Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Der Beklagte hatte bei der im Jahr 1967 geborenen Klägerin unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 05.11.2010, in der eine Depression, Verhaltensstörungen und ein Schwindel mit einem Einzel-GdB von 30, Krampfadern, eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks und Knorpelschäden am linken Kniegelenk mit einem Einzel-GdB von 20, eine chronische Magenschleimhaut-Entzündung mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Hochtonschwerhörigkeit und Ohrgeräusche mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt worden waren, mit Bescheid vom 10.11.2010 den GdB mit 40 seit 10.09.2010 festgestellt.

Die Klägerin beantragte am 22.11.2013 eine Neufeststellung ihres GdB. Der Beklagte zog die Arztbriefe des Pneumologen und Allergologen Dr. B. vom 13.02.2011 (eventuell behandlungsbedürftiges Schlafapnoe-Syndrom), der Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin C. vom 06.05.2013 (Wespen- und Bienengift-Allergie), des Allgemeinmediziners D. vom 23.10.2013 (Arrhythmia absolut) sowie des Internisten und Kardiologen Dr. E. vom 06.11.2013 (asymptomatisches intermittierendes Vorhofflimmern, kein Hinweis auf strukturelle Herzerkrankung, arterielle Hypertonie) bei. Die Versorgungsärztin Arndt berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.12.2013 zusätzlich einen Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 40. Mit Bescheid vom 18.12.2013 lehnte der Beklagte den Neufeststellungsantrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. F. vom 19.02.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2014 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.04.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Das SG hat zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Chirurg Dr. G. hat unter dem 24.07.2014 ausgeführt, bislang seien Fußschmerzen bei Senk-Spreiz-Fuß und Fersensporn, eine Sprunggelenksarthralgie bei Sprunggelenksarthrose sowie eine rezidivierende Lumboischialgie bei Verdacht auf einen Bandscheibenschaden nicht berücksichtigt worden. Der Chirurg Dr. H. hat unter dem 29.07.2014 ausgeführt, die Klägerin leide an einem Lip-/Lymphödem in beiden Beinen. Im Laufe der Behandlung sei es bei sehr guter Compliance der Klägerin zu einer deutlichen Befundverbesserung des Lip-/Lymphödems gekommen. Jedoch sei die fortführende beständige Kompressionstherapie und manuelle Lymphdrainage voraussichtlich lebenslang erforderlich. Die Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin C. hat im Schreiben vom 14.08.2014 mitgeteilt, die Klägerin habe nach einem Wespenstich eine anaphylaktische Reaktion Grad III mit Bewusstlosigkeit, wobei es sich um eine schwere, lebensbedrohliche Reaktion gehandelt habe, erlitten. Nach Durchführung einer zweitätigen stationären spezifischen Immuntherapie gegen Wespengift erfolge bei der Klägerin in vierwöchigem Rhythmus bei gutem Allgemeinbefinden und ohne Nebenwirkungen eine Wespengift-Gabe. Die empfohlene Dauer der Therapie betrage 5 Jahre.

