Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die 1948 in der Türkei geborene Klägerin hält sich seit 1972 in Deutschland auf. Sie besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Klägerin hat weder einen Beruf erlernt noch eine berufliche Ausbildung genossen. Sie befindet sich seit April 1973 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis als Friedhofsarbeiterin bei dem Bezirksamt N. Seit dem 14. Oktober 1996 übt sie keine Beschäftigung mehr aus. Sie war von diesem Zeitpunkt an zumindest bis 31. Dezember 1997 arbeitsunfähig krankgeschrieben oder arbeitslos gemeldet.

Den anamnestischen Angaben in den im Verfahren über die Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation über sie erstatteten Gutachten vom 5. Februar und 12. Mai 1997 ist zu entnehmen, dass sie weder eine Schule besucht noch Lesen und Schreiben gelernt hat. In der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2004 hat die Klägerin bestätigt, dass sie niemals zur Schule gegangen sei, weil man sie als Kind dort nicht hingeschickt habe. Sie habe deshalb niemals Lesen und Schreiben gelernt und könne das auch nicht. Sie kenne nur wenige gebräuchliche deutsche Redewendungen und könne sich in deutscher Sprache nicht verständigen.

Vom 23. Juli bis 3. September 1997 absolvierte die Klägerin in der Internistisch-Psychosomatischen Fachklinik in B ein Heilverfahren. In dem Entlassungsbericht vom 16. September 1997 wurde die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung abgegeben, wegen langanhaltender depressiver Reaktionen mit Somatisierung, LWS-Syndrom bei Protrusio, HWS-Syndrom und phobischer Störung sei die Klägerin als Gärtnereihilfsarbeiterin/Landschaftsarbeiterin nur halb- bis unter vollschichtig einsatzfähig; im Übrigen könne sie leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufiges Bücken, ohne Tragen, Bewegen und Heben schwerer Lasten und ohne Zwangshaltung in Tagesschicht vollschichtig verrichten.

In ihrem im Oktober 1997 gestellten Rentenantrag gab die Klägerin an, sie halte sich seit 1996 für erwerbsunfähig. Sie reichte ärztliche Bescheinigungen des Frauenarztes Dr. K vom 21. Januar 1997, des Orthopäden Dr. Z vom 28. Januar 1997 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 25. Juni 1997 ein. Letzterer hielt wegen einer chronifizierten und therapieresistenten Depression und Somatisierungsstörung sowie wegen eines chronischen HWS- und LWS-Syndroms die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für erfüllt.

Die Beklagte veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin Dr. W, die in ihrem Gutachten vom 19. Januar 1998 WS-Syndrom, Gonalgien, rezidivierende Zystitis, Dysmenorrhoen, klimakterisches Syndrom, depressives Syndrom und geringe obstruktive Ventilationsstörung feststellte und zu dem Ergebnis kam, die Klägerin sei als Gartenarbeiterin nicht mehr einsatzfähig, sie könne jedoch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne häufiges Bücken, ohne Leiter- und Gerüstarbeiten, ohne Atemwegreizstoffe, ohne Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck vollschichtig verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 27. Januar 1998 mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsunfähig, da sie mit dem verbliebenen Leistungsvermögen auf dem für sie maßgeblichen allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne.

Unter Vorlage eines Attestes von Dr. K vom 10. Februar 1998, der den Krankheitsverlauf trotz regelmäßiger und intensiver Behandlung als völlig ungünstig bezeichnete und eine psychiatrische Begutachtung zur Abklärung der Auswirkungen des depressiven Syndroms und der Somatisierungsstörung auf ihre berufliche Leistungsfähigkeit empfahl, legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 27. Januar 1998 Widerspruch ein. Die Beklagte veranlasste daraufhin ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Sozialmediziners und Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T vom 2. Juli 1998, der ein depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung feststellte und zu dem Ergebnis kam, der Klägerin seien leichte Arbeiten uneingeschränkt in allen Haltungsarten ohne besonderen Zeitdruck vollschichtig zumutbar. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 1998 zurück.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei seit März 1995 in neurologisch-psychiatrischer Behandlung, ohne dass sich eine Befundbesserung ergeben habe. Dies sei auch von dem behandelnden Arzt Dr. K bestätigt worden. Es bestünden außerdem degenerative Veränderungen und Fehlhaltungen der Wirbelsäule, wie sich aus der von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Orthopäden Dr. Z vom 29. März 1999 ergebe.

Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. K vom 23. September 1999, Dr. K vom 26. September 1999 sowie von dem die Klägerin behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. U vom 19. Dezember 1999 eingeholt.

Anschließend hat das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Wolfgang R zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 9. September 2000 die Diagnose einer Somatisierungsstörung mit depressiver Symptomatik gestellt und ausgeführt, dass das Ausmaß der Somatisierungsstörungen und damit auch der zeitweilig depressiv reaktiven Beschwerdesymptomatik durch offensichtliche bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenzen der Klägerin stark zu relativieren sei. Das Leistungsvermögen der Klägerin hat er dahingehend eingeschätzt, dass sie regelmäßig noch leichte Arbeiten, ohne Einfluss von Kälte, Feuchtigkeit oder Zugluft, in wechselnder Körperhaltung, ohne längerdauernde körperliche Zwangshaltung, ohne einseitige körperliche Belastung und Zeitdruck, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Nachtschicht, jedoch mit Wechselschicht, vollschichtig verrichten könne. Die aus der Sicht des behandelnden Nervenarztes geltend gemachte Schwere des Krankheitsbildes sei weder aufgrund der Behandlung noch aus den bei der Begutachtung erhobenen Befunden, psychosozialen Gegebenheiten, Aktivitäten und Interessen der Klägerin nachvollziehbar. Bezüglich der weitergehenden körperlichen und orthopädischen Beschwerdesymptomatik könne in keiner Weise von einem chronisch schweren Schmerzsyndrom ausgegangen werden.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein weiteres nervenärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie A vom 4. Oktober 2001 eingeholt. Dieser Sachverständige hat bei der Klägerin depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung, Wurzelkompressionssyndrom C7/C8 rechts, LWS-Syndrom, Tinnitus links und Meniskusschaden als Gesundheitsstörungen festgestellt. Wegen der Chronifizierung und Ausprägung des depressiven Syndroms sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben. Aufgrund des Verlaufs der Erkrankung sei eine grundlegende Besserung nicht mehr zu erwarten.

In der vom Sozialgericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 25. Februar 2002 ist der Sachverständige R bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin verblieben. Auch der vom Sozialgericht nochmals angehörte Sachverständige K hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 25. August 2002 an seiner Auffassung festgehalten.

Durch Urteil vom 11. Dezember 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin verfüge nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche und geistige Tätigkeiten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen R, der die bestehenden Leiden und Erkrankungen und die hieraus resultierenden Leistungseinschränkungen ausführlich und schlüssig dargestellt habe. Der abweichenden Einschätzung des Leistungsvermögens durch den Sachverständigen K sei nicht zu folgen. Er habe nicht nachvollziehbar begründen können, dass eine inzwischen schwer ausgeprägte chronifizierte depressive Symptomatik vorliege. Da die Klägerin, die keine Ausbildung durchlaufen habe und als ungelernte Arbeiterin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, sei sie nicht berufsunfähig oder sogar erwerbsunfähig. Der konkreten Benennung eines Verweisungsberufes bedürfe es nicht. Auch nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht bestehe kein Rentenanspruch der Klägerin, da keine Erwerbsminderung vorliege.

Gegen das am 28. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Februar 2003 eingelegte Berufung der Klägerin. Nach ihrer Auffassung hat das Sozialgericht dem Gutachten des Sachverständigen R, der eine deutliche Diskrepanz zwischen der Umfänglichkeit der subjektiv geklagten Beschwerden und den objektivierbaren körperlichen Beeinträchtigungen beschrieben habe, ohne überzeugende Begründung den Vorzug gegenüber dem Gutachten des Sachverständigen K gegeben. Dieser habe zutreffend darauf hingewiesen, dass mit Ausnahme des Sachverständigen R kein anderer Fachgutachter die Behauptung einer Aggravation oder Simulation erhoben habe. Da dieser Vorhalt, insbesondere bei einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung, für die Feststellung der Erwerbsminderung wesentlich sei, bedürfe es einer weiteren medizinischen Sachaufklärung.

Der Senat hat zunächst einen Befundbericht des Dipl. Psych. M vom 9. September 2003 eingeholt, bei dem die Klägerin vom 9. Juli 1998 bis 1. März 1999 wegen einer reaktiven Depression und psychosomatischen Beschwerden behandelt worden war. Die Therapie sei nach acht Sitzungen abgebrochen worden.

