Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az.: L 16 KR 177/03, Beschluss vom 24.02.2004 


Beruhen  im Zusammenhang mit der Brustbeschaffenheit geklagten Beschwerden lediglich auf einer psychische Alteration, so schuldet die gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin lediglich eine psychotherapeutische Behandlung, nicht aber einen operativen Eingriff in Form einer Brustverkleinerung. 

 

Gründe:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik.

Die 1949 geborene Klägerin, die Mutter von 4 Kindern ist, und bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 u. a. wegen Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und seelischen Störungen anerkannt ist, beantragte durch ihren behandelnden Gynäkologen Dr. T im April 2002 die Genehmigung einer Brustverkleinerung, weil aufgrund einer Mammahypertrophie Rückenschmerzen und Wirbelsäulenprobleme bestünden. Auch der Orthopäde/Chirotherapeut Dr. E bescheinigte der Klägerin belastungsabhängige Beschwerden des Achsenorgans mit Abstrahlung in Arme und Beine als Folge der Mammahypertrophie und hielt eine Reduktionsplastik beidseits für dringend indiziert. Dagegen gelangte Dr. C vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen Lippe in seinem Gutachten vom 23.04.2002 zu dem Ergebnis, dass eine solche Operation nicht zu befürworten sei, weil die geklagten Beschwerden primär auf nachgewiesene degenerative Veränderungen zurückzuführen seien, die durch die Adipositas der Klägerin verstärkt würden. Zusätzlich sei bei der Klägerin, die primär auf die Mammareduktionsplastik fixiert sei, eine Exploration der psychischen Belastung und entsprechende therapeutische Intervention angezeigt. Mit Bescheid vom 29.04.2002 lehnte die Beklagte den Antrag daraufhin ab.

Die Klägerin legte am 07.05.2002 Widerspruch ein unter Vorlage einer Bescheinigung des Chefarztes der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe/Zentrum für Brusterkrankungen der I-kliniken H, der eine erhebliche Makromastie und Ptose bescheinigte und eine erhebliche Entlastung der orthopädischen Beschwerdesymptomatik aufgrund der Möglichkeit der Entnahme von wenigstens 700 Gramm Fettgewebe der Mammae annahm. Der MDK - Dr. W - sah jedoch in einem weiteren Gutachten vom 12.06.2002 keinen Anlass, seine Beurteilung zu ändern. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 als unbegründet zurück.

Die Klägerin am 04.09.2002 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass eine Gewichtsreduzierung der Brüste zu einer erheblichen Verminderung ihrer Beschwerden führen würde und bei Nichtdurchführung der Operation eine Zunahme der Beschwerden zu erwarten sei.

Das SG hat ein Gutachten von der Ärztin für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und Physikalische Therapie Dr. H eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 16.04.2003 zu dem Ergebnis gelangt, in Anbetracht des Körpergesamtbildes seien die Brüste der Klägerin nicht krankhaft vergrößert und die vorliegenden Funktionseinschränkungen und körperlichen Beschwerden würden nicht objektivierbar durch den Zustand der Brüste hervorgerufen. Vielmehr beruhten diese auf strukturellen Veränderungen von Seiten der Halswirbelsäule sowie der völlig insuffizienten rumpfstabilisierenden Rückenstreck- und Bauchmuskulatur. Hier sei ein dringender Ansatzpunkt gegeben mittels Gewichtsreduktion und krankengymnastischen Übungsbehandlungen, denen die Klägerin aber ablehnend gegenüberstehe. Die Klägerin selbst weise immer wieder auf "psychische Gründe" hin, so dass ggf. insoweit eine Ursächlichkeit abzuklären sei. Die Klägerin ist diesem Gutachten entgegengetreten unter Hinweis auf die Behandlung durch den Orthopäden Dr. L, der einen Bandscheibenvorfall diagnostiziert habe und mittels Spritzen behandele, sowie durch Vorlage eines Arztbriefes des Radiologen M über eine am 19.05.2003 gefertigte Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule.

Mit Urteil vom 08.07.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 14.07.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.08.2003 Berufung eingelegt. Sie bestreitet, dass ihr Begehren auf psychische Ursachen zurückzuführen sei. Hierzu hat sie eine Bescheinigung des Dr. L vom 06.06.2003 vorgelegt, wonach wiederholte Nervenwurzelblockaden sowie lokale Infiltrationsbehandlungen im Wirbelsäulenbereich zu keiner Besserung der Beschwerden geführt hätten und die Durchführung einer Mammareduktionsplastik erforderlich sei. Des Weiteren hat die Klägerin eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. L1 über eine notfallärztliche Behandlung wegen akuter Schmerzzustände vom 15.10.2003 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Dortmund vom 08.07.2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend und vermag den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen keine neuen Erkenntnisse zu entnehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Da die Berufsrichter des Senats übereinstimmend dieser Auffassung sind und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachten, macht der Senat nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten (Schreiben vom 04.11.2003) von der Möglichkeit des § 153 Abs. 4 SGG Gebrauch, das Rechtsmittel im Beschlussverfahren zurückzuweisen.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beklagte der Klägerin die begehrte Operation nicht als Krankenbehandlung schuldet. Krankheit ist im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG SozR 3 - 2200 § 182 Nr. 14; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung - Kommentar -, - Stand 2003 -, Rdnr. 4 zu § 24 SGB V). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Beschaffenheit der Brüste der Klägerin nicht erfüllt, da hierdurch keinerlei körperliche Beschwerden bei der Klägerin hervorgerufen werden, was in Übereinstimmung mit dem SG zur Überzeugung des Senats aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. H wie auch der urkundsbeweislich zu würdigenden Gutachten des MDK feststeht. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Bescheinigung des Dr. L kommt kein besonderer Beweiswert zu, da er sich weder mit den alternativen Ursachen der geklagten Beschwerden noch mit anderweitigen Behandlungs- und Vorbeugungsmaßnahmen auseinandergesetzt hat. Die von Dr. L1 ausgestellte Bescheinigung über eine Notfallbehandlung enthält ohnehin keine Hinweise bezüglich der hier streitigen Zusammenhangsfrage. Der Senat sieht daher auch keinen Anlaß zu weiteren medizinischen Ermittlungen, insbesondere bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

Soweit nach dem gesamten Ermittlungsergebnis erhebliche Hinweise dafür bestehen, dass die im Zusammenhang mit der Brustbeschaffenheit geklagten Beschwerden der Klägerin auf eine psychische Alteration zurückzuführen sind, schuldet die Beklagte der Klägerin lediglich eine psychotherapeutische Behandlung, nicht aber den gewünschten operativen Eingriff (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 39 Nr. 5; SozR 3 - 2200 § 182 Nr. 14).

Die Berufung der Klägerin musste daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revisionen sind nicht erfüllt (§ 160 Abs. 2 SGG).