Daraufhin hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Internisten Dr. I. vom 15.11.2014 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe ein Lip-/Lymphödem beider Beine mit dem Erfordernis eines erheblichen Therapieaufwandes in Form einer dreimal wöchentlichen einstündigen Lymphdrainage und des zusätzlichen Einsatzes eines maschinellen Lymphentstauungs-Gerätes. Bei gutem Effekt der therapeutischen Maßnahmen sei das Lymphödem zurzeit nur leicht ausgeprägt. Somit bestehe grundsätzlich keine wesentliche Funktionsbehinderung. Der Therapieaufwand sei jedoch erheblich. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes halte er hierfür einen Einzel-GdB von 20 für angemessen. Eine starke Schmerzhaftigkeit sei weder aufgrund der klinischen Untersuchung festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden. Ferner bestehe bei der Klägerin ein medikamentös adäquat eingestelltes Bluthochdruckleiden ohne nachweisbare Linkshypertrophie-Zeichen. Der Einzel-GdB hierfür betrage 10. Eine Herzrhythmusstörung sei zurzeit nicht nachweisbar. Außerdem bestehe ein Krampfaderleiden im Bereich der Vena saphena parva beidseits. Eine chronisch-venöse Insuffizienz bestehe nicht. In Kombination mit einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks und Knorpelschäden am linken Kniegelenk betrage hierfür der Einzel-GdB 20. Eine chronische Magenschleimhautentzündung mit einem GdB messbaren Ausmaßes könne nicht festgestellt werden. Im weiteren Verlauf seiner Darlegungen hat der Sachverständige ausgeführt, das Lip-/Lymphöden beider Beine sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Unter Einbeziehung der fachfremd vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen schätze er den Gesamt-GdB mit 50 ein. Der Sachverständige hat seinem Gutachten die Arztbriefe des Neurologen und Psychiaters Dr. J. vom 20.10.2014 (depressiv, viele Ängste, sehr irritabel, ständiges Gedankenkreisen) und des Dr. H. vom 24.10.2014 (ausgeprägtes, stark schmerzhaftes Lip-/ Lymphöden beider Beine, Stammvarikose der Vena saphena parva beidseits) beigefügt.

Dr. K. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.02.2015 ausgeführt, den vom Sachverständigen empfohlenen Einzel-GdB-Werten für das Lip-/Lymphödem fehle jegliche Grundlage. Ein erhöhter Therapieaufwand sei kein Grund für einen Einzel-GdB von 30 bei einem leichten Lymphödem ohne Funktionseinschränkungen. Auch sei der zusätzlich vorgeschlagene Einzel-GdB von 20 für die diskreten Krampfadern nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich des linken Kniegelenks gebe es keine objektivierbaren Unterlagen, so dass die Anerkennung eines Einzel-GdB von 20 für die untere Extremität bereits als weitreichend zu beachten sei.

Dr. I. hat in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 24.04.2015 ausgeführt, für ein Lymphödem an einer Gliedmaße mit stärkerer Umfangsvermehrung sei je nach Funktionseinschränkung ein Einzel-GdB von 20 bis 40 vorgesehen. Da bei der Klägerin ein Lip-/Lymphödem beidseits bestehe, könnten keine unterschiedlichen Umfangsvermehrungen gemessen werden. Nachdem zwischenzeitlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaßen vorgelegen habe, was grundsätzlich einen Einzel-GdB von 50 bis 70 begründet hätte, sei es nunmehr unter laufender Therapie, die einen erheblichen Therapieaufwand darstelle, zu einer Besserung gekommen, so dass nunmehr ein GdB von 20 begründbar sei. Aufgrund eines Übertragungsfehlers habe er im weiteren Verlauf seines Gutachtens ausgeführt, der Einzel-GdB betrage hierfür 30. Hierzu sei festzustellen, dass das bereits mit einem Einzel-GdB von 20 anerkannte Krampfaderleiden unter Einbeziehung der Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks sowie der Knorpelschäden des linken Kniegelenks unter Einbeziehung des Lip-/Lymphödems beidseits nunmehr einen Einzel-GdB von 30 auf internistischem Fachgebiet begründeten. Somit ergebe sich nunmehr ein Gesamt-GdB von 50.

Sodann hat das SG von Amts wegen das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. L. vom 02.07.2015 eingeholt. Die Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Episode, aktuell remittiert unter Medikation, einen Schwindel und einen Tinnitus rechts diagnostiziert. Die auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet festgestellten Erkrankungen führten zu leichten, allenfalls mittelschweren Einschränkungen von Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit und Selbstbehauptungsfähigkeit sowie verminderter Stressresistenz und Lärmempfindlichkeit. Verhaltensstörungen lägen nicht vor. Der Einzel-GdB für die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet betrage 30. Unter Berücksichtigung der anderen Behinderungen sei der Gesamt-GdB mit 40 einzuschätzen. Allerdings sei kritisch anzumerken, dass bei der Klägerin eine allergische Reaktion auf Wespenstiche bestehe. Der fachdermatologischen Einschätzung im Hinblick auf ein erheblich erhöhtes Risiko für Wespenstiche im ausgeübten Beruf als Bäckereiverkäuferin sei grundsätzlich zu folgen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne aber nicht eingeschätzt werden, ob daraus ein eigenständiger GdB resultiere. Dem Gutachten sind der Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Nauheim vom 31.03.2015 (Phleb-/Lymphödem unterschenkelbetont bei Rezidiv-Varicosis beidseits und Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose links, Adipositas Grad II stammbetont, Erschöpfung und reduzierte körperliche Belastbarkeit, arterielle Hypertonie, intermittierendes Vorhofflimmern; Bl 103) sowie die Arztbriefe der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. M. vom 15.10.2009 (mäßiger Kniegelenkserguss) und vom 21.11.2014 (Chondropathie patellae mit deutlichen tiefen Knorpelrissen, degenerative Innenmeniskopathie Grad III links) und des Chirurgen N. vom 04.12.2014 (deutliche Zeichen einer Innenmeniskusläsion, ausgeprägte Knorpelschäden) beigefügt gewesen.

