L 2 BL 3/02 LSG Sachsen - Urteil vom 22. Mai 2003

Hochgradig Sehschwache sind Personen, die zwar nicht nur in vertrauter, sondern auch in unbekannter Umgebung noch in der Lage sind, sich zu orientieren, die aber nicht mehr in der Lage sind, unter den Bedingungen eines normalen Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes Tätigkeiten auszuüben, zu denen Sehschwache noch in der Lage sind. Der Typus des hochgradig Sehschwachen ist dadurch gekennzeichnet, dass er mit seinen Augen auch unter Einsatz von Hilfsmitteln, die ansonsten von Sehschwachen zur Kompensation der Funktionsstörung verwendet werden - also im Wesentlichen Brillen, Kontaktlinsen, sonstige optische Vergrößerungen insbesondere bei der Bildschirmarbeit - keine nennenswerte Arbeitsleistung mehr erbringen kann. Nennenswerte Arbeitsleistungen sind nur noch unter den Bedingungen eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes für Blinde möglich.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung des Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache.

Die Klägerin erkrankte im März 1996 an einem Gehirntumor. Mit einem nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) ergangenen Bescheid vom 15.10.1997 stellte der Beklagte nach Auswertung der medizinischen Befunde bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 v.H. fest und erkannte die Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) zu. Als Funktionsstörungen wurden berücksichtigt:

- Hirnerkrankung mit Heilungsbewährung,

- Blindheit linkes Auge,

- Sehminderung rechtes Auge,

- Gesichtsfeldeinschränkung rechtes Auge.

Am 16.12.1998 beantragte die am .......... geborene Klägerin die Gewährung eines Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 Landesblindengeldgesetz (LBlindG a.F.). Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 11.03.1999 rückwirkend zum 01.12.1998 und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder nach dem LBlindG a.F.. Die Gewährung des Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache wurde jedoch abgelehnt. In seiner Begründung führte der Beklagte aus, hochgradig sehschwach seien gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 LBlindG a.F. die Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/20 betrage bzw. bei denen nicht nur vorübergehende Störungen der Sehfunktion von einem solchen Schweregrad vorlägen, dass sie der vorgenannten Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten seien. Eine solche Beeinträchtigung sei gegeben, wenn entsprechend Nr. 26.4 (Sehorgan) der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 (im Folgenden: AHP 1996) die Einschränkung des Sehvermögens einen GdB von 100 bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. bedinge und noch keine Blindheit vorliege. Nach der Funktionsprüfung des Sehorgans am 15.02.1999 betrage die Sehschärfe (korrigiert) auf dem rechten Auge 0,4. Auch sei keine anderweitige Sehbeeinträchtigung von einem solchen Schweregrad festgestellt worden, dass sie einer Sehschärfe von nicht mehr als 1/20 gleichzuachten sei. Denn ein GdB von 100 bzw. eine MdE um 100 v.H. allein wegen der Einschränkung des Sehvermögens stehe der Klägerin nicht zu. Die Voraussetzungen für die Zahlung eines Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache seien daher nicht erfüllt.

