Bayerisches Landessozialgericht - L 15 VS 22/03 - Urteil vom 13.09.2005
Nach der Nr.122 Abs. 6 AHP ist die Ätiologie der meisten malignen Blutkrankheiten, insbesondere der Leukämien, wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt. Wegen dieser Ungewissheit gelten die Voraussetzungen für eine sog Kann-Versorgung bei Vorliegen im Einzelnen vorgegebener Umstände als erfüllt. So wird eine Verursachung durch radioaktive Strahlen bei akuten Leukämien, myelodysplastischen Syndromen und chronischen myeloischen Leukämien als wahrscheinlich angesehen, wenn diese Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv oder als Strahlen radioaktiver Substanzen in vergleichbarer Stärke aufgetreten sind. Für die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) kommt es allerdings hierauf nicht an, weil nach allgemeiner Auffassung und herrschender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung diese als einzige maligne Tumorerkrankung nicht radiogen ist, d.h. nicht durch radioaktive Strahlung hervorgerufen wird.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) als Folge einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) und die Gewährung eines Ausgleichs nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) streitig.
Der 1941 geborene und am 07.06.1996 verstorbene Ehemann der Klägerin (nachfolgend Antragsteller genannt) war vom 01.07.1963 bis zu seiner Entlassung am 30.09.1992 als Berufssoldat bei der Bundeswehr tätig. Der Antragsteller absolvierte sowohl seine Grundausbildung als auch seine Ausbildung zum Flugsicherungs-Radarmechaniker-Meister in P. und war dort auch bis 16.07.1969 bei der Flugbetriebsstaffel FFS "A", anschließend bis zu seiner Entlassung aus der Bundeswehr am 01.10.1992 in der selben Funktion bei der Flugbetriebsstaffel JG 74 "M" in N. beschäftigt.
Am 07.01.1992 beantragte der Antragsteller erstmals bei der Beklagten die Anerkennung einer CLL als WDB-Folge. Diese im Dezember 1983 aufgetretene Erkrankung führte er auf seine langjährige Tätigkeit als Radarmechaniker (1964 bis 1982) und den Einfluss hochfrequenter Strahlung zurück.
Die Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Antragsteller ab 1964 18 Jahre lang Belastungen durch Radarstrahlung ausgesetzt und dabei bis 1969 in P. in einer Holzbaracke ca. 20 Meter von der Radaranlage CPN 4 entfernt untergebracht gewesen war. Ab 1969 hat sich sein Arbeitsbereich in N. wieder in der Nähe von mehreren Radaranlagen (FPN 36 und ASR B1) befunden. An diesen Geräten musste täglich in ganz geringem Abstand gearbeitet werden, teilweise auch während sie in Betrieb waren.
Auf Veranlassung des Sanitätsamts der Bundeswehr wurde zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit des Antragstellers an Radaranlagen und der CLL ein hämatologisch-onkologisches Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. A. (Universität Regensburg) vom 08.12.1993 eingeholt. Dieser Sachverständige verneinte, dass elektromagnetische Strahlung als wahrscheinlicher Risikofaktor für die Entstehung einer CLL anzusehen sei. Die diesbezügliche Wahrscheinlichkeit sei deutlich geringer als bei ionisierenden Strahlen.
Dieser Auffassung schloss sich das Sanitätsamt der Bundeswehr/Oberstarzt Dr. J. am 21.01.1994 an. Letzterer schlug als Leidensbezeichnung für die Nichtschädigungsfolge vor: "Lymphatische Systemerkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom)". Daraufhin erließ die Beklagte am 05.05.1994 den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem ein Anspruch des Antragstellers auf Ausgleich nach § 85 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 6 S. 1 SVG abgelehnt wurde. In der medizinischen Wissenschaft bestehe Ungewissheit über die Ursache des beim Antragsteller vorliegenden Non-Hodgkin-Lymphoms. Diese Gesundheitsstörung könne jedoch nicht im Rahmen einer "Kann-Versorgung" als WDB-Folge anerkannt werden, da die Voraussetzungen nicht vorlägen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch und kritisierte, dass die im Bescheid enthaltene Diagnose falsch sei. Es bestehe inzwischen Übereinstimmung seitens der behandelnden Ärzte, dass er an Leukämie erkrankt sei. Im Übrigen gehe aus einem Gutachten von Prof. Dr. K. von der Universität der Bundeswehr in M. hervor, dass biologische Systeme durch Mikrowellenstrahlungen bzw. Radarstrahlen durchaus negativ beeinflusst würden. Dies sei auch in einer Monitorsendung der ARD vom 18.09.1990 bestätigt worden.