Ferner hat die Klägerin die Arztbriefe der Inneren Medizin II des Theresienkrankenhauses und der St. O.-Klinik GmbH C. vom 21.07.2015 (hochsymptomatisches paroxysmales Vorhofflimmern mit gehäuften Episoden und mit hohem Leidensdruck) und der Sektion Unfallchirurgie und Orthopädie des Diakonissenkrankenhauses C. vom 03.05.2016 (Arthroskopie, Gelenkspülung und therapeutische Injektion des linken Kniegelenks, Knorpelschäden Grad III im Bereich des medialen Tibiaplateaus und des medialen Condylus, Knorpelschäden Grad III femoropatellar, freier Gelenkkörper) vorgelegt.

Das SG hat mit Urteil vom 11.05.2016 die Klage abgewiesen. Das Lip-/Lymphödem beider Beine, das derzeit nur leicht ausgeprägt sei, so dass keine wesentliche Funktionsbehinderung bestehe, sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Dies sei durch den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Nauheim, in dem die Beeinträchtigung durch diese Erkrankung in Aktivität und Teilhabe als nur mäßiggradig beschrieben worden sei, bestätigt worden. Das Kriterium eines Therapieaufwandes sei für die Beurteilung des GdB hier nicht vorgesehen. Auch für die geringe Krampfaderbildung der Vena saphena parva an beiden Beinen könne ein Einzel-GdB von 20 nur in Verbindung mit der Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks mit Knorpelschäden angenommen werden. Ein eigenständiger höherer Einzel-GdB für das linke Kniegelenk könne derzeit nicht vergeben werden. Denn es lägen keine Befunde über anhaltende Reizerscheinungen vor. Für den Bluthochdruck sei ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen, da er medikamentös adäquat eingestellt sei und Links-Hypertrophie-Zeichen nicht nachweisbar seien. In Bezug auf die Herzrhythmusstörungen liege keine Leistungsbeeinträchtigung vor, so dass eine höhere Bewertung als mit einem Einzel-GdB von 10 nicht angemessen sei. Zudem sei im Juli 2015 eine Pulmonal-Venen-Isolation erfolgt. Danach seien keine Rhythmusstörungen berichtet worden. Die bislang mit einem Einzel-GdB von 10 belegte chronische Magenschleimhautentzündung habe sich im Klageverfahren nicht mehr gefunden. Die seelische Störung erscheine derzeit mit einem Einzel-GdB von 30 als eher zu hoch bewertet. Verhaltensstörungen lägen nicht vor. Die Depression sei derzeit unter Medikation weitestgehend remittiert, so dass im Hinblick auf den Erschöpfungszustand und die Schwindelanfälle eher von einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung mit einem Einzel-GdB von 20 auszugehen sei. Für die bei der Klägerin vorliegende Wespengift-Allergie erscheine ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Dies folge aus den konkreten und ausgeprägten Risiken, die für die Klägerin trotz der laufenden Immunisierungstherapie weiterhin mit einem Wespenstich verbunden seien, nämlich einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock mit Bewusstlosigkeit sowie der Notwendigkeit, ständig ein Notfallset bei sich zu führen Nach alledem sei der Gesamt-GdB mit 40 weiterhin zutreffend bewertet.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.06.