Mit Schreiben vom 25.08.1999 wandte sich die Klägerin gegen die Einstellung der bisherigen Zahlung des Nachteilsausgleichs nach dem LBlindG a.F. i.H.v. monatlich 150,00 DM mit Ablauf des Monats August 1999. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Antrag auf Gewährung des Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache. Nach Beiziehung eines augenärztlichen Befundberichtes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.1999 die Gewährung des Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache ab. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 15.12.1999 fristgerecht Widerspruch mit der Begründung ein, die Ärztin in der Ambulanz der Augenklinik des Universitätsklinikums "C... ............" in D...... habe gesagt, das Gesichtsfeld sei enorm eingeschränkt und sie, die Klägerin, nehme ihre Umwelt nur durch eine Art Tunnel war. Deshalb stünde ihr der Bezug des Nachteilsausgleiches für hochgradig Sehschwache zu. Die Klägerin führte weiterhin an, dass auch ihr räumliches Sehvermögen sehr stark eingeschränkt sei, vor allem was das Erkennen von Stufen anbelange. Nach Auswertung weiterer bei Dr. B.......... eingeholter Befundberichte vom 11.10.1999 und vom 10.12.1999 durch den versorgungsärztlichen Dienst, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2000 zurück. Für die Beurteilung des Sehvermögens sei in erster Linie die korrigierte Sehschärfe (Prüfung mit Gläsern) maßgebend. Daneben seien u.a. Ausfälle des Gesichtsfeldes zu berücksichtigen. Den versorgungsärztlichen Feststellungen zufolge sei auf dem rechten Auge eine Sehschärfe von 0,4, also mehr als 1/20 (0,05) gemessen worden. Eine Gesichtsfeldeinschränkung von einem solchen Schweregrad, dass diese zusammen mit der nachgewiesenen Visusminderung einer Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/20 (0,05) gleichzuachten wäre, könne auf dem rechten Auge nicht festgestellt werden. Der GdB für die bei der Klägerin nach dem Schwerbehindertengesetz festgestellte Blindheit des linken Auges, die Sehminderung des rechten Auges und die Gesichtsfeldeinschränkung des rechten Auges betrage 80. Um den beantragten Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache gewähren zu können, müsse dieser GdB aber 100 betragen. Nach den vorliegenden Unterlagen und deren Beurteilung gemäß den AHP 1996 stehe jedoch ein Einzel-GdB von 100 für die vorstehend genannte Behinderung nicht zu. Die Tatsache, dass bei kompletter Blindheit eines Auges die Fähigkeit zum räumlichen Sehen nicht mehr vorhanden sei, weil das Gehirn hierzu Bildinformationen von beiden Augen benötige, sei in dem GdB von 80 bereits berücksichtigt worden, ebenso die auf dem rechten Auge festgestellte Sehschärfe von 0,4 und die nachgewiesene Gesichtsfeldeinengung.

Durch Klageerhebung vor dem Sozialgericht Dresden (SG) hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass ihr Gesichtsfeld enorm eingeschränkt sei; ihre Umwelt nehme sie nur durch eine Art Tunnel wahr. Auch ihr räumliches Sehvermögen sei sehr stark eingeschränkt, vor allem das Erkennen von Stufen bereite ihr Schwierigkeiten. Für das Lesen brauche sie länger als nicht sehbehinderte Menschen. Sie könne auch nicht längere Zeit an einem Stück lesen, sondern müsse öfters Pausen einlegen, da ihre Augen sonst zu tränen anfingen. Aber selbst mit Pausen sei Lesen nicht länger als eine viertel bis halbe Stunde möglich. Für sämtliche Wege benötige sie eine Begleitperson. Bei schlechtem Wetter, insbesondere bei trübem Licht und Nebel sehe sie die Dinge nur noch verschwommen. Auch bei Schnee sei sie in ihrer Wahrnehmung zusätzlich beeinträchtigt, sie nehme dann alles in Weiß- bis Grautönen wahr. Eine schneebedeckte Treppe könne sie z.B. nicht als solche erkennen.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Sozialgericht Dresden einen Befundbericht der Augenärztin Dr. E....... angefordert, die in ihrem Befundbericht im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie Dr. B.......... in seinen Befundberichten vom 10.07.1997, 18.02.1999, 11.10.1999 und 21.12.1999 gekommen ist. Sie hat allerdings festgestellt, dass auf dem rechten Auge (mit entsprechender optischer Korrektur) eine Sehschärfe von 0,5 bestehe.

Das SG hat den Facharzt für Augenheilkunde, Neurologie und Psychiatrie Dr. F...... vom Universitätsklinikum der TU D...... mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 15.02.2001 sowie in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.10.2001 hat er ausgeführt, bei der Klägerin liege eine hochgradige Sehschwäche vorliege, da der GdB für die Einschränkung ihres Sehvermögens mit 100 einzuschätzen sei. Neben der Einschränkung des Gesichtsfeldes des rechten Auges auf 10°-15° Abstand vom Zentrum bei Blindheit des anderen Auges (Einzel-GdB 90) und der Minderung der Sehschärfe des rechten Auges (Visus 0,4 - 0,5; Einzel-GdB 40), liege bei der Klägerin zusätzlich eine schwere Einschränkung der Anpassungsfähigkeit der Netzhaut an unterschiedliche Beleuchtung vor, die das Sehvermögen der Klägerin zusätzlich beeinträchtige und mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sei.