Anschließend hat der Senat ein psychiatrisches Gutachten des Arztes für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. B, Ltd. Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, V, vom 20. Februar 2004 eingeholt. Der Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

Anpassungsstörung in Ausprägung einer verlängerten depressiven Reaktion mit somatisierender symptomatischer Ausgestaltung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit elektromyographischem Nachweis einer chronischen Schädigung der Nervenwurzel C7/C8 rechts, ohne klinischen Befund, Kniegelenksverschleiß geringer Ausprägung (Gonarthrose) beiderseits nach arthroskopischer Meniskusteilresektion links im Februar 1998.

Zu der Diagnose „Anpassungsstörung" hat er erläuternd ausgeführt, diese sei deutlich erlebnisreaktiv geprägt, ohne Hinweis auf eine bedeutsame organische Grundlage. Ein Krankheitswert sei ihr zuzurechnen, weil der „analphabeten und in ihrer außerhäuslichen Kompetenz eingeschränkten Klägerin weniger Kompensationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen". Aggravationen seien nicht auszuschließen, bei deren Beurteilung sei jedoch das ganzheitliche und magische Denken der Klägerin als Analphabetin mildernd zu berücksichtigen. Im Rahmen der Anpassungsstörung sei sie vermehrt stressvulnerabel mit der Folge eingeschränkter Tauglichkeit für aufmerksames und zuverlässiges Handeln. Die Klägerin könne noch leichte körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen, unter Witterungsschutz auch im Freien, vollschichtig verrichten, wobei ein Wechsel der Haltungsarten günstig, aber nicht als Bedingung zu fordern sei. Zu vermeiden seien stressbelastete Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord und in Nachtschicht. Wechselschicht bleibe zumutbar. Andauernd gebückte oder kniende Tätigkeiten seien nicht mehr möglich, Arbeiten auf hohen Leitern und Gerüsten seien ihr nicht mehr zuzumuten, wohl hingegen Arbeiten auf Regalleitern. Keine besonderen Einschränkungen bestünden für das Arbeiten an laufenden Maschinen oder für Arbeiten, die Fingergeschicklichkeit erforderten. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Belastbarkeit der Wirbelsäule und Extremitäten sei das Heben und Tragen auf leichte Lasten zu begrenzen. Bei der Ausübung geistiger Arbeiten sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin weder lesen noch schreiben könne und durch Publikumsverkehr überfordert werde. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor.

Die Klägerin weist darauf hin, dass ihr Leistungsvermögen nach dem Gutachten Dr. B erheblich eingeschränkt sei. Die Mitberücksichtigung ihres Analphabetismus könne zu einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen führen, welche die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich mache.

Die Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2004 persönlich angehört worden ist, beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 1998 zu verurteilen, ihr ab 1. November 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, ein sog. Summierungsfall liege deshalb nicht vor, weil es noch Tätigkeiten gebe, die die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen vollschichtig verrichten könne. Die Klägerin könne „noch Zureichen, Abnehmen, Maschinen bedienen und leichte Gegenstände verpacken". Sie sei auch noch in der Lage, den Beruf einer Toilettenfrau auszuüben. Insoweit nimmt die Beklagte auf die dem 16. Senat des Landessozialgerichts Berlin in dem Verfahren L 16 RJ 35/00 erteilten Auskünfte Bezug.

Der Senat hat den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Auszüge aus einem berufskundlichen Sachverständigengutachten des Leiters des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, B, vom 29. Juni 1999 gegenüber dem Sozialgericht Hamburg mit dem Hinweis überreicht, dass der Senat auf der Grundlage dieses Gutachtens die Frage der Verweisbarkeit der Klägerin auf leichte Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf- und Etikettierarbeiten prüfen werde.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und ihren Stellungnahmen zu den in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Auskünften wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf das Sitzungsprotokoll vom 22. Juli 2004 Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Renten- und Rehabilitationsakten der Beklagten lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zu.

Der Rentenanspruch der Klägerin beurteilt sich nach § 44 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung. Die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar, weil die Klägerin den Rentenantrag im Oktober 1997 gestellt hat und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (auch) für Zeiten vor dem 1. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Da die Klägerin keinen Beruf erlernt und bis 1996 lediglich ungelernte Tätigkeiten ausgeübt hat und deshalb keinen Berufsschutz genießt, hat sie ihre Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 11. Dezember 2002 folgerichtig auf die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente beschränkt und keine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI a.F. beantragt.

