Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Kosten eines für den Kläger erfolgreichen Widerspruchsverfahrens.

Mit Bescheid vom 08.02.2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.11.2005 bis 31.12.2005 auf und verlangte das dem Kläger in diesem Zeitraum gezahlte Arbeitslosengeld II in Höhe von 1199,36 EUR erstattet.

Der Kläger legte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 20.02.2006 Widerspruch ein und machte geltend, der von der Beklagten nachträglich berücksichtigte Rückkaufswert einer Versicherung sei geschütztes Vermögen, das sich auf den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auswirke.

Mit Bescheid vom 27.03.2006 half die Beklagte dem Widerspruch ab und nahm den Bescheid vom 28.02.2006 zurück. Gleichzeitig erklärte sie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig und die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten für erstattungsfähig, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte daraufhin 301,60 EUR unter Ansatz einer Geschäftsgebühr (240,- EUR), der Post- und Telekommunikationspauschale (20,- EUR) sowie Umsatzsteuer (41,60 EUR) in Rechnung. Mit Bescheid vom 11.04.2006 erstattete die Beklagte lediglich Kosten in Höhe von 232,- EUR unter Herabsetzung der Geschäftsgebühr auf 180,- EUR und der Umsatzsteuer auf 32,- EUR. Die Ermäßigung der Gebühr begründete sie mit den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers.

Der Kläger legte am 19.04.2006 Widerspruch ein und machte geltend, dass sowohl die Schwierigkeit der Bearbeitung als auch die Bedeutung der Angelegenheit über dem Durchschnitt gelegen hätten. Hierdurch würden zumindest andere Kriterien kompensiert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 08.08.2006 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, das Verfahren habe Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II betroffen. Insoweit handele es sich um ein Spezialgebiet, wobei für die anwaltliche Bearbeitung erschwerend hinzugekommen sei, dass eine Leistungsaufhebung unter Prüfung der Zuflusstheorie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu bearbeiten gewesen sei. In Anbetracht der Rückforderungssumme habe die Angelegenheit auch eine erhebliche Bedeutung gehabt. Allein aus diesen Gründen werde der Aspekt der unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse kompensiert, sofern dieser in Fällen, in denen die Partei regelmäßig arm sei, überhaupt Berücksichtigung finden können.

Mit Urteil vom 27.10.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 301,60 EUR zu erstatten. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 05.12.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.12.2006 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, den Kriterien für die Bemessung der Rechtsanwaltskosten (Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit und Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers) gleichwertige Bedeutung zu. Die Frage der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dürfe nicht bei demjenigen, der in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, gleich bewertet werden wie bei demjenigen, der auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sei. Außerdem sei die Schwierigkeit der Angelegenheit unterdurchschnittlich gewesen, weil das Problem bereits durch einhellige höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, die Bedeutung der Angelegenheit sei für ihn überdurchschnittlich. Die Auffassung der Beklagten, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich, widerspreche ihrer eigenen früheren Auffassung. Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse führe auch zu keiner Ungleichbehandlung zu dem Personenkreis, der nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sei. Auch bei diesem finde das Kriterium der besonderen Bedeutung der Angelegenheit Berücksichtigung. Im Übrigen hätten Empfänger von Leistungen nach dem SGB II regelmäßig Anspruch auf Beratungshilfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist kraft Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Ausschlussregelung des § 144 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich um Kosten des Verfahrens handelt, ist auf Kosten eines isolierten Vorverfahrens nicht anwendbar (vgl. BSG SozR 4 - 1300 § 63 Nr. 1 Rn 6; SozR 3 - 1500 § 144 Nr. 13).

Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Entscheidung darüber, in welcher Höhe die zu erstattenden Aufwendungen festzusetzen sind (§ 63 Abs. 3 S. 1 Abs. 1 SGB X). Die Beklagte hat bereits unangegriffen entschieden, dass dem Kläger die Vorverfahrenskosten dem Grunde nach zu erstatten sind (§ 63 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 SGB X) und dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 3 S. 2 iVm Abs. 2 SGB X notwendig war (vgl. hierzu BSG Urt. v. 16.03.2006 - B 4 Ra 59/04 R - Rn 22 m.w.N.). Auch wenn die Beklagte nur einen Teil der in Rechnung gestellten Kosten beglichen hat, wollte sie doch damit aus ihrer Sicht den vollständigen Vergütungsanspruch befriedigen (vgl. BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R - Rn 13).

Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht die Kostenrechnung gekürzt.

Die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen (Vergütung) des Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X, der nur die gesetzlichen Gebühren erfasst (vgl. BSGE 78, 159, 161), bestimmen sich nach dem zum 01.07.2004 in Kraft getretenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Dieses findet hier Anwendung, weil der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit nach dem 01.07.2004 (16.02.2006) erteilt worden ist (§ 61 Abs. 1 S. 1 RVG). Nach § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 RVG entstehen für eine Tätigkeit außerhalb des sozialgerichtlichen Verfahrens, sofern das Gerichtskostengesetz (GKG) keine Anwendung findet, Betragsrahmengebühren und daher auch für das isolierte Vorverfahren zwischen Sozialleistungsempfängern und Behörden (vgl. LSG NRW Urt. v. 29.01.2007 - L 1 AL 54/06 - m.w.N.). Da der Streit zwischen den Beteiligten über Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II geführt worden ist, wäre das sozialgerichtliche Verfahren für den Kläger als Leistungsempfänger kostenfrei gewesen (§ 183 S. 1 SGG). Nach § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich daher die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gemäß Nr. 2500 VV RVG in der Fassung des Art. 3 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) vom 05.05.2004 (BGBl. I 2004, 718) - jetzt umbenannt in Nr. 2400 - beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren die Betragsrahmengebühren entstehen, 40,- EUR bis 520,- EUR. Im Hinblick auf die Bemessung der Gebühr ist zu berücksichtigen, dass eine Gebühr von mehr als 240,- EUR (sogenannte Schwellengebühr) nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (amtliche Anmerkung zu Nr. 2500 VV RVG).

Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. der Prozessbevollmächtigte des Klägers war dazu berechtigt, die Schwellengebühr von 240,- EUR abzurechnen. Sie ist Ausgangspunkt zur Ermittlung der angemessenen Gebühr (vgl. Otto, NJW 2006, 1472, 1474). Sie ist nur zu unterschreiten, wenn die Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unterdurchschnittlich erfüllt sind (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/ von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 14 Rn 10).

Aufwand und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeiten können hier als durchschnittlich bewertet werden. Die Angelegenheit betraf die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Neben Fragen des materiellen Verfahrensrechts (§§ 45 SGB X ff.) war daher eine Rechtsmaterie betroffen, die erst seit kurzem Gültigkeit hatte. Die Prüfung, inwieweit auf dieses Recht die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zum Vorgängerrecht übertragbar sind, ist dem Schwierigkeitsgrad nach (vgl. dazu Otto a.a.O., 1473) jedenfalls nicht so einfach, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts als unterdurchschnittlich angesehen werden kann. Die maßgebliche Beurteilung, ob ein Einkommenszufluss vorgelegen hatte oder Vermögen freigesetzt worden war, welches anrechnungsfrei blieb, ist keine ohne weiteres zu beantwortende Frage. Sie erforderte in jedem Fall die Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch geleistet hat. Auch der Aufwand für das Mandantengespräch ist im Hinblick auf die Notwendigkeit der Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers im streitrelevanten Zeitraum nicht als unterdurchschnittlich anzusetzen.

Dies gilt ebenso bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit. Insoweit ist vorrangig auf das Interesse des Auftraggebers abzustellen (vgl. Römermann in Hartung/Römermann/ Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn 32). Die Rückforderung einer Summe von mehr als 1000,- EUR hat jedenfalls für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II eine Bedeutung, die nicht mehr als unterdurchschnittlich angesehen werden kann. Die hier streitige Rückforderung betrug nämlich mehr als das 3-fache des monatlichen Regelleistungssatzes nach dem SGB II. Der Bestand der Forderung hätte daher eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastung des Klägers mit sich gebracht.