Dagegen hat der Beklagte mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 31.05.2001 eingewandt, die Gesichtsfeldeinschränkung der Klägerin sei mit einem Einzel-GdB von 80 zu bewerten, da das Gesichtsfeld des rechten Auges nicht auf 10°, sondern auf 15° Abstand vom Zentrum eingeschränkt sei. Daher ergebe sich insgesamt für die Beeinträchtigung des Sehvermögens ein GdB von 90, so dass keine hochgradige Sehschwäche vorliege.

Dr. F...... hat sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert, dass er an seiner Ansicht festhalte. Bei Berücksichtigung aller Einschränkungen des Sehvermögens liege bei der Klägerin eine hochgradige Sehschwäche vor. Seiner Meinung nach habe der Beklagte die Besonderheiten der Gesichtsfeldeinschränkung der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt. Es liege nämlich keine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung vor. Vielmehr fehle ein wesentlicher Anteil des nasalen Gesichtsfeldes. Dies habe zur Folge, dass das Gesichtsfeld nach links hin überdurchschnittlich stark eingeschränkt sei, so dass der Klägerin aufgrund dessen wichtige visuelle Informationen fehlen würden, die sie im Alltag, insbesondere bei Orientierung und Sicherheit der Bewegung stärker behindern würden, als dies bei einem konzentrisch auf 15° Abstand vom Zentrum eingeschränkten Gesichtsfeld der Fall sei. Wegen dieser Besonderheit sei die Gesichtsfeldeinschränkung bei der Klägerin mit einem GdB von 90 zu bewerten. Zudem ergäben sich aus der eingeschränkten Kontrastwahrnehmung sowie der eingeschränkten Hell-Dunkel-Adaptation zusätzlich Einschränkungen des Sehvermögens. Dadurch sei das Sehvermögen im Vergleich zu einer Person mit einer degenerativen Netzhauterkrankung, bei der typischerweise eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung vorliege, schwerer beeinträchtigt. Hierzu hat die Beklagte geäußert, Lage und Form des Gesichtsfeldes würden sich nicht erhöhend auf den GdB auswirken. Das Gleiche gelte für die Einschränkung der Hell-Dunkel-Adaptation, da diese im Gesamt-GdB von 90 bereits berücksichtigt worden sei.

Mit Urteil vom 23.11.2001 hat das SG den Beklagten verpflichtet, den Bescheid vom 23.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2000 aufzuheben und der Klägerin ab dem 01.09.1999 dem Grunde nach den Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache zu gewähren. Die Überzeugung des Gerichts, dass bei der Klägerin eine hochgradige Sehschwäche vorliege, gründe sich auf die beigezogenen medizinischen Unterlagen, insbesondere auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. F....... Der GdB für einseitige Einengungen des Gesichtsfeldes bei Blindheit des anderen Auges sei gemäß Nr. 26.4 AHP 1996 bei einer allseitigen Einengung auf 30° Abstand vom Zentrum mit 60, bei allseitiger Einengung auf 10° Abstand vom Zentrum mit 90 zu bewerten. Bei der Klägerin liege die Besonderheit vor, dass das Gesichtsfeld des rechten Auges nicht rund, sondern bohnenförmig sei. Zur Ermittlung des GdB bei derartigen unregelmäßigen Gesichtsfeldern würden i.d.R. die Werte für obere, untere und seitliche Gesichtsfeldbegrenzungen zusammengezählt und durch vier geteilt. Bei dieser Vorgehensweise ergebe sich allerdings eine allseitige Einengung des Gesichtsfeldes auf etwa 15° Abstand vom Zentrum, so dass der Einzel-GdB für die Einschränkung des Gesichtsfeldes des rechten Auges unter Beachtung der Blindheit des linken Auges mit einem GdB von 80 zu bewerten wäre. Zu beachten sei jedoch, dass hier gerade keine konzentrische Einschränkung des Gesichtsfeldes vorliege, sondern der nasale Teil des Gesichtsfeldes, insbesondere aber dessen oberer Quadrant, fast vollständig ausgefallen sei. Diesbezüglich habe der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass eine derartige Gesichtsfeldeinschränkung mit einer stärkeren Funktionsbeeinträchtigung verbunden sei, als eine konzentrische Einschränkung des Gesichtsfeldes auf 15° Abstand vom Zentrum. Hiervon ausgehend hat sich das Gericht der Einschätzung des Sachverständigen angeschlossen und die Gesichtsfelseinschränkung mit einem Einzel-GdB von 90 bewertet. Darüber hinaus - so das SG weiter - beständen jedoch noch weitere Beeinträchtigungen: Minderung der Sehschärfe des verbleibenden Auges auf 0,4 bzw. 0,5 und Einschränkung der Kontrastwahrnehmung und der Hell-Dunkel-Adaptation. Infolgedessen sei das Sehvermögen der Klägerin vergleichbar eingeschränkt wie das Sehvermögen einer Person, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/20 betrage. Der GdB für die Beeinträchtigung des Sehvermögens sei daher mit 100 zu bewerten, so dass eine hochgradige Sehschwäche vorliege.

