Sächsisches Landessozialgericht - Urteil vom 31.03.2005 - Az.: L 2 U 124/04


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls am 07.05.1998.

Die am ...1947 geborene Klägerin arbeitete als Küchenhilfe beim Studentenwerk C ... sie am 07.05.1998 mit dem rechten Fuß am Geschirrwagen hängen blieb, stolperte und mit dem linken Fuß umknickte. Der Arbeitgeber teilte der Beklagten im August 1998 mit, ein Arbeitsunfall sei ihm zwar nicht gemeldet worden, Nachforschungen hätten jedoch ergeben, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten habe. Die Klägerin übe weiterhin ihre Tätigkeit aus.

Am 11.05.1998 stellte sich die Klägerin bei Dr. A. ..., Praktischer Arzt, mit einer Rhinopharyngitis vor und gab an, sie habe sich an der 5. Zehe links gestoßen. Der Arzt bemerkte dort eine leichte hämatöse Schwellung. Für eine neue Fraktur bestand klinisch kein Anhalt. Die Klägerin suchte Dipl.-Med. B. ..., Fachärztin für Chirurgie/D-Ärztin, am 13.07.1998 mit noch bestehenden Beschwerden im linken Mittelfuß auf. Die Ärztin stellte eine Druckschmerz am 5. Mittelfußknochen links und belastungsabhängige Beschwerden, aber keine Schwellung fest. Sie diagnostizierte eine verheilte Querfraktur des 5. Mittelfußknochens links. Die Klägerin war am 13.07.1998 wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig (Mitteilung der AOK Sachsen vom 17.02.1999).

Da nach Einschätzung von Dipl.-Med. B. ... vom 16.02.1999 die verordneten physiotherapeutischen Maßnahmen keine Besserung erbracht hätten, wurde am 06.10.1998 durch die Radiologin Dr. C.... eine Computertomographie (CT) der Fußwurzel sowie des Mittel- und Vorfußbereichs links erstellt, die keinen pathologischen Befund im Bereich der Metatarsale V links und der distalen Fußwurzelknochen zeigte. Es fand sich aber eine alte Fraktur der Basis der Mittelphalanx der 5. Zehe links mit partieller Durchbauung. Am 17.12.1998 und am 22.02.1999 stellte sich die Klägerin bei Dipl.-Med. D. ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vor, der trotz bestehender Schmerzen und Parästhesien einen unauffälligen neurologischen Befund erhob. Die EMG- und ENG-Untersuchungen zeigten keinen Hinweis auf eine motorische oder sensible Erregungsleitungsstörung des Nervus peronaeus, tibialis und suralis links.

Die am 22.02.1999 bei Dr. E...., Facharzt für Orthopädie, durchgeführte Untersuchung ergab, nachdem die Klägerin ihm mitgeteilt hatte, ihr linkes Sprunggelenk sei am 07.05.1998 verdreht und stark nach außen überdehnt worden, folgenden Befund: "linkes Sprunggelenk: Schwellung Malleolus lat., Druckschmerz Ligamentum fibulo-talare anterior, Druckschmerz Basis MT 5". Die vom linken Sprunggelenk gefertigte Röntgenaufnahme zeigte eine vermehrte Aufklappbarkeit und einen Verdacht auf einen kleinen freien Gelenkkörper. Dr. E.... stellte die Diagnose einer fibulotalaren Bänderläsion links. In der am 08.03.1999 durchgeführten Operation nähte Dr. E.... die angefrischten Rissränder und entfernte ein intrakapsuläres Lipom sowie ein organisiertes Hämatom. Dipl.-Med. B. ... teilte der Beklagten mit, die Diagnose des Orthopäden sei ihr unerklärlich, da während des gesamten Behandlungszeitraums Beschwerden im Bereich des lateralen Mittelfußes aufgetreten seien und über Sprunggelenksbeschwerden gar nicht oder nur in der letzten Zeit im Sinne einer Ausstrahlung vom Fuß her geklagt worden sei.

