Bayerisches Landessozialgericht - Urteil vom 24.08.2005 - Az.: L 16 R 223/04 -
Die Frage nach dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ist nicht nur eine medizinische, sondern vorrangig eine Rechtsfrage. Dabei ist die Beurteilung eines Versicherten durch einen ärztlichen Sachverständigen nur eine Komponente des komplexen Begriffes der Erwerbsfähigkeit. Neben den medizinischen Befunden, Diagnosen und Beurteilungen, kommt auch in aller Regel dem Umstand Beweiswert zu, dass ein Versicherter eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat oder noch ausübt. Die Tatsache der Ausübung einer zumutbaren Tätigkeit besitzt in der Regel einen stärkeren Beweiswert als die scheinbar dies ausschließenden medizinischen Befunde. Wird unter betriebsüblichen Bedingungen eine Beschäftigung ausgeübt, mit der ein Arbeitseinkommen von mehr als geringfügigem Wert erzielt wird, so kann im Rahmen der Beweiswürdigung Erwerbsfähigkeit selbst dann angenommen werden, wenn die erhobenen medizinischen Befunde für sich allein betrachtet ein anderes Ergebnis nahelegen würden.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung von Erwerbsminderungsrente.
Die 1949 geborene Klägerin beantragte am 13.12.2002 die Gewährung von Erwerbsminderungsrente.
Bereits im Jahre 1997 hatte sie einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unter Hinweis auf eine Brustoperation im März 1997 (Mammacarcinom) gestellt, der jedoch wegen des Nichtvorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (3/5-Regelung) abgelehnt worden war.
Die Klägerin hatte damals geringfügige Beschäftigungen ausgeübt, wobei sie ab 01.10.1999 auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung verzichtete. In der Zeit von 1968 bis April 1976 hatte sie Pflichtbeitragszeiten bei anschließender Kindererziehungszeit und Arbeitslosigkeit bis Oktober 1977 zurückgelegt. Von Mai 1981 bis Juni 1982 sind erneut Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung anerkannt.
Nach ihren Angaben im (streitgegenständlichen) Rentenantrag hat die Klägerin von September 1964 bis Juli 1965 eine Berufsausbildung als Hauswirtschafterin durchlaufen. Seit Oktober 1999 übe sie zwei geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mit Verdiensten in Höhe von monatlich 67 EUR und 190 EUR aus.
Der Rentenantrag wurde mit Bescheid vom 18.02.2003 abgelehnt. In den Gründen wird ausgeführt, dass eine volle Erwerbsminderung seit dem 01.03.2002 bestehe. Im maßgeblichen Zeitraum 01.03.1997 bis 28.02.2002 seien nur 2 Jahre und 5 Kalendermonate mit maßgeblichen Beiträgen belegt.
Mit ihrem Widerspruch macht sie geltend, dass sie zwar seit längerer Zeit gesundheitliche Probleme habe. Erwerbsunfähig im Sinne der Rentenversicherung sei sie aber erst im Dezember 2002 geworden. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien aber bereits zum 01.10.2002 erfüllt.
Mit Bescheid vom 17.04.2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, dass nach nochmaliger Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen aufgrund des Nachweises pulmonaler Metastasen seit dem 01.03.2002 von einer vollen Erwerbsminderung auszugehen sei. Damit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung nicht mehr erfüllt. Auch sei nicht jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis 28.02.2002 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Freiwillige Beiträge durften zwar noch für Zeiten ab dem 01.01.2001, nicht aber für die vorher liegenden unbelegten Zeiten bezahlt werden.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben. Nach Einholung von Befundberichten wies dieses mit Urteil vom 20.10.2003 die Klage ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Eine Erwerbsminderung sei vor Oktober 2002 eingetreten. Dafür spreche bereits die den Gesamtorganismus erheblich belastende Bestrahlungs- und Chemotherapie von April bis Oktober 2002. Bereits bei Abschluss einer Reha-Maßnahme im November 2002 sei von der B. Klinik die Fähigkeit, eine Erwerbstätigkeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten, verneint worden. Dabei verkenne das Gericht nicht, dass die Klägerin wegen ihrer ausgesprochen problematischen, familiären und finanziellen Situation auch im Jahr 2002 noch versucht habe, jede Möglichkeit zu nutzen, Geld zu verdienen, was bei Heimarbeit mit gewisser Möglichkeit der freien Arbeitseinteilung auch prinzipiell möglich gewesen sei. Doch könne die sozialmedizinische Beurteilung der Beklagten nicht widerlegt werden, wonach die erzielten Löhne von Januar bis Dezember 2002 von monatlich durchschnittlich rund 267 EUR, selbst bei Annahme eines niedrigen Lohnniveaus für Heimarbeit und Putzarbeiten, nicht auf eine mindestens dreistündige tägliche Arbeitsleistung in gewisser Regelmäßigkeit schließen lassen.
Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass das Leistungsvermögen erst im Dezember 2002 auf das Niveau einer vollen Erwerbsminderung herabgesunken sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.10.2003 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2003 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Annahme eines Leistungsfalles im Dezember 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte weist, gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme des Chirurgen Dr.L. vom 21.01.2005, erneut darauf hin,
dass bereits seit März 2002 von einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich auszugehen sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten sowie von Arbeitgeberauskünften der Firma J. R. , Schmuckfedern Import/Export sowie der Firma U. Umweltservice C. AG. Die Firma Schmuckfedern R. bestätigte eine Tätigkeit als Heimarbeiterin (Binden von Federn zu anspruchsvollen Artikeln). Eine Entlohnung sei nach dem Heimarbeitertarif Schmuckfedern und Kunstblumen als Stücklohn erfolgt. Es sei ein monatlicher Arbeitslohn von ca. 180 bis 190 EUR bezahlt worden. Das Arbeitsverhältnis bestehe fort. Die Firma U. teilte mit, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers beendet sei. Die Klägerin habe seit 01.01.1999 als Putzfrau für 11 oder 13 Stunden monatlich gearbeitet. Sie habe durchschnittlich ca. 80 EUR monatlich verdient.
Der Senat hat sodann ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage eingeholt. Der Internist Dr.med. B. E. hat in seinem Gutachten vom 05.04.2005 nach Auswertung des vorliegenden Aktenmaterials ausgeführt, dass Frau B. selbst 1997 einen schmerzlosen Knoten in der Brust bemerkt habe. Am 06.03.1997 sei beidseits der Tumor entfernt worden. Angeschlossen habe sich eine Bestrahlung der rechten und linken Thoraxwand von April bis Juni 1997. Metastasen haben sich zu diesem Zeitpunkt nicht gefunden. Die Bestrahlung sei insgesamt gut vertragen worden. Bis Anfang 1999 haben sich keine Auffälligkeiten gezeigt. Im Januar 1999 sei dann skelettszintigraphisch eine Metastase im Bereich der 9. Rippe rechts diagnostiziert worden. Im August 1999 sei eine Progredienz der Metastase röntgenologisch nachweisbar gewesen, so dass eine lokale Radiatio durchgeführt worden sei. Es werde dann vermerkt, dass ab Mai 2000 eine stabile Situation bei mäßiggradiger Erhöhung des Tumormarkers bestanden habe. Zu einer deutlichen Verschlechterung des Zustandsbildes und einer Progression der Erkrankung sei es zu Beginn des Jahres 2002 gekommen. Es lägen abgesehen vom Befundbericht der B. Klinik vom 18.11.2002 keine Berichte vor, in denen der Allgemeinzustand beschrieben worden sei. Bei einer Thoraxaufnahme am 01.03.2002 sei eine pulmonale Metastasierung diagnostiziert worden. Angeschlossen habe sich eine palliative Bestrahlung der rechten Thoraxwand von BWK 9 bis 11 und eine palliative Chemotherapie Juni bis Oktober 2002. Dennoch sei es zu einer Progression der bösartigen Erkrankung gekommen.