Die Einwände des Beklagten gegen die Ausführungen des Sachverständigen hätten das SG nicht überzeugt. Der Beklagte habe die Einschätzung des Sachverständigen, die bei der Klägerin vorliegende Einschränkung des Gesichtsfeldes führe zu einer stärkeren Funktionsbeeinträchtigung im Alltag als dies bei einem konzentrisch eingeschränkten Gesichtsfeld der Fall wäre, nicht angegriffen. Wenn dies aber der Fall sei, so könne sich diese Besonderheit, entgegen der Ansicht des Beklagten, auch erhöhend auf den GdB auswirken, denn die in den AHP 1996 aufgeführten GdB-Werte seien nicht schematisch anzuwenden. Vielmehr könne gemäß Nr. 18 Abs. 3 Unterabs. 2 der AHP 1996 je nach der besonderen Lage des Einzelfalles mit einer die besonderen Gegebenheiten darstellenden Begründung von den GdB-Werten abgewichen werden. Ein solcher Fall liege hier vor.

Mit seiner dagegen eingelegten Berufung begehrt der Beklagte die Aufhebung des SG-Urteils. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.03.2002 liege bei der Klägerin keine hochgradige Sehschwäche im Sinne des LBlindG a.F. vor. Wesentlich für die Bestimmung des GdB sei die Bewertung der Gesichtsfeldeinengung. Die Erhöhung des hierdurch bedingten GdB um 10 Grad sei durch die zusätzliche Visusminderung, die Einschränkung der Kontrastwahrnehmung und die Störung der Hell-Dunkel-Adaptation begründet. Mit der Einschränkung, dass die Kontrastwahrnehmung in der Visusprüfung enthalten sei und daher nicht gesondert gewertet werden dürfe, werde einer Erhöhung des durch die Gesichtsfeldeinschränkung bestehenden GdB um 10 aufgrund der Visusminderung zugestimmt. Es könne jedoch nicht der Beurteilung der Gesichtsfeldeinschränkung mit einem GdB von 90 gefolgt werden. Das Gericht gehe korrekt davon aus, dass bei absoluter Messung des dokumentierten Gesichtsfeldes eine konzentrische Einengung auf etwa 15 Grad bestehe. Da jedoch ein GdB von 90 (bei Blindheit des anderen Auges) erst bei einer Einschränkung auf 10 Grad vorliege, sei die vorliegende Gesichtsfeldeinschränkung mit einem GdB von 80 zu bewerten. Bei der Klägerin sei das Gesichtsfeld jedoch nicht konzentrisch eingeengt. Es sei ovalär, schließe Teile des eigentlichen Zentrums ein und liege in seiner größten Ausdehnung seitlich außen (temporal) davon. Daher sei das Sehen nasenwärts mehr eingeschränkt als das Sehen zur Seite. Nach Auffassung von Dr. F...... bedeute die Verschiebung des Gesichtsfeldes in der vorhandenen Form und Ausdehnung nach außen (temporal) eine schwerere Sehbehinderung als eine konzentrische Einschränkung auf 15 Grad, da die Orientierung im Raum hier noch mehr beeinträchtigt sei. Deshalb bewerte er die Gesichtsfeldeinschränkung mit einem GdB von 90. Dieser Auffassung könne der versorgungsärztliche Dienst nicht zustimmen. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) habe sich in der Sitzung vom 12./13.11.1997 bindend zur Beurteilung exzentrisch gelegener Gesichtsfelder geäußert. Es sei festgelegt worden, dass "Abstand vom Zentrum" bei einem nicht zentral gelegenen Restgesichtsfeld immer "Abstand vom Zentrum des Restgesichtsfeldes" bedeute. Das Restgesichtsfeld sei rechts bei Blindheit des linken Auges zwar leicht temporal betont, aber nicht vollständig parazentral gelegen, d.h. das "normale" Gesichtsfeldzentrum sei im Restgesichtsfeld der Klägerin noch mit einbezogen. Der Hauptgesichtsfeldverlust betreffe den nasalen oberen Quadranten, die unteren Quadranten und der obere temporale Quadrant seien in ihren Grenzen noch erhalten. Nach den einschlägigen Bewertungskriterien der AHP 1996 seien Ausfälle/Einschränkungen der oberen Quadranten nicht so schwerwiegend wie Ausfälle/Einschränkungen der unteren Quadranten. Bei der Orientierung im Raum (zur Erkennung von Bodenunebenheiten) sei das Sehen nach unten entscheidend. Dies brächten auch die AHP 1996 zum Ausdruck. Bei unregelmäßigen Gesichtsfeldausfällen hänge der GdB davon ab, wie viel innerhalb des 50-Grad-Gesichtsfeldes unterhalb des horizontalen Meridians ausgefallen sei. Das Gesichtsfeld der Klägerin sei aber unterhalb des horizontalen Meridians bis zu 20 Grad erhalten. Zudem sei es nicht stark nach außen verschoben, sondern enthalte noch wesentliche Anteile des "eigentlichen" Zentrums. In Anwendung der für die Versorgungsverwaltung bindenden AHP 1996 und der Ausführungen des Sachverständigenbeirates betrage daher der GdB durch Gesichtsfeldeinschränkung nicht 90, sondern 80 und daher der insgesamt durch Sehminderung bedingte GdB nicht 100, sondern 90.