Eine von der Beklagten eingeholte Auskunft der Flugbetriebsstaffel, Jagdgeschwader 74 "M." in N. vom 02.06.1995 ergab, dass der Antragsteller über Jahre hinweg dort täglich zwei bis drei Stunden sowohl an den offenen laufenden Sendeendstufen als auch im Antennenbereich verbracht habe. In seinen medizinischen Stellungnahmen vom 30.11.1994 und 04.05.1995 stimmte Dr. J. dem Kläger darin zu, dass sein Leiden als CLL bezeichnet werden müsse. Davon ausgehend sei zu prüfen, ob die durch die Sendeendstufen abgegebene Röntgenstörstrahlung für die Entstehung der CLL bedeutsam gewesen seien. Diese Strahlung sei grundsätzlich geeignet, bösartige Tumoren bei Menschen auszulösen. Im Rahmen einer "Kann-Versorgung" nach Nr.121 Abs.6 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1983 müsste für die Entstehung einer Leukämie eine Strahlenbelastung nachgewiesen werden, die zumindest dem für beruflich Strahlenexponierte geltenden Grenzwert von 5 R/Jahr (Ganzkörperbestrahlung) nahekomme. Der Antragsteller habe seine Tätigkeit in den Jahren 1964 bis 1982 ausgeübt, als das Wissen über die Emission der Störstrahlung durch Sendebaugruppen bis 1978 unzureichend gewesen sei. Erst um 1980 - durch Informationen aus dem Bereich des US-Militärs - seien gezielt Strahlenmessungen durchgeführt worden. Es hätten sich folgende Dosen bei offenen Abschirmungen ergeben: Klystrone: Spitzenwert 4 mR/h, Durchschnittswert 0,9 mR/h Thyratrone: Spitzenwert 40 mR/h, Durchschnittswert 6,6 mR/h Magnetrone wahrscheinlich wie Klystrone. Ausgehend vom Thyratron und vom Grenzwert von 5 R/Jahr hätte der Antragsteller bei Berücksichtigung der Maximaldosis 125 Stunden, bei Berücksichtigung des Durchschnittswerts 758 Stunden pro Jahr unmittelbar neben oder über den offenen Sendebaugruppen der laufenden Radargeräte arbeiten müssen. Eine derart intensive Exposition lasse sich nicht belegen. Es sei auch noch darauf hinzuweisen, dass einigen Untersuchungen zufolge nach Strahlenexposition alle Typen von Leukämien vermehrt beobachtet wurden mit Ausnahme der CLL, die beim Antragsteller vorliege. Die Anhaltspunkte enthielten diese Einschränkung jedoch nicht.
Daraufhin erging am 08.11.1995 ein entsprechender den Widerspruch des Antragstellers zurückweisender Widerspruchsbescheid.
Mit Schriftsatz vom 27.11.1995 hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht München erhoben, die die Klägerin nach dessen Tod als seine Rechtsnachfolgerin mit Schriftsatz vom 21.07.1996 begründet hat. Sie hat weiterhin die Anerkennung der CLL als WDB-Folge begehrt sowie die Zahlung eines Ausgleichs, vor allem weil der Antragsteller 18 Jahre lang im unmittelbaren Strahlungsbereich der Radaranlagen ASR B1 mit Sendespitzenleistungen von 500 kW/Radaranlage und an der FPN 36 mit Sendespitzenleistungen von 150 kW gearbeitet habe. Er sei außerdem über Jahre hinweg täglich zwei bis drei Stunden zusätzlich einer sehr hohen Dosis von Röntgenstörstrahlungen ausgesetzt gewesen.
Das Sozialgericht hat ärztliche Befunde vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen sowie von den behandelnden Ärzten Dres. B. (Internist und Radiologe) und B. beigezogen und den Freistaat Bayern zum Verfahren beigeladen.
Aufgrund von Beweisbeschlüssen des Sozialgerichts hat die Beklagte durch Dr. J. Auskunft zu den am 04.05.1995 angegebenen Messwerten bezüglich Störstrahlungen gegeben.
Im März 1999 hat die Klägerin zwölf ehemalige Arbeitskollegen ihres Mannes benannt, die anschließend vom Gericht schriftlich darüber befragt worden sind, zu welchen Zeiten und wo sie mit dem Antragsteller zusammengearbeitet haben. In diesem Zusammenhang hat der frühere Radartechniker H. F. einen einschlägigen Schriftwechsel mit dem Verwaltungsgericht S. , ein Schreiben des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags vom August 1994 hinsichtlich eines positiven Urteils des Sozialgerichts Staade sowie eine Stellungnahme des Sanitätsamts der Bundeswehr vom August 1998 mit einem positiven Vorschlag einer Beschädigtenversorgung für den Radartechniker P. R. im Rahmen der Kann-Versorgung übermittelt.
Mit Schriftsatz vom 08.02.2000 hat die Klägerin auf das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.07.1999 Bezug genommen, das bei einem Radartechniker eine Hodenkrebserkrankung als WDB-Folge bejaht hatte. Es ist auch angeregt worden, P. R. als Zeugen zu vernehmen.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2000 hat das Sozialgericht den Zeugen W. vernommen und mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass nach gegenwärtigem medizinisch wissenschaftlichem Kenntnisstand elektromagnetische Strahlen nicht geeignet seien, die beim Antragsteller entstandene maligne Erkrankung hervorzurufen. Als schädigende Ursache komme nur die ionisierende Strahlung in Form von Röntgenstörstrahlung der Sendeendstufen in Betracht. Nach § 81 Abs.1 SVG müsse jedoch das schädigende Ereignis voll bewiesen sein; d.h. es müssten die in den AP 1996 Nr. 143 Buchst. a Abs.1 genannten Voraussetzungen einer Schädigung durch Strahlen feststehen. Eine Beweiserleichterung im Sinne von § 15 KOV-VfG komme nicht in Betracht, da relevante Äußerungen des Verstorbenen zu seiner Tätigkeit nicht vorlägen. Daher habe nicht ausreichend nachgewiesen werden können, dass der Kläger in erheblichem Maß von ionisierenden Strahlen getroffen worden sei. Weder die Dienstvorgesetzten des Antragstellers noch seine Arbeitskollegen hätten die entscheidenden Fragen beantworten können. Auch über eine Kann-Versorgung könne unter diesen Voraussetzungen nicht positiv entschieden werden (AP 1996 Nr. 122 Abs. 6, Nr. 142 Abs. 4).