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Es sei bislang nicht berücksichtigt worden, dass allein durch die Venenerkrankung die Teilnahme an der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt sei. Der Therapieaufwand für die Venenerkrankung sei erheblich. Zum einen seien beide Beine von der Venenerkrankung betroffen. Also müssten beide Beine mit Stützstrümpfen versehen werden. Das Anziehen derselben sei sehr zeitaufwändig, vor allem in den Sommermonaten. Sie erhalte ferner dreimal wöchentlich eine einstündige Lymphdrainage und müsse sich an den anderen vier Tagen in der Woche mit einem Gerät mehr als eine Stunde lang behandeln. Ferner gehe sie zweimal wöchentlich schwimmen. Die Nichtberücksichtigung dieses Therapieaufwands widerspreche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Auch sei die psychiatrische Erkrankung zu niedrig bewertet. Sie sei regelmäßig in psychiatrischer Behandlung. Sie leide an Angst und deutlichen Depressionen. Auch die Wespenstich-Allergie sei nicht ausreichend in die Bewertung geflossen. Eine solche Erkrankung von lebensbedrohlichem Ausmaß führe zu erheblichen Angstzuständen. Ferner sei die Knieerkrankung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Sie hat die Arztbriefe des Dr. J. vom 12.07.2016 (weiter deutlich depressiv, sichtlich irritabel, viele Ängste) und des Dr. H. vom 16.01.2017 (aktuell zeige sich der Befund unter konsequenter Kompressionstherapie und manuelle Lymphdrainage stabil) sowie den Entlassungsbericht des ZAR C. Auf dem Sand GmbH und Co. KG vom 19.10.2016 (muskuläres und funktionelles Defizit nach Implantation einer Knieoberflächen-Ersatzprothese links vom 07.09.2016 bei Gonarthrose, paroxysmales Vorhofflimmern mit Dauertherapie, arterielle Hypertonie, chronisch-venöse Insuffizienz, alimentäre Adipositas, Nikotinabusus, Depression, Wespengift-Allergie) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Mai 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit 50 festzustellen, hilfsweise die Revision zu der Frage, ob bei der Bewertung von Gefäßerkrankungen im Bereich der Nr. 9.2.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze der Therapieaufwand sich erhöhend auf die Bewertung im Teilhabebereich auswirkt, zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der vorliegende medizinische Sachverhalt sei vom SG zutreffend gewürdigt worden. Hinsichtlich der Problematik der Kniegelenks-Operation solle ein Dauerzustand abgewartet werden.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 25.01.2017 erörtert. Die Beteiligten haben sich in diesem Erörterungstermin mit einer Entscheidung des Senats durch Beschluss ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund dessen, dass das SG nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten hierzu vorher gehört hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils vom 11.05.2016, mit dem das SG die auf die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 18.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2014 und die Verpflichtung des Beklagten, den GdB der Klägerin mit 50 festzustellen, gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG abgewiesen hat.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neufeststellung des GdB.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Neufeststellung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer solchen ist bei einer Änderung im Gesundheitszustand auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15), dass - soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I 2904), 14.07.2010 (BGBl. I 928), 17.12.2010 (BGBl. I 2124), 28.10.2011 (BGBl. I 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. a in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX; danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend (BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris).

Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung des GdB mit 50.