Der im Berufungsverfahren weiterverfolgte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit steht der Klägerin nicht zu. Sie erfüllt zwar die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 50 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) und sie hat auch in den letzten fünf Jahren vor Rentenantragstellung im Oktober 1997 drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Wie sich aus dem in der Rentenauskunft vom 19. März 1998 erteilten Versicherungsverlauf ergibt, sind alle Zeiten von 1984 bis Dezember 1997 durchgehend mit Pflichtbeitragszeiten oder Anwartschaftserhaltungszeiten belegt, so dass die Klägerin, auch wenn Erwerbsunfähigkeit erst im Laufe des Rentenverfahrens oder des anschließenden (hiesigen) Rechtsstreits eingetreten wäre, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt (vgl. hierzu §§ 241 Abs. 2 Satz 2, 197 Abs. 2, 198 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F.).

Dem Anspruch steht jedoch entgegen, dass die Klägerin weder bei Rentenantragstellung erwerbsunfähig war noch der Versicherungsfall im Laufe des Verfahrens eingetreten ist.

Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999 monatlich 630,- DM) übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).

Der Senat geht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. B vom 20. Februar 2004, das er für überzeugend hält und dem er in vollem Umfang folgt, davon aus, dass die Klägerin seit der Rentenantragstellung im Oktober 1997 noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten ohne erhebliche qualitative Einschränkungen verfügt. Soweit der Sachverständige K in dem Gutachten vom 4. Oktober 2001 zu der auch von dem behandelnden Arzt Dr. K vertretenen Auffassung gelangt ist, wegen der Chronifizierung und der Ausprägung des depressiven Syndroms sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, vermag der Senat dieser Einschätzung nicht zu folgen. Allein aus der Chronifizierung eines Leidens kann noch nicht auf die Quantität oder eine bestimmte Qualität der Leistungseinbußen geschlossen werden. Der Sachverständige K hat weder in dem Gutachten vom 4. Oktober 2001 noch in dem Ergänzungsgutachten vom 25. August 2002 nachvollziehbar darlegen können, dass das Leistungsvermögen der Klägerin aufgehoben oder zumindest quantitativ eingeschränkt ist.

Der Sachverständige Dr. B hat bei der Klägerin eine Anpassungsstörung in Ausprägung einer verlängerten depressiven Reaktion mit somatisierender symptomatischer Ausgestaltung festgestellt und hierzu erläuternd ausgeführt, die Anpassungsstörung sei deutlich erlebnisreaktiv geprägt, eine bedeutsame organische Grundlage habe sich nicht finden lassen. Dr. B hat hervorgehoben, dieser psychischen Störung sei ein Krankheitswert deshalb beizumessen, weil der in ihrer außerhäuslichen Kompetenz eingeschränkten Klägerin als Analphabetin weniger Kompensationsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Durch eine Rehabilitationsmaßnahme könne eine Behebung der psychischen Störung nicht erwartet werden. Diese schränkt jedoch, wie Dr. B in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen R und dem zuvor im Rentenverfahren tätig gewordenen Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T überzeugend herausgearbeitet hat, das Leistungsvermögen der Klägerin nicht quantitativ, sondern nur geringfügig qualitativ ein. Unter Berücksichtigung der weiteren bei ihr vorhandenen orthopädischen Leiden im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere der Halswirbelsäule bei C7/C8, die ohne klinischen Befund sind, und des beiderseitigen Kniegelenkverschleißes geringer Ausprägung nach arthroskopischer Meniskusteilresektion links im Februar 1998, kann die Klägerin nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Feststellungen der zuvor genannten medizinischen Sachverständigen leichte Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen sowie auch im Wechsel dieser Haltungsarten vollschichtig verrichten. Die Klägerin kann in Wechselschicht und an laufenden Maschinen arbeiten, ihre Fingergeschicklichkeit ist nicht eingeschränkt, sie kann noch leichte Lasten heben und tragen. In der Ausübung geistiger Arbeiten ist die Klägerin unter Beachtung ihres niedrigen bzw. fehlenden Bildungsstandes nur insoweit eingeschränkt, als Publikumsverkehr vermieden werden sollte. Ihre Aufmerksamkeit ist störanfällig, ihre Übersicht begrenzt. Die Klägerin ist uneingeschränkt wegefähig und benötigt keine zusätzlichen Pausen.

