Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 25 AS 1337/17 - Urteil vom 28.10.2013
Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dass die kompetente Interessenwahrnehmung des Mandats von dem Rechtsanwalt der Kläger möglicherweise an sich mehr als das Geleistete abverlangt hätte, ist ein nicht bei diesem Kriterium, sondern allenfalls bei dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu beachtender Gesichtspunkt. Ein Rechtsstreit um die Gewährung von existenzsichernden Leistungen - gleiches gilt für deren hier streitige Aufhebung und Erstattung - ist regelmäßig und so auch hier von überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Bedeutung.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für Widerspruchsverfahren.
Die Kläger bezogen von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unter dem 14. März 2013 erließ der Beklagte gegenüber den Klägern insgesamt drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide betreffend die Bewilligungsmonate August bis November 2012. Je ein Bescheid war an den Kläger zu 2. (Forderungssumme: 290,82 Euro) und an die Klägerin zu 3. gerichtet (Forderungssumme: 182,02 Euro), während ein dritter Bescheid an die Klägerin zu 1. (Forderungssumme: 387,11 Euro) gerichtet war, mit diesem Bescheid aber auch Leistungsrückforderungen der Kläger zu 4. (Forderungssumme: 232,55 Euro) und 5. (Forderungssumme: 110,62 Euro) verfügt wurden. Die Bescheide wurden jeweils identisch begründet mit Einkommenszuflüssen der Kläger (Einkommen der Klägerin zu 1. aus abhängiger Beschäftigung bei einem ambulanten Pflegedienst; Einkommen des Klägers zu 2. aus abhängiger Beschäftigung und Arbeitslosengeldbezug; Einkommen der Kläger zu 3. und 4. aus Schüler-BAföG).
Die Kläger legten durch ihren Prozessbevollmächtigten jeweils gesondert gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide Widerspruch ein. Die Widerspruchsschreiben vom 25. März 2013 waren wortgleich. Jeweils wurde gerügt, die Bescheide ließen nicht eindeutig erkennen, welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in welcher Höhe Leistungen zu Unrecht erhalten habe und welcher Betrag von welcher Person zurückgefordert werde. Des Weiteren sei den Bescheiden nicht zu entnehmen, wie die vermeintliche Überzahlung zustande gekommen sein soll, so dass es den Rückforderungsbescheiden bereits an einer hinreichenden Begründung ermangele. Zudem seien die Kläger nicht angehört worden. Der Beklagte erließ unter dem 8. Mai 2013 einen Abhilfebescheid für alle drei Widerspruchsverfahren (), mit dem er die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. März 2013 aufhob. Er verfügte außerdem, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden. Dies gelte auch für die Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger forderte mit drei Schreiben jeweils vom 24. Mai 2013 von dem Beklagten die Kostenerstattung für die Widerspruchsverfahren. Für die Kläger zu 1., 4. und 5. verlangte er insgesamt 480,76 Euro, für den Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3. jeweils 309,40 Euro. Dabei ging er jeweils von einer Geschäftsgebühr von 240,- Euro aus, die er in der Kostenrechnung für die Kläger zu 1., 4. und 5. um 60 Prozent erhöhte.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. Juli 2013 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten in den Widerspruchsverfahren auf 337,96 Euro fest und lehnte darüber hinaus die Kostenerstattungsanträge ab. Er bezifferte dabei die Geschäftsgebühr auf 264,- Euro. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, es handele sich bei den drei Vorverfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), für die der Rechtsanwalt die Gebühr nur einmal fordern könne. Die Geschäftsgebühr betrage an sich nur 120,- Euro. Es sei nur kurz Widerspruch erhoben und Akteneinsicht begehrt und dazu der regelmäßige - hier aber nicht auf die konkreten Bescheide passende - Textbaustein verwendet worden. Diese Tätigkeit sei rechtlich sehr einfach und nicht umfangreich. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Widerspruchsführer seien schlecht. Da es sich um eine Angelegenheit mit Vertretung von vier weiteren Widerspruchsführern handele, sei die Gebühr allerdings um 120 Prozent zu erhöhen, so dass die Geschäftsgebühr um 144,- Euro zu erhöhen sei. Die Kläger legten gegen den Bescheid jeweils drei Widersprüche ein, die der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2013 zurückwies.