Für die Behinderungen der Klägerin im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" kommt nach der Überzeugung des Senats allenfalls ein Einzel-GdB von 20 in Betracht. Die von Dr. L. in ihrem Gutachten vom 02.07.2015 diagnostizierten Erkrankungen in Form einer aktuell unter Medikation remittierten rezidivierenden depressiven Episode, eines Schwindels und eines Tinnitus rechts führen nach den überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen nur zu leichten, allenfalls mittelschweren Einschränkungen von Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit und Selbstbehauptungsfähigkeit sowie verminderter Stressresistenz und Lärmempfindlichkeit. Verhaltensstörungen hat die Gutachterin verneint. Eine dauerhafte schwere seelische Erkrankung lässt sich den Arztbriefen des Dr. J. vom 20.10.2014 und 12.07.2016 nicht entnehmen. Mithin handelt es sich insoweit lediglich um nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewertende leichtere psychovegetative oder psychische Störungen. Dieser GdB-Rahmen ist unter zusätzlicher Berücksichtigung der Auswirkungen der von Dr. L. beschriebenen Wespenstich-Allergie nach oben auszuschöpfen. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertende stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) resultieren hieraus aber nicht. Denn den ärztlichen Unterlagen lässt sich etwa eine relevante Angststörung der Klägerin in Bezug auf Wespenstiche nicht entnehmen. Dagegen spricht schon, dass die Klägerin trotz der Wespenstich-Allergie eine mit einem erhöhten Stichrisiko verbundene berufliche Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin ausübt und auch weiterhin ihrem Schrebergarten-Hobby nachgeht. Nach Ansicht des Senats ist die Wespenstich-Allergie auch nicht mit einem gesonderten Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Allein der Umstand, dass bei der Klägerin ausweislich der Angaben der Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin C. in ihrem Arztbrief vom 06.05.2013 und ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 14.08.2014 nach einem Wespenstich eine anaphylaktische Reaktion Grad III mit Bewusstlosigkeit aufgetreten ist, es sich dabei um eine schwere, lebensbedrohliche Reaktion gehandelt hat und infolge dessen eine Wespengift-Gabe für fünf Jahre in einem vierwöchigen Rhythmus sowie das ständige Beisichführen eines Notfallsets erforderlich ist, rechtfertigt eine solche GdB-Bewertung nicht. Das Risiko, erneut gestochen zu werden und bei Nichtbeisichführen eines Notfallsets erneut lebensbedrohlich zu reagieren, führt zu keiner Funktionsbehinderung und rechtfertigt daher entgegen der Ansicht des SG nicht die Annahme einer dauerhaften GdB-relevanten Behinderung (anderer Ansicht LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.09.2012 - L 13 SB 359/09 - juris Rn. 27). Die Wespenstich-Allergie kann nach Ansicht des Senats auch nicht mit einer nach den VG, Teil B, Nr. 8.5 mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewertenden Hyperreagibilität mit häufigen (mehrmals pro Monat) und/oder schweren Anfällen gleichgesetzt werden, da eine schwere anaphylaktische Reaktion spätestens durch Anwendung des Notfallsets verhindert werden kann, so dass mit häufigen Anfällen oder einem weiteren schweren Anfall nicht zu rechnen ist.

Ferner ist bei der Klägerin für die Behinderungen im Funktionssystem "Herz-Kreislauf" ein Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen.