Bei der sozialmedizinischen Bewertung eines Tumorleidens seien viele Faktoren zu berücksichtigen. Generell seien Tumorpatienten während der Primärdiagnostik und Therapie in der anschließenden Phase der Chemo- und Strahlentherapie als arbeitsunfähig anzusehen. Das Vorliegen einer Metastase bedeute jedoch nicht generell das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit. Hier sollte der erfahrungsgemäße voraussichtliche Verlauf der Erkrankung sowie der individuelle Zustand des Patienten berücksichtigt werden. Es könne auf Patienten verwiesen werden, die trotz Lebermetastasen und entsprechender Therapie noch sieben Jahre lang den Beruf ausgeübt hätten. Der sozialmedizinischen Bewertung der B. Klinik zum Entlassungszeitpunkt Juni 2001, wonach die Verrichtung leichter Tätigkeiten für noch möglich war, könne deshalb voll zugestimmt werden. Trotz bestehender Knochenmetastase sei unter Therapie bei gutem Allgemeinbefinden eine Erwerbsunfähigkeit noch nicht anzunehmen gewesen. Allerdings habe seit Beginn des Jahres 2002 der relativ stabile Zustand nicht mehr aufrechterhalten werden können. Die Progredienz der Erkrankung sei augenscheinlich. Auch wenn unter palliativer Bestrahlung/Chemotherapie noch eine geringe Verkleinerung der erheblichen Lungenmetastasierung röntgenologisch nachgewiesen werden habe können, sei eine längerfristige Stabilisierung nicht mehr zu erwarten gewesen und auch nicht eingetreten. Da aufgrund der Progression von einer Besserung nicht mehr auszugehen gewesen sei, sei die Festsetzung einer Erwerbsunfähigkeit mit Diagnosestellung der Erkrankungsprogression gerechtfertigt. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei überdies anzunehmen, dass die Klägerin bereits ab Januar 2002 unter Berücksichtigung ihrer Gesundheitsstörungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten von nur mehr weniger als drei Stunden habe verrichten können. Soweit tatsächlich gearbeitet worden sei, sei dies auf Kosten der Restgesundheit geschehen.
Mit Schreiben vom 19.07.2005 trägt der neue Bevollmächtigte der Klägerin vor, dass das Gutachten des Herrn Dr.E. keinen Beweis erbringen könne, dass die Erwerbsminderung bereits Anfang 2002 eingetreten sei. Dieser beantworte die Beweisfragen nur unter dem Vorbehalt des Bestehens großer Wahrscheinlichkeit und nicht mit dem erforderlichen Grad an Beweisdichte. Die Klägerin habe auch nach Januar 2002 noch Heimarbeit durchgeführt. Vergleiche man die Pflichtbeiträge ab 1999, ergebe sich durchaus eine steigende Tendenz (1999: 4.505,00 DM Verdienst, 2002: 6.215,00 DM Verdienst, 2003: 4.361,00 DM Verdienst). Die Pflichtbeiträge widersprächen der Annahme einer Arbeitsleistung von weniger als drei Stunden täglich.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG. Der Senat hat daraufhin auf § 109 Abs.2 SGG hingewiesen. Das Gutachten des Dr.E. war den früheren Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 25.04.2005 unter Hinweis auf den Abschluss der gerichtlichen Beweisaufnahme durch Gutachtenseinholung zur Stellungnahme unter Fristsetzung übersandt worden.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte des Bayer.
Landessozialgerichts sowie auf die beigezogene Akte des Sozialgerichts
Regensburg und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da in medizinischer Hinsicht eine volle Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt waren.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich deshalb nach den Vorschriften des SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung, da die Versicherte ihren Rentenantrag nach dem 03.04.2001 gestellt hat und auch Rente für die Zeit nach dem 01.01.2001 begehrt (§ 300 Abs.2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs.3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -).
Nach der genannten Vorschrift des § 43 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie kumulativ
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (sog. 3/5-Belegung) und
3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht allesamt erfüllt. Sie erfüllt, zwischen den Beteiligten unstreitig, die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs.1 Satz 1, 51 Abs.1 SGB VI).
Das Erfordernis der sog. 3/5-Belegung wird jedoch erst ab dem 01.10.2002 erfüllt. Dies deshalb, weil die Klägerin vom 01.07.1982 bis zum 30.09.1999 keine Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung zurückgelegt hat. In dieser Zeit hat sie kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt. Erst seit dem 01.10.1999 hat sie Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in Gestalt einer geringfügigen Beschäftigung bei Verzicht auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung zurückgelegt, so dass die Voraussetzung des § 43 Abs.2 Satz 1 Ziffer 2 SGB VI erst ab dem 01.10.2002 erfüllt wird.