In ihrer Unfallschilderung gab die Klägerin an, sie habe mit der am 07.05.1998 verletzten kleinen Zehe weiter gearbeitet und den Fuß am 09.05.1998 ihrem Hausarzt, Dr. A. ..., gezeigt. Der Arzt habe eine starke Prellung der Zehe und des Fußgelenks festgestellt. Trotz Behandlung sei der Schmerz geblieben. Im Juli 1998 habe sie Dipl.-Med. B. ... den linken Fuß gezeigt. Aufgrund der verordneten Ultraschallbehandlung hätten die Schmerzen zugenommen. Durch die Operation am 08.03.1999 seien ihre Schmerzen "behoben" worden.

Die von der Beklagten beauftragten Sachverständigen Dres. F .../ G ..., Klinik für Unfallchirurgie/Physiotherapie des H ...-Krankenhauses Z ..., erstellten am 26.11.1999 ein ärztliches Gutachten. Die Röntgenaufnahmen beider Sprunggelenke vom 15.09.1999 zeigten eine regelrechte Gelenkstellung und einen regelrechten Gelenkspalt mit normaler Weite. Nach Einschätzung der Sachverständigen bestehe als objektive Unfallfolge eine minimale endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des linken oberen Sprunggelenks. Die Klägerin habe infolge des Arbeitsunfalls vom 07.05.1998 annehmbar eine Ruptur des Ligamentum fibulotalare anterior erlitten, wobei diese Verletzung primär nicht diagnostiziert worden sei. Der geschilderte Unfallmechanismus sei geeignet, die bestehenden Verletzungen hervorzurufen. Die erlittene Fraktur des Grundgelenks der 5. Zehe links stehe in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe zum Untersuchungszeitpunkt nicht.

Mit Schmerzen und einer leichten Schwellung des linken Sprunggelenks suchte die Klägerin Dr. E.... am 10.01.2000 auf. Bei einer erneuten Konsultation am 13.06.2000 stellte Dr. E.... ein starkes Ödem mit livider Verfärbung im Bereich des lateralen Malleolus, eine vermehrte Aufklappbarkeit, ein Instabilitätsgefühl und eine deutliche Krepitation fest. Die Röntgenaufnahme des linken Sprunggelenks zeigte einen symmetrischen Gelenkspalt, keine degenerativen Veränderungen und keine Osteoporose. Die von der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. H. .../I.../Dr. J ... am 24.07.2000 erstellte Kernspintomografie des linken Sprunggelenks ergab eine narbig-fibröse Veränderung im Bereich des lateralen Kapsel-Band-Komplexes im Verlauf des Ligamentum talofibulare anterius, eine kleine intraossäre Zyste in Höhe des Malleolus medialis, winzige Zysten im Calcaneus und einen ansonsten unauffälligen Befund des oberen und unteren Sprunggelenks ohne Hinweise auf eine Talusnekrose oder entzündliche Veränderungen. Nach Einschätzung von Dr. E.... habe der Heilungsverlauf nicht zu einer Stabilisierung des Sprunggelenks geführt. Das obere Sprunggelenk sei instabil und lasse sich vermehrt aufklappen. Bei geringster Belastung trete ein Reizerguss auf.

Nach Einschätzung des Beratungsarztes der Beklagten, Dipl.-Med. K. ..., vom 14.01.2001 sei ein Zusammenhang zwischen dem Unfall am 07.05.1998 und der erst ein Dreivierteljahr nach dem Ereignis festgestellten Außenbandläsion am linken Sprunggelenk wegen der fehlenden Erstbefunde nicht bewiesen. Die Annahme einer Bandruptur durch den Unfall sei spekulativ. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) müsse mit weniger als 10 % eingeschätzt werden.

Mit Bescheid vom 27.03.2001 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit durch die Folgen des Arbeitsunfalls nicht über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus in rentenberechtigendem Grad gemindert sei. Rentenberechtigende Folgen der Verstauchung und Prellung des linken Sprunggelenks sowie der linken kleinen Zehe seien nicht verblieben. Die erst ein Dreivierteljahr nach dem Ereignis festgestellte Außenbandläsion am linken Sprunggelenk könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Hierzu müsse zunächst der so genannte Erstschaden nachgewiesen sein. Weder lasse sich aus den ärztlichen Unterlagen noch röntgenologisch mit der notwendigen Sicherheit beweisen, dass die Klägerin sich bei dem Ereignis am 07.05.1998 tatsächlich eine Außenbandläsion am linken Sprunggelenk zugezogen habe.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.04.2001 Widerspruch mit der Begründung ein, dem im Mai 1998 aufgesuchten Hausarzt habe sie den Unfall mitgeteilt.