Mit diesem Leistungsvermögen, von dem der Senat bei seiner Entscheidung ausgeht, ist die Klägerin zwar nicht mehr in der Lage, die von ihr langjährig bis 1996 ausgeübte Tätigkeit als Friedhofsarbeiterin zu verrichten. Auch für Landschaftsarbeiten oder Gärtnereihilfsarbeiten, mit denen sie möglicherweise vom Bezirksamt Neukölln noch hätte beschäftigt werden können, reicht ihr Leistungsvermögen nicht aus. Hierbei handelt es sich um körperlich mindestens mittelschwere Arbeiten, die in gebückter Körperhaltung zu verrichten sind und gelegentlich auch das Heben und Tragen schwerer Lasten erfordern. Derartige Tätigkeiten sind der Klägerin zumindest seit Rentenantragstellung weder vollschichtig noch mindestens halbschichtig, sondern, wie bereits Dr. W in dem Gutachten vom 19. Januar 1998 angenommen hatte, nur noch unter zwei Stunden täglich zumutbar.

Die Unfähigkeit der Klägerin, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zumindest halbschichtig zu verrichten, bedingt jedoch keine Erwerbsunfähigkeit, weil diese erst dann gegeben ist, wenn es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Erwerbstätigkeiten mehr gibt, die mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch (vollschichtig) verrichtet werden können.

Das Leistungsvermögen der Klägerin reicht jedoch noch für eine nicht unerhebliche Anzahl von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes aus. Der Senat teilt die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung, dass die Klägerin noch Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Maschinen bedienen und leichte Gegenstände verpacken verrichten kann. Ihr sind leichte Pack-, Montier- und Produktionsarbeiten zumutbar. Hierbei handelt es sich, wie dem berufskundlichen Sachverständigengutachten des Leiters des Bezirksarbeitsamtes Hamburg-Mitte, B, vom 29. Juni 1999 zu entnehmen ist, um leichte körperliche, überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung zu verrichtende Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und Stressbelastungen, die nicht im Akkord oder in Nachtschicht verrichtet werden. Gewichtsbelastungen von mehr als 5 bis 6 kg fallen nicht an. Die von Herrn S beschriebenen Tätigkeiten gibt es in den verschiedensten Wirtschaftszweigen. Sie stellen keine Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen und erfordern weder deutsche Sprachkenntnisse noch die Fähigkeit des Lesens und Schreibens. Da die Klägerin leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen verrichten kann und ihre Fingerfertigkeit und -geschicklichkeit nicht eingeschränkt ist, sind ihr solche Arbeiten gesundheitlich zumutbar. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für gesundheitsbedingte intellektuelle Defizite bei der Klägerin, die es ausschließen könnten, dass sie die genannten Tätigkeiten nach einer Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten erlernen könnte. Der Analphabetismus der Klägerin beruht nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder auf intellektuellen Defiziten, sondern, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, darauf, dass man sie nicht zur Schule geschickt und sie später nicht die Möglichkeit (genutzt) hatte, Lesen und Schreiben zu lernen. Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass die intellektuellen Fähigkeiten der Klägerin ausreichten, mit Hilfe der Dolmetscherin der mündlichen Verhandlung zu folgen und die Fragen des Gerichts zu verstehen und zu beantworten. Es gibt somit noch Tätigkeitsfelder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die der Klägerin mit ihrem eingeschränkten Leistungsvermögen trotz der fehlenden deutschen Sprachkenntnisse und des Analphabetismus zugänglich sind.

Die Möglichkeiten der Klägerin, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine ihrem Leistungsvermögen entsprechende Tätigkeit zu finden, sind zwar eingeschränkt, der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ihr jedoch nicht verschlossen.

Grundsätzlich bedarf es bei Versicherten, die - wie im vorliegenden Fall die Klägerin - auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar sind und noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten mit zusätzlichen Einschränkungen verrichten können, nicht der konkreten Benennung (zumindest) einer Verweisungstätigkeit. Ausnahmsweise hat die Rechtsprechung die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit aber in solchen Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats des BSG ergangenen Beschlüsse des Großen Senats (GrS) des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 1 bis 4/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - sowie die nachfolgenden Entscheidungen des BSG, u.a. vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 - SozR 3-2600 § 43 Nr. 17, vom 24. März 1998 - B 4 RA 44/96 R -, vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - und vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R - SozR 3-2600 § 44 Nr. 12). Als Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. schwere spezifische Leistungsbehinderungen sind nach der Rechtsprechung des BSG

- besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (SozR 2200 § 1246 Nr. 17),
- die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen - i.V.m. anderen Einschränkungen (SozR 2200 § 1246 Nr. 136),
- Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, Notwendigkeit halbstündigen Wechselns von Sitzen und Gehen (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8),
- regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe (BSG vom 31. März 1993 - 13 RJ 65/91),
- Einarmigkeit oder Einäugigkeit (SozR 2200 § 1246 Nr. 30),
- Gefährdung der eigenen Person oder der Umgebung durch kurzfristige Schwindelanfälle, Ausschluss von Fließband- oder Akkordarbeit - i.V.m. körperlich leichten und fachlich einfachen Frauenarbeiten (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 23),
- Sehstörungen, Bewegungseinschränkungen der Hände, Arbeit unter Ausschluss bestimmter Umwelteinflüsse wie Kälte, Nässe oder Staub (SozR 3-2600 § 43 Nr. 21) und
- Gebrauchsunfähigkeit einer Hand (BSG, Urteil vom 23. August 2001 - B 13 RJ 13/01 R -)
anzusehen.

Die Aufzählung dieser Fallkonstellationen ist keinesfalls abschließend. Es sind eine Vielzahl (von Kombinationen) gesundheitsbedingter Leistungsstörungen denkbar, die als ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder schwere spezifische Leistungsbehinderungen zu werten sind und die Verpflichtung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auslösen können. Die vorgenannten Fallkonstellationen sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass es sich um durch Gesundheitsstörungen (Krankheiten oder Behinderungen) hervorgerufene Beeinträchtigungen handelt, die aufgrund ihrer Art oder ihres Schweregrades ungewöhnliche oder schwere spezifische Auswirkungen auf das Leistungsvermögen haben.

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Bei ihr liegen nur gewöhnliche Leistungseinschränkungen vor, die - wenn überhaupt - ihr Leistungsvermögen geringfügig stärker einschränken als dasjenige von vergleichbaren Versicherten gleichen Alters und Geschlechts.

Der Auffassung der Klägerin, die Mitberücksichtigung des Analphabetismus könne zu einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen führen, welche die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich machten, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie hätte zur Folge, dass bei ihr wegen ihrer Lese- und Schreibunkundigkeit und der fehlenden Fähigkeit, sich in deutscher (Umgangs-)Sprache zu verständigen, Erwerbsunfähigkeit angenommen werden müsste. Während für Personen, die des Lesens und Schreibens kundig oder der deutschen Sprache mächtig sind, mit einem dem der Klägerin vergleichbaren Leistungsvermögen Verweisungstätigkeiten (zum Begriff: vgl. die Beschlüsse des GrS des BSG vom 19. Dezember 1996 - S. 9 des Umdrucks GS 1/95 - mit den weiteren Hinweisen auf BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 72, 74, 98 und SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50) zur Verfügung stehen, könnte der Klägerin eine solche Verweisungstätigkeit nicht benannt werden.

Das bei der Klägerin festgestellte Leistungsvermögen würde - unter Außerachtlassung ihres Analphabetismus und der fehlenden Sprachkenntnisse - für Bürohilfstätigkeiten ausreichen. Eine Versicherte mit dem Leistungsvermögen der Klägerin könnte Tätigkeiten, wie sie in der Vergütungsgruppe X des Bundesangestelltentarifs (BAT) beschrieben sind, verrichten, also als Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit (z.B. Führung einfacher Kontrollen und Listen, wie Aktenausgabekontrollen, Nummernverzeichnisse; Hilfsleistungen bei der Postabfertigung, insbesondere Fertigen von Abschriften mit der Hand oder auf mechanischem Wege und dergleichen; Ausschneiden und Aufkleben von Zeitungsnachrichten nach Anweisung und Herkunftsbezeichnungen dieser Ausschnitte; Einordnen von Karteiblättern; Heraussuchen und Einordnen von Aktenstücken; Anfertigung von Abschriften und Reinschriften in Hand- und Maschinenschrift in deutscher Sprache.

Auch Tätigkeiten als Mitarbeiterin in einer Poststelle kämen für eine Versicherte mit dem Leistungsvermögen der Klägerin in Betracht. Hierbei handelt es sich um körperlich leichte, überwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeiten, die einen Haltungswechsel zulassen. Die damit verbundenen Aufgaben erfordern jedoch, da die eingegangene Post sortiert und verteilt werden muss, die Beherrschung der Landessprache und die Fähigkeit des Lesens. Auch die in einer Vielzahl von Tarifverträgen in der Gehaltsgruppe I beschriebenen „einfachen, vorwiegend schematischen oder mechanischen Tätigkeiten nach Einweisung, für die keine Berufsausbildung erforderlich ist" (vgl. z.B. den Gehaltstarifvertrag für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg vom 10. Juli 2000) erfordern Sprachkenntnisse und die Fähigkeit des Lesens und Schreibens, denn sie beinhalten u.a. die Ausführung von Schreib- und Übertragungsarbeiten, das Erledigen von Fernschreibarbeiten, das Ablesen und Registrieren der Ergebnisse einfacher Prüfungen und Messungen.