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.04.2000 Berufung beim Bayerisches Landessozialgericht eingelegt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, als Folgen einer WDB die Gesundheitsstörungen CLL u.a. anzuerkennen und hierfür Ausgleich zu gewähren, hilfsweise diese Gesundheitsstörungen im Wege der Kann-Versorgung anzuerkennen und zu entschädigen. Das Sozialgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines schädigenden Ereignisses verneint. Ursache, Art und Ausmaß der eingetretenen Gesundheitsschädigung müssten lediglich wahrscheinlich gemacht werden. Es sei auch durch den Zeugen W. ausreichend nachgewiesen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin durch seine tägliche Arbeit als Radarmechanikermeister in schädigungsrelevantem Maß von ionisierenden Röntgenstörstrahlen verletzt worden sei. Ferner sei die wissenschaftliche Studie von Prof. Dr. D. beizuziehen, deretwegen der Bundesverteidigungsminister Scharping im ZDF (Sendung vom 13.01.2001) versprochen habe, Anträge von Radaropfern auf Anerkennung einer WDB großzügiger zu behandeln. Nach Nrn. 143 a und 122 Abs. 6 der AP 1996 seien insbesondere bezüglich der Leukämie die Voraussetzungen einer Kann-Versorgung erfüllt.
Nach gerichtlichem Hinweis, dass in Übereinstimmung mit der Auffassung der Klägerseite das schädigende Ereignis (wehrdienstbedingte Strahlenexposition) grundsätzlich als nachgewiesen angesehen werde, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.04.2001 mitgeteilt, dass sie mit Nachdruck versuche, die Strahlenbelastung des Antragstellers nach Art und Schwere aufzuklären. Es ist außerdem die Studie von Prof. Dr. D. vorgelegt worden. Auf Seite 90 der Studie heißt es jedoch unter der Überschrift Leukämien: "Die Verursachung durch ionisierende Strahlung ist im Fall der CLL nicht belegt".
Anschließend hat die Beklagte ein Gutachten der Strahlenmessstelle Süd der Bundeswehr bei der WBV VI vom 02.05.2001 (Dipl. Physiker B.) übersandt, dem auch ein Prüfbericht derselben Strahlenmessstelle vom 17.06.1991 (Nr. 62/91) bezüglich einer Messung der Röntgenstörstrahlung und HF-Strahlung auf dem Flugplatz N. beigefügt war. Demnach lag beim Antragsteller keine Belastung durch Röntgenstörstrahlung in Höhe der von Dr. J. angeführten Dosis von 4 bis 5 R/Jahr bzw. 40 bis 50 mSv/Jahr vor.
Auf nochmalige gerichtliche Anfrage hat die Beklagte am 06.08.2001 mitgeteilt, ein von Bundesminister Scharping eingesetzter Arbeitsstab unter Leitung von Dr. T. S. habe am 21.06.2001 in einem abschließenden Bericht festgestellt, dass in Einzelfällen in den 60er und 70er Jahren Bundeswehrangehörige durch Röntgenstrahlen von Radargeräten gesundheitliche Schäden erlitten hätten. Mit Schriftsatz vom 03.09.2001 hat die Beklagte mitgeteilt, dass die oben genannte Arbeitsgruppe den technischen Überwachungsverein Hannover/Sachsen-Anhalt eingeschaltet habe, um die Arbeitsplatzverhältnisse um das Radargerät CPN 4, an dem auch der Antragsteller tätig war, noch näher aufzuklären.
Am 23.05.2002 ist vom Bundesverteidigungsministerium (BMVg) ein Teilbericht der Arbeitsgruppe bei der WBV Nord in M. zum Radargerät CPN 4 übersandt worden, ferner ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 13.05.2002 betreffend die AP. Dieses Rundschreiben hat sich mit der gutachtlichen Beurteilung von bösartigen Neubildungen nach Einwirkung ionisierender Strahlen durch Radargeräte der Bundeswehr befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für folgende maligne Tumore eine Verursachung durch ionisierende Strahlen nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht in Betracht komme: Chronisch-lymphatische Leukämie, Hodgkin-Lymphom (Lymphogranulomatose), malignes Melanom, Hodentumoren.
Im Hinblick auf dieses Rundschreiben und einen Erlass des BMVg vom 04.06.2002 ist die zunächst geplante Überprüfung des Falles von der Beklagten für nicht mehr erforderlich gehalten worden.