Im Auftrag der Beklagten nahm Dipl.-Med. M ..., Facharzt für Chirurgie, am 13.10.2001 gutachtlich Stellung. Eine wesentlich krankhafte Veränderung - abgesehen von einer Prellung des linken Vor- und Mittelfußes - könne als Folge des Unfallereignisses vom 07.05.1998 nicht anerkannt werden. Eine Außenbandläsion sei als Folge des angeschuldigten Ereignisses zwar möglich. Vom Mechanismus sei der Unfall grundsätzlich geeignet. Allerdings spreche der Verlauf, die primäre Befundkonstellation und die Befunddynamik gegen einen wahrscheinlichen Zusammenhang. Die klinische Erfahrung bei dieser Verletzung zeige, dass unmittelbar oder wenigstens einige Stunden nach dem Unfall eine erhebliche lokale Schmerzhaftigkeit, eine Schwellung und in den meisten Fällen ein Bluterguss aufträten, die auch einem wenig erfahrenen Untersucher und gewöhnlich auch einem Laien auffielen. Bei einem kompletten Riss des vorderen Außenbandes wäre ein drastischerer Lokalbefund zu erwarten gewesen. Dies wäre dem die Klägerin zwei Tage nach dem Unfallereignis behandelnden Arzt nicht entgangen. Selbst wenn eine Bandverletzung tatsächlich vorgelegen hätte, wäre eine spontane Heilung nach wenigen Wochen auch ohne Therapie eingetreten oder die Beschwerden wären zum Zeitpunkt der Vorstellung bei der D-Ärztin acht Wochen nach dem Unfall so spezifisch persistierend gewesen, dass eine typische Befundkonstellation zu finden gewesen wäre. Die Befunde des Orthopäden (Dr. E....) seien zwar nicht von der Hand zu weisen. Allerdings sei deren Objektivität zweifelhaft. Besonders gravierend wirke sich das Fehlen eines histologischen Befundes aus. Eine unfallbedingte MdE habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Zur Anamnese und den von dem Sachverständigen erhobenen Befunden wird auf das Gutachten (Bl. 295-306 der Verwaltungsakte) verwiesen.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2001 den Widerspruch zurück. Die Einschätzung der MdE sowie der unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit sei nach nochmaliger umfassender medizinischer und rechtlicher Würdigung unter Berücksichtigung der vorgebrachten Einwände und sämtlicher vorliegender medizinischer Unterlagen zutreffend und dem Befund angemessen. Voraussetzung für eine Anerkennung als Unfallfolge sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Außenbandschädigung, der jedoch fehle. Bis Dezember 1998 habe kein Anhalt für eine Verletzung des linken Sprunggelenks unter Auswertung aller Behandlungsunterlagen der erstbehandelnden Ärzte bestanden. Die Klägerin habe dies auch nicht angegeben. Erste Anhaltspunkte für eine Verletzung des linken Sprunggelenks habe es erst im Februar 1999 gegeben. Der operative Befund vom 08.03.1999 spreche eher gegen einen Zusammenhang mit dem Unfall vom 07.05.1998, da unverständlich sei, dass so lange nach dem Unfallereignis noch ein organisiertes Hämatom erkennbar und die Naht nach dem Anfrischen der Rissränder noch möglich gewesen sei. Erfahrungsgemäß gelinge dies schon einige Wochen nach dem Unfallereignis infolge der Schrumpfung der Bandenden nur noch selten.

Die Klägerin hat am 14.01.2002 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage erhoben und vorgetragen, der Fuß sei nach dem Unfall stark angeschwollen. Zwar sei kein völliger Funktionsverlust eingetreten, jedoch seien die Schmerzen so stark gewesen, dass sie ihre Arbeit habe nicht mehr verrichten können und medizinische Hilfe in Anspruch genommen habe.

