zu haben. Bei einer derartigen Vorqualifikation und Vorkenntnis kann davon ausgegangen werden, dass er sich zum Zwecke der Gutachtenerstellung nicht weit über das bei einer nach der Honorargruppe M 3 zu vergütenden Begutachtung übliche Maß hinaus in die Problematik eingehend einlesen, die entsprechende Literatur sich zusätzlich beschaffen und studieren muss. Die Anschaffung von entsprechender Fachliteratur gehört zu den Gemeinkosten im Rahmen einer Tätigkeit als Sachverständiger, für die eine gesonderte Erstattung regelmäßig nicht in Betracht kommt (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 12.7). Von einem so seltenen Ausnahmefall, dass die beschaffte Literatur speziell zur Beantwortung der Beweisfragen benötigt, aber ansonsten nicht für den Sachverständigen verwertbar wäre, kann nicht ausgegangen werden, zumal der Antragsteller gerade im Bereich der Strahlenepidemiologie verstärkt tätig ist.

Wenn der Antragsteller darauf hinweist, dass die Zeit für zusätzliche Literaturrecherche deshalb erforderlich gewesen sei, weil allein mit den im Kopf paraten Kenntnissen eine Nachprüfung der im Verfahren L 3 KN 5/05 U zuvor erstellten Gutachten nicht möglich gewesen sei, mag er zwar mit dieser Aussage recht haben. Ein Anspruch auf Berücksichtigung eines weiteren Zeitaufwands für Literaturrecherche und -studium resultiert daraus aber nicht. Denn dies würde ansonsten dazu führen, dass in einer Vielzahl, wenn nicht sogar in fast allen Gutachten, zumindest im Bereich der Honorargruppe M 3, ein weiterer Aufwand für Literaturrecherche und -studium berücksichtigt werden müsste. Denn es gibt jedenfalls im Bereich der Honorargruppe M 3 kaum ein Gutachten, in dem nicht Literaturstellen angeführt werden. Dass diese Literatur, auch wenn es sich um häufiger gebrauchte Veröffentlichungen handelt, jeweils mit Seitenzahl und allen Details im Kopf der Gutachter parat wäre, kann mit Sicherheit nicht angenommen werden, zumal der Gesetzgeber nicht davon ausgeht, dass medizinische Sachverständige hauptberuflich in dieser Funktion tätig sind (vgl. Bundestags-Drs. 15/1971 S. 182) und daher ein Nachschlagen in der einschlägigen Literatur der Regelfall sein wird. Wenn gleichwohl ein zusätzlicher Aufwand für Literaturrecherche und -studium berücksichtigt würde, hätte dies zur Konsequenz, dass ein zusätzlicher Aufwand für Literaturstudium die Regel, nicht mehr aber die Ausnahme wäre. Der Ansicht des Antragstellers kann daher nicht gefolgt werden.

 

5. Honorargruppe:

Zugrunde zu legen ist der Abrechnung, wie dies auch vom Antragsteller beantragt worden ist, die - am höchsten vergütete - Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG mit einem Stundensatz von 85,- EUR. Dieser Honorargruppe sind Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen) zuzurechnen.

 

6. Schreibgebühren:

§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG gibt einen Aufwendungsersatz für Schreibgebühren in Höhe von 0,75 EUR je angefangene 1.000 Anschläge vor. Ausgehend von 24.000 Anschlägen (s.o.) sind daher Schreibgebühren in Höhe von 18,- EUR zu erstatten.

Zwar hat der Antragsteller Schreibgebühren nicht in Rechnung gestellt und das Gutachten vermutlich selbst geschrieben, wie aufgrund seiner Ausführungen im Schreiben vom 05.01.2011 vermutet werden kann. Dieser Umstand kann aber nicht zu einer höheren Honorarforderung führen, was der Antragsteller vermutlich anstrebt, wenn er darauf hindeutet, dass er das Gutachten selbst geschrieben habe. Es mag zwar mit Sicherheit so sein, dass der hier errechnete Aufwendungsersatz für Schreibgebühren in Höhe von 18,- EUR nicht dazu führt, dass damit ein dem Gutachter sowohl subjektiv als auch objektiv gerecht werdender "Stundenlohn" als medizinischer Sachverständiger gezahlt würde. Dies ist aber nicht rechtlich relevant. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG verbietet sich eine höhere Honorierung des Schreibaufwands. Diese zwingende gesetzgeberische Vorgabe kann nicht damit umgangen werden, dass der zusätzliche zeitliche Aufwand, der dann entsteht, wenn ein Gutachter zusätzlich auch die Schreibtätigkeit für das Gutachten selbst übernimmt, über die Erhöhung des Zeitaufwands für die Abfassung der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen Berücksichtigung findet. Solange der Gesetzgeber keine anderslautende Entscheidung getroffen hat, verbleibt einem Gutachter, um seinen Zeiteinsatz effektiv zu gestalten, allein die Möglichkeit, die bloße Schreibarbeit abzugeben oder durch den Einsatz von Spracherkennungssoftware zu optimieren.

 

7. Umsatzsteuer:

Die Umsatzsteuer ist, ausgehend von den oben ermittelten Beträgen, gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG in Höhe von 342,57 EUR gesondert zu ersetzen.

 

8. Porto:

Das Porto ist im vorliegenden Fall antragsgemäß mit 10,- EUR anzusetzen.

 

Die Differenz zwischen der bislang mit der von der Kostenbeamtin festgesetzten Vergütung in Höhe von 1.728,75 EUR und der gerichtlich festgesetzten Vergütung in Höhe von 2.155,57 EUR festzusetzen. Damit sind dem Antragsteller 426,82 EUR nachzuentrichten

Hierüber hat der Senat gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig. Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).