Unterdurchschnittlich sind allerdings die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers. Bei einem Ein-Personen-Haushalt kann als Ausgangsgröße von einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen von 2000,- EUR ausgegangen werden (vgl. Otto a.a.O., 1476; 2500,- EUR für einen Arbeitnehmer legen zu Grunde Madert a.a.O. § 14 Rn 18; Jungbauer in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Corkovic/Mathias/Uher, RVG, - Kompaktkommentar -, 2. Aufl., § 14 Rn 45). Das dem Kläger monatlich zur Verfügung stehende Arbeitslosengeld (ALG) II von ca. 600,- EUR weicht hiervon in einem Umfang ab (vgl. dazu Otto a.a.O.), der auch unter Berücksichtigung des Vermögens des Klägers seine wirtschaftlichen Verhältnisse als erheblich unterdurchschnittlich erscheinen lässt. Dies rechtfertigt gleichwohl nicht die von der Beklagten vorgenommene Herabbemessung der Schwellengebühr. Sind wie hier die Einkommensverhältnisse so schlecht, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe erfüllt sind, wird gefolgert, dass sie außer Betracht bleiben müssen (vgl. Römermann a.a.O. § 14 Rn 38 m.w.N.), weil in solchen Verfahren bei ansonsten durchschnittlichen Anforderungen die Mittelgebühr nie erreicht werden könnte (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 16.08.2006 - L 10 B 7/06 SB -; Thüringer LSG Beschl. v. 05.04.2005 - L 6 B 8/05 SF). Es kann dahinstehen, ob dem uneingeschränkt zu folgen ist.

Sind die in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG vorrangig genannten Kriterien, insbesondere die an erste Stelle genannten Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, durchschnittlicher Natur, erscheint das Unterschreiten der Schwellengebühr allein aufgrund schlechter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten unbillig. Aus der mit dem RVG vorgenommenen Neuordnung der Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung der angemessenen Gebühr gegenüber dem Vorgängerrecht des § 12 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) kann gefolgert werden, dass der Bemessungsschwerpunkt den nunmehr zuerst genannten Kriterien zukommen soll (h.M ... vgl. Otto a.a.O. 1476; Rick in Schneider/ Wolff, RVG, 3. Aufl., § 14 Rn 24 m.w.N.; so zum Vorgängerrecht wohl auch BSG Beschl. v. 22.02.1993 - 14b/4 Reg 12/91 Rn 7). Dem entspricht es, dass regelmäßig der Umstand schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse mit einer gesteigerten Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber einhergeht, sofern es sich nicht um Bagatellangelegenheiten handelt.

Selbst wenn man aber der Auffassung der Beklagten folgt, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse gleichrangige Beurteilungskriterien bilden, wäre die Abrechnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers hier nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf das Vermögen des Klägers, das gerade Anlass zu dem streitigen Verfahren gegeben hat, waren die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers im Zeitpunkt der Mandatserteilung besser als bei anderen ALG II - Empfängern. Eine Herabbemessung der Schwellengebühr um 25%, wie von der Beklagten vorgenommen, lässt sich daher nicht rechtfertigen. Eine Kürzung käme allenfalls in einer Größenordnung von deutlich unter 20% in Betracht. Eine Überschreitung der Gebührenrechnung in diesem Rahmen wird aber - sofern sie nicht zu einer Überschreitung der Schwellen-/Mittelgebühr führt, - noch nicht als unangemessene Festsetzung im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG angesehen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 197 Rn 7c m.w.N.).

Unter diesen Umständen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu Recht 301,60 EUR abgerechnet (Geschäftsgebühr 240,- EUR, Post und Telekommunikationspauschale 20,- EUR, Umsatzsteuer 41,60 EUR), so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war. Dabei hat der Senat lediglich den Tenor des angefochtenen Urteils auf die verbliebene streitige Summe abgeändert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.