Der Beklagte beantragt,

            das Urteil des Sozialgerichtes Dresden aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Das Vorbringen des Beklagten enthalte, verglichen mit dem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren, keine neuen Argumente, welche die Ablehnung des Anspruches der Klägerin auf Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache nach dem LBlindG a.F. rechtfertigen könnten. Es werde weiterhin allein ausschließlich darauf abgestellt, wie die Einschränkung des Gesichtsfeldes des rechten Auges bei Blindheit des linken Auges der Klägerin zu beurteilen und welcher Grad der Behinderung dem letztendlich zuzuordnen sei. Auf die Argumentation des Sachverständigen, der im erstinstanzlichen Verfahren ein umfangreiches Gutachten vom 15.02.2001 vorgelegt und auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23.11.2001 seine Auffassung nochmals begründet habe, gehe der Beklagte nicht ein. Tatsache sei jedoch, dass bei der Klägerin zu den im Streit stehenden Einschränkungen des Gesichtsfeldes weitere erhebliche Funktionsstörungen des rechten Auges hinzukämen. In der Berufungsbegründung beschränke sich der Beklagte darauf, wie die Einschränkungen des Gesichtsfeldes zu beurteilen seien. Im Streit stehe hier aber weiter, wie sich die Lage des Gesichtsfeldes auf den zugrunde zu legenden Grad der Behinderung auswirke. Die Beklagte berufe sich nunmehr auf Aussagen des Sachverständigenbeirates beim BMA, der sich angeblich bindend zur Beurteilung exzentrisch gelegener Gesichtsfelder geäußert habe, d.h. dass die Beklagte die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin weiterhin lediglich schematisch beurteile. Die vorliegenden individuellen Besonderheiten des Einzelfalles, welche von der Klägerin im Verfahren schon mehrfach vorgetragen worden seien, blieben hingegen unberücksichtigt.

Mit Änderungsbescheid vom 20.11.2002 hat der Beklagte folgende Feststellungen nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) getroffen:

- Blindheit linkes Auge,

- Sehminderung rechtes Auge,

- Gesichtsfeldeinschränkung rechtes Auge.

Der GdB ist ab Bekanntgabe des Bescheides auf 90 festgelegt worden, weil bei der Funktionsbeeinträchtigung "Hirnerkrankung" eine Heilungsbewährung eingetreten sei.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Einzelrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheidet (Schriftsätze vom 19.06.2002, 02.12.2002, 06.12.2002).