Die Beklagte hat den Senat dann mit Faxschreiben vom 01.07. 2002 darüber informiert, dass das BMVg einer Empfehlung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags vom 12.06. 2002 folgen wolle und eine unabhängige Expertenkommission einsetzen werde, die zur Radarstrahlenproblematik einen Bericht vorlegen solle.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 05.07.2002 kritisch zum Teilbericht vom 13.05.2002 und zum BMA-Rundschreiben, das in Widerspruch zu den AP 1996 stehe, geäußert. Ferner hat er beantragt, P. R. als sachverständigen Zeugen im bevorstehenden Erörterungstermin zu hören.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 09.07.2002 hat der Senat auf Anregung der Klägerin den BMA um nähere Auskünfte darüber gebeten, aufgrund welcher neueren Erkenntnisse im Rundschreiben vom 13.05.2002 in Abweichung zu den Nrn.122, 142 und 143a der AP eine Verursachung von Hodentumoren und der CLL durch ionisierende Strahlung verneint wurde. Mit Schreiben vom 09.09.2002 sind die Fragen von Medizinaldirektor Dr. R. dahingehend beantwortet worden, dass das Rundschreiben das Ergebnis einer Anhörung von speziell erfahrenden Sachverständigen sei. Die Aussage sei aufgrund einer breiten Datenbasis erfolgt.
Die Klägerin hat die Stellungnahme des BMA als nicht ausreichend angesehen und mit Schriftsatz vom 10.02.2003 eine wissenschaftliche Ausarbeitung der American Society of Hematology vorgelegt, die erstmals im vergangenen Jahr nachgewiesen habe, dass genetische Veränderungen die CLL beeinflussen könnten. Auf diese Studie habe sie Prof. Dr. M. aus I. hingewiesen, der den Antragsteller bis zu seinem Tod als Hämatologe behandelt habe. Entsprechend der Anregung der Klägerin hat der Senat diesen Aufsatz der Beklagten übersandt und anheim gestellt, ihn der für die Radarproblematik eingesetzten Expertenkommission zuzuleiten. Laut Mitteilung der Beklagten vom 06.03.2003 ist der Aufsatz über das BMVg dem Bundesparlament zugeleitet worden.
Aufgrund übereinstimmender Anträge der Beteiligten ist im Hinblick auf den abzuwartenden Bericht der Radarkommission mit Beschluss vom 19.03.2003 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
Auf Antrag der Klägerin ist das Verfahren im November 2003 wieder aufgenommen worden. Sie hat auf den inzwischen vorliegenden Bericht der Expertenkommission vom 02.07.2003 Bezug genommen und festgestellt, dass zwar auch darin die CLL von den Krebserkrankungen, die infolge ionisierender Strahlung entstehen können, grundsätzlich ausgenommen werde. Es müsse jedoch entsprechend Seite 108 des Berichts geprüft werden, ob beim Antragsteller statt einer CLL ein Non-Hodgkin-Lymphom vorgelegen habe. Dieses sei am 27.01.1984 im vorläufigen Entlassungsbericht des Bundeswehrkrankenhauses in M. und später auch von Prof. Dr. D. in seinem Befundbericht vom 27.01.1986 diagnostiziert worden. Derselben Auffassung sei 8 1/2 Jahre später die Medizinische Klinik I des Klinikums I. gewesen, wo der Antragsteller vom 13.06. bis 19.06.1994 stationär behandelt worden sei.
Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.12.2003 unter Übersendung des Berichts der Expertenkommission (Radarkommission) Stellung genommen und mitgeteilt, die zunächst gestellte Diagnose "Non-Hodgkin-Lymphom" sei im Jahr 1987 von der Medizinischen Klinik I. der Universität M. eindeutig bezüglich einer CLL revidiert worden. Eine Anerkennung der CLL sei auch aufgrund des neuen Berichts der Radarkommission vom 02.07.2003 nicht möglich, weil diese Tumorerkrankung als einzige nicht als "qualifizierend" angesehen werde, d.h. nicht mit dem Risiko der Entstehung/Auslösung durch Röntgenstrahlung behaftet sei. Im Übrigen habe das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) im Einvernehmen mit dem BMVg das Rundschreiben des BMA vom 13.05.2002 mit Rundschreiben vom 24.10.2003 aufgehoben, da die konkrete Strahlendosis im Einzelfall nicht mehr ermittelbar sei und das BMVg - soweit die von der Radarkommission aufgestellten Voraussetzungen vorlägen - die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Strahlenexposition und bösartiger Erkrankung unterstelle. Die Frage einer Kann-Versorgung stelle sich deshalb in diesen Fällen nicht.
Der Beigeladene hat sich im Ergebnis wie die Beklagte geäußert. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.01. 2004 hat Dr. S. ausgeführt, zur Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome zähle sowohl die CLL als auch das anfangs beim Antragsteller diagnostizierte centroplastisch-centrozytische Lymphom. Die Korrektur der Diagnose zugunsten einer CLL sei Ausdruck der verbesserten diagnostischen Möglichkeiten gewesen. Nur die CLL gelte als nicht radiogen.