Hiergegen haben die Kläger am 28. November 2013 Klage erhoben mit dem Begehren, ihnen die entstandenen außergerichtlichen Kosten für die Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 1.099,56 Euro zu erstatten abzüglich anerkannter und gezahlter 337,96 Euro. Sie haben im Wesentlichen vorgetragen, der Beklagte habe drei Bescheide erlassen, so dass sie auch drei Widerspruchsverfahren hätten einleiten dürfen. Diese hätten auch separat abgerechnet werden müssen. Zudem habe hier eine Geschäftsgebühr in mittlerer Höhe berücksichtigt werden müssen. Es seien umfangreiche Besprechungen mit den Klägern geführt worden. Auch sei zu berücksichtigen, dass einem Rechtsanwalt hinsichtlich der Gebührenhöhe ein Ermessensspielraum zustehe.
Der Beklagte hat im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014 auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. April 2014 (B 4 AS 27/13 R) hingewiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - durch Urteil vom 19. Mai 2017 abgewiesen. Die Gebührenbestimmung sei unbillig und damit gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unverbindlich, wenn sie auch in Ansehung einer Toleranzgrenze von 20 Prozent die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht beachte. Im Wesentlichen hat das Sozialgericht im Übrigen auf die Begründung des Beklagten im Kostenfestsetzungs- und im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und darüber hinaus ausgeführt, es sei hier richtig gewesen, von einer einheitlichen Angelegenheit auszugehen.
Gegen das ihnen am 29. Mai 2017 zugestellte Urteil haben die Kläger am 27. Juni 2017 Berufung eingelegt und zur Begründung ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vertieft.
Die Kläger haben einen von dem Berichterstatter mit gerichtlichem Schreiben vom 16. November 2017 unterbreiteten schriftlichen Vergleichsvorschlag angenommen, der Beklagte hat ihn abgelehnt.
Die Kläger beantragen schriftlich und sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Kostenfestsetzungsbescheides vom 1. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2013 zu verurteilen, die den Klägern entstandenen außergerichtlichen Kosten für die Widerspruchsverfahren in Höhe von 1.099,56 Euro abzüglich anerkannter und gezahlter 337,96 Euro zu erstatten.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Berufung sei bereits unzulässig. Insoweit hätten sich die Kläger durch Missachtung der Rechtsprechung des BSG vom 2. April 2014 die Zulässigkeit der Berufung "erschlichen". Zudem habe der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit der Verwendung wahlloser Textbausteine jede tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Streitstoff im Sinne einer tatsächlichen Widerspruchsbegründung vermissen lassen. Auf die Schwierigkeit des Streitstoffes komme es bei erkennbar fehlender Auseinandersetzung damit kostenrechtlich nicht an. Die Abhilfe mit Bescheid vom 8. Mai 2013 sei aus formalen Gründen wegen der Vorläufigkeit der ursprünglichen Leistungsbescheide erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten zu dieser Entscheidungsform ihr Einverständnis erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 155 Abs. 4 und Abs. 3 SGG.
Die Berufung ist zulässig. Namentlich steht ihr entgegen der Einschätzung des Beklagten kein wie auch immer geartetes missbräuchliches Verhalten der Kläger entgegen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt hier 761,60 Euro und übersteigt somit den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannten Betrag. Soweit bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes in Fällen von Rechtsmissbrauch ausnahmsweise ein erstinstanzliches und mit der Berufung weiter verfolgtes Begehren nicht berücksichtigt wird, wenn der Kläger vor dem Sozialgericht entgegen einer eindeutigen gesetzlichen Regelung Anträge willkürlich nur gestellt hat, um Berufungsfähigkeit zu erreichen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144, Rn. 14), liegt ein solcher Fall hier schon deshalb nicht vor, weil die hier ursprünglich im Vordergrund stehende Rechtsfrage erst durch das Urteil des BSG vom 2. April 2014 und damit deutlich nach Klageerhebung geklärt worden ist, so dass bei Klageerhebung von einem willkürlichen Klageantrag keine Rede sein kann. Zudem steht hier auch keine eindeutige gesetzliche Regelung in Rede. Zwar stützt - worauf noch einzugehen sein wird - das von dem Beklagten genannte Urteil des BSG vom 2. April 2014 vorliegend den Rechtsstandpunkt des Beklagten. Bei nur leicht abweichender Fallkonstellation wäre hier möglicherweise aber auch der Rechtsstandpunkt der Kläger richtig gewesen. Ein Fall einer "willkürlichen" Einschränkung des Rechtsmittels (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Februar 1978 - 4 RJ 73/77 - juris) liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Kläger ihr Berufungsbegehren nicht eingeschränkt haben und zwar ersichtlich auch nicht durch die Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlages. Ob die unbeschränkte Berufungseinlegung in Fällen der vorliegenden Art überhaupt grundsätzlich als missbräuchlich anzusehen sein kann, kann hier offen bleiben. Der Senat vermag im vorliegenden Einzelfall jedenfalls keinen Missbrauch zu erkennen, zumal der Rechtsstandpunkt der Kläger auch in Ansehung des Urteils des BSG vom 2. April 2014 nicht von vornherein als abwegig anzusehen ist. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit einer Berufung möglichst einfach festzustellen sein soll. Damit und mit dem Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - juris) wäre es nicht zu vereinbaren, innerhalb der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung inzident deren Begründetheit zu überprüfen und ab einem gewissen Grad der Offenkundigkeit der Unbegründetheit von einer Unzulässigkeit der Berufung auszugehen.
