Tatbestand

I.

Die Eltern der 1987 geborenen Klägerin stellten im Januar 1992 für diese beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) mit der Begründung, das bei der Klägerin bestehende Landau-Kleffner-Syndrom (Aphasie mit Epilepsie) sei eine Folge der bei dieser durchgeführten Schutzimpfungen (insbesondere Impfung vom 15.02.1989 gegen Masern/Mumps/Röteln).

Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen (u.a. Impfpass, Untersuchungsheft für Kinder, Mutterpass, medizinische Unterlagen/Stellungnahmen) und Einholung von versorgungsärztlichen Stellungnahmen lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 21.09.1993 ab, der Klägerin Versorgung nach dem BSeuchG zu gewähren, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung vom 15.02.1989 und dem Landau-Kleffner-Syndrom nicht nachgewiesen sei. Diesbezüglich liege ein langsam progredienter Verlauf vor, was gegen einen Impfschaden spreche.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.1994 zurück. Erneut wurde darauf abgestellt, dass die Klägerin bereits nach der zweiten Mehrfachimpfung im Alter von viereinhalb Monaten auffällig gewesen sei, was ebenfalls den gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden progredienten Verlauf der Erkrankung belege, und im Übrigen ein Anhalt für eine Beteiligung des zentralen Nervensystems in den akuten Stadien jeweils nach den Impfungen nicht vorläge. Ein allein zeitlicher Zusammenhang reiche für die Anerkennung eines Impfschadens nicht aus.

Die dagegen zum Sozialgericht München erhobene Klage (S 27 Vi 4/94) nahm die Klägerin zurück, nachdem die Sachverständigen Prof. Dr. E. (§ 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und Prof. Dr. K. (§ 109 SGG) in ihren Gutachten vom 22.12.1995/ 09.08.1996 jeweils den wahrscheinlichen Kausalzusammenhang des Landau-Kleffner-Syndroms mit den angeschuldigten Schutzimpfungen verneint hatten.

II.

Da Prof. Dr. K. in seinem Gutachten auch die Prüfung der sogenannten "Kann-Versorgung" angeregt hatte, was bis dahin nicht geschehen war, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21.02.1996 beim Beklagten, ihr Kann-Versorgung nach § 52 Abs. 2 BSeuchG wegen des in engem zeitlichen Zusammenhang mit der MMR-Impfung vom 25.02.1989 erstmals aufgetretenen Landau-Kleffner-Syndroms zu bewilligen.

Der Beklagte holte versorgungsärztliche Stellungnahmen der Nervenärztinnen Dr. K. (24.02.1997) und Dr. S. (22.04.1997) ein.

Mit Bescheid vom 11.06.1997 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Kann-Versorgung ab: Etwaige rechtserhebliche Zweifel über den Zeitpunkt des Leidensbeginns rechtfertigten die Anwendung der Kann-Versorgung nicht. Deren Voraussetzungen lägen im Übrigen nicht vor.

Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese vortrug, eine Kann-Versorgung komme deshalb in Frage, weil es wissenschaftlich umstritten sei, was neben einer genetischen Komponente als teilursächlicher Zusatzfaktor in Frage komme, wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme (Dr. K. vom 28.11.1997) mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.1998 zurück.

Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhoben und beantragt, das Landau-Kleffner-Syndrom im Wege der Kann-Versorgung als Impfschaden anzuerkennen und ihr deshalb Versorgung auf der Basis einer MdE von 100 v.H. zu gewähren: Vom Beklagten sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass neben der - von der neuesten Forschung im Übrigen bestrittenen - genetischen Determinante jedenfalls noch weitere mitverursachende und auslösende Faktoren für das Auftreten eines Landau-Kleffner-Syndroms notwendig seien. Hinsichtlich dieser Faktoren, bei denen insbesondere auch an Impfungen zu denken sei, bestehe Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft. Im Fall der Klägerin seien daher zumindest die Voraussetzungen der Kann-Versorgung gegeben. Es werde angeregt, Prof. Dr. K. oder Prof. Dr. T. , bei denen es sich jeweils um profunde Kenner des sehr seltenen Landau-Kleffner-Syndroms handele, als gerichtliche Sachverständige einzuschalten.

Das Sozialgericht hat die einschlägigen Akten des Beklagten beigezogen und schließlich - nachdem Prof. Dr. T. als Sachverständigen für die streitgegenständliche Problematik unter anderem den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. empfohlen hatte - von diesem ein am 21.06.2001/14.05.2002 erstattetes Gutachten eingeholt.

Der Sachverständige vertrat die Auffassung, dass über die Ursachen des Landau-Kleffner-Syndromes zwar in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe, die sonstigen Voraussetzungen der Kann-Versorgung jedoch nicht vorlägen.