Zur Klärung der Diagnose hat der Senat Oberarzt Prof. Dr. H. von der Medizinischen Klinik II, Klinikum G. in M. , zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat am 29.03.2004 ein Gutachten nach Aktenlage vorgelegt und festgestellt, es sei nach den vorliegenden Unterlagen sicher, dass der Antragsteller an einer CLL erkrankt gewesen sei. Ein centroplastisch-centrozytisches Non-Hodgkin-Lymphom sei zu keinem Zeitpunkt aus dem Krankheitsverlauf und den hämatologischen Befunden zu entnehmen.
Mit Schriftsatz vom 12.08.2004 hat die Klägerin eine Stellungnahme des Prof. Dr. M. vom 05.08.2004 übermittelt, der ausführte, es habe an der Diagnose einer CLL zu keiner Zeit Zweifel gegeben. Fraglich sei vielmehr, ob es bekannte genetische Grundlagen für die CLL gebe und ob möglicherweise hoch energetische Strahlung über die Schädigung des Genoms die CLL (mit-)bedingt habe.
Prof. H. hat zu dieser Problematik am 14.09.2004 ergänzend Stellung genommen und bestätigt, dass sich verschiedene Arbeits- und Studiengruppen mit zytogenetischen Veränderungen bei der CLL befassen. Es könne allerdings gegenwärtig nur festgestellt werden, dass bei der CLL verschiedene zytogenetische Veränderungen nachweisbar seien, die für diese Erkrankung typisch und für die Prognose des Verlaufs wichtig seien. Diese seien aber auch bei einer Vielzahl von Patienten mit CLL aufgetreten, die keiner Strahlenexposition ausgesetzt gewesen seien. Im Übrigen bestehe weiterhin die herrschende Meinung, dass im Gegensatz zu anderen Leukämiearten die CLL nicht auf eine Strahlenexposition rückführbar sei.
Auf gerichtliche Anfrage hat der Beigeladene am 29.11.2004 aufgrund einer Stellungnahme von Dr. H., die selbst Mitglied im ärztlichen Sachverständigenbeirat beim BMGS ist, mitgeteilt, es sei nicht bekannt, dass der Sachverständigenbeirat einen Ersatz für sein Rundschreiben vom 13.05.2002 zur Anerkennung von Strahlenschäden schaffen werde. Eine diesbezügliche gerichtliche Anfrage beim BMGS ist vom Leiter des Referats 435, Dr. L., am 26.01.2005 beantwortet worden. Das Rundschreiben vom 13.05.2002 sei nicht aus versorgungsmedizinisch gutachterlichen Gründen aufgehoben worden, sondern wegen der im Aufhebungsrundschreiben vom 20.10. 2003 dargestellten zentralen Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung für die Kausalitätsbeurteilung. Diese Zuständigkeitsregelung beziehe sich auch auf alle Fachfragen zu Einzelkriterien der Kausalität wie z.B. Strahlenart, Strahlendosis, Lebensalter bei Exposition, Art und Lokalisation der Malignome und Latenzzeit. Es sei jedoch ganz allgemein festzustellen, dass die durch die Radarkommission und den ärztlichen Sachverständigenbeirat erfolgte medizinische Bewertung der CLL als nicht radiogen noch richtig sei.
Die Beklagte hat am 10.10.2004 eine versorgungsmedizinische Stellungnahme des Dr. J. vom 02.12.2004 übersandt: Sofern man entsprechend den Empfehlungen der Radarkommssion auch beim Antragsteller wenigstens bis 1975 pauschal eine hinreichende Röntgenstrahlenbelastung aufgrund unzureichender Datenlage unterstelle, komme für bestimmte maligne Erkrankungen des blutbildenden Systems (d.h. für die akute Leukämie, myelodysplastische Syndrome, chronische myeloische Leukämien) unter den in AP Nr. 122 Abs. 6 a definierten zeitlichen und qualitativen Voraussetzungen eine Anerkennung in Betracht. Formal seien diese Kriterien beim Antragsteller zwar erfüllt. Dem stehe jedoch die Art seines Leidens entgegen; gemäß derzeit gültiger medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung, der auch die AP ohne Berücksichtigung anderslautender Einzelmeinungen (z.B. Stellungnahme Prof. Dr. M.) verpflichtet seien (AP Nr. 38 Abs.2), bestehe kein kausaler Zusammenhang zwischen ionisierenden Strahlen und der Entstehung einer CLL. Die Ausführungen in den AP Nr. 122 widersprächen diesem Ausschluss der CLL als qualifizierende Krankheit nicht. Sie seien vielmehr auf die CLL von vornherein nicht anwendbar, da bezüglich deren Strahlenätiologie keine "Ungewissheit" bestehe (Abs. 6 Abschnitt 3). Somit müsse auch unter Zugrundelegung ausschließlich der AP an der bisherigen Ablehnung des Leidens von Herrn B. als Schädigungsfolge festgehalten werden.