Für all diese Tätigkeiten reicht das gesundheitliche Leistungsvermögen der Klägerin aus. Sie sind ihr allein wegen der fehlenden deutschen Sprachkenntnisse und des Analphabetismus nicht zugänglich.

Für die von der Beklagten benannte Tätigkeit einer Toilettenfrau reicht das Leistungsvermögen der Klägerin dagegen nicht aus. Nach den dem 16. Senat des Landessozialgerichts Berlin in dem Verfahren L 16 RJ 35/00 erteilten Auskünften, insbesondere der Firmen L vom 28. Februar 2001, G E vom 1. März 2001 und H Reinigungsservice vom 6. März 2001, erfordert eine solche Tätigkeit u.a. das Wischen des Bodens und das Reinigen der Toilettenanlagen und der Waschbecken. In diesem Rahmen fällt gehäuftes Bücken, Knien und Hocken an, und es müssen Lasten bis zu 10 kg getragen werden. Solche Arbeiten scheiden für die Klägerin wegen ihrer Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden aus. Darüber hinaus sind nach der Auskunft der Firma Lafayette Lese- und Schreibkenntnisse unabdingbar, da Reinigungsmittel, alternative Mittel und deren Wirkungen gelesen und verstanden werden müssen. Nach Auskunft der Firma B GmbH vom 30. April 2001 und fast allen anderen um Stellungnahme ersuchten Firmen muss eine Toilettenfrau über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen.

Folgte man der Auffassung der Klägerin, dass nicht nur Tätigkeitsfelder aufgezeigt, sondern eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden muss, wäre die Klägerin erwerbsunfähig mit der Folge, dass ihr ab 1. November 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugesprochen werden müsste.

Im vorliegenden Fall ist jedoch die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht zu fordern. Es genügt die Feststellung, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin für bestimmte körperliche Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Maschinen bedienen und leichte Gegenstände verpacken ausreicht bzw. dass ihr leichte Pack- Montier- und Produktionsarbeiten zumutbar sind, und ihr deshalb noch Tätigkeitsfelder des allgemeinen Arbeitsmarktes offen stehen. Dass ihr der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen ihres Analphabetismus erschwert ist, kann ebenso wie der Umstand, dass sie wegen fehlender deutscher Sprachkenntnisse nicht kommunizieren kann, keine Berücksichtigung finden.

Da der Analphabetismus nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder Minderbegabung beruht, kann er nicht als „ungewöhnliche Leistungseinschränkung" gewertet werden, die zusammen mit den bei der Klägerin vorliegenden - gewöhnliche Leistungseinschränkungen hervorrufenden - Gesundheitsstörungen einen sog. Summierungsfall bilden könnte, der nach der Rechtsprechung des BSG die Pflicht zu Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auslöst. Wie bereits dargelegt wurde, können als ungewöhnliche Leistungseinschränkungen in diesem Sinne nur Gesundheitsstörungen (Krankheiten oder Behinderungen) Berücksichtigung finden. Der Analphabetismus ist ebenso wie mangelnde Ausbildung oder fehlende Kenntnisse der Landessprache ein individuelles Defizit, das, wenn er - wie hier - nicht durch eine gesundheitliche Störung bedingt ist, nicht einer Krankheit oder Behinderung gleichgestellt werden kann und deshalb bei der Prüfung, ob eine „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, außer Betracht bleiben muss.

Eine andere rechtliche Bewertung ist nach der Auffassung des Senats nicht deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei dem Analphabetismus um ein individuelles Defizit handelt, das nach den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitswelt den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt in erheblichem Umfang begrenzen kann. Soweit das BSG (Urteile vom 4. November 1998 - B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 62; Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R -) demgegenüber ausgeführt hat, § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. schreibe vor, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten zu entsprechen habe, wodurch sichergestellt werden solle, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen des Versicherten losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge, und darauf hingewiesen hat, dass der Begriff der „Fähigkeiten" grundsätzlich alle berufsrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten des Versicherten umfasse, wozu auch die Kenntnis des Lesens und Schreibens zähle, ist dem entgegenzuhalten, dass die genannte Vorschrift die Frage der sozialen Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten bei der Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit regelt. Ihre Anwendung setzt daher begriffsnotwendig voraus, dass - wegen eines vom Versicherten zu beanspruchenden Berufsschutzes - eine Verweisungstätigkeit zu benennen ist, während im vorliegenden Fall erst die Prüfung ansteht, ob - wegen eines Summierungsfalles - überhaupt eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss.