Mit Urteil vom 16.10.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Zur Gewährung von Kann-Versorgung müsse nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung und einer als schädigendes Ereignis in Frage kommenden Impfung bestehen, sondern nach wenigstens einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssten Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen, sprich Impfung, und der festgestellten Erkrankung sprächen. Es dürfe nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern es müsse vielmehr eine "gute Möglichkeit" des Zusammenhangs bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet habe, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden könne (BSG, Urteil vom 12.12.1995, 9 RV 17/94). Obwohl der Sachverständige Dr. K. eine "gute Möglichkeit" für einen Zusammenhang zwischen der Schutzimpfung (Masern-Mumps-Röteln-Impfung vom 15.02.1989) und dem Landau-Kleffner-Syndrom aufgezeigt habe, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Kann-Versorgung nicht vor, weil es, wie der Sachverständige zutreffend dargelegt habe, jedenfalls an dem notwendigen zeitlichen Zusammenhang fehle.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin - im wesentlichen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens - Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Der Senat hat die die Klägerin betreffende Impfschadensakte sowie die Schwerbehindertenakte des Beklagten beigezogen und von Prof. Dr. T. (Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie; vormals Inhaber des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität M.) ein am 28.06.2004 erstattetes Gutachten eingeholt. Der Sachverständige gelangte darin zu der Auffassung, dass über die Ätiologie des Landau-Kleffner-Syndroms zwar Ungewissheit bestehe, ein genereller, statistisch irgendwie gesicherter Zusammenhang zwischen Impfungen (speziell gegen Masern, Röteln, Tetanus, Diphterie, Keuchhusten und Kinderlähmung) und dem Landau-Kleffner-Syndrom aber nicht bestehe. Der aktuelle Wissensstand rechtfertige es nicht, einen Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Landau-Kleffner-Syndrom über rein theoretische Möglichkeiten hinaus herzustellen.

Auf Antrag der Klägerin, die gegenüber dem Gutachten des Prof. Dr. T. einwandte, dieser habe weder die Möglichkeit einer postinfektiösen Enzephalitis als Folge einer pathologischen Immunreaktion auf die bei der Impfung verwendeten Wildviren (insbesondere Masernviren) noch die Möglichkeit der Verursachung des Landau-Kleffner-Syndroms durch in den Impfstoffen enthaltene Quecksilberbestandteile (Thiomersal) erörtert, hat der Senat gem. § 109 SGG ein von Dr. med. H. ("unabhängiger Experte für Arzneimittelsicherheit, speziell für Impfstoffsicherheit") am 29.10.2004 erstattetes Gutachten eingeholt. Der Sachverständige bestätigte die Auffassung, dass zur Ätiologie und Pathogenese des Landau-Kleffner-Syndroms keine gesicherte Lehrmeinung existiere. Die eigentliche Ursache für die Entstehung des Landau-Kleffner-Syndroms bei der Klägerin liege vermutlich in einer postvakzinalen Enzephalitis. Auch die damals in den Impfstoffen enthaltenen quecksilberhaltigen Konservierungsmittel (Thiomersal) könnten zu postvakzinalen Störungen führen, so insbesondere zu Enzephalopathien mit autistischen Merkmalen, Sprach- und Lernstörungen u.a . Allerdings sei das Institute of Medicine, von dem diese These stamme, zu der Bewertung gekommen, dass kein erhöhtes Risiko für autistische Störungen durch Thiomersal und Masernimpfungen vorliege bzw. ein solches zur Zeit nur theoretisch sei. Ein durch klinische Studien statistisch gesicherter Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Landau-Kleffner-Syndrom existiere schon deshalb nicht, weil es wegen der relativ geringen Häufigkeit des Landau-Kleffner-Syndroms schon an der erforderlichen Probandenzahl zum sicheren Nachweis solcher Vorkommnisse in prospektiven klinischen Studien fehle.

In der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2005 hat die Klägerin einen Schriftsatz vom gleichen Tag vorgelegt, mit dem sie beantragte, durch Anhörung des Sachverständigen Dr. H. Beweis darüber zu erheben, dass u.a.
- Impfschäden angesichts ihrer Seltenheit mit Methoden der Statistik weder nachgewiesen, wahrscheinlich gemacht noch widerlegt werden könnten;
- es sich beim Landau-Kleffner-Syndrom um eine benigne Partialepilepsie handle und zur Auslösung von derartigen benignen Partialepilepsien nach den Forschungsarbeiten von Prof. Dr. D. keine Encephalitiden erforderlich seien;
- zu den auslösenden Erkrankungen u.a. auch Impfungen gehörten (Hermann Doose, Epilepsien im Kindes- und Jugendalter, 11. Auflage 1998, S.39).