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dipl.-Med. B. ..., Dr. E...., Dipl.-Med. D. ... und Dr. A. ... beigezogen. Auf Beweisanordnung des SG vom 03.12.2002 hat Dr. N. ..., Facharzt für Chirurgie, am 19.03.2003 ein Gutachten erstellt. Nach Einschätzung des Sachverständigen sei durch das angeschuldigte Ereignis am 07.05.1998 eine Stauchung/Prellung des linken Mittelfußes, die in der Regel eine maximale Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit von 3 Wochen erfordere, verursacht worden. Eine Verletzung des vorderen Zügels des Außenbandes des linken Sprunggelenks sei auszuschließen. Es fehle eine akute Strukturverletzung am linken fibularen Bandapparat im un-mittelbaren Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis. Aufgrund der im Februar 1999 erstellten Röntgenaufnahmen des linken oberen Sprunggelenks könne lediglich eine anlagebedingte Bandlaxität nicht jedoch eine fibulare Bandruptur unterstellt werden. Eine schwere Verletzung lasse einen sofortigen Funktionsverlust erwarten, da das obere Sprunggelenk bei jeder Körperbewegung beansprucht werde. Zur Anamnese und den vom Sachverständigen erhobenen Befunden wird auf das Gutachten (Bl. 89-102 der SG-Akte) verwiesen.

Auf Antrag der Klägerin hat Dr. L. ..., Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie, am 17.11.2003 ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet erstellt. Seiner Einschätzung zufolge könne der geschilderte Unfallmechanismus zwar eine Verletzung des vorderen Außenbandes des linken Sprunggelenks grundsätzlich auslösen. Die festgestellten Symptome und die durchgeführte Diagnostik einschließlich der bildgebenden Verfahren hätten jedoch keinen Anhalt für eine unfallbedingte Bandläsion ergeben. Die ca. neun Monate nach dem Unfallereignis durch Dr. E.... erstmalig diagnostizierte Verletzung des vorderen Außenbandes lasse unter Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs keinen Bezug zum Unfall erkennen. Die unfallbedingte Verstauchung/Prellung des linken Sprunggelenks führe in der Regel zu einer Arbeitsunfähigkeit von zwei bis drei Wochen. Eine MdE habe aufgrund des Unfallereignisses nicht bestanden. Zur Anamnese und den Befunden wird auf das Gutachten (Bl. 135-150 der SG-Akte) verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Vorsitzende auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Klage und die beabsichtigte Verhängung einer Missbrauchsgebühr nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Die Prozessvertreterin der Klägerin hat mitgeteilt, die Klägerin halte an ihrer Klage fest, da sie seit dem Unfall erhebliche Beschwerden habe.

Das SG hat mit Urteil vom 08.07.2004 die Klage abgewiesen und die Klägerin zur Zahlung einer Missbrauchsgebühr in Höhe von 150 EUR verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, aus dem Arbeitsunfall vom 07.05.1998 resultierten keine Unfallfolgen, die mit einer MdE im rentenberechtigenden Grad zu bewerten wären. Die Klägerin habe bei dem Arbeitsunfall eine folgenlos ausgeheilte Prellung des linken Fußes nicht jedoch eine Ruptur des fibularen Bandapparates erlitten. Eine Schmerzsymptomatik sei erst um Wochen oder Monate zeitversetzt aufgetreten. Eine Bandläsion bewirke jedoch unmittelbar nach dem Schadensereignis ausgeprägteste Beschwerden und lasse einen sofortigen Funktionsverlust erwarten. Die Klägerin sei zur Zahlung einer Missbrauchsgebühr verurteilt worden, da sie den Rechtsstreit fortgeführt habe, obwohl die Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen habe. Von der offen-sichtlichen Aussichtslosigkeit der Klage sei auch die Prozessvertreterin der Klägerin aus-gegangen.

Die Klägerin hat beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, für die Festsetzung einer Missbrauchsgebühr genüge nicht, dass entgegen dem gerichtlichen Hinweis die Klage nicht zurückgenommen worden sei. Mutwillen i.S.d. § 192 SGG sei keinesfalls gleichzusetzen mit Unbelehrbarkeit, von welcher das SG offen-sichtlich ausgehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08.07.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 27.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils verwiesen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Verfahrensakten beider Instanzen vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als die Klägerin die Verurteilung zur Zahlung einer Missbrauchsgebühr in Höhe von 150,00 Euro angegriffen hat. Das Urteil des SG Chemnitz vom 08.07.2004 ist insoweit aufzuheben. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der Bescheid vom 27.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

Die Klägerin hat am 07.05.1998 einen Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten, als sie während ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe stolperte und mit dem linken Fuß umknickte. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls steht nicht im Streit, da die Beklagte im Bescheid vom 27.03.2001 mit der Feststellung der Unfallfolgen inzident einen Arbeitsunfall anerkannt hat.