Nach gerichtlichem Hinweis, dass die Auffassungen von Dr. J. und Prof. Dr. H. zutreffend erschienen, hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 20.04.2005 mitgeteilt, er bleibe dabei, dass die Ätiologie der CLL im Hinblick auf die von Prof. Dr. M. vorgetragenen Argumente ungeklärt sei und eine Kann-Versorgung eintreten müsse; auch bestehe die Klägerin darauf, die angekündigte Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigenbeirats abzuwarten. Schließlich sei nicht klar, weshalb zwischen 1985 und 1987 wiederholt die Diagnose eines bestehenden Morbus Hodgkin gestellt worden sei. Es werde beantragt, die erstbehandelnden Ärzte Prof. Dr. D. und Dr. H. als sachverständige Zeugen zu vernehmen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 28.04.2005 ist der Klägerin mitgeteilt worden, dem Antwortschreiben des Dr. L. vom 26.01.2005 sei zu entnehmen, dass keine weiteren Ausführungen des Sachverständigenbeirats erfolgen würden. Im Übrigen werde es derzeit als nicht notwendig erachtet, die genannten sachverständigen Zeugen zu vernehmen, da Dr. N. als Nachfolger von Prof. D. zunächst dessen Diagnose (Non-Hodgkin-Lymphom) übernommen habe, sich aber nach dem Schreiben des Hämatologen Prof. Dr. T. vom 28.09.1987 sofort dessen Diagnose (CLL) angeschlossen habe. Hinzu komme, dass bereits seit Dezember 1983 ein pathologisch-anatomisches Gutachten von Prof. Dr. W. vorgelegen habe, der sich auch für eine CLL ausgesprochen habe.
Der Beigeladene hat noch ein versorgungsärztliches Gutachten des Internisten Dr. S. vom 13.06.2005 vorgelegt. Darin ist zur Frage einer möglicherweise strahlenbedingten Entstehung der CLL ausgeführt worden, dass die Radarkommission im Juli 2003 in Übereinstimmung mit den Bestimmungen in allen anderen Staaten der Welt mit ähnlichen Entschädigungsgesetzen und in Übereinstimmung mit der derzeitigen wissenschaftlichen Lehrmeinung einzig und alleine die CLL von einer derartigen Kausalität ausgenommen habe. Prof. Dr. M. habe dagegen im August 2004 argumentiert, dass vor drei Jahren auf einem Jahrestreffen amerikanischer Hämatologen über genetische Veränderungen bei der CLL berichtet worden sei. Diese Angaben seien einerseits zu ungenau, zum anderen müssten diese Berichte (aus dem Jahr 2001) der Radarkommission bereits bekannt gewesen sein. Die Feststellungen 1. Strahlenexposition kann zu genetischen Veränderungen führen, 2. bei der CLL können genetische Veränderungen gefunden werden, dürften im Übrigen nicht dahingehend unzulässig verknüpft werden, dass eine erhöhte Strahlenexposition auch zur CLL führe. Diese Schlussfolgerung sei spekulativ und nachweislich falsch. Das BMGS habe durch Dr. L. im Januar 2005 zum Ausdruck gebracht, dass die medizinische Bewertung der CLL durch die Radarkommission auch aktuell noch Gültigkeit habe. Es werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, dort oder beim Vorsitzenden der Radarkommission nochmal nach neueren Erkenntnissen zu fragen. Derartige Anfragen müssten jedoch durch aussagekräftige beigelegte wissenschaftliche Studienergebnisse nachvollziehbar begründet werden. Die vorliegende kurze Stellungnahme von Prof. Dr. M. sei hierzu nicht geeignet.
In der mündlichen Verhandlung am 13.09.2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein weiteres Schreiben von Prof. Dr. M. vorgelegt, wonach bis heute weder zweifelsfrei geklärt sei, dass die CLL durch genetische Veränderungen hervorgerufen werde, noch, dass genetische Veränderungen keinen Einfluss auf die Entstehung der CLL hätten. Es werde daher anheimgestellt, bei den befassten Instituten verbliebenes Gewebe des Ehemannes der Klägerin einer genetischen Untersuchung zuzuführen. Sollten sich dann die in der Literatur beschriebenen genetischen Veränderungen finden, halte er dies für ein gutes Indiz für den geltend gemachten Kausalzusammenhang.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.02.2000 und des Bescheids vom 05.05.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 08.11.1995 zu verurteilen, die bei ihrem Ehemann aufgetretene Gesundheitsstörung CLL im Rahmen der "Kann-Versorgung" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und von Januar 1984 mit September 1992 Ausgleich zu gewähren;
hilfsweise: noch vorhandenes Gewebematerial einer Untersuchung auf genetische Veränderungen zuzuführen;
weiter hilfsweise: weitere Ermittlungen durch Anfrage beim ärztlichen Sachverständigenbeirat zu der Frage durchzuführen, ob eine Strahlensensibilität der CLL nach neuestem wissenschaftlichen Kenntnisstand nach wie vor ausgeschlossen ist.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.02.2000 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Beigeladenen sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist nach § 88 Abs. 7 SVG i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und damit zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
Das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten und des Beigeladenen sind nicht zu beanstanden.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass die CLL, an der der Ehemann der Klägerin erkrankt war, durch schädigende Vorgänge während des Wehrdienstes hervorgerufen worden ist. Auch die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung nach § 85 Abs. 6 S. 2 SVG liegen nicht vor, weil in der medizinischen Wissenschaft keine Unklarheit über die Bedeutung radioaktiver Strahlung für das Entstehen einer CLL besteht.