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.10.2002 sowie des Bescheides vom 11.06.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.01.1998 zu verurteilen, das bei ihr bestehende Landau-Kleffner-Syndrom im Wege der Kann-Versorgung als Impfschadensfolge (Schutzimpfung vom 15.02.1989 gegen Mumps /Masern/Röteln) anzuerkennen und ihr ab Antragstellung Versorgung nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren;

hilfsweise beantragt sie,

ihre Mutter als Zeugin zu den bei ihr in der zweiten und dritten Woche nach der Impfung vom 15.02.1998 aufgetretenen Auffälligkeiten zu vernehmen;

weiter beantragt sie höchst vorsorglich,

Dr. H. als Sachverständigen zu den aus dem Schriftsatz vom 05.04.2005 sich ergebenden Fragen zu vernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

weil das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspreche.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Akten des Beklagten und des Sozialgerichts München (S 27 Vi 4/94) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 61 Abs.2 BSeuchG bzw. 68 Abs.2 Infektionsschutzgesetz - IfSG - i.V.m. §§ 143, 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, das bei der Klägerin bestehende Landau-Kleffner-Syndrom im Wege der Kann-Versorgung als Impfschadensfolge (Schutzimpfung gegen Mumps/Masern/Röteln vom 15.02.1989) anzuerkennen und ihr deshalb Versorgung zu gewähren.

Dies hat das Sozialgericht mit Recht verneint.

Entsprechend der Regelung des § 60 Abs.1 IfSG (früher § 51 Abs.1 BSeuchG) i.V.m. dem BVG erhält derjenige, der durch eine Impfung, die u.a. öffentlich empfohlen war, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Voraussetzung im einzelnen dafür ist, dass die vorgeschriebene Impfung die Gesundheitsstörung wahrscheinlich verursacht hat. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen Obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Impfschadensfolge anerkannt werden (§ 61 Satz 2 IfSG - früher: § 52 Abs.2 Satz 2 BSeuchG).

Die Voraussetzungen dieser sogenannten "Kann-Versorgung" sind durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP), vor allem aber auch durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) konkretisiert worden. Danach muss zur Gewährung der Kann-Versorgung nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern vielmehr muss eine "gute Möglichkeit" des Zusammenhangs bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (BSG, Urteile vom 12.12.1995 und 10.11.1993, 9 RV 17/94 und 9/9a RV 41/92 = SozR 3-3200 § 81 Nrn.13 und 9).

Diese Voraussetzungen der Kann-Versorgung liegen im Fall der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht vor. Der von der Klägerin wegen seiner Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des Landau-Kleffner-Syndroms empfohlene Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Prof. Dr. T. hat als Sachverständiger in seinem Gutachten (§ 106 SGG) vom 28.06.2004 nach ausführlicher Literaturrecherche schlüssig und überzeugend dargelegt, dass es bis heute eine hinreichend gesicherte Lehrmeinung zur Ätiologie und Pathogenese des Landau-Kleffner-Syndroms ebensowenig gibt wie Erkenntnisse über einen generellen Zusammenhang zwischen Impfungen (speziell gegen Masern, Röteln, Tetanus, Diphterie, Keuchhusten und Poliomyelitis) und dem Landau-Kleffner-Syndrom. Der aktuelle Wissensstand rechtfertigt es nicht, so Prof. Dr. T., einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Landau-Kleffner-Syndrom über rein theoretische Möglichkeiten hinaus herzustellen. Die vom BSG geforderte generelle "gute Möglichkeit" eines solchen Zusammenhangs kann entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht dem Gutachten des Dr. K. entnommen werden; entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse sind dort nicht aufgezeigt.

Auf die vom Sozialgericht und von Dr. K. verneinte Frage des Vorliegens einer ausreichenden zeitlichen Verbindung zwischen Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände (Impfung) und Manifestation des Leidens (vgl. AP 1983 und 1996 RdNr.39 Abs.2 Buchstabe c) braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

Der Auffassung des Sachverständigen Dr. H. (Gutachten vom 29.10.2004, § 109 SGG) hat sich der Senat nicht anzuschließen vermocht. Denn auch dieser Sachverständige konnte keine wissenschaftliche Lehrmeinung aufzeigen, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen (insbesondere: Masern-Schutzimpfung) und Landau-Kleffner-Syndrom als "gute" und nicht nur theoretische Möglichkeit vertritt. Die Ausführungen des Sachverständigen zu den diskutierten Störungen nach Masern-Schutzimpfungen in Gestalt von Enzephalopathien mit autistischen Merkmalen, Sprach- und Lernstörungen sowie sensomotorischen Funktionsstörungen auf der Grundlage von Forschungsarbeiten des "International Child Development Center" in Florida stützen die Beurteilung durch Prof.Dr. T. Hinsichtlich der vorgenannten Störungen kam diese Forschungseinrichtung zu der Bewertung, dass ein erhöhtes Risiko durch Thiomersal und Masern-Impfung nicht vorliege bzw. ein solches Risiko zur Zeit nur theoretisch sei. Auch für die Hypothese, die verwendeten Masern-Wildviren hätten zu pathologischen Immunreaktionen (entzündliches Geschehen im Bereich der Hirngefäße und des Hirngewebes) geführt, als deren Folge das Landau-Kleffner-Syndrom aufgetreten sei, hat der Sachverständige Dr. H. keine wissenschaftliche Lehrmeinung aufgezeigt. Eine Kann-Versorgung kommt aber nur dann in Frage, wenn es wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung gibt, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs vertritt (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr.9). Die von Dr. H. vertretene Auffassung stellt eine wissenschaftliche Hypothese, nicht aber eine wissenschaftliche Lehrmeinung im vorgenannten Sinne dar.