Aufschubzeiten im Sinne von § 43 Abs.4 SGB VI sind nicht erkennbar. Die Anerkennung einer auf krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit beruhenden Anrechnungszeit (§ 58 Abs.1 Satz 1 Nr.1) vor dem 01.10.1999 scheitert an der fehlenden Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung (§ 58 Abs.2 SGB VI). Auch liegt keine Aufschubzeit nach § 43 Abs.4 Nr.3 SGB VI vor.
Es liegt auch keine durchgehende Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten seit 1984 vor (§ 241 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Auch unter Berücksichtigung einer bis Juni 1991 zuzuerkennenden Berücksichtigungszeit erweist sich der Zeitraum Juli 1991 bis September 1999 als nicht mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die Beitragslücken können auch unter Berücksichtigung einer Hemmung durch den Rentenantrag nicht mehr vollständig durch Zahlung freiwilliger Beiträge geschlossen werden. Daneben besteht auch keine Möglichkeit einer wirksamen Beitragsentrichtung aus dem Gedanken eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches heraus. Zum Zeitpunkt des ersten Rentenantrages im September 1997 war die Lücke nicht vollständig zu schließen.
Nach Überzeugung des Senats ist jedoch eine vollständige Erwerbsminderung bereits vor dem 01.10.2002 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, eingetreten. Voll erwerbsgemindert ist, wer auf nicht absehbare Zeit (mindestens sechs Monate) keine Arbeitsleistung von mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann. Der Senat stützt seine Überzeugung zum einen auf die Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr.E. , wie sie dieser in seinem Gutachten vom 05.04.2005 niedergelegt hat. Dort hat der Gebietsarzt für innere Medizin ausgeführt, dass das Auftreten einer Metastasierung bei Carcinomerkrankung nicht von vornherein auf ein Absinken des Leistungsbildes auf Erwerbsunfähigkeitsniveau schließen lässt. Vielmehr müssen der individuelle Zustand und mögliche Folgeerscheinungen berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall hat zunächst trotz im Jahr 1999 aufgetretenen Metastasierung ein relativ stabiler Zustand erreicht werden können, der jedoch ab Anfang des Jahres 2002 nicht habe aufrechterhalten werden können. Im März 2002 wurde dann eine weitere pulmonale Metastasierung beidseits bei Zunahme der ossären Metastasierung diagnostiziert, die zu einer palliativen Bestrahlung sowie einer palliativen Chemotherapie von Juni bis Oktober 2002 zwang. Dennoch ist es zu einer deutlichen Progression der bösartigen Erkrankung gekommen. Aufgrund der Progression der Erkrankung konnte ab Januar 2002 von einer Besserung nicht mehr ausgegangen werden.
Zwar schränkt der Gutachter seine Beurteilung hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalls im Januar 2002 insoweit ein, als diese nur mit "hoher Wahrscheinlichkeit" zu treffen sei. Die Beurteilung des Senats wird jedoch weiter verfestigt durch den als Urkundsbeweis verwerteten Befundbericht des langjährigen Hausarztes Dr.med.W. vom 24.10.2002, der unter dem Punkt "jetzige Beschwerden und Funktionseinschränkungen" bereits einen "reduzierten Allgemeinzustand" und "Thoraxschmerzen" angibt. Die Beurteilung wird zudem gestützt durch die im Reha-Entlassungsbericht der B. Klinik F. vom 18.12.2002 niedergelegten Beschwerdeschilderungen der Klägerin. Dort hat sie angegeben, dass seit der Chemotherapie das Leistungsvermögen deutlich eingeschränkt sei, Muskelschmerzen würden am ganzen Körper bestehen. Als Folgestörung wird ein psycho-physisches Erschöpfungssyndrom beschrieben. Gestützt auf die genannten medizinischen Unterlagen ist der Senat davon überzeugt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit spätestens mit Diagnostizierung der weiteren Metastasierung im März 2002 ein Absinken des Leistungsvermögens der Klägerin auf unter drei Stunden auf nicht absehbare Zeit eingetreten ist. Ungeachtet dessen geht auch der Gutachter von einem Eintritt des Leistungsfalles im März 2002 aus. Unter dem Vorbehalt der großen Wahrscheinlichkeit will er diesen dann auf den Januar 2002 vorverlegt wissen.