Dem Einzelrichter des Senats liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klägerin ist nicht dem Personenkreis der hochgradig Sehschwachen zuzurechnen.

Anspruch auf den Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache haben Personen in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des § 1 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung eines Landesblindengeldes (LBlindG a.F.) vom 11.12.1995 (GVBl Nr. 30 S. 385),

1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/20 beträgt,

2. bei denen durch Nummer 1 nicht erfasste, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nummer 1 gleichzuachten sind.

Anspruch auf den Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache haben Personen ab 01.01.2002 nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 des Gesetzes über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche (Landesblindengeldgesetz - LBlindG) vom 14.12.2001 (GVBl Nr. 17 S. 714),

1. deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als ein Zwanzigstel beträgt oder

2. bei denen durch Nummer 1 nicht erfasste, gleichschwere Störungen der Sehfunktion vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Einschränkung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 bedingt und Blindheit noch nicht vorliegt.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, weil der sich aus ihrer Sehschwäche ergebende GdB nicht 100 beträgt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die nach dem SchwbG bzw. nach dem SGB IX ergangenen Bescheide bestandskräftig geworden sind und ob von den in diesen Bescheiden enthaltenen Feststellungen eine Tatbestandswirkung für die Entscheidung nach § 1 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 LBlindG a.F. bzw nach § 1 Abs. 1 und 3 LBlindG ausgeht. Die Klägerin ist auch ungeachtet dieser für sie im vorliegenden Rechtsstreit nachteiligen Feststellungen, die einen GdB von 100 allein wegen der Sehschwäche verneinen, im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 LBlindG a.F. bzw nach § 1 Abs. 3 LBlindG nicht hochgradig sehschwach.

Der bis zum 31.12.2001 geltende § 1 Abs. 4 Satz 1 LBlindG a.F. bestimmt zwar - anders als nunmehr § 1 Abs. 3 LBlindG - nicht ausdrücklich, dass die hochgradige Sehschwäche mit einem GdB von 100 zu bewerten ist. Da jedoch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBlindG a.F. als Auffangvorschrift verlangt, dass die Sehstörungen, die nicht schon von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LBlindG a.F. erfasst werden, einen gleichen Schweregrad wie die in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LBlindG a.F. genannten Sehstörungen aufweisen müssen und nach Nr. 26.4 der AHP 1996 Personen, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/20 beträgt, einen GdB von 100 haben, folgt daraus zwingend, dass auch der von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBlindG a.F. erfasste Personenkreis die Voraussetzung des sehstörungsbedingten GdB von 100 erfüllen muss.

Der Beklagte hat den GdB der Klägerin zutreffend mit 90 bewertet.

Der sich aus der Kumulation von Sehstörungen ergebende GdB erreicht bei der Klägerin nicht den Wert 100, weil die Klägerin ungeachtet der auch vom Einzelrichter des Senats nicht verkannten schweren Beeinträchtigung ihres Sehvermögens in ihrer funktionellen Sehleistung einem fast Blinden nicht gleichzustellen ist.

Die opthalmologische Diskussion im vorliegenden Verfahren, die bereits im Tatbestand ausführlich geschildert worden ist, ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass die Außengrenzen der Gesichtsfeldeinschränkung der Klägerin auf dem rechten Auge zwar in etwa 15° vom Zentrum des Restgesichtsfeldes entfernt sind (zur Berechnung siehe die Ausführungen des SG), das Zentrum des Restgesichtsfeldes der Klägerin jedoch nicht mit dem Zentrum des normalen Gesichtsfeldes identisch, sondern nach rechts verschoben und auch nicht kreisrund, sondern oval ist. Wäre das Zentrum des Restgesichtsfeldes der Klägerin mit dem Zentrum des normalen Gesichtsfeldes identisch, könnte ein GdB von 100 allein wegen der Sehschwäche schon im Ansatz nicht begründet werden. Denn eine allseitige Einengung des Gesichtsfeldes des nicht erblindeten Auges auf 10° Abstand vom Zentrum ist mit einem GdB von 90 und eine Einengung auf 30° sogar nur mit einem GdB von 60 zu bewerten. Eine Einengung auf 15° ergibt daher nur einen GdB von 80. Wie auch der Beklagte eingeräumt hat, der wegen der Gesichtsfeldeinschränkung von einem Einzel-GdB von 80 ausgeht, bewirken die sonstigen Einschränkungen insgesamt eine Erhöhung des GdB um weitere 10 Grad. Dies ist aus den vom Beklagten genannten Gründen nicht zu beanstanden. Bei dem Streit darüber, wie das nach rechts verschobene Gesichtsfeld zu bewerten ist, hat sich der Beklagte auf ein Besprechungsergebnis anlässlich der Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMA am 12. und 13.11.1997 berufen, das im Punkt 2.3.3 (Beurteilung des GdB/MdE-Grades bei konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkungen) der Niederschrift wie folgt wiedergegeben wird:

"Zur Diskussion stand die Beurteilung einer "konzentrischen" Gesichtsfeldeinengung bei insgesamt exzentrisch gelegenem Gesichtsfeld.

Es wurde von dem Sachverständigen darauf hingewiesen, daß immer die Sehschärfe im Zentrum des Restgesichtsfeldes maßgebend sei. Wenn es in den "Anhaltspunkten" bei der Beurteilung von Gesichtsfeldeinengungen "Abstand vom Zentrum" heiße, so bedeute dies immer Abstand vom Zentrum des Restgesichtsfeldes.

Der Einzelrichter des Senats lässt ausdrücklich offen, ob dieser nicht näher begründeten Sachverständigenäußerung allein deswegen schon ein höheres Gewicht beizumessen ist als der Bewertung von Dr. F......, weil sie im Rahmen einer Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" gemacht wurde. Dies erscheint zweifelhaft. Denn insoweit handelt es sich schon nach dem Wortlaut des Besprechungsergebnisses nur um die Wiedergabe der Auffassung eines Sachverständigen.

Der sehminderungsbedingte Gesamt-GdB der Klägerin ist jedoch schon aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich aus dem Sinn und Zweck ergeben, warum der Landesgesetzgeber zwischen Sehschwachen, hochgradig Sehschwachen und Blinden differenziert, nicht mit 100 festzusetzen.

Die aus dem Jahre 1983 stammenden AHP, die von den AHP 1996 abgelöst wurden, führten auf Seite 36 unter Nr. 23 Abs. 4 aus:

"Hochgradig in seiner Sehfähigkeit behindert ist, wer sich zwar in einer ihm nicht vertrauten Umgebung trotz seiner Sehbehinderung ohne Führung und ohne besondere Hilfe noch ausreichend bewegen kann, dessen Sehschärfe aber wirtschaftlich nicht verwertbar ist (im allgemeinen Sehschärfe auf dem besseren Auge von nicht mehr als 1/20 oder beim Vorliegen von hinsichtlich des Schweregrades gleichzuachtenden anderen Störungen der Sehfunktion)."

Diese Formulierung wurde in den AHP 1996 zwar nicht übernommen (vgl. dort Nr. 23 Abs. 5). Jedoch sollte hieraus keine Neubewertung der hochgradigen Sehbehinderung folgen. Denn in Nr. 23 Abs. 5 AHP 1996 wird weiterhin ausdrücklich darauf abgestellt, dass für die hochgradige Sehbehinderung das bessere Auge keine größere Sehschärfe als 1/20 aufweisen dürfe und andere Sehstörungen mit einem GdB/MdE-Grad von 100 bewertet werden müssten. Auch in dem Kommentar von Rauschelbach/Pohlmann zu den AHP 1996 wird deswegen zutreffend die Auffassung vertreten (Stand Januar 1998, A 137), dass diese oben zitierte Definition der hochgradigen Sehbehinderung in den AHP 1983, die schon in einer bis 1961 geltenden Verwaltungsvorschrift zu § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gleichlautend enthalten war, auch für die AHP 1996 ihre Aussagekraft behalten habe.

Diese sich aus den AHP 1983 ergebende allgemeine Definition zur Abgrenzung einer erheblich sehbehinderten Person von einer Person, die hochgradig sehbehindert ist, ist als Auslegungshilfe von Bedeutung, wenn der ophthalmologische Befund im konkreten Fall eine Rückbesinnung auf den Sinn und Zweck der "technischen" Beschreibung der hochgradigen Sehbehinderung gebietet. Auch für die Konkretisierung der hochgradigen Sehschwäche im Sinne der Vorschriften des LBlindG a.F. und des LBlindG besitzen die oben zitierten Aussagen in Zweifelsfällen Relevanz. Denn § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LBlindG a.F. und § 1 Abs. 3 Nr. 1 LBlindG haben dasselbe Sehschärfekriterium wie die AHP 1983 und 1996.

