Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 332/03 26.01.2005
Berufskrankheit Gonarthrose und degenerativer medialer Meniskopathie
Tatbestand
Der Kläger machte im Juni 1993 mehrere Berufskrankheiten geltend, darunter eine Kniegelenksabnützung beider Knie. Der behandelnde Orthopäde sprach in seiner ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit von Überlastungsbeschwerden des rechten Kniegelenkes bei Gonarthrose und degenerativer medialer Meniskopathie.
Der Kläger war von 1956 bis 1959 als Maurer und von 1959 bis 1992 als Ofenmaurer tätig. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten schätzte die Tätigkeit als ausreichend kniebelastend für eine Berufskrankheit ein.
Der von der Beklagten als Sachverständige gehörte Orthopäde Prof.Dr.S. kam in seinem Gutachten vom 06.03.1997 zu dem Ergebnis, dass eine Berufskrankheit nach Nr.2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung nicht vorliege. Gegen eine berufsbedingte Meniskopathie spreche die erst seit zwei Jahren auftretende Schmerzsymptomatik. Es bestünden zwar deutliche Meniskuszeichen, diese könnten aber auch im Rahmen der Gonarthrose und des damit degenerativen Meniskus positiv ausfallen. Der Krankheitseintritt sei relativ spät, bei der berufsbedingten chronischen Meniskopathie sei er früher als in der beruflich nicht belasteten Bevölkerung zu erwarten.
Mit Bescheid vom 13.01.1997 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil eine Berufskrankheit nach Nr.2102 der Anlage zur BKV nicht vorliege.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht mehrere Gutachten des Chirurgen Dr.K. eingeholt, der die Gesundheitsstörungen an beiden Knien des Klägers als wesentlich durch die beruflichen Belastungen mitverursacht angesehen hat, wozu er auch die Belastungen durch das Beklopfen der Ziegelsteine genau über dem Knie zählt. Er schätzt die dadurch bedingte MdE mit 20 v.H. ein. Die Beklagte hat hiergegen verschiedene Ärzte ins Feld geführt, die einen solchen ursächlichen Zusammenhang nicht sehen, vielmehr ein nicht belastungskonformes Schadensbild und eine schicksalhafte Verschleißkrankheit annehmen. Zuletzt hat die Beklagte ein Gutachten des Prof.Dr.B. und des Prof.Dr.H. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. vom 25.04.2003 vorgelegt. Darin ist im wesentlichen ausgeführt, entscheidend für die Beurteilung einer Berufskrankheit Nr.2102 sei der Nachweis einer primären Meniskopathie, d.h. es bedürfe des Nachweises, dass durch eine Überlastung beruflicher Art eine primäre Meniskuserkrankung zustande gekommen sei. Es liege aber zu keinem Zeitpunkt der Nachweis eines primären Meniskusschadens vor. Es seien vielmehr Arthrosezeichen an den Kniegelenken von Anfang an dokumentiert. Im Kernspintomogramm beider Kniegelenke vom 06.02.2003 würden degenerative Abfaserungen des Innenmeniskus am linken Knie festgestellt, am rechten Knie werde keine Meniskusläsion festgestellt. Damit sei am rechten Knie ein Meniskusschaden nicht nachzuweisen, wohl aber die Arthrose. Am linken Knie sei die Arthrose nachzuweisen und in der Folge ein degenerativer Meniskusschaden, nicht aber im Sinne der primären Meniskopathie.
Mit Urteil vom 25.06.2003 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. verurteilt. Bezüglich des Vorliegens eines Meniskusschadens rechts stützt sich das Urteil auf einen Befundbericht und bezüglich der Begründung einer Berufskrankheit und der dadurch bedingten MdE auf das Gutachten des Dr.K ... Die von Prof.Dr.B. und Prof.Dr.H. als Ursache genannte Arthrose wird als mit den beruflichen Einwirkungen konkurrierende Ursache abgehandelt und der beruflichen Belastung eine wesentliche Mitverursachung zugeschrieben.