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Frage nach dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht nur eine medizinische, sondern vorrangig eine Rechtsfrage darstellt und die Beurteilung eines Versicherten durch einen ärztlichen Sachverständigen nur eine Komponente des komplexen Begriffes der Erwerbsfähigkeit ist. Neben den medizinischen Befunden, Diagnosen und Beurteilungen, kommt auch in aller Regel dem Umstand Beweiswert zu, dass ein Versicherter eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat oder noch ausübt. Die Tatsache der Ausübung einer zumutbaren Tätigkeit besitzt in der Regel einen stärkeren Beweiswert als die scheinbar dies ausschließenden medizinischen Befunde. Wird unter betriebsüblichen Bedingungen eine Beschäftigung ausgeübt, mit der ein Arbeitseinkommen von mehr als geringfügigem Wert erzielt wird, so kann im Rahmen der Beweiswürdigung Erwerbsfähigkeit selbst dann angenommen werden, wenn die erhobenen medizinischen Befunde für sich allein betrachtet ein anderes Ergebnis nahelegen würden (BSG Urteil vom 29.09.1980 SozR 2200 § 1247 Nr.30; BSG Urteil vom 26.09.1975 SozR 2200 § 1247 Nr.12).
Unter Berücksichtigung der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (keine 15 Wochenstundengrenze) und insbesondere der Möglichkeit des Verzichts auf die Versicherungsfreiheit sowie der Neuregelung der Voraussetzungen für das Bestehen einer vollen Erwerbsminderung (keine Mindestverdienstgrenze) ist eine solche, die Erwerbsfähigkeit begründende Beschäftigung auch noch dann gegeben, wenn die geringfügige Beschäftigung unabhängig von der Höhe des erzielten Verdienstes außerhalb von eventuellen Arbeitsunfähigkeitszeiten regelmäßig über drei Stunden werktäglich verrichtet und die Arbeitsleistung nicht sicher auf Kosten der Restgesundheit ausgeübt wird.
Dies ist nach dem Inhalt der beiden durch den Senat eingeholten Arbeitgeberauskünfte nicht der Fall gewesen. Beide geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wurden zwar über das Datum der Rentenantragstellung hinaus ausgeübt. Allerdings bestätigt die Firma Schmuckfedern R. , dass ein durchschnittlicher Monatslohn von 180 bis 190 EUR bezogen wurde. Wegen Erkrankung habe die 400 EUR-Grenze nie ausgeschöpft werden können. Man habe sich bei jedem Besuch davon überzeugen können, wie schlecht es der Klägerin gegangen sei. Trotz größter Beschwerden habe sie nach Möglichkeit gearbeitet. Die Firma U. C. bestätigt eine durchschnittliche monatliche Arbeitsstundenzahl von 11 oder 13 Stunden. Selbst bei Zugrundelegung eines äußerst geringen Stundenlohnes lässt sich daraus keine 15-stündige Wochenarbeitsstundenzahl ableiten.
Der Senat sah sich auch nicht mehr veranlasst, dem Antrag des Klägerbevollmächtigten zu entsprechen, einen weiteren Arzt gemäß § 109 SGG zu hören. Denn das Gutachten des Dr.E. vom 05.04.2005 war bereits der früheren Klägerbevollmächtigten am 25.04.2005 unter Hinweis auf den Abschluss der gerichtlichen Beweisaufnahme durch Gutachtenseinholung und der Aufforderung zur Stellungnahme binnen vier Wochen übersandt worden. Im Juli 2005 bestellte sich der neue Bevollmächtigte und stellte den Antrag nach § 109 SGG. Gleichzeitig legte der bisherige Bevollmächtigte die Vertretung nieder. Der Senat hat daher den Antrag aufgrund § 109 Abs.2 SGG abgelehnt, weil die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte und aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht wurde.
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht aus den gleichen Gründen nicht zu.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.