Aus Gründen des allgemeinen Gleichheitssatzes als fundamentalem Gerechtigkeitspostulat, der Rechtssicherheit und der Verwaltungspraktikabilität ist es richtig, grundsätzlich nicht in jedem Einzelfall erneut am Maßstab der Bewältigung von Alltagssituationen zu bestimmen, ob eine Person hochgradig sehschwach ist. Vielmehr ist Ausgangspunkt die auf ophthalmologischem Sachverstand beruhende "technische" Definition unterschiedlicher Sehleistungen als hochgradig sehschwach. Diesen Weg ist der Landesgesetzgeber selbst gegangen, indem er die Sehschärfe von nicht mehr als 1/20 als zentrales Kriterium in den Tatbestand des Anspruchs auf Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache aufgenommen hat. Aber auch unter Berücksichtigung der nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft maßgeblichen GdB-Bewertungen ( Nr. 26.4 AHP 1996), die zur Ausfüllung der Gleichstellungstatbestände des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBlindG a.F. und des § 1 Abs. 3 Nr. 2 LBlindG heranzuziehen sind, verbleiben Zweifelsfälle, die ohne Beachtung des Sinns und des Zwecks des Rechtsbegriffs "hochgradige Sehschwäche" nicht befriedigend gelöst werden können. So verhält es sich hier.

Hochgradig Sehschwache sind Personen, die zwar nicht nur in vertrauter, sondern auch in unbekannter Umgebung noch in der Lage sind, sich zu orientieren, die aber nicht mehr in der Lage sind, unter den Bedingungen eines normalen Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes Tätigkeiten auszuüben, zu denen Sehschwache noch in der Lage sind. Der Typus des hochgradig Sehschwachen ist dadurch gekennzeichnet, dass er mit seinen Augen auch unter Einsatz von Hilfsmitteln, die ansonsten von Sehschwachen zur Kompensation der Funktionsstörung verwendet werden - also im Wesentlichen Brillen, Kontaktlinsen, sonstige optische Vergrößerungen insbesondere bei der Bildschirmarbeit - keine nennenswerte Arbeitsleistung mehr erbringen kann. Nennenswerte Arbeitsleistungen sind nur noch unter den Bedingungen eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes für Blinde möglich.

Die Sehleistungen der Klägerin sind besser und übertreffen dieses Leistungsprofil deutlich. Die Klägerin war in der Lage, erfolgreich ein Gymnasium zu absolvieren, das   nicht auf   die besonderen   Belange hochgradig Sehschwacher     und Blinder ausgerichtet ist, und dort das Abitur abzulegen sowie danach eine Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin zu beginnen (vgl. auch die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.11.2001). Der Einzelrichter des Senats verkennt nicht, dass die Klägerin dabei auf die Unterstützung ihrer Lehrer und der Mitschüler angewiesen war und insbesondere erleichterter Prüfungsbedingungen in zeitlicher Hinsicht bedurfte, um das vorgegebene Pensum zu bewältigen. Ähnliches dürfte für ihre weitere Ausbildung gelten. Dies trifft aber auch auf jede andere Person zu, der allein wegen ihrer Sehschwäche ein GdB von 90 zuerkannt wird. Die verbliebene Fähigkeit zu nennenswerter Arbeit mit den Augen, insbesondere die Fähigkeit, Schwarzschrift wahrnehmen und selbst mit der Hand oder einer Tastatur schreiben zu können, bedeutet nicht, dass diese Fähigkeit so ausgeprägt sein muss, dass die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Gebiet des allgemeinen Erwerbslebens nicht erheblich eingeschränkt sein darf. Wer einen GdB von 90 und damit auch versorgungsrechtlich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 90 v.H. aufzuweisen hat, ist schon per definitionem in seiner Erwerbsfähigkeit sehr stark eingeschränkt, ohne jedoch die Voraussetzungen für den Bezug des Nachteilsausgleichs für hochgradig Sehschwache zu erfüllen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.