Das SG hat überzeugend dargelegt, dass und warum das Lip-/Lymphödem der Klägerin mit einem GdB von 10 angemessen bewertet ist. Nach den VG, Teil B, Nr. 9.2.3 ist ein Lymphödem an einer Gliedmaße ohne wesentliche Funktionsbehinderung und mit dem Erfordernis einer Kompressionsbandage mit einem GdB von 0 bis 10, mit stärkerer Umfangsvermehrung (mehr als 3 Zentimeter) je nach Funktionseinschränkung mit einem GdB von 20 bis 40 und mit erheblicher Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaße, je nach Ausmaß, mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten. Hieraus folgt, dass nach den von den VG, Teil B, Nr. 9.2.3 vorgesehenen Kriterien für die GdB-Beurteilung von Lymphödemen allein auf die Funktionseinschränkung beziehungsweise Gebrauchsfähigkeit abzustellen ist. Einen anderen Inhalt der VG, Teil B, Nr. 9.2.3 lassen die juristischen Auslegungsmethoden nicht zu. Ihr Wortlaut ("ohne wesentliche Funktionsbehinderung", "je nach Funktionseinschränkung", "erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaße, je nach Ausmaß") ist insoweit eindeutig. Durch eine Nachfrage beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin beziehungsweise dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales auszuräumende Zweifel bestehen nicht (vergleiche zu den VG, Teil B, Nr. 15.1: BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris). Auf den Wortlaut der VG, Teil B, Nr. 9.2.3 hat auch Dr. K. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.02.2015 zutreffend abgestellt. Ferner hat nach den VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. a der GdB die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen zum Inhalt. Der GdB ist danach ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Eine Funktions- beziehungsweise Gebrauchsfähigkeitseinschränkung resultiert vorliegend aber aus dem beidseitigen Lip-/Lympödem der Klägerin gerade nicht. Dies haben Dr. H. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 29.07.2014 und Dr. I. in seinem Gutachten vom 15.11.2014 überzeugend dargelegt. Letzterer hat das Lip-/Lymphödem beider Beine aufgrund des guten Effekts der durchgeführten Therapie in Form einer dreimal wöchentlichen einstündigen Lymphdrainage und einer viermal wöchentlichen maschinellen Lymphentstauung als nur leicht ausgeprägt beschrieben und dargelegt, dass hieraus keine wesentliche Funktionsbehinderung resultiert. Auch ist nach den Angaben des Gutachters eine starke Schmerzhaftigkeit weder aufgrund der klinischen Untersuchung festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden, so dass Dr. H. in seinem Arztbrief vom 24.10.2014 keine dauerhafte starke Schmerzhaftigkeit beschrieben haben kann. Im Übrigen hat Dr. H. in seinem Arztbrief vom 16.01.2017 den Zustand der Klägerin unter konsequenter Therapie als stabil beschrieben. Ferner ist in dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Nauheim vom 31.03.2015 die Beeinträchtigung durch diese Erkrankung in Aktivität und Teilhabe als nur mäßiggradig beschrieben worden. Entgegen der Ansicht der Klägerin und der Einschätzung des Sachverständigen rechtfertigt der erhebliche Therapieaufwand keine höhere GdB-Bewertung. Durch ihren individuellen Therapieaufwand wird die Klägerin nicht in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleidet in ihrer gesamten Lebensführung keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Mithin ist das Lip-/Lympödem der Klägerin aufgrund des beiderseitigen Auftretens mit einem GdB von 10 angemessen bewertet.

Der Senat hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der VG, Teil B, Nr. 9.2.3. Sie stellen für die GdB-Bewertung von Lymphödemen nicht auf den erforderlichen Therapieaufwand der behinderten Person sondern zutreffend allein auf die Funktionseinschränkung beziehungsweise Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen ab. Die VG entsprechen insoweit den rechtlichen Vorgaben der §§ 2 und 69 SGB IX und dem aktuellen Stand der Medizin. Zwar hält das Bundessozialgericht bei der GdB-Bewertung des Diabetes mellitus für die GdB-Bewertung neben der erreichten Stoffwechsellage insbesondere den dabei erfolgenden Therapieaufwand für maßgeblich (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - juris) und hat dies der Verordnungsgeber in den VG, Teil B, Nr. 15.1 umgesetzt. Die diese Entscheidungen tragenden Begründungen können aber auf die GdB-Bewertung von Lymphödemen nicht übertragen werden. Zum einen stellen das Bundessozialgericht und der Verordnungsgeber bei der GdB-Bewertung des Diabetes mellitus nicht allein auf den Therapieaufwand ab, sondern der Therapieaufwand wirkt sich nur dann GdB-erhöhend aus, wenn die Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann oder der behinderte Mensch durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt ist und aufgrund des Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung erleidet. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es im Schwerbehindertenrecht um die Feststellung der Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen geht und demnach nicht Diagnosen oder körperliche Defizite zu erfassen sind, sondern die Behinderung selbst maßgeblich ist, die darin besteht, dass der von Krankheit betroffene Mensch nicht mehr die Gesamtheit der ihm sozial zugeschriebenen Funktionen unbeeinträchtigt und ungefährdet wahrnehmen kann (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris).