Nach § 85 SVG erhält ein Soldat wegen der Folgen einer WDB während seiner Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach §§ 30 Abs.1 und 31 des BVG. Nach § 81 Abs.1 SVG ist unter einer WDB eine gesundheitliche Schädigung zu verstehen, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 05.05. und 10.11.1993 - SozR 3-3200 § 81 Nrn. 8 und 9) ist in den Fällen, in denen - wie hier - die Anerkennung einer nicht auf einem Unfall beruhenden Krankheit als WDB-Folge begehrt wird, ein entsprechender Anspruch nur dann zu bejahen, wenn die Krankheit entweder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen wäre oder die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung vorliegen. Beides ist nicht der Fall.
Nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung kommen nach Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung Erkrankungen durch ionisierende Strahlen als Berufskrankheiten in Betracht. Eine Entschädigung als Berufskrankheit setzt aber voraus, dass die geltend gemachte Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit "durch" ionisierende Strahlen verursacht worden ist. Dies ist hier nicht der Fall. Nach Meinung aller Sachverständigen ist CLL nicht radiogen. Auch Prof. Dr. M. spricht insoweit nur von einer möglichen, keinesfalls von einer wahrscheinlichen Verursachung.
Die nach dem Auftrag der Klägerin allein noch streitige Kann-Versorgung setzt nach § 81 Abs. 6 SVG voraus, dass die grundsätzlich erforderliche Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen WDB und Gesundheitsstörung deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. In Nr. 39 der AP sind die weiteren Voraussetzungen einer Kann-Versorgung geregelt. Gem. Nr. 39 Abs. 7 der AP kommt für eine Reihe von Krankheiten, nach Nr. 39 Abs. 7 Ziff. 11 der AP insbesondere auch für Neoplasien der Hämatopoese und für myelodysplastische Syndrome (AP Nr. 122) eine Kann-Versorgung in Frage. In Nr. 122 Abs. 6 der AP 1996/2004 wird festgestellt, dass die Ätiologie der meisten malignen Blutkrankheiten, insbesondere der Leukämien, wissenschaftlich noch weitgehend ungeklärt sei. Wegen dieser Ungewissheit gelten die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung als erfüllt, wenn sich z.B. eine Leukämie frühestens zwei Jahre und spätestens drei Jahrzehnte nach Einwirken ionisierender Strahlen manifestiert, die nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache angesehen werden, deren Menge aber auch nicht so gering war, dass eine wesentliche Bedeutung nicht diskutiert werden kann. Nach Nr. 122 Abs. 6 der AP wird eine Verursachung durch radioaktive Strahlen bei akuten Leukämien, myelodysplastischen Syndromen und chronischen myeloischen Leukämien als wahrscheinlich angesehen, wenn diese Strahlen in einer Knochenmarkdosis von mindestens 0,2 Sv oder als Strahlen radioaktiver Substanzen in vergleichbarer Stärke aufgetreten sind. Für die CLL kommt es allerdings hierauf nicht an, weil nach allgemeiner Auffassung und herrschender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung diese als einzige maligne Tumorerkrankung nicht radiogen ist, d.h. nicht durch radioaktive Strahlung hervorgerufen wird. Diese Erkenntnis wurde von der Radarkommission in ihrem Bericht vom 02.07.2003 (Nr. 9.3.1) und in der Studie von Prof. Dr. D. (Abschnitt V Nr. 2) bestätigt. Die Feststellung, dass die CLL nicht durch radioaktive Strahlung verursacht wird, enthält auch das Lehrbuch von Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Nrn.14.3.1.2, 14.3.3, 20.4.2) und das Handbuch der Arbeitsmedizin (Konietzko/Dupuis, 19. Ergänzungslieferung, IV-3.8.1, S. 7). Schließlich hat Dr. L. vom BMGS am 26.01.2005 für den ärztlichen Sachverständigenbeirat, der für die Weiterentwicklung der AP verantwortlich ist, bestätigt, dass trotz Aufhebung des Rundschreibens vom 13.05.2002, in dem insbesondere auch die CLL als nicht radiogen bezeichnet worden war, diese Feststellung als weiterhin richtig angesehen wird. Wenn es auch zur Klarstellung im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts wünschenswert wäre, dass der Sachverständigenbeirat erneut einen die AP insoweit ergänzenden Beschluss fasste, ist der Senat mit der Beklagten und dem Beigeladenen der Auffassung, dass aus oben genannten Gründen keine Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft darüber besteht, ob die beim Antragsteller aufgetretene CLL durch wehrdienstbedingte Einwirkung radioaktiver Strahlung verursacht worden sein kann.