Zutreffend haben die Beklagte und das SG jedoch entschieden, dass der Klägerin wegen dieses Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente zusteht. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, einen Anspruch auf Rente.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die unfallbedingte Prellung des linken Mittelfußes ist nicht mit einer MdE zu bewerten, da diese nach den übereinstimmenden Ausführungen aller Sachverständigen folgenlos abgeheilt ist. Eine unfallbedingte Fraktur der Gelenke der 5. Zehe links ist durch die erhobenen Befunde ausgeschlossen worden. Zum Unfallzeitpunkt bestand eine verheilte Querfraktur des 5. Mittelfußknochens. Weitere Funktionsstörungen insbesondere im Bereich des linken Sprunggelenks sind durch den Arbeitsunfall nicht verursacht worden und führen somit nicht zur Berücksichtigung einer MdE.

Eine Außenbandläsion des linken oberen Sprunggelenks mit den gegenwärtig bestehenden Beschwerden im Bereich dieses Gelenks (relative Instabilität, geringe Bewegungseinschränkung und persistierende Schmerzsymptomatik) ist nicht in rechtlich beachtlicher Weise mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

Voraussetzung dafür, das ein Gesundheitsschaden mit dem Arbeitsunfall überhaupt in einem ursächlichen Zusammenhang steht, ist, dass das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der vorliegende Gesundheitsschaden in seiner jetzt vorliegenden Art und Ausprägung entfallen würde. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Primärschaden (den zeitlich nach dem Unfall zuerst festgestellten Funktionsstörungen) und zwischen diesem Primärschaden und zeitlich später auftretenden Funktionsstörungen keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich; (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Das bedeutet, dass bei vernünftigem Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Einschätzung gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 02.02.1978 8 RU 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand Februar 2004, § 8 Anm. 10.1). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 8 SGB VII Anm. 10.1). Diese Beweiserleichterung gilt jedoch nur für den Kausalzusammenhang als solchen. Die den Kausalzusammenhang stützenden tatsächlichen Umstände müssen dagegen voll bewiesen sein. Eine Ungewissheit darf nicht bestehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht mehr gegen als für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall am 07.05.1998 und der Außenbandläsion des linken Sprunggelenks sowie der oben genannten Funktionsstörungen im Bereich des linken Sprunggelenks. Dies ergibt sich aus dem Fehlen einer typischen Beschwerdesymptomatik und dem fehlenden Nachweis einer strukturellen Verletzung des linken Sprunggelenks im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Der Senat folgt dabei den Sachverständigen Dr. N. ..., Dr. L. ... und Dipl.-Med. M. ..., die ihre Einschätzungen auf die vorliegenden medizinischen Unterlagen stützen. Der von den Dres. F. .../G. ... angenommene unfallbedingte Zusammenhang der Ruptur des Ligamentum fibulotalare anterior ist demgegenüber anhand der von den Sachverständigen angegebenen Begründung nicht nachvollziehbar und überzeugend. Ihre Einschätzung stützen sie auf die Geeignetheit des Unfallhergangs, Verletzungen dieser Art zu verursachen. Das allein genügt jedoch nicht, um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zu begründen. Eine für die Ursächlichkeit sprechende Möglichkeit ist nicht ausreichend.

Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass unmittelbar nach dem Unfallereignis eine nach einer Verletzung typische Beschwerdesymptomatik im linken Sprunggelenk aufgetreten ist. Überzeugend weist Dipl.-Med. M. ... darauf hin, dass nach klinischer Erfahrung un-mittelbar oder wenigstens einige Stunden nach dem Unfall eine erhebliche lokale Schmerzhaftigkeit, eine Schwellung und in den meisten Fällen ein Bluterguss auftreten, die auch einem wenig erfahrenen Untersucher und einem Laien auffallen. Dies wird auch durch Dr. N. ... bestätigt, der darauf hingewiesen hat, dass jede strukturelle Verletzung unmittelbar nach dem Schadensereignis ausgeprägte Beschwerden verursacht und insbesondere eine schwere Verletzung des fibularen Bandapparates einen sofortigen Funktionsverlust erwarten lässt, da das obere Sprunggelenk bei jeglicher Fortbewegung beansprucht wird. Eine typische, für eine Verletzung des Außenbandes im Bereich des linken Sprunggelenks sprechende Schmerzwahrnehmung und -wiedergabe ist durch die unmittelbar nach dem Unfallereignis konsultierten Ärzte nicht mitgeteilt worden. Gegenüber Dr. A. ... hat die Klägerin im Mai 1998 angegeben, dass sie sich an der linken 5. Zehe gestoßen habe. Gegenüber der im Juli 1998 aufgesuchten D-Ärztin hat sie auf eine Schmerzsymptomatik im Bereich des 5. Mittelfußknochens links lateral hingewiesen. Schmerzen oder Funktionseinschränkungen im linken Sprunggelenk hat sie diesen Ärzten nach dem Unfall nicht geschildert.

Die nach dem Unfallereignis zuerst behandelnden Ärzte Dr. A. ... und Dipl.-Med. B. ... haben auch keine objektiven Befunde dokumentiert, die für eine Verletzung des linken Sprunggelenks sprechen. Dr. A. ... hat wenige Tage nach dem Unfallereignis lediglich eine leichte hämatöse Schwellung im Bereich der 5. Zehe links ohne Frakturhinweis bemerkt. Im Juli 1998 hat Dipl.-Med. B. ... einen Druckschmerz entlang des 5. Mittelfußknochens ohne Schwellung festgestellt. Pathologische Befunde im Bereich des linken Sprunggelenks hat sie nicht mitgeteilt. Nach Einschätzung des Gutachters Dipl.-Med. M. ... wäre bei einem kompletten Riss des Außenbandes ein drastischerer Lokalbefund zu erwarten gewesen, der dem unmittelbar nach dem Unfall zuerst behandelnden Arzt aufgefallen wäre. Selbst wenn eine Bandverletzung eingetreten und nicht spontan abgeheilt wäre, hätte Dipl.-Med. B. ... im Juli 1998 eine typische Befundkonstellation aufgrund persistierender Beschwerden feststellen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Auch der operativ am 08.03.1999 erhobene Befund eines organisierten Hämatoms im Bereich des linken Sprunggelenks spricht den nachvollziehbaren Einschätzungen der Sachverständigen Dr. N. ... und Dipl.-Med. M. ... folgend nicht für eine traumatische Verursachung am 07.05.1998, da das Auftreten zehn Monate nach dem Unfall nicht erklärbar ist. Die durch Dr. E.... am 08.03.1999 durchgeführte Anfrischung der ruptierten Bandenden und die direkte Naht dieser Rissränder spricht nach Erfahrung von Dipl.-Med. M. ... ebenfalls gegen einen Kausalzusammenhang, da schon einige Wochen nach einer traumatischen Verletzung eine primäre Naht der Rissränder infolge der Schrumpfung der Bandenden nur noch selten gelingt. Eine histologische Untersuchung, die Aufschluss über Auftreten und Alter der Ruptur hätte geben können, wurde nicht durchgeführt.

Die erst im Februar 1999 ärztlich dokumentierten Beschwerden im Bereich des linken Sprunggelenks lassen keinen Bezug zum Unfallereignis erkennen. Der Senat folgt den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Dr. N. ..., Dr. L. ... und Dipl.-Med. M. ..., wonach es keine plausible Begründung für einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den erst zehn Monate danach erhobenen objektiven Befunden im Bereich des linken Sprunggelenks gibt. Auch die Dres. F. .../G. ... haben keine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben.

Darüber hinaus sind die auch von der Klägerin im Berufungsverfahren angegebenen weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen wie eine akute Bronchitis mit Synkope, chronischer Schwindel mit Tinnitus, ein HWS-Syndrom und arterielle Hypertonie nicht durch das Unfallereignis vom 07.05.1998 verursacht worden. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Beim dem Unfallereignis ist es nicht zu einer Einwirkung im Bereich des Kopfes und Oberkörpers der Klägerin gekommen, die eine unfallbedingte Erkrankung erklären könnte. Der Senat hat daher auch keinen weiteren Ermittlungsbedarf gesehen.