Doch selbst wenn man die VG, Teil B, Nr. 9.2.3 anders auslegen oder - weil man in ihnen einen Verstoß gegen §§ 2 und 69 SGB IX sehen würde - nach anderen Maßgaben anwenden und die GdB-Bewertung von Lymphödemen unter Berücksichtigung des Therapieaufwandes vornehmen wollte, so würde dies im Falle der Klägerin nicht zu einer Heraufsetzung des GdB führen. Denn der zeitliche Therapieaufwand der Klägerin hat - für sich genommen - keinen maßgeblichen Einfluss auf die tatsächlich bestehenden Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Im Schwerbehindertenrecht geht es um die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, aufgrund derer der von Krankheit betroffene Mensch nicht mehr die Gesamtheit der ihm sozial zugeschriebenen Funktionen unbeeinträchtigt und ungefährdet wahrnehmen kann. Sie können sich bei gewissen stummen Erkrankungen allein aus ärztlichen Handlungsanweisungen, zum Beispiel Diät, Ruhepausen, Schonung, verkürzte Arbeitsbelastung, Meidung bestimmter Außeneinflüsse oder Vorgaben zu bestimmten Körperhaltungen ergeben. Eine eigenständige funktionelle Bedeutung des Therapieaufwands, zum Beispiel ständiger aufwändiger Verbandswechsel, ist insoweit nicht erforderlich. Die mögliche Teilhabebeeinträchtigung durch medizinisch notwendigen Therapieaufwand beruht auf therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung beziehungsweise bei der Gestaltung des Tagesablaufs, die sich z. B. bei der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten, der Berufsausübung und der Mobilität zeigen. Die Intensität der Einschnitte in die Lebensführung und damit der nachteiligen Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist davon abhängig, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt ist, mit einem Vernachlässigen der Maßnahmen gravierende gesundheitliche Folgen einhergehen können oder die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt wird. Je flexibler die Durchführung der notwendigen Therapie gehandhabt werden kann, desto geringer fällt die Intensität der Teilhabestörung aus. Dies gilt auch für den Fall, dass ein (gelegentliches) Aussetzen der Therapie keine gravierenden Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Betroffenen hat beziehungsweise durch andere Behandlungsmethoden selbstbestimmt kompensiert werden kann (vergleiche zu den VG, Teil B, Nr. 15.1: BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Falle der Klägerin zu beachten, dass das Anziehen und Tragen von Kompressionsstrümpfen aus Sicht des Senats nicht zu einer erheblichen Teilhabestörung führt. Ferner kann die Klägerin die viermal wöchentliche häusliche maschinelle Lymphentstauung zeitlich flexibel in ihren Alltag einbinden. Zu einer gewissen zeitlichen Einschränkung führt lediglich die dreimal wöchentliche einstündige auswärtige Lymphdrainage, da die Klägerin insoweit auf die mit der Physiotherapie-Praxis vereinbarten Termine zeitlich und örtlich gebunden ist. Eine derart gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, dass im Falle der Klägerin der GdB für das Lip-/Lymphödem von 10 auf 20 heraufzusetzen wäre, resultiert hieraus aber nicht.

Bei der geringen beidseitigen Krampfaderbildung der Vena saphena parva handelt es sich nach der Überzeugung des Senats um nach den VG, Teil B, Nr. 9.2.3 mit einem GdB von 0 zu bewertende unkomplizierte Krampfadern und noch nicht um eine nach den VG, Teil B, Nr. 9.2.3 mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewertende Erkrankung in Form einer chronisch-venösen Insuffizienz (zum Beispiel bei Krampfadern) oder eines ein- oder beidseitigen postthrombotischen Syndroms. Insoweit stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Dr. I. in seinem Gutachten vom 15.11.2014, wonach eine chronisch-venöse Insuffizienz gerade nicht besteht. Ein postthrombotisches Syndrom lässt sich den Akten nicht entnehmen.

Der Bluthochdruck der Klägerin rechtfertigt allenfalls einen GdB von 10. Denn nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 ist ein Bluthochdruck in leichter Form ohne oder mit geringer Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) mit einem GdB von 0 bis 10 und erst in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I bis II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) oder bei diastolischem Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung, mit einem GdB von 20 bis 40 einzuschätzen. Bei der Klägerin besteht aber nach dem Gutachten des Dr. I. vom 15.11.2014 ein medikamentös adäquat eingestelltes Bluthochdruckleiden ohne nachweisbare Linkshypertrophie-Zeichen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.6 in Abhängigkeit von der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens mit einem GdB zu bewertende Herzrhythmusstörungen lassen sich bei der Klägerin nach dem Gutachten des Dr. I. vom 15.11.2014 nicht nachweisen.