Eine derartige Ungewissheit bezüglich der Ätiologie der CLL ist auch nicht dadurch eingetreten, dass Prof. Dr. M. die These- CLL durch radioaktive Strahlung aufgrund genetischer Veränderungen in Betracht gezogen. Zu dieser Frage äußerte sich der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 14.09.2004 dahingehend überzeugend, dass bisher keine Veröffentlichungen existieren, die genetische Veränderungen durch Strahlenexposition bei CLL-Patienten beschreiben. Prof. Dr. H. hat darauf hingewiesen, dass das Auftreten solcher Veränderungen bisher lediglich in Tierversuchen getestet worden ist. Dabei sind jedoch völlig andersartige zytogenetische Veränderungen beschrieben worden als die, die bei an CLL Erkrankten bisher aufgedeckt worden sind. Die gefundenen zytogenetischen Veränderungen sind zwar für Verlauf und Prognose der CLL-Erkrankung relevant, ihre biologische Bedeutung ist jedoch noch unklar. Das nach Auffassung des Senats wichtigste Argument gegen die These von Prof. Dr. M. ist die Feststellung von Prof. Dr. H., dass viele der CLL-Patienten, bei denen zytogenetische Veränderungen festgestellt wurden, nachweislich keiner Strahlenexposition ausgesetzt waren. Prof. Dr. M. schränkte seine These zuletzt im Übrigen dahingehend ein, es sei nicht zweifelsfrei geklärt, dass der Einfluss radioaktiver Strahlung auf das Genom für die Entstehung einer CLL-Erkrankung nicht bedeutsam sei. Eine nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Anwendbarkeit der Kann-Versorgung zu fordernde "nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung", welche die Radiogenität von CLL bejaht, kann daraus nicht abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995 und 10.11.1993, 9 RV 17/94 und 9/9a RV 41/92 = SozR 3-3200, § 81 Nrn. 13 und 9). Der Senat ist vielmehr - wie bereits ausgeführt - auf Grund des derzeitigen wissenschaftlichen Meinungsstandes der Überzeugung, dass die CLL nicht radiogen ist und deshalb von der allgemeinen Zustimmung zur Kann-Versorgung von Neoplasien der Hämatopoese bzw. von malignen Formen des myelodysplastischen Syndroms (AP Nr. 122 Abs. 6) nicht erfasst wird.
Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin noch vorhandenes Gewebematerial des Antragstellers einer Untersuchung auf genetische Veränderungen zuzuführen. Selbst wenn eine solche Untersuchung genetische Veränderungen bestätigen würde, könnten daraus keine weiteren Schlüsse auf eine Verursachung der CLL durch radioaktive Strahlung gezogen werden. So heißt es beispielsweise bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. Nr. 14.3.3) über die Entstehungsursachen der CLL: "Ursache ist unklar. Festzustellen sind oftmals genetische Disposition und eine Bevorzugung des männlichen Geschlechts sowie des mittleren und höheren Lebensalters. Ein Einfluss von Umweltfaktoren wird diskutiert, ist aber nicht gesichert. Verursachung durch ionisierende Strahlen ist nicht bekannt." Selbst wenn sich somit nachträglich beim Antragsteller eine genetische Disposition für CLL herausstellen sollte, könnte dies nicht - wie Prof. Dr. M. meint - als "gutes Indiz" im Sinne eines relevanten Nachweises für einen Kausalzusammenhang zwischen Strahlenbelastung und Erkrankung gewertet werden.
Da weder Prof. Dr. M. noch Prof. Dr. H. aussagefähige wissenschaftliche Studien über für CLL bedeutsame genetische Veränderungen nach Exposition gegenüber ionisierender Strahlung benennen konnten, bestand auch keine Notwendigkeit, den ärztlichen Sachverständigenbeirat beim BMGS bzw. den Vorsitzenden der Radarkommission/Präsidenten des Bundesamts für Strahlenschutz diesbezüglich nach neuen Erkenntnissen zur Strahlensensibilität der CLL zu fragen.
Die anfangs vom Antragsteller geltend gemachte Verursachung durch hochfrequente Radarstrahlung war zuletzt nicht mehr streitgegenständlich. Im Übrigen ist ein derartiger Kausalzusammenhang zu verneinen, weil nach allgemeiner medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung hochfrequente Strahlen nicht geeignet sind, maligne Erkrankungen hervorzurufen; Schäden entstehen nach derzeitigem Wissensstand nur bei hochgradiger Exposition in Form von thermischen Schäden (AP 2004 Nr. 143a Abs. 2).
Auch die Diagnose der Erkrankung des Antragstellers als CLL war zuletzt nicht mehr umstritten. Zwar war zu Beginn der Erkrankung Anfang 1984 im Bundeswehrkrankenhaus M. nicht vollständig klar, ob der Antragsteller etwa an einem malignen Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt war, das als radiogene Erkrankung angesehen wird. Ab September 1987 (Arztbrief von Prof. Dr. T.) waren sich die behandelnden Ärzte aber darüber einig, dass es sich um eine CLL handelte. Dies hat auch der vom Senat gehörte Sachverständige Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 28.06.2004 bestätigt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Erstdiagnose vom 27.12.1983 des Städt. Krankenhauses M. mit initialem Knochenmarkbefund und typischen Blutbild-Veränderungen bereits für eine CLL sprach. Auch die klinischen Symptome passten zu der Diagnose. Die Angabe eines Morbus Hodgkin, die z.B. vom Städt. Krankenhaus M. im Januar 1986 genannt wurde, muss in Übereinstimmung mit Prof. Dr. H. als Schreibfehler angesehen werden. Auch Prof. Dr. M. bezweifelte die Diagnose "CLL" laut seinem Schreiben vom August 2004 nicht.
Aus diesen Gründen hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Sie war mit der Kostenfolge der §§ 183, 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.