Die durch das SG der Klägerin auferlegte Zahlung einer Missbrauchsgebühr in Höhe von 150,00 Euro ist aufzuheben, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (in der seit 02.01.2002 geltenden Fassung des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 - BGBl. I S. 2144) kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ist ein Missbrauch dann gegeben, wenn eine Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (BVerfG, Beschlüsse vom 11.10.2001 - Az.: 2 BvR 1271/01; vom 10.02.1998 - Az.: 2 BvR 2283/97; vom 04.12.1997 - Az.: 1 BvR1985/96). Der Tatbestand der "offensichtlichen Aussichtslosigkeit" ist der Begründung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zufolge ein Unterfall der "Missbräuchlichkeit" der Rechtsverfolgung (BT-Drucks 14/6335 S. 35). Eine vom Sozialgericht ohne großen Aufwand begründbare Klageabweisung ist nicht schon mit der völligen Aussichtslosigkeit der Klage gleichzusetzen.

Die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ist zudem auch und vor allem durch ein subjektives Handlungselement geprägt (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl., Kap. XII RdNr. 35; vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 18.09.2003 - Az.: L 2 RA 379/03). Die Auferlegung von Kosten kommt nur in Betracht, wenn sich der Beteiligte der Missbräuchlichkeit seiner Rechtsverfolgung bewusst ist oder sie bei gehöriger Anstrengung zumindest erkennen kann. Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BVerfG. Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des erstmalig und mit seinem einzelnen gelagerten Fall betroffenen Beteiligten an (Thüringer LSG, Urteil vom 18.09.2003 - Az.: L 2 RA 379/03). Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der neuen Fassung des § 192 SGG zufolge für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intension des Gesetzgebers - wie sie bei der Novellierung des SGG im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist (BT-Drucks 14/5943 S. 28) -, den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG zu gestalten, für dessen Anwendung nach herrschender Rechtsprechung kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist.

Nach § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG steht dem Beteiligten sein Vertreter oder Bevollmächtigter gleich. Ist der Kläger demnach durch einen Rechtsanwalt, einen Rechtssekretär oder eine sonstige rechtskundige Person vertreten, ist auf deren Einsichtsfähigkeit abzustellen. Für sie gelten erhöhte Anforderungen. Allerdings ist auch hier wieder auf eine objektivierte Einsichtsfähigkeit abzustellen (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 18.09.2003, Az. L 2 RA 379/03). Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall nicht von einer Missbräuchlichkeit im Sinne einer offensichtlichen, das heißt völligen Aussichtslosigkeit ausgegangen werden.

Schon der Operateur Dr. E.... hat in seinem Befundbericht vom 26.04.1999 einen Unfallzusammenhang bejaht. Auch die im Verwaltungs- und Klageverfahren befragten Sach-verständigen sind zu unterschiedlichen gutachtlichen Einschätzungen gelangt. Während Dipl.-Med. M. ..., Dr. N. ... und Dr. L. ... die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zwischen dem Unfall und den Beschwerden im linken Sprunggelenk verneint haben, haben die Dres.  F. .../G. ... einen Zusammenhang angenommen. Wenn jedoch schon gutachtlich gehörte Ärzte und darüber hinaus der operierende Orthopäde als fach-kundige Personen zu unterschiedlichen Einschätzungen bei der Zusammenhangsfrage kommen, ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass eine dem Klagebegehren stattgebende gerichtliche Entscheidung - und sei es auch erst nach weiterer Sachaufklärung zum Zwecke der Ausräumung der widersprüchlichen gutachtlichen Einschätzungen - möglich ist; und deswegen muss der Beteiligte oder sein Prozessvertreter die Klage nicht als offensichtlich aussichtslos ansehen.

Da bereits die Voraussetzungen für die Verhängung der Missbrauchsgebühr nicht erfüllt sind, kann dahinstehen, ob das SG die Kosten in Höhe von 150,00 Euro festsetzen durfte ... Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.