Unter Zugrundelegung dieser GdB-Werte lässt sich mithin für die Behinderungen der Klägerin im Funktionssystem "Herz-Kreislauf" insgesamt kein höherer Einzel-GdB als 20 abbilden.

Für die Behinderungen der Klägerin im Funktionssystem "Beine" lässt sich kein höherer Einzel-GdB als 20 rechtfertigen. Bei der Klägerin sind in Bezug auf das linke Kniegelenk ausweislich des Arztbriefs der Sektion Unfallchirurgie und Orthopädie des Diakonissenkrankenhauses C. vom 03.05.2016 im Rahmen einer Arthroskopie Knorpelschäden Grad III im Bereich des medialen Tibiaplateaus und des medialen Condylus, Knorpelschäden Grad III femoropatellar sowie ein freier Gelenkkörper festgestellt worden und ausweislich des Entlassungsberichts des ZAR C. Auf dem Sand GmbH und Co. KG vom 19.10.2016 nach Implantation einer Knieoberflächen-Ersatzprothese links vom 07.09.2016 ein muskuläres und funktionelles Defizit beschrieben worden. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.12 beträgt bei einer einseitigen Totalendoprothese der GdB mindestens 20, wobei dieser Mindest-GdB für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gilt und bei eingeschränkter Versorgungsqualität höhere Werte angemessen sind. Anhaltspunkte für eine dauerhafte eingeschränkte Versorgungsqualität oder für eine nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 mit einem GdB messbaren Grades zu bewertende Bewegungseinschränkung geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis 0-0-90 Grad) oder mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0-10-90 Grad) lässt sich den ärztlichen Unterlagen nicht entnehmen. Eine Heraufsetzung des für die Behinderung im linken Kniegelenk vergebenen GdB von 20 rechtfertigen die vom Chirurg Dr. G. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 24.07.2014 beschriebenen Fußschmerzen bei Senk-Spreiz-Fuß und Fersensporn ebenso wenig wie die von ihm dargelegte Sprunggelenksarthralgie bei Sprunggelenksarthrose sowie rezidivierende Lumboischialgie bei Verdacht auf einen Bandscheibenschaden. Dauerhafte GdB-relevante Funktionseinschränkungen lassen sich seinen Angaben nicht entnehmen. Eine Berücksichtigung des Krampfaderleidens im Funktionssystem "Beine" kommt nicht in Betracht, da es bereits im Funktionssystem "Herz-Kreislauf" Berücksichtigung gefunden hat.

Ferner hat Dr. I. in seinem Gutachten vom 15.11.2014 eine chronische Magenschleimhautentzündung mit einem GdB messbaren Ausmaßes nicht festgestellt.

Anhaltspunkte für eine höhere Bewertung des Einzel-GdB von 10 für das Funktionssystem "Ohren" lassen sich den aktenkundigen Unterlagen nicht entnehmen, zumal der Tinnitus - wie oben dargelegt - bereits im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" Berücksichtigung gefunden hat.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche", Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf", Einzel-GdB 20 für das Funktionssystem "Beine", Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem "Ohren") lässt sich der Gesamt-GdB nicht höher als mit 40 feststellen. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach alledem waren die Einzel-GdB-Werte von 20 in den Funktionssystemen "Gehirn einschließlich Psyche", "Herz-Kreislauf" und "Beine" zu einem Gesamt-GdB von 40 zusammenzufassen. Dass der Gesamt-GdB der Klägerin zutreffend mit 40 einzuschätzen ist, ergibt sich auch daraus, dass bei der Bemessung des Gesamt-GdB ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen ist. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 beispielsweise nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 bei Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke anzunehmen. Hinter einer solchen doch gravierenden Funktionsbehinderung bleiben die bei der Klägerin dokumentierten Einschränkungen zurück.

Mithin hat es das SG zu Recht abgelehnt, den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 zu verurteilen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.