Die Klägerin kann auch nicht in eine der Fallgruppen einbezogen werden, bei denen selbst bei vollschichtig leistungsfähigen Versicherten ausnahmsweise von einer praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen ist. Als Ausnahmen von dem Grundsatz, dass der Arbeitsmarkt vollschichtig Leistungsfähigen offen steht, sind bislang nur solche Fallgestaltungen herausgestellt worden, in denen

1. der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, aber nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen,
2. der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, entsprechende Arbeitsplätze aber aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann,
3. die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann,
4. für den Versicherten nur Tätigkeiten in Betracht kommen, die auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden,
a) die an Berufsfremde nicht vergeben zu werden pflegen, b) die als Schonarbeitsplätze oder als Aufstiegspositionen nicht an Betriebsfremde vergeben werden, und
5. entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen (vgl. die Zusammenstellung mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG in den Beschlüssen des GrS des BSG vom 19. Dezember 1996 auf S. 13, 14 des Umdrucks GS 1/95).

Diese sog. Katalogfälle sind bei der Prüfung des Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit dadurch gekennzeichnet, dass dem Versicherten wegen besonderer Gesundheitsstörungen (Krankheiten oder Behinderungen) aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes der Zugang zu diesem verschlossen oder zumindest so erheblich erschwert ist, dass ernste Zweifel bestehen, ob er in einem Betrieb einsetzbar ist und einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz finden kann.

Es ist mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren, diesen Katalog auf Personengruppen auszudehnen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen individueller Defizite erschwert ist, die nicht auf einer Gesundheitsstörung beruhen, denen aber ohne dieses Defizit trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen eine Vielzahl von Tätigkeitsfeldern des allgemeinen Arbeitsmarktes offen stünde. Eine Erweiterung des Katalogs auf den Personenkreis der Analphabeten widerspräche dem in der Begründung der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BR-Drucks. 496/95 S. 39 f. = BT-Drucks. 13/2590 S. 18 f.), eine Ausweitung der Rentengewährung an vollschichtig leistungsfähige Versicherte zu verhindern und bis zur grundsätzlichen Neuordnung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit den bestehenden Status quo aufrechtzuerhalten. Hierauf hat auch der GrS des BSG in den Entscheidungen vom 19. Dezember 1996 (SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) seine Auffassung gestützt, es bestehe kein Grund, den Verschlossenheitskatalog zu erweitern und die Benennungspflicht auf Versicherte auszudehnen, die körperlich leichte Arbeiten nur mit weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten können. Der Senat folgt der Auffassung des GrS des BSG (a.a.O.), die Struktur der Renten wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des in dem genannten Gesetzesentwurf zum Ausdruck gebrachten Willens des Gesetzgebers schließe es aus, einen (arbeitslosen) Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten könne, deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich erschwerten. Durch Renten wegen Erwerbsminderung werde nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit „wegen Krankheit oder Behinderung" abgedeckt, nicht dagegen das Risiko einer Minderung der Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit, wodurch immer die letztgenannten Risiken eingetreten seien.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Fallgruppen, bei denen bislang die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen wurde, nicht auf solche Personengruppen zu erweitern sind, die noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten verfügen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt jedoch wegen nicht auf Gesundheitsstörungen beruhenden individuellen Defiziten wesentlich erschwert ist. Auch wenn - wie bei der Klägerin - die Chance, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen dem Leistungsvermögen und den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, wegen des Analphabetismus und fehlender Sprachkenntnisse sehr gering ist, bedarf es nicht der konkreten Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit. Diese ist nur erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt.

Da diese Voraussetzungen, wie dargelegt wurde, nicht erfüllt sind, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zu.

Auch nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente, weil die nunmehr geltenden Rechtsvorschriften (vgl. §§ 43, 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung) noch weitergehende Leistungsvoraussetzungen normieren als das bisherige Erwerbsminderungsrentenrecht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, weil das Urteil von zumindest einer Entscheidung des BSG abweicht.