Die Berufung ist teilweise begründet. Die ihr zugrunde liegende Klage ist zulässig und teilweise begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2013 die von ihm zu erstattenden Aufwendungen für die Widerspruchsverfahren auf 337,96 Euro begrenzt. Allerdings stehen den Klägern auch nicht die von ihnen geltend gemachten weiteren 761,60 Euro, sondern (nur) weitere 257,04 Euro zu.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Kläger auf Erstattung weiterer Kosten dem Grunde nach ist § 63 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit dem Abhilfebescheid vom 8. Mai 2013, mit dem der Beklagte konkludent die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X anerkannt hat, sowie dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. Juli 2013. Hiernach hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat - hier also der Beklagte -, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dazu rechnen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, wenn seine Zuziehung im Vorverfahren notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X). In diesem Sinne ist mit den Bescheiden vom 8. Mai 2013 und 1. Juli 2013 bindend entschieden, dass der Beklagte die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten einschließlich der Gebühren des Bevollmächtigten der Kläger dem Grunde nach zu erstatten hat.
Zu den hiernach zu erstattenden Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der Kläger rechnet eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400, 1008 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG - hier in der vorliegend maßgeblichen bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung - in Höhe von 480,- Euro.
Die nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattenden Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren, die sich nach dem RVG bemessen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In sozialrechtlichen Angelegenheiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, für die - wie hier - bei Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden wäre, entstehen danach Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 2 RVG), die sich nach dem VV der Anlage 1 zum RVG bestimmen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Sie umfassen nach Nr. 2400 des VV zum RVG eine Geschäftsgebühr unter anderem für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbemerkung 2.3 (3) VV RVG). Sie bestimmt sich innerhalb eines Betragsrahmens von 40,- bis 520,- Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240,- Euro (so genannte Schwellengebühr) nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger kann hier ungeachtet dessen, dass mehrere Aufhebungs- und Erstattungsbescheide mit mehreren Widersprüchen angefochten worden sind, nur eine Gebühr verlangen. Dies folgt aus dem Urteil des BSG vom 2. April 2014 (B 4 AS 27/13 - juris).
Ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält die Gebühr nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal. Er kann sie nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG in der hier anwendbaren Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3416) "in derselben Angelegenheit" nur einmal fordern.
Wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG nicht abschließend geregelt. Die anwaltlichen Tätigkeitskataloge des § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit") und des § 17 RVG ("verschiedene Angelegenheiten") benennen nur Regelbeispiele. Der Gesetzgeber hat die abschließende Klärung des Begriffs "derselben Angelegenheit" im Sinne des § 7 Abs. 1 RVG sowie des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Verfahrens-)Gegenstandes decken kann, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibt der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt. Daher kommt es zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG aF ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt. Für ein Tätigwerden "in derselben Angelegenheit" (§ 7 Abs. 1 RVG) kann es im gerichtlichen Verfahren regelmäßig schon genügen, dass die Begehren mehrerer Auftraggeber einheitlich in demselben Verfahren geltend gemacht werden und zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht.
Vor diesem Hintergrund kann es sich auch bei Individualansprüchen nach dem SGB II grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG aF RVG handeln, wobei die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft dann eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG auslöst. Grundsätzlich können daher auch im SGB II mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls grundsätzlich auch, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betrifft. So liegt der Fall hier.
Zwar erfolgte die Aufhebung und Erstattung der individuellen SGB II-Ansprüche hier in getrennten Bescheiden, gegen die selbstständige Widersprüche eingelegt worden sind. Auch bezogen sich die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide - in gleicher Weise wie die Leistungsbewilligungen - auf die Individualansprüche der Kläger. Die Widerspruchsverfahren beruhten jedoch auf einem vollständig einheitlichen Lebenssachverhalt, nämlich der weitgehend zeitgleichen Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus dem "Rechtswidrigkeitsgrund" des Bezugs von Einkommen durch die Kläger zu 1. bis 4. Erfolgt alsdann eine Aufhebung der Bewilligung wegen der Erzielung von Einkommen, ist nach dem von dem Beklagten hier vorrangig herangezogenen § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X keine umfassende Prüfung von subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen erforderlich. Der Fall wäre möglicherweise also anders zu beurteilen gewesen, hätte der Beklagte nicht - wie hier - nur hilfsweise, sondern vorrangig auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X abgestellt.