Im Berufungsverfahren hat der Senat ein Gutachten des Orthopäden Dr.F. vom 24.06.2004 eingeholt. Danach besteht das als Berufskrankheit Nr.2102 anerkennungsfähige Krankheitsbild in einer primären Meniskopathie, die von einer sekundären Meniskuserkrankung abzugrenzen sei. Die sekundäre Meniskopathie sei als Meniskuserkrankung definiert, die im Gefolge zunächst ausgedehnter Knorpelschäden auftrete. Als ursächlich gälten minderwertige Gelenkknorpel, arthrotische Veränderungen bei anlagebedingten oder posttraumatischen Achsenfehlstellungen, Instabilitäten des Gelenks. Die Anerkennungsfähigkeit einer Meniskuserkrankung als beruflich verursacht stehe und falle damit, ob zuerst die Meniskuserkrankung bestanden habe oder ob der Meniskuserkrankung ein Gelenkverschleiß vorangegangen sei.
Eine primäre Meniskopathie sei weder für das linke noch für das rechte Kniegelenk gesichert worden, eine primäre Meniskopathie sei damit nicht zu begründen. Es ergäben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Kniegelenksarthrosen und die daraus resultierende Meniskopathie aus innerer Ursache entwickelt haben müssten. Es bestünden O-Beine, seit 30 Jahren sei Übergewicht bekannt, ferner seien metabolische Veränderungen festgestellt worden, speziell eine Erhöhung der Harnsäure, welche als ursächlich für die Entwicklung von Verschleißerscheinungen gelte. Des weiteren seien an allen größeren Gelenken der unteren Extremitäten Funktionsstörungen, radiologisch zusätzlich auch an den Hüften degenerative Veränderungen zu verifizieren. Hinzukämen die bekannten Stoffwechselstörungen des Klägers, wozu Diabetes und Fettstoffwechselstörungen zählten. Damit liege auf der Hand, dass die Ursache der Meniskusveränderungen konstitutionell bzw. alimentär bedingt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet. Beim Kläger besteht an beiden Kniegelenken keine Berufskrankheit, die die Beklagte zu entschädigen hätte.
Das Sozialgericht hat das für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren maßgebliche Recht und die gesetzliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ausführlich und zutreffend dargestellt. Einer wiederholten Darlegung bedarf es nicht.
Das Sozialgericht hat jedoch zu Unrecht das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung angenommen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr.F. , das insoweit mit den gutachterlichen Stellungnahmen des Prof.Dr.B. und Prof.Dr.H. in Übereinstimmung steht. Allgemein gilt, dass allein das Vorliegen einer in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung genannten Gesundheitsstörung und der dort genannten schädigenden Einwirkungen für die Annahme einer Berufskrankheit nicht ausreicht. Es bedarf vielmehr zusätzlich der Begründung des Ursachenzusammenhanges. Eine solche Begründung ist den Gutachten des Dr.K. insgesamt nicht zu entnehmen.
Die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte sind von den Sachverständigen Dr.F. , Prof.Dr.B. und Prof.Dr.H. in Übereinstimmung mit dem derzeitigen medizinischen Wissensstand dargelegt worden (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage 2003, S.706 f). Danach sind von den berufsbedingten, primären Meniskopathien die nicht berufsbedingten sekundären Meniskopathien zu unterscheiden. Bei sekundären Meniskopathien haben grundsätzlich andere, körpereigene Faktoren und nicht die beruflich bedingte Belastung die Schädigung des Meniskus zur Folge. Sowohl eine solche vorbestehende Arthrose als auch die schädigenden körpereigenen Anlagen sind von den zuletzt genannten Sachverständigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bezüglich des zeitlichen Eintretens vor der Meniskopathie nachgewiesen worden. Beim Kläger besteht demnach keine Meniskopathie, die als Berufskrankheit anzuerkennen wäre.
Der Berufung war damit stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich darauf, dass der Kläger in diesem Verfahren unterlegen ist. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens war zu berücksichtigen, dass die Beklagte erstmals zum Ende des Klageverfahrens ein Gutachten vorgelegt hat, das die zur Beurteilung einer Berufskrankheit Nr.2102 der Anlage zur BKVO nach dem derzeitigen medizinischen Wissensstand maßgeblichen Kriterien berücksichtigt hat. Für das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt kann damit der Sachverhalt als nicht hinreichend ermittelt angesehen werden und es wäre nicht gerechtfertigt, den Kläger seine außergerichtlichen Kosten des Verfahrens selbst tragen zu lassen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.