Beweiserhebungen entsprechend dem zweiten Hilfsantrag der Klägerin zu den in deren Schriftsatz vom 05.04.2005 aufgeführten Punkten hat der Senat nicht für veranlasst gehalten. Das BSG (a.a.O.) verlangt, dass nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung Erkenntnisse vorliegen müssen, die für einen generellen, "in der Regel" durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und der festgestellten Erkrankung im Sinn einer "guten Möglichkeit" sprechen. Ein statistischer Nachweis wird folglich nicht zwingend gefordert, weshalb der erste Beweisantrag ins Leere geht. Der Sachverständige Prof. Dr. T., dem in den Hinweisen zu den Beweisfragen (Beweisanordnung vom 14.09.2003) die o.a. Vorgaben des BSG mitgeteilt worden waren, hat auch nicht ausschließlich auf das Fehlen einschlägiger statistischer Erhebungen abgestellt, sondern allgemein die vorliegenden Erkenntnisse nicht für ausreichend gehalten, um von mehr als einer bloßen theoretischen Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen Impfungen bzw. der angeschuldigten MMR-Impfung und dem Landau-Kleffner-Syndrom sprechen zu können. Was den zweiten und dritten Beweisantrag (beim Landau-Kleffner-Syndrom handle es sich um eine benigne Partialepilepsie, zu deren Auslösern auch Impfungen gehörten) anbelangt, so hält es der Senat für ausgeschlossen, dass Prof. Dr. T., der von der Klägerseite von Anfang an wegen seiner besonderen Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Landau-Kleffner-Syndroms als Sachverständiger empfohlen wurde, einen derart naheliegenden Zusammenhang, wie er nunmehr mit dem Hinweis auf die Zuordnung des Landau-Kleffner-Syndroms zum Kreis der epileptischen Erkrankungen (benigne Partialepilepsie) von der Klägerseite hinsichtlich seiner Konsequenzen für die Kann-Versorgung unter Beweis gestellt wurde, nicht gesehen hat. Dies folgt daraus, dass der Sachverständige Prof. Dr. T. ausdrücklich betont hat, beim Landau-Kleffner-Syndrom handele es sich um ein "Syndrom", was - wegen deshalb fehlender Uniformität der diagnostischen Kriterien - bei allen Berichten über den möglichen ursächlichen Hintergrund zu bedenken sei und auch durch die Verschiedenheit der theoretisch diskutierten möglichen Ursachen bestätigt werde. Nach Auffassung des Senats verbietet dies die Übertragung etwaiger Erkenntnisse über die Ursachen von Epilepsien auf das Landau-Kleffner-Syndrom. Darüber hinaus handelt es sich bei der Epilepsie nicht um eine Krankheit, über deren Ursache in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (vgl. AP 1996, Rdnr.39, S.185/186; s. auch BSG, 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Der Sachverständige Dr. H. hat im Übrigen in seinem Gutachten vom 29.10.2004 ausdrücklich bemerkt, es sei unbekannt, welche Faktoren "speziell" beim Landau-Kleffner-Syndrom die entscheidende Rolle bei der Auslösung spielten.

Die beiden letzten Beweisanträgen (zur Form und zum zeitlichen Auftreten von Absencen beim Landau-Kleffner-Syndrom) wären allenfalls u.U. entscheidungserheblich, wenn die Frage der Verursachung der Erkrankung der Klägerin im Sinn von § 61 Satz 1 IfSG (früher § 52 Abs.2 Satz 1 BSeuchG) streitig wäre. Da jedoch nur die Frage der Kann-Versorgung in Streit steht, war auch bezüglich dieser Anträge eine Beweiserhebung nicht veranlasst.

Nach alldem steht der Klägerin auch im Wege der Kann-Versorgung ein Anspruch auf Anerkennung des Landau-Kleffner-Syndroms als Impfschadensfolge mit daraus resultierender Versorgung nicht zu; ihre Berufung musste deshalb zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 bis 2 SGG nicht vorliegen.