Liegt demnach dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG vor, ist die von dem Beklagten vorgenommene Kostenfestsetzung für die Widerspruchsverfahren der Kläger weiter unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zu prüfen, ohne dass eine Bindung an die geltend gemachten oder von dem Beklagten angenommenen Gebührentatbestände besteht. Unter Berücksichtigung dessen besteht nach Nr. 1008 VV RVG Anspruch auf eine Erhöhungsgebühr.
Nach Nr. 1008 VV RVG erhöht sich die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 Prozent für jede weitere Person, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Entsprechend erhöht sich bei mehreren Auftraggebern auch die Schwellengebühr nach der Anzahl der Auftraggeber um jeweils 30 Prozent bis maximal zum Doppelten des Ausgangsbetrages. Unter Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für fünf Auftraggeber ergibt sich ein auf das Doppelte begrenzter Betragsrahmen zwischen 80,- Euro als Mindestgebühr und 1.040,- Euro als Höchstgebühr sowie eine Schwellengebühr in Höhe von 480,- Euro (zur Erhöhung der Schwellengebühr nach Nr. 1008 VV RVG vgl. BSG, Urteile vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R - und vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 - beide bei juris). Die billige Geschäftsgebühr beträgt hier 480,- Euro.
Innerhalb des Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG), und zwar bei Rahmengebühren, die sich - wie hier - nicht nach dem Gegenstandswert richten, unter Berücksichtigung auch des Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Der Einräumung billigen Ermessens liegt die Erwägung zu Grunde, dass über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, leicht Streit entstehen kann. Solchen Streit will der Gesetzgeber möglichst vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 Prozent (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - juris).
Gemessen an den vorstehenden Kriterien ist hier eine Geschäftsgebühr in Höhe der erhöhten Schwellengebühr von 480,- Euro anzusetzen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend (wohl) unterdurchschnittlich (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - juris). Hierbei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste. Hier ist festzustellen, dass der Prozessbevollmächtigte in der Tat in allen Widerspruchsschreiben eine identische Begründung formuliert hat, die einen Bezug zum Einzelfall vermissen lässt, was für einen unterdurchschnittlichen Umfang spricht. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend durchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Hier ging es um eine Aufhebungs- und Erstattungsforderung für mehrere Monate, die auf unterschiedliche Einkommenszuflüsse mehrerer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zurückgeführt wurde. Im vorliegenden Einzelfall ist die Schwierigkeit dem durchschnittlichen Bereich zuzuordnen. Dass die kompetente Interessenwahrnehmung des Mandats von dem Rechtsanwalt der Kläger möglicherweise an sich mehr als das Geleistete abverlangt hätte, ist ein nicht bei diesem Kriterium, sondern allenfalls bei dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu beachtender Gesichtspunkt. Ein Rechtsstreit um die Gewährung von existenzsichernden Leistungen - gleiches gilt für deren hier streitige Aufhebung und Erstattung - ist regelmäßig und so auch hier von überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R - juris). Unterdurchschnittlich waren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger, die während des gesamten hier maßgeblichen Zeitraums Leistungen vom Jobcenter bezogen hatten, und besondere gebührenerhöhende Haftungsrisiken bestanden nicht. In der Gesamtschau ist damit von einer angemessenen Geschäftsgebühr in Höhe von an sich 400,- Euro auszugehen (200,- Euro verdoppelt nach Nr. 1008 VV RVG). Sie bewegt sich aber innerhalb des bereits skizzierten und von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger in seiner Klageschrift vom 28. November 2013 und in dem angefochtenen Urteil bereits erörterten Ermessensspielraums des Prozessbevollmächtigten der Kläger von 20 Prozent, weil dieser seinen Abrechnungen die Schwellengebühr von 240,- Euro zugrunde gelegt hat. Ob hier nicht möglicherweise doch auch von einem durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit auszugehen ist, weil er nach seinen Angaben umfangreiche Besprechungen mit den Klägern geführt hat, muss der Senat bei dieser Sachlage nicht entscheiden.
Zu der Geschäftsgebühr von 480,- Euro kommen die Auslagentatbestände nach Nr. 7002 VV RVG und Nr. 7008 VV RVG, woraus sich der Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 595,- Euro ergibt, von dem der von dem Beklagten anerkannte Betrag in Höhe von 337,